Subjektivität denken
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Subjektivität denken

Anerkennungstheorie und Bewusstseinsanalyse

  1. 152 Seiten
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Subjektivität denken

Anerkennungstheorie und Bewusstseinsanalyse

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Vier namhafte Philosophinnen und Philosophen (ergänzt durch zwei Beiträge der Herausgeber) erörtern in diesem Band eines der Leitprinzipien des philosophischen Diskurses der Moderne. »Subjektivität« ist die Schlüsselkategorie, die den Argumentationsverläufen der modernen Philosophie implizit zugrunde liegt und sie als solche prägt. Das gilt für den komplexen Zusammenhang von Erkenntnistheorie und Metaphysik: Hier stellen sich die Fragen nach dem Zugang zur Wirklichkeit und ihrer Struktur, nach der Vermittlung von subjektiver Erfahrung und objektivem Wissen, nach der Relation von Subjekt und Objekt. Ebenso gilt es für den sich daraus ergebenden spezielleren Komplex der Frage nach Selbstbewusstsein und Selbsterkenntnis.Axel Honneth und Angelica Nuzzo verfolgen dabei einen anerkennungstheoretischen Ansatz, während Manfred Frank, Tobias Rosefeldt und Klaus Viertbauer die Verfasstheit des Subjekts im Rahmen der Bewusstseinsanalyse thematisieren. Thomas Hanke unternimmt den Versuch eines Brückenschlages zwischen beiden Paradigmen.

