Handbuch des Deutschen in West- und Mitteleuropa
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Handbuch des Deutschen in West- und Mitteleuropa

Sprachminderheiten und Mehrsprachigkeitskonstellationen

  1. 280 Seiten
  2. German
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Handbuch des Deutschen in West- und Mitteleuropa

Sprachminderheiten und Mehrsprachigkeitskonstellationen

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Über dieses Buch

Dieses Handbuch liefert einen Überblick ĂŒber Beschaffenheit und soziolinguistische Situation des Deutschen am Rande des geschlossenen deutschen Sprachgebietes in West- und Mitteleuropa. Dabei werden in einer Zusammenschau sowohl deutschsprachige Minderheiten als auch Mehrsprachigkeitskonstellation unter Beteiligung des Deutschen in den Blick genommen. Gemein ist allen Szenarien, dass sie unmittelbar an ein Gebiet mit deutschsprachiger Mehrheitsbevölkerung grenzen, Deutsch einen offiziellen Status besitzt, jedoch nicht unbedingt die volle Funktionsbreite abdeckt. In sieben Gebietsartikeln wird jeweils ein Überblick ĂŒber Demographie, Geschichte sowie politische und rechtliche Lage der Minderheiten gegeben. ZusĂ€tzlich wird fĂŒr jedes Gebiet eine Beschreibung der Kompetenz- und Sprachgebrauchssituation wie auch der soziolinguistischen Situation mit ihren je spezifischen Standard-Substandard-Verteilungen geboten. Schließlich werden auch Spracheinstellungen der Sprecher und die visuell realisierte Sprache im öffentlichen Raum (Linguistic Landscapes) erlĂ€utert.

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Information

Die Schweiz

Dialektvielfalt in mehrsprachigem Umfeld
Helen Christen / Regula Schmidlin
1 Geographische Lage
2 Demographie, Statistik, Wirtschaft
3 Geschichte
3.1 Von den Pfahlbauern zu den Alemannen
3.2 Von der Alten Eidgenossenschaft zum modernen Bundesstaat
3.3 Zur Geschichte der Schriftsprache in der Deutschschweiz
4 Politik, Kultur und rechtliche Stellung der Sprachen
4.1 Politische Lage
4.2 Rechtliche Stellung des Deutschen, Schulsystem, offizielle Sprachregelung
4.3 Sprachenlernen an Schweizer Schulen, die Bedeutung von Deutsch in nicht-deutschsprachigen Landesteilen
4.4 Kulturelle Institutionen, Medien, Literatur
5 Soziolinguistische Situation, Sprachgebrauch, Sprachkompetenz
5.1 VarietÀten und Varianten in den verschiedenen Sprachgebieten
5.2 Die Standardsprache in der Deutschschweiz
5.3 Die schweizerdeutschen Dialekte
5.4 Sprachkontakt zwischen Deutschsprachigen und Anderssprachigen
6 Einstellungen
6.1 Einstellungen gegenĂŒber den Dialekten
6.2 Einstellungen gegenĂŒber der Standardsprache
6.3 Einstellungen zwischen den Sprachgruppen
7 Sicht- und Hörbarkeit von Sprachen im öffentlichen Raum
7.1 Linguistic Landscape
7.2 Linguistic Soundscape
8 Ausblick
Literatur

