Storytelling für Journalisten
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Über dieses Buch

Der Kampf um die Aufmerksamkeit des Publikums ist in den Medien härter geworden. Wer heute als Journalist Erfolg haben will, muss die Kunst des Storytellings beherrschen. Gute Geschichten entstehen mit Fantasie, Inspiration – und handwerklichem Können.Marie Lampert und Rolf Wespe bieten in diesem Buch Strategien und praktische Werkzeuge für das professionelle Erzählen von Geschichten an. Wie finde ich eine Geschichte? Wie baue ich meine Story? Wie bringe ich das Chaos in eine lesbare Form? Mit vielen Beispielen aus der Praxis, zahlreichen Grafiken und Statements von Medienprofis weisen die Autoren den Weg zum erfolgreichen Storytelling.Ihre Rezepte umfassen bewährte Mittel wie die 'Mini-Geschichte', die 'Schrotflintenregel' oder die 'Leiter des Erzählens', eine einfache Methode, abstrakte Themen in lesbare Stoffe zu verwandeln. Die Autoren erläutern darüber hinaus auch Baupläne für komplexe Geschichten und das Muster der Heldenreise als Basis spannender Stories.Die dritte Auflage wurde überarbeitet und um neue Beispiele und Statements ergänzt. Weitere Beispiele für gelungenes Storytelling finden Sie direkt beim Buch auf www.uvk.de unter "Materialien".

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Information

Verlag
UVK
Jahr
2013
ISBN
9783864964046

[11]1Was ist Storytelling?

Mit Storytelling strukturieren Journalisten das Chaos der Information. Das Ziel ist es, die Aufmerksamkeit des Lesers, Users, Hörers und der Zuschauerin auf die Story zu lenken und sie aufrechtzuerhalten. Und wenn das Publikum sich später an die Botschaft zu erinnern vermag und sie weitererzählt, dann hat die Autorin die Story besonders erfolgreich aufgebaut und vermittelt. Sie hat dem Publikum eine bewegende Erfahrung oder eine sinnvolle Botschaft gegeben. Oder die User haben etwas Brauchbares gelernt.
Wie lenken Sie die Aufmerksamkeit des Publikums dauerhaft auf Ihre Botschaft? Storytelling heißt eine Sprache finden, die gleichzeitig Hirn und Herz anspricht. Autoren müssen die Grammatik des Gehirns und der Gefühle lernen. Darin besteht die Herausforderung. Das Gehirn ist berechenbar logisch. Emotionen haben ihre eigenen Rhythmen. Meister der Erzählung beherrschen diese Kunst. Bob Dylan sagt:
»It makes you feel and think at the same time.«
Dylans Satz bezieht sich auf den Schreibstil von Barack Obama. Man kann die Aussage verallgemeinern: Storytelling wirkt auf zwei Ebenen – das Publikum denkt mit und fühlt mit. Storytelling ist eine Basistechnik. Erzählen funktioniert auf allen Kanälen ähnlich: Print, Radio, TV, Internet. Jedes Medium lenkt mit seinen eigenen Mitteln, dem Ton, dem Bild, dem Text, die Aufmerksamkeit auf sich. Wir sind überzeugt: Es gibt eine Grundstruktur, die sich auf allen Kanälen entfalten kann.
Und was ist mit den journalistischen Grundformen? Wir verzichten darauf, Storytelling auf die einzelnen journalistischen Genres herunterzubrechen. Am Beispiel des Interviews können wir den Zusammenhang zeigen. Sie können ein Interview mit der Storykurve (siehe S. 19) machen und testen. Sie brauchen einen starken Einstieg und einen überzeugenden Schluss. Dazwischen kommen die spezifischen Fähigkeiten des Interviewers zum Zug, z. B. das Zuhören. Und wenn Sie Ihr Gegenüber dazu bringen, anschaulich zu erzählen, dann sind wir wieder beim Storytelling. Ähnliches könnte für die Reportage und das Porträt oder die Nachricht gesagt werden. Schließlich tragen wir damit auch der Tatsache Rechnung, dass die Grundformen in der Realität stark vermischt auftreten. Eigentlich keine schlechte Entwicklung: Man verwendet jene Mittel der journalistischen Rhetorik, welche die Aussage am stärksten unterstützen. Aus der gleichen Haltung heraus haben wir das Buch geschrieben.[12] Wir wollen keine neue Schule des Journalismus gründen. Wir stellen Angebote zur Verfügung und Sie bedienen sich.
»Es gibt keine neuen und alten Medien, nur Werkzeuge, um Geschichten besser zu erzählen.«
(Bruno Giussani, Upload – Magazin für digitales Publizieren)
Storytelling verarbeitet Informationsmenüs in überschaubaren Gängen. Und serviert die Information so, dass Leser, Hörer und Zuschauer Appetit bekommen. Der Koch im Restaurant bekommt sofort Feedback vom Kunden: versalzen, hervorragend, schwer verdaulich, ungenießbar. Die Journalistin erhält diffuse oder gar keine Rückmeldungen. Der Koch kennt den Geschmack der Gäste. Und diese wählen ein Restaurant nach ihrem Gusto: italienische, griechische, thailändische, gut bürgerliche Küche. Der Koch arbeitet für eine verhältnismäßig homogene Kundschaft. Die Journalistin schreibt nicht für eine klare Zielgruppe, sondern für ein sogenanntes disperses Publikum. Das fordert sie als Erzählerin. Besonders erfolgreich sind jene Autoren, die breite Zielgruppen in ihren Bann ziehen, z. B. Kinder und Erwachsene, wie Joanne Rowling mit Harry Potter oder Jonathan Swift mit Gullivers Reisen. Oder der Schweizer Troubadour Mani Matter mit seinen Liedern. Sie alle machen etwas richtig, das mit Storytelling zu tun hat.
Die Journalistin ahnt und lernt, dass es erfolgreiche Archetypen des Erzählens gibt. Storytelling kann Texte oder Beiträge verständlicher oder attraktiver machen. Und doch gilt es festzuhalten: Es gibt keine mathematisch berechenbare Erfolgsstory-Formel. Auch erfahrene Regisseure und Drehbuchschreiber können nicht mit Sicherheit voraussagen, ob ein Film die Millionen einspielt, die man investiert hat. Aber sie versuchen immer wieder aufs Neue, gute Geschichten zu erzählen.

[13]2Werkzeuge des Storytelling

»Die journalistischen Grundformen (Bericht, Feature, Porträt, Reportage etc.) in Ehren – aber die Zukunft gehört der Innovation. Überlegt euch am Anfang stets, ohne aufs Korsett der Formen zu achten, wie eure Geschichte adäquat und packend/überraschend erzählt werden kann; und dann entwickelt eure eigene Erzählweise. Es kann ein wilder Mix sein – das freut und erfrischt den Leser, solange er euch folgen und die Form nachvollziehen kann. Und nie, nie vergessen: Die recherchierten Fakten sind bloss Bausteine – erst wenn ihr daraus eine Geschichte baut, ist es eine Geschichte.«
Das schreibt Andreas Dietrich, früher Magazinjournalist und heute Nachrichtenchef beim Zürcher TAGES-ANZEIGER in den Arbeitsunterlagen für den Kurs Magazinjournalismus an der Schweizer Journalistenschule. Storytelling meint eine Metastruktur, die von den Farben und Formen der einzelnen journalistischen Formen durchaus profitieren kann. Storytelling findet überall, auch beim Interview statt. Auch da sollen Sie fulminant einsteigen und zu einem klaren Schluss kommen.
Wir haben vom Hirnforscher Manfred Spitzer (2002) gelernt, dass der Mensch nicht durch theoretische Konzepte, sondern mit Beispielen lernt. Als Einführung bieten wir sechs praktische Tipps.

2.1Die Leiter des Erzählers und der Erzählerin

Wie kommt man auf Geschichten? Gibt es ein Verfahren, eine Anleitung, wie man Geschichten entwickeln kann? Wir haben in der Aus- und Weiterbildung von Journalisten und Journalistinnen verschiedene Modelle ausprobiert. Sofort verstanden und erfolgreich umgesetzt wird die Leiter des Erzählers.
Wenn ich »Bett, Teppich, See, Berg« sage, dann produzieren die Leute Bilder im Kopf. Abstrakte oder komplexe Begriffe wie »Subprime-Papiere«, »Bereich«, »Konzept«, »onomatopoetisch«, »Philosophie« lösen in der Regel keine Bilder aus. Sie gehen oft beim einen Ohr hinein und beim andern wieder heraus.
[14]
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Leiter des Erzählers und der Erzählerin: vom Konkreten zum Abstrakten
Wie können wir abstrakte Themen mit bildhaften Wörtern vermitteln? Dazu bietet sich die Leiter des Erzählers an. Sie ordnet die Begriffe: Die abstrakten Wörter sind oben auf der Leiter. Je weiter wir heruntersteigen, umso konkreter und verständlicher werden sie. In der Mitte sind halbabstrakte, nicht sinnliche Fakten. Es handelt sich um die Gefahrenzone, in der sich Journalisten gerne aufhalten.
Nehmen wir das Thema Landwirtschaftspolitik. Auf der untersten Sprosse finden wir die konkreten Elemente: die Bäuerin, der Misthaufen, die Kuh, die Milch und der Käse. Wenn ich so einsteige, entwickeln die Leser Bilder im Kopf und können leicht folgen. Jetzt kann ich aufsteigen zu mittleren Sprossen, wo ich Themen wie Fruchtflächen und Subventionen finde, und den Leser zu den immer abstrakteren Problemen der Agrarpolitik führen.
[15]
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Fehlende Sprossen: Klimmzug ins Abstrakte
Spreche ich abstrakt über Agrarwirtschaft, steige ich für viele Leser zu hoch ein. Ich lasse die unterste Sprosse weg und zwinge die Leserin zu einem großen Schritt. Steige ich gar mehrere Sprossen weiter oben ein, verlange ich vom Leser gewissermaßen einen Klimmzug hinauf zum Thema. Viele verzichten auf diesen Kraftakt und wenden sich ab. Die Einschaltquote sinkt. Je mehr ich auf den Sprossen hinuntersteige, umso anschaulicher wird das Thema. Umso mehr kann ich Leser auf die Leiter locken. Beim Fernsehen ist dieses Verfahren üblich. Ich kann keinen abstrakten Beitrag über die Landwirtschaft filmen. Ich brauche Bilder und muss auf den Bauernhof, ich filme Bauern, Kühe, Felder. Auch die Boulevardpresse geht vor Ort. Als Printjournalist kann ich über das Thema schreiben, ohne das Büro zu verlassen. Der Preis der Bequemlichkeit ist oft eine langweilige Story.
»Die Leute zahlen nicht für Inhalte, sie zahlen für eine Erfahrung.«
(Chris Ahearn, Vorstandsvorsitzender der Nachrichtenagentur Thomson Reuter)
[16]Schon eine Sprosse kann das Interesse steigern. Eine Frau sagt: »Wenn ich heirate, schenkt mir mein Vater eine Aussteuer.« Wenn sie eine Sprosse tiefer einsteigt, sagt sie: »Ein Spinnrad und eine Bettstatt und eine gescheckte Kuh, schenkt mir mein Vater zur Hochzeit.« Die Zeile stammt aus einem Schweizer Volkslied. Sie vermittelt eine farbige Ministory. Wir begreifen sofort, dass wir es mit einer Bauerntochter zu tun haben.
Gewiefte Kommunikatoren nutzen dieses Verfahren, wenn Sie ein breites Publikum erreichen wollen. Barack Obama, Präsident der Vereinigten Staaten, gilt als einer der besten Redner der Welt. Er wechselt bewusst die Ebenen. So können wir ihm folgen, auch wenn er über die Ökonomie der USA spricht (Leanne 2009: 200; übersetzt vom Verfasser):
»Wir messen die Stärke unserer Wirtschaft nicht daran, wie viele Milliardäre wir haben. […] Sondern daran, dass Leute mit guten Ideen ein Risiko eingehen und ein eigenes Geschäft aufbauen können. Oder daran, ob eine Kellnerin, die vom Trinkgeld lebt, einen Tag frei machen kann, wenn ihr Kind krank ist, ohne dass sie ihren Job verliert. Wir wollen eine Wirtschaft, welche die Würde der Arbeit respektiert.«
Man kann Obama zusehen, wie er sich elegant auf der Leiter bewegt, er steigt ab zu innovativen Geschäftsleuten auf den mittleren Sprossen und holt dann mit der Kellnerin und dem kranken Kind die Zuhörer ab. Mit der Skizze aus dem Alltag und den Sorgen einer Kellnerin ist er ganz unten. Dann geht’s wieder hinauf mit einer Abstraktion: »die Würde der Arbeit«. Er hat klargemacht, wovon er spricht. Das Bild der Kellnerin bleibt hängen und wir sind bereit ihm zu folgen.
Eine gute Geschichte enthält beides: konkrete und abstrakte Inhalte. Ein perfektes Beispiel dafür lieferte der Astronaut Neil Armstrong:
»That’s one small step for a man, one giant leap for mankind.«
Bei Armstrong schwingt mit seinem ersten konkreten Schritt auf dem Mond die ganze abstrakte Perspektive der Raumfahrt und der Menschheit mit. Er ist gleichzeitig auf der untersten und der obersten Sprosse der Leiter. Er formuliert eine konkrete Geschichte mit Echoraum.
[17]Erzählen und berichten
Mit der gleichen Leiter können wir einen wesentlichen Aspekt des Storytelling veranschaulichen: erzählen statt berichten. Szenen sehen, Details beobachten und sie schildern. Diese Fähigkeiten sind das Markenzeichen des Erzählers.
Das Wort Barmherzigkeit steht auf der oberen Sprosse der Leiter. Unten wartet der heilige Martin, der einen frierenden Bettler sieht, mit dem Schwert seinen Mantel teilt und die Hälfte seines Kleides dem Bettler schenkt. Die kleine Szene geht ins Gedächtnis und verankert die Bedeutung von Barmherzigkeit. Der Mensch lernt nicht abstrakt, sondern durch Beispiele.
»Schauen, schauen, schauen. Und nie das ›Erstaunen‹ vergessen. Wir sind nicht da zu richten. Wir sind da zu erzählen.«
Das Motto stammt von Friedrich Glauser. Die er...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Urheberrecht
  4. Inhalt
  5. Einleitung
  6. 1. Was ist Storytelling?
  7. 2. Werkzeuge des Storytelling
  8. 3. Wie finde ich eine Geschichte?
  9. 4. Was brauche ich?
  10. 5. Wie fange ich an, mitte und ende ich?
  11. 6. Welche Form wähle ich?
  12. 7. Wie arbeite ich?
  13. 8. Wie prüfe ich?
  14. 9. Im Labor der Aufmerksamkeit
  15. 10. Ausleitung: vom Hol-Prinzip zum Bring-Prinzip
  16. 11. Texte und Beiträge
  17. 12. ABC des Storytelling (Glossar)
  18. Statements
  19. Anhang