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Information

Jahr
2017
ISBN
9783787331703
BEWUSSTSEINSANALYSE
›Subjekt‹ ist die klassisch-lateinische Übersetzung von altgriechisch hypokeímenon. Die Metapher des ›Zugrundeliegenden‹, das Eigenschaften zu tragen hat, folgt der für die Entwicklung des wissenschaftlichen Denkens ausschlaggebenden Subjekt-Prädikat-Struktur der europäischen Grammatik (bzw. der ontologischen Einteilung der Welt in Gegenstände und Eigenschaften).
Wer, wie die französischen Neostrukturalisten, seine Voreingeommenheit gegen die philosophische Zentrierung des Subjekt-Begriffs bekunden möchte, weist auf die in der Metapher des Zugrundeliegenden mit angedeutete ›Unterwerfung‹: »assujettissment«, »subjectivation«, auch »sujétion«.1 Das Subjekt sei ein (z. B. sozialen oder sprachlichen Strukturen) Unterworfenes, kein souveränes Prinzip, wie das René Descartes, der »Vater der modernen Philosophie«, angenommen habe. Descartes kennt übrigens noch keinen eigenen Ausdruck für das Erkenntnissubjekt. Er nennt es eine Substanz, eben die denkende (wobei er unter ›denken/cogitare‹ alle mentalen Akte und Widerfahrnisse, auch Wollungen und Gefühle subsumiert). Erst in der deutschen »Sattelzeit«, erst mit Kant, erwirbt ›Subjekt‹ die Bedeutung eines Erkenntnissubjekts, und das eigentlich nur im Deutschen. Es ist fortan eine Eigenart von Subjekten, ihrer selbst bewusst zu sein. Sartre, der dem deutschen Sprachgebrauch folgt, bringt das auf diese bündige Formel: »Ce qu’on peut nommer proprement subjectivité, c’est la conscience (de) conscience.«2 Vorgänge, die nicht bewusst ›registriert‹ sind, nennen wir nicht subjektiv, z. B. rein physische oder ganz und gar unbewusste oder subpersonale Abläufe. Sie sind nicht »selbst-präsentierend«, wie das der Phänomenologe Alexius Meinong nannte, wobei Selbstpräsentation cartesische Gewissheit einschließt: Wenn F eine selbst-präsentierende Eigenschaft ist, ich F habe und mir dessen bewusst bin, dann bin ich mir meines F-Seins gewiss.3 Umgekehrt gilt: »Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.«
Über die Subjektivität und ihren Wert kursieren zwei Stories, eine Erfolgs- oder Hui- und eine Verfalls- oder Verhängnis- oder Pfui-Geschichte.
Beide Geschichten teilen die Meinung, das einzige Thema der Metaphysik sei das Sein, die darum auch ›Ontologie‹ heißt. Ihre einzige Frage: Tì tò òn hä ón? Worin besteht das ›Sein‹ des Seienden?
a)Nach der ersten (der Hui-Story) erfährt dies Sein im Laufe des abendländischen Denkens eine schrittweise Vergeistigung. Hegel ist der Autor dieser Erfolgsstory. Sie führt zu einem absolut sich selbst wissenden Subjekt, das alle seine Vorgängergestalten integriert und im Nachhinein als unvollkommene Vorstufen seiner selbst aus sich verständlich macht: aus sich = dem ›absoluten Geist‹.
Vorstufen dieser Seins-Vergeistigung ließen sich leicht schon in der Antike nachweisen:
Parmenides identifiziert das Sein mit dem geistigen Vernehmen (eînai = noeîn).4 Platon bestimmt das ›Allersichtbarste‹ (toû óntos tò phanótaton), das ›eigentlich Seiende‹, als ›Idee aller Ideen‹ (tò óntôs ón = Idee), nämlich als das agathón: die Idee, die allem übrigen Seienden erst seine Sichtbarkeit widerfahren lässt.5 Im Frühdialog Charmides hatte Platon erwogen, ob die Besonnenheit (sophrosynä) notwendig ein Selbstwissen impliziere (tò gignóskein heautón)6, ja er hatte sich sogar gefragt, ob dieses selbstbezügliche Wissen sich selbst als etwas rein Formelles oder darüberhinaus wie einen gegenständlichen Inhalt mit sich führe7 – kommt aber zu keinem sicheren Schluss.
Aristoteles unterstreicht wiederholt, dass seelische Ereignisse – wenn akut auftretend und unabhängig von ihrem äußeren Gehalt – sich selbst ›nebenbei‹ (en parérgô) mit erfassen.8
Der Alt-Stoiker Chysippos nennt diese Vertrautheit oikeíosis oder syneídäsis, andere Stoiker – z. B. Hierokles – sprechen von aísthäsis heautoû.9
Augustin10 und Descartes formulieren den Schluss »cogito, ergo sum«. Descartes präzisiert in seinem Interview mit Burman: »Conscium esse est cogitare et supra suam cogitationem reflectere«.11
Leibniz denkt jedes mentale Ereignis vom Selbstregistrierungs-Mechanismus begleitet, den er Selbstgefühl (»sentiment de soi«) und auf intellektuellem Niveau »réflexion« oder »apperception« nennt.12
Mit Kant und Fichte ersteigt die sogenannte Subjekt-Philosophie ihren Höhepunkt. Das »Ich denke« wird »zum höchsten Grundsatz« der gesamten Philosophie13 – und bleibt es in dieser Spitzenstellung bis hinein in den Neukantianismus und die Phänomenologie. Noch heute – in der Philosophy of Mind, etwa bei Roderick Chisholm14 oder Laurence BonJour15 – behält das Selbstbewusstsein die Stellung eines obersten Wissens-Prinzips.
b)Nach der zweiten (der Pfui-Story) entfernt sich die Philosophie (und die abendländische Menschheit) immer mehr vom ursprünglichen und eigentlichen Thema der Metaphysik, bis sie sich in den extremen »Logozentrismus«, die »Seinsvergessenheit«, verirrt: Nietzsche, Heidegger, Klages, Derrida, ähnlich Horkheimer/Adorno. Der Vorwurf lautet auf ›Selbstermächtigung des Subjekts‹, ›Verdinglichung der Welt‹. Technische Weltbeherrschung sei an die Stelle eines demütigen Hörens auf den Zuspruch des ›Seyns‹ getreten. Drastische (und darum viel zitierte) Belege für diese Bemächtigungsgeste in der Subjektivierung des Seins finden sich bei Descartes.16 Der Wissenschaftler müsse der Natur die Geständnisse »unter Folter« entreißen, um sie zu beherrschen.17
Die »Pfui«-Story (b) ist zwiespältig:
α) Der politische Konservativismus bemächtigt sich dieser Deutung; sie wird auch ganz vorwiegend von politischen Defätisten bis zur extremen präfaschistischen Rechten vertreten.18
β) Aber: Ohne Subjektivität (z. B.) keine Menschenrechte. Eine Formulierung des kategorischen Imperativs lautet: Behandle Personen immer auch als Zwecke, nie nur als Mittel.19 Nun sind Mittel immer auch Gegenstände. Soll diese Moral ein fundamentum in re haben, so muss es so etwas wie ungegenständliche Subjektivität tatsächlich geben, und sie muss ihrer außerdem so bewusst sein, dass diese Bewusstnahme keine ›vor-stellende‹ Verdinglichung vollbringt.
Ich werde meinen Beitrag in einen historischen und einen systematischen Part zweiteilen (I.). Im Abschnitt a. will ich mich mit der vor allem von Heidegger in Umlauf gebrachten Story beschäftigen, die gesamte Geschichte der abendländischen Philosophie laufe auf eine ›Selbstermächtigung der Subjektivität‹ hinaus. Es ist natürlich eine Variante der »Pfui-Story«. Ich glaube, diese Geschichte hat besonders in Fernost einige Sympathisanten, und sie lässt sich vielfältig illustrieren, trifft aber das Wesen der abendländischen Philosophie nicht wirklich. Das will ich im Abschnitt b. am Beispiel der philosophischen Frühromantik illustrieren, gerade weil diese üblicherweise von den Adepten der Pfui-Story zum Gipfel der Selbstermächtigung abendländischer Subjektivität erklärt worden ist. Gleichzeitig besteht unter Ideengeschichtlern eine weitgehende Einigkeit darin, dass die von Reinhard Koselleck so genannte »Sattelzeit« in der deutschen Frühromantik ihren kritischen Scheitel erreicht. Insofern kommt es hier zur Nagelprobe auf die Brauchbarkeit nicht nur seiner These, sondern gleich auch der Diagnose, eben in der Frühromantik werde der Verblendungsgipfel erreicht.
In einem zweiten Teil (II.) wende ich mich einer Strukturbestimmung dessen zu, was wir unter ›Subjektivität‹ verstehen sollten.

I.

a.

Während die europäische Moderne mit den beiden Titelbegriffen ihre größte Errungenschaft bezeichnet, hat fernöstliches Denken Zurückhaltung ihnen gegenüber empfohlen. Subjektivität schien ein Name für die maßlose Selbstüberschätzung des homo faber, wie sie sich in gewaltsamer Unterwerfung der äußeren und der eigenen Natur bekundet. Es liege in der Natur des Subjekts, sich die Welt zu ›vergegenwärtigen‹. Unter dem Blick des Subjekts verwandle sich die Natur in ein Ob-jekt, ein der Vor-stellung Gegenübergestelltes, einen Gegen-stand. Das für Subjektivität konstitutive Selbstbewusstsein sei selbst nichts anderes als eine solche Selbstvergegenständlichung oder Selbstvergegenwärtigung (›présence-à-soi‹ übersetzen die Franzosen). Dieses Vergegenwärtigen (›parusía‹ sagten die Griechen) diene nicht der neutralen ›Erkenntnis‹ des Seienden, sondern sei der erste Schritt zur technischen Weltbeherrschung. Das Kategorien-Konsortium, das der Geist in sich entdeckt, sei der Ursprung der Regeln, denen er sie in der Folge unterwirft; hatte doch schon Bacon betont, dass er sie nur dadurch unterwerfen könne, dass er die machthabenden Regeln gegen sie selbst wendet.20 Im Ausdruck ›Begriff‹ ahnen die französischen Heideggerianianer die eingezogenen ›griffes‹, die Krallen eines in der Technik kulminierenden Beherrschungswillens. So sei das vermeintlich vor-stellende Subjekt der Träger einer durchaus praktischen Bemächtigungsstrategie, für die Nietzsche (allerdings in positiver Absicht) den Namen ›Wille zur Macht‹ prägt. Darum zählt Heidegger ihn zu der Verhängnisgeschichte der Selbstermächtigung der Subjektivität mit hinzu: als ihre »äußerste Folge«, als ihren Schluss- und Höhepunkt.21
Freilich: Dass diese östlichen Bedenken seit Friedrich Schlegel und Schopenhauer und bis zu Klages und Heidegger auf offene Ohren trafen, das muss selbst einen Erklärungsgrund im westlichen Denken haben. Man denke an Friedrich Rückerts berühmte Verse:
Denn wo die Lieb erwachet, s...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Anerkennungstheorie
  7. Bewusstseinsanalyse
  8. Autorenverzeichnis