1 Geographische Lage

Die Schweiz (dt. Schweiz, frz. Suisse, it. Svizzera, rĂ€torom. Svizra), die ihren Namen einem der sog. Urkantone (Schwyz) verdankt, ist ein europĂ€ischer Binnenstaat, der zwischen dem 46. und 48. nördlichen Breitengrad und dem 6. und 9. östlichen LĂ€ngengrad liegt. Sie hat eine FlĂ€che von 41.285 km2 und weist eine maximale Nord/SĂŒd-Ausdehnung von 220 km sowie eine maximale West/Ost-Ausdehnung von 348 km auf. Der höchste Punkt der Schweiz ist die Dufourspitze (4.634 m ĂŒ. M.), der tiefste Punkt liegt am Ufer des Lago Maggiore (196 m ĂŒ. M.). Die Schweizer Landesgrenze misst 1.935 km, wovon die lĂ€ngste Staatsgrenze jene zu Italien (im SĂŒden) ist. KĂŒrzer sind die Grenzen zu Frankreich (im Westen), Deutschland (im Norden), Österreich und zum FĂŒrstentum Liechtenstein (beide im Osten). Die Schweiz wird geographisch in die fĂŒnf Hauptregionen Jura, Mittelland, Voralpen, Alpen und AlpensĂŒdseite gegliedert. Im Zentrum – mit der Älggi-Alp in Obwalden als ihrem geografischen Mittelpunkt – liegt die Alpenregion. Dort befinden sich die verkehrstechnisch wichtigen AlpenĂŒber- und -durchgĂ€nge sowie die europĂ€ischen Hauptwasserscheiden. Die FlĂŒsse Rhein, Rhone, Tessin und Inn nĂ€mlich, die ihr Quellgebiet in den Schweizer Alpen haben, entwĂ€ssern in die Nordsee, das Mittelmeer und das Schwarze Meer.
Obwohl die Alpen ungefĂ€hr 40 Prozent der GesamtflĂ€che des Landes ausmachen und die SiedlungsflĂ€chen insgesamt nur 7,5 Prozent beanspruchen, ist die Schweiz mit 204 Einwohnern pro km2 ein relativ dicht besiedeltes Land (s. die Werte fĂŒr die Nachbarn Italien mit 201 Personen/km2, Frankreich mit 122/km2, Deutschland mit 232/km2, Österreich mit 105/km2). Dies ist dem Umstand zuzuschreiben, dass die meisten Menschen im Mittelland und dort vor allem in den AgglomerationsgĂŒrteln leben, wo die SiedlungsflĂ€chen mehr als doppelt so gross sind wie im schweizerischen Durchschnitt. 74 Prozent der Bevölkerung leben gegenwĂ€rtig in StĂ€dten. Die Bevölkerung der französischsprachigen Schweiz ist durchschnittlich etwas stĂ€dtischer1 als diejenige der Deutschschweiz, aber nicht so stĂ€dtisch wie die Bevölkerung in der italienischsprachigen Schweiz. StĂ€dtische Ballungszentren gibt es v.a. am westlichen Ende des Genfersees, in der Region Basel, im Grossraum ZĂŒrich und Zug sowie im Kanton Tessin. Die einzige Sprachregion, die keine stĂ€dtischen KernrĂ€ume aufweist, ist die rĂ€toromanische Sprachregion.

2 Demographie, Statistik, Wirtschaft

Seit 1900 hat sich die Bevölkerungszahl der Schweiz mehr als verdoppelt, wobei zwischen 1961 und 1963 die jĂ€hrliche Wachstumsrate mit 2,4 Prozent am höchsten war. Seit 2007 liegt sie bei ungefĂ€hr einem Prozent pro Jahr. Im Jahr 2016 zĂ€hlte die Schweiz 8.419.550 Einwohnerinnen und Einwohner, wobei rund ein Viertel der stĂ€ndigen Wohnbevölkerung kein Schweizer BĂŒrgerrecht besitzt. Mit je ĂŒber einer Viertelmillion Menschen bilden die Einwohnerinnen und Einwohner mit einem italienischen, deutschen und portugiesischen Pass die grössten nicht-schweizerischen Bevölkerungsgruppen.
Im Jahr 2016 sind rund 4,5 Mio. Menschen erwerbstĂ€tig. Ein Anteil von 3,1 Prozent arbeitet im primĂ€ren, landwirtschaftlichen Sektor. Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts war die Mehrheit der ErwerbstĂ€tigen in diesem Sektor beschĂ€ftigt, wĂ€hrend sich der Anteil vorerst zugunsten des zweiten Sektors, der Industrie, und schliesslich des dritten Sektors, des Dienstleistungssektors, stetig verkleinerte (um 1900 ist von 30 %, um 1950 noch von 16 % in der Landwirtschaft TĂ€tigen auszugehen). Heute betrĂ€gt der Anteil der in der Industrie BeschĂ€ftigten zirka 20 Prozent (besonders produktive Gewerbezweige sind die chemische, pharmazeutische und Nahrungsmittelindustrie, daneben der Maschinen- und Apparatebau, die Metallverarbeitung sowie die Uhrenindustrie), wĂ€hrend mittlerweile ĂŒber drei Viertel der ErwerbstĂ€tigen im Dienstleistungssektor arbeiten. Neben dem Tourismus und der Industrie bildet dieser den wichtigsten Zweig der Schweizer Wirtschaft, die zu den stabilsten Volkswirtschaften der Welt gehört. Die Firmendichte ist in der Deutschschweiz etwas höher als in den ĂŒbrigen Sprachgebieten.
Die Erwerbsquote der MĂ€nner im Alter zwischen 15 und 64 Jahren betrĂ€gt im Jahr 2015 89 Prozent, jene der Frauen 80 Prozent, wobei 59 Prozent der Frauen und 16 Prozent der MĂ€nner TeilzeiterwerbstĂ€tige sind. Trotz eines konjunkturellen Einbruchs in den 1970er Jahren gehört die Schweiz vom statistischen Einkommen her zu den wohlhabenden Industrienationen, was sich sowohl in der geringen Armuts- und Arbeitslosenquote (3,3 % im Januar 2018) als auch in der hohen Lebenserwartung spiegelt. Diese betrĂ€gt fĂŒr 2016 geborene Knaben 81,5 Jahre, fĂŒr MĂ€dchen 85,3 Jahre.
Die Religionslandschaft der Schweiz hat sich in den letzten Jahrzehnten massiv verĂ€ndert. Gehörten um 1900 fast 60 Prozent der Bevölkerung der evangelisch-reformierten Kirche an, so sank dieser Anteil zugunsten der Angehörigen der römisch-katholischen Kirche, die durch Immigrantinnen und Immigranten aus katholisch geprĂ€gten Regionen ab den 1930er Jahren Zuwachs erhielt. Seit den 1970er Jahren muss vor allem die reformierte Landeskirche wegen zunehmender Konfessionslosigkeit Einbussen hinnehmen. Gerade in stĂ€dtischen Gebieten wĂ€chst die Zahl der Konfessionslosen an, die schweizweit zwischen 2000 und 2016 um ĂŒber 13 Prozentpunkte zugenommen hat. Ausserdem hat sich der Anteil der Angehörigen einer der muslimischen Glaubensgemeinschaften auf 5,1 Prozent erhöht, wĂ€hrend jener von jĂŒdischen Glaubensgemeinschaften seit Jahren unverĂ€ndert bei zirka 0,2 Prozent liegt.1
Die Wohnbevölkerung gibt unterschiedliche Hauptsprachen an (in neueren Befragungen kann auch mehr als eine Sprache genannt werden), wobei das Deutsche im Laufe der letzten Jahrzehnte wenige Prozentpunkte verloren, das Französische dagegen wenige Prozentpunkte gewonnen hat. Das Italienische hat einen Anteil von unter 10 Prozent, und das RĂ€toromanische wird 2015 nur von einem halben Prozent der Wohnbevölkerung als Hauptsprache angegeben. Beachtlich ist mit ĂŒber 20 Prozent der Anteil jener, die eine Nicht-Landessprache als (eine ihrer) Hauptsprache(n) angeben. In stĂ€dtischen Gebieten sprechen 21 Prozent der Bevölkerung keine der vier Landessprachen als Hauptsprache.
1970
1980
1990
2000
2015
Gesamtbevölkerung
6.011.469
6.160.950
6.640.937
7.100.302
8.131.033
Deutsch/ Schweizerdeutsch
66,1
66,5
64,6
64,1
63,0
Französisch
18,4
18,6
19,5
20,4
22,7
Italienisch und Tessiner-/ BĂŒndner-italienischer Dialekt
11,0
9,6
7,7
6,5
8,1
RĂ€toromanisch
0,8
0,8
0,6
0,5
0,5
andere Sprachen
3,7
5,5
7,7
8,5
21,5
Gesamt
100,0
100,0
100,0
100,0
115,903
Tab. 1:
2 StĂ€ndige Wohnbevölkerung der Schweiz nach Hauptsprache(n) in Prozent (nach: Bundesamt fĂŒr Statistik 2017a)
Abbildung 1:
Sprachenkarte der Schweiz (aus Christen/Glaser/Friedli 2013: 23)
Nur eine Minderheit der in der Schweiz lebenden Personen wĂ€chst mehrsprachig auf – mit Ausnahme der durchwegs Romanisch-Deutsch zweisprachigen BĂŒndnerromanen. Die meisten Schweizerinnen und Schweizer erwerben ihre Kenntnisse in einer oder mehreren weiteren Landessprachen und dem Englischen in Schule und Ausbildung, was durch die kantonalen Erziehungsdepartemente – unterschiedlich – festgelegt ist (s. Kap. 4.1 und 4.2).

3 Geschichte

3.1 Von den Pfahlbauern zu den Alemannen

FĂŒr viele Schweizerinnen und Schweizer setzt die Geschichte ihres Landes mit den sog. Pfahlbauern ein, die in der Jungsteinzeit als sesshafte, Viehzucht und Ackerbau betreibende Bauern in zahlreichen Ufersiedlungen fassbar werden. Im 19. Jahrhundert als frĂŒheste ‚Schweizer‘ zu nationalen Identifikationsfiguren geprĂ€gt, weiss man kaum etwas ĂŒber deren alteuropĂ€ische Sprache, wie auch die spĂ€tere Indogermanisierung, die wohl ab dem 4. Jahrtausend v.Chr. in Wellen stattgefunden hat, weitgehend im Dunkeln bleibt (zu den sprachgeschichtlichen Grundlagen s. Haas 2000a, Sonderegger 2003a, Christen/Glaser/Friedli 2013). Es wird vermutet, dass im Gebiet der heutigen Schweiz die im Alpenraum lebenden RĂ€ter fĂŒr das Überleben einer alteuropĂ€isch-vorindogermanischen Sprache gesorgt haben dĂŒrften (s. die Sprachenbezeichnung RĂ€toromanisch). Erst ab der römischen Zeit dokumentieren schriftliche Zeugnisse die (Sprach-)Geschichte der nachmaligen Schweiz. In seiner Beschreibung des Gallischen Kriegs erwĂ€hnt Julius CĂ€sar die Sequaner, die Rauraker, die Allobroger und schliesslich die besiegten Helvetier als KeltenstĂ€mme auf dem Territorium der heutigen Schweiz. Letztere haben sich in der offiziellen lateinischen Bezeichnung des Landes – Confoederatio Helvetica – verewigt. Diese fungiert seit der GrĂŒndung des Bundesstaates im Jahre 1848 als ĂŒber den vier Landessprachen stehende Bezeichnung, die auch in die offizielle AbkĂŒrzung CH eingegangen ist. SpĂ€testens ab 15 v.Chr., d.h. mit der Eroberung RĂ€tiens, war das gesamte Gebiet der heutigen Schweiz fĂŒr ĂŒber vierhundert Jahre Teil des Römischen Reichs. Das Keltische, das noch in einigen Ortsnamen wie Thun, Olten oder ZĂŒrich greifbar ist (Zinsli 1975), wurde durch die allmĂ€hliche Romanisierung nach und nach zurĂŒckgedrĂ€ngt, freilich nicht ohne erheblichen Substrateinfluss auf das gesprochene Latein, was zu den unterschiedlichen heutigen regionalen VarietĂ€ten, wie zum Beispiel den rĂ€toromanischen, lombardischen, frankoprovenzalischen und französischen Dialekten, fĂŒhrte.
Ab dem 3. Jahrhundert n.Chr. sind von Norden her erste EinfĂ€lle von Angehörigen des germanischen Stammes der Alemannen zu verzeichnen, deren Ansiedlung in der nachmaligen Schweiz nach heutigem Kenntnisstand nicht – wie lange angenommen – als Folge des RĂŒckzugs der römischen Truppen aus Helvetien zu sehen ist. Vielmehr verstĂ€rkte sich der Zuzug der Alemannen, nachdem diese von den Franken siegreich unterworfen worden waren und wohl noch im 5. Jahrhundert nach SĂŒden flohen. Ein Jahrhundert spĂ€ter, als das Gebiet der Burgunder sowie jenes der Alemannen unter frĂ€nkische Herrschaft geriet, kam es zu einer nachhaltigen alemannischen Besiedlung im Nordosten der heutigen Schweiz, wĂ€hrend der burgundische Westen unbehelligt blieb. Dies fĂŒhrte zu einer West/Ost-Gliederung der nachmaligen Schweiz, in der sich nicht nur die frĂ€nkische Reichsteilung von 561 in ein östliches und westliches Gebiet spiegelte, sondern die bis heute als deutsches und französisches Sprachgebiet greifbar bleibt. Die Alemannisierung der spĂ€teren Deutschschweiz erfolgte dabei ĂŒber mehrere Jahrhunderte hinweg: War das gut zugĂ€ngliche schweizerische Mittelland bis zum Ende des 8. Jahrhunderts weitgehend alemannisch besiedelt, war dies bei den höher gelegenen voralpinen und alpinen Gebieten erst im Hochmittelalter der Fall. Die Grenzen zwischen Deutsch, Französisch und Italienisch haben sich dabei seit dieser Zeit nur noch geringfĂŒgig verĂ€ndert: Bloss im Wallis rĂŒckte spĂ€ter das Französische auf Kosten des Deutschen vor, in der Region Murten das Deutsche auf Kosten des Französischen, wĂ€hrend sich die Berner Stadt Biel/Bienne von einer einsprachig deutschen zu einer heute zweisprachigen Stadt entwickelte. Anders sehen die VerhĂ€ltnisse fĂŒr das RĂ€toromanische aus, das bis gegen die zweite Jahrtausendmitte im Norden bis zum Bodensee, im Westen bis an den Walensee (‚See bei den Welschen‘) gesprochen wurde. Das Churer Rheintal wurde erst im 15./16. Jahrhundert alemannisiert und das RĂ€toromanische dabei zunehmend in einzelne TĂ€ler des Kantons GraubĂŒnden zurĂŒckgedrĂ€ngt (zur Entstehung der Sprachgrenzen s. Haas 2000a: 42–46).
Ab dem 7. Jahrhundert wurde der alemannische – ebenso wie der frĂ€nkische und bairische – Raum von den britischen Inseln aus missioniert. Um 611 dĂŒrfte Gallus, zusammen mit anderen irischen Wandermönchen, im Bodenseeraum angekommen sein und spĂ€ter an der Steinach seine Klause errichtet haben, wo im Jahre 719 das Kloster St. Gallen gegrĂŒndet wurde. Dieses entwickelte sich unter frĂ€nkischem Einfluss zu einer der herausragenden StĂ€tten der frĂŒhen deutschen Sprachkultur. Z...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. Die deutsche Minderheit in Nordschleswig in DĂ€nemark
  7. Deutsch in Ostbelgien
  8. Luxemburg
  9. Der germanophone Teil Lothringens
  10. Das Elsass
  11. Die Schweiz
  12. SĂŒdtirol
  13. Fußnoten