Die ewige Wahrheit und der Neue Realismus
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Die ewige Wahrheit und der Neue Realismus

Gespräche über (fast) alles, was der Fall ist

  1. 262 Seiten
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Die ewige Wahrheit und der Neue Realismus

Gespräche über (fast) alles, was der Fall ist

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Dies ist das erste Buch, in dem das philosophische Konzept des Neuen Realismus ausführlich und aus erster Hand beschrieben wird. In den intensiv geführten Diskussionen zwischen dem Initiator des Neuen Realismus, dem weltweit renommierten Philosophieprofessor Markus Gabriel, und dem Bestseller-Wissenschaftsautor Matthias Eckoldt wird die Notwendigkeit einer Wende in der Philosophie aus der langen abendländischen Denktradition abgeleitet und das Konzept auf unsere Gegenwart angewendet.Die Dialogform ermöglicht dabei eine detailreiche Ausleuchtung vieler Facetten des Neuen Realismus. Dabei werden Grundfragen der Philosophie und Erkenntnistheorie ebenso aus neuer Perspektive betrachtet wie politische und gesellschaftliche Herausforderungen. Die Feuertaufe erfährt das Denkmodell in diesem Buch angesichts der Bedrohung der menschlichen Freiheit durch demokratiegefährdenden Populismus und transhumane Visionen aus dem Silicon Valley. Dabei stellt sich heraus, dass die Künstliche Intelligenz niemals intelligent sein wird. Auch zeigt das Buch, warum es die Welt gar nicht gibt, wie der menschliche Geist die Physik aushebelt und wie man durch einen Wassertropfen im Auge zum Philosophen werden kann.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783849782016

INeuer Realismus

Die Universalien, das Hundsein des Hundes und die Quantenmechanik

MATTHIAS ECKOLDTIhr Name ist mit der philosophischen Denkrichtung des Neuen Realismus verbunden. Das provoziert geradezu meine ersten beiden Fragen: Was war der alte Realismus, und was konnte der nicht beschreiben, sodass Sie einen Neuen Realismus begründen mussten?
MARKUS GABRIELDer alte Realismus ist die Annahme, dass es eine von unserem Denken, Sprechen, Handeln, Bewusstsein und unserer Geistigkeit unabhängige Wirklichkeit gibt. Der Grund, den man dafür anführt, ist, dass es denkende, sprechende, handelnde geistige und bewusste Lebewesen nicht immer gab. Daraus schließt man dann, dass die Wirklichkeit nicht identisch mit der Wirklichkeit sein kann, wie sie uns erscheint. Denn es gab Wirklichkeit auch schon vor uns, und es wird Wirklichkeit auch nach uns geben. Der alte Realismus gibt das als Goldstandard der Realität aus. Realismus im alten Sinne ist also die Verpflichtung darauf, dass es eine solche von unserem Denken, Handeln und Bewusstsein unabhängige Wirklichkeit gibt und dass diese Wirklichkeit darüber entscheidet, was wirklich existiert. Der alte Realismus gerät durch diese begriffliche Festlegung automatisch in Teufels Küche.
MATTHIAS ECKOLDTInwiefern?
MARKUS GABRIELWenn wir Wirklichkeit über den Begriff der Bewusstseinsunabhängigkeit bestimmen, stellt sich ja sofort die Frage, wie es dann um Bewusstsein, Sprache, Denken und Geist bestellt ist. Diese Qualitäten erscheinen uns dann durch die begriffliche Festlegung als unwirklich, als nicht so richtig dazugehörig, als rätselhaft. Das liegt aber nicht daran, dass Bewusstsein und Geist besonders rätselhaft wären – sagen wir mal: im Unterschied zum Spin von Elektronen –, sondern daran, dass wir die Begriffe so sortiert haben, dass wir durch unser Realitätskriterium das Bewusstsein von der Wirklichkeit ausgeschlossen haben.
MATTHIAS ECKOLDTMit dem Realismuskriterium, dass es eine bewusstseinsunabhängige Wirklichkeit gibt, handelt sich der alte Realismus also das Problem ein, dass er nicht erklären kann, wie das Geistige in die Wirklichkeit passt.
MARKUS GABRIELZumindest braucht er große Umwege für diese Erklärung, denn er sagt, wirklich sei das, was wir repräsentieren, nicht aber die Repräsentation. Warum sollte aber die Repräsentation nicht wirklich sein? Man sieht sofort, dass da Schwierigkeiten entstehen, die Richard Rorty mit seinem Buch Der Spiegel der Natur auf den Punkt gebracht hat. Das heißt, der alte Realismus glaubt, dass unser Denken, unser Theoretisieren, die Wissenschaft und so weiter versuchen, ein Spiegel der Natur zu sein. Die Natur ist da draußen, und durch Spiegelverhältnisse versuchen wir, sie in Modellen einzufangen.
MATTHIAS ECKOLDTDurch realitätsgetreue Abbildung …
MARKUS GABRIELDas nennt der Philosoph Bernard Williams in seinem übrigens sehr empfehlenswerten Buch über Descartes sehr zutreffend »die absolute Konzeption der Wirklichkeit (the absolute conception of reality)« und sagt, Descartes’ Fehler war zu glauben, dass Wirklichkeit an einer solchen absoluten Konzeption zu messen sei. Nun sind dagegen allerlei Einwände vorgetragen worden. Der alte Realismus ist nicht kostenfrei zu haben, trotzdem glauben viele immer noch, dass er richtig sei. Selbst Fachphilosophen verbinden den Begriff »Realismus« bis heute mit genau jener Annahme einer bewusstseinsunabhängigen Außenwelt.
MATTHIAS ECKOLDTDagegen wenden Sie sich mit dem Neuen Realismus. Wie sieht dann Ihr Realismuskriterium aus?
MARKUS GABRIELDer Neue Realismus korrigiert den alten Realismus und fragt sich: Warum sollte im Gefüge dessen, was offensichtlich existiert, unsereiner besonders unwichtig sein? Warum sollten wir mit unseren Gedanken nicht genauso wie Fermionen und Bosonen und Sterne und Tische wirklich sein? Natürlich sind Menschen weniger mächtig als die Grundkräfte der Natur. Menschen sind nicht überall im Universum wirksam. Aber warum sollte das bedeuten, dass wir ontologisch, also hinsichtlich unserer Existenz, irgendwie den Bergen unterlegen sind? Berge sind größer als Menschen, der Mond älter als jedes geistige Lebewesen usw., aber das sind triviale Tatsachen und philosophisch erst mal nicht von Belang. Also dreht der Neue Realismus jetzt die Perspektive um und behauptet dreierlei. Erstens: Wir können die Wirklichkeit so erkennen, wie sie ist. Zweitens: Unsere Erkenntnis der Wirklichkeit ist so wirklich wie alles andere auch. Drittens: Die Wirklichkeit ist kein singulärer Gegenstand, in einem Slogan ausgedrückt: »Die Welt gibt es nicht.« Es gibt also, wenn man so will, viele Wirklichkeiten und nicht eine. Das sind die Grundthesen des Neuen Realismus.
MATTHIAS ECKOLDTMit diesen drei Thesen werden wir uns gleich näher beschäftigen. Zuvor würde ich gern noch einmal in die Geschichte der Philosophie schauen. Wäre Demokrit, dessen Philosophie auf der Grundlage ruhte, alles, was es gibt, bestehe aus Atomen – wäre der so eine Art früher oder gar erster Realist? Er vertrat auch einen Realismus, allerdings keinen in Ihrem Sinne, weil er ja die gesamte Welt unter einem einzigen Kriterium betrachtet, nämlich dem, dass alles aus Atomen besteht. Wäre dieser Atomismus aus dem vierten vorchristlichen Jahrhundert ein Ansatz für den ersten Realismus?
MARKUS GABRIELAuf alle Fälle. Ich würde sogar sagen, Demokrit ist geradezu der beispielhafte alte Realist. Von Demokrit bis in die Gegenwartsphilosophie wird man immer diese Position finden, die der amerikanische Philosoph Peter Unger in einem wichtigen Buch mit dem Titel Empty ideas. A critique of analytic philosophy als »scientificalism« bezeichnet. Das ist die Annahme, dass man zwar besonders wissenschaftlich klingt, wenn man Dinge sagt wie »Alles besteht aus Atomen«, dass man damit aber eigentlich letztlich leere philosophische Äußerungen tätigt. Das Buch heißt im Untertitel »Eine Kritik der analytischen Philosophie«, und Unger zeigt, dass so gut wie keine Idee, die seit etwa dem Zweiten Weltkrieg in der sogenannten analytischen (v. a. anglophonen) Philosophie geäußert wurde, irgendeinen Inhalt hat. Deswegen sei sie eben analytisch, eine bloße Begriffsanalyse, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat.
Die Uridee des alten Realismus seit Demokrit lautet, dass es in Wahrheit nur Atome und das Leere gibt. Damit taucht das Problem auf, wie es dann eigentlich noch geistiges Leben geben soll, das wohl kaum aus Atomen und dem Leeren besteht. Das ist alter Realismus par excellence. In diesem Szenario gibt es überhaupt kein Bewusstsein. Das atomistische Modell von Demokrit ist im Grunde genommen nie ganz aus der Philosophie verschwunden. Die Quantenmechanik hat damit zwar gründlich aufgeräumt, aber das haben die Philosophen nicht alle bemerkt.
MATTHIAS ECKOLDTDas haben sie nicht mitgekriegt, meinen Sie?
MARKUS GABRIELDie meisten nicht. Es gibt einige Philosophen, die das schon gemerkt haben. Die sehen aber ihre Aufgabe in der Philosophie der Quantenmechanik eher darin, die Quantenmechanik so brav umzuinterpretieren, dass am Ende wieder Demokrit herauskommt.
MATTHIAS ECKOLDTDiese Uminterpretation läuft dann wohl auf eine Rettung der Kausalität hinaus, also Ursache und Wirkung.
MARKUS GABRIELJa, alles schön brav kausal, Einzeldinge, die aufeinandertreffen, was der Philosoph James Ladyman ironisch als »Mikrostöße (microbangings)« anspricht. Die meisten Philosophen wollen, dass die Quantenmechanik am Ende doch wieder brave Mikrostöße von Elementarteilchen beschreibt, was zwar nicht richtig ist, aber leider von den meisten Philosophen geglaubt wird. Warum? Weil sie genau einem solchen alten Realismus anhängen wollen.
MATTHIAS ECKOLDTBei der Quantenmechanik gibt es ja das probabilistische Modell, das besagt, dass es eigentlich nur noch Wahrscheinlichkeiten und eben keine Kausalitäten mehr in diesem strengen Sinne gibt. Das wäre philosophisch eigentlich unglaublich spannend.
MARKUS GABRIELIch glaube, wenn man sich der Quantenmechanik philosophisch stellt, wird man mit einem alten Realismus nicht weit kommen. Denn die Quantenmechanik beschreibt unter anderem sehr erfolgreich Messvorgänge. Zu Messvorgängen gehört auch etwas, was bewusste Lebewesen vollziehen. Der Messbegriff in der Quantenmechanik ist natürlich nicht auf Bewusstseinssysteme zugeschnitten, aber er schließt sie auch nicht aus. Das heißt, die Quantenmechanik schließt zumindest nicht aus, dass bewusstes Leben Gegenstand der Physik sein kann. Ganz im Gegenteil: Denn bewusstes Leben ist ja durch unsere Sensorik ein relationales Messen, das nicht ohne Elektronen, Photonen und Elektrizität auskommt. Und das sind alles quantenphysikalische Phänomene. Unser bewusstes Leben ist quantenmechanisch realisiert (man denke nur an den Umstand, dass elektromagnetische Phänomene zentral für die Signalübertragung im Gehirn sind), und insofern kann die Quantenmechanik das leisten, was der alte Realismus nicht kann, nämlich physikalisch versuchen, sich dem Bewusstsein zu nähern.
MATTHIAS ECKOLDTEs gab den Versuch der sogenannten Kopenhagener Deutungen von Niels Bohr und Werner Heisenberg, die den nichtdeterministischen Charakter quantenphysikalischer Vorgänge beschreiben beziehungsweise ihren Frieden mit diesem nichtkausalen Prinzip machten. Ist so etwas philosophisch für sie interessant?
MARKUS GABRIELSolche Deutungen kommen immer wieder in Schwierigkeiten, weil nicht klar wird, warum irgendjemand das Bewusstsein in diese ganzen Prozesse hineingeschmuggelt hat. Schrödinger höchstpersönlich tut das freilich, aber nicht in der Quantenphysik. Schrödinger glaubt auch, Bewusstsein sei fundamental. In seinem wunderbaren Buch Geist und Materie sagt Schrödinger ziemlich klar, Materie gibt es am Ende gar nicht. Er sagt allerdings auch, dass das keine Auswirkungen auf die Quantenmechanik habe. Das ist ein Problemfeld. Richtig ist jedenfalls, dass die Quantenmechanik letztlich keine Schwierigkeiten mit dem Neuen Realismus hat – ganz im Gegenteil. Ich habe so viele Zuschriften bekommen aus der Quantenphysik, dass ich das inzwischen sehr ernst nehme. Wir haben ein neues Forschungszentrum gegründet, das Zentrum für Wissenschaft und Denken. Das leite ich gemeinsam mit einem Quantenphysiker. Das ist an der Universität Bonn zustande gekommen, weil mich viele Quantenphysiker ansprechen und mir sagen, das, was ich mache, sei im Grunde eine Form von Physik. Ich habe jüngst bei den Physikern an der Universität Tokio einen Vortrag über meine Sinnfeldontologie gehalten, da meldete sich ein Stringtheoretiker und sagte: »Das ist doch ganz konservative Quantenmechanik, was Sie da machen!« Dem habe ich gesagt, ich hätte damit nichts zu tun, ich sei ja kein Physiker. »Doch, das ist reine Quantenmechanik«, sagte der daraufhin! Er konnte keinen Unterschied sehen zwischen dem, was ich anbiete, und der sogenannten relationalen Interpretation der Quantenmechanik. Die wird in der Philosophie wenig diskutiert. Am ehesten noch von Carlo Rovelli, einem im Moment sehr populären Physiker, der, nebenbei gesagt, auch ein durchaus guter Philosoph ist. Carlo hat mir als Erster beibringen wollen, der Neue Realismus sei im Grunde eine Form von Quantenmechanik.
MATTHIAS ECKOLDTIch wollte noch, bevor es zum Kern des Neuen Realismus geht, auf einen zweiten Realismus zu sprechen kommen. Denn die Position des Realismus gab es auch im sogenannten Universalienstreit, der im Mittelalter aufkochte, aber letztlich auch die weitere Philosophiegeschichte durchzieht. Die Nominalisten gingen davon aus, dass die Worte lediglich konkrete Objekte benennen, die wir der Einfachheit halber zu Begriffen zusammenfassen. Die Begriffe ihrerseits aber sind leer. Die Realisten dagegen glauben an die Existenz der Ideen und behaupten, dass Begriffe mehr sind als leere Hülsen und dass sie begrifflich tatsächlich etwas nachzeichnen.
MARKUS GABRIELIn dieser Diskussion ergreift der Neue Realismus Partei gegen den Nominalismus und sagt: Begriffe gibt es wirklich. Dafür spricht aus philosophischer Sicht sehr viel, aber auch hier treffen sich Philosophie und Physik, denn in der Physik legt das der heutige Begriff der Information nahe. Dieser Informationsbegriff geht davon ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. I Neuer Realismus
  7. II Philosophie des Geistes
  8. III Weg zur Philosophie
  9. IV Digitalisierung
  10. Literatur
  11. Register
  12. Über die Autoren