1 Einleitung
Für viele Menschen ist Vertrieb das einfache Verkaufen von Produkten oder Dienstleistungen vom Anbieter zum Konsumenten. Dieser Prozess wird oft noch als eine Art Fleißarbeit gesehen, bei der derjenige den meisten Erfolg hat, der möglichst viele potenzielle Kunden irgendwie vom Kauf überzeugt. Der Begriff »Vertrieb« oder »Verkauf« ist nicht selten negativ geprägt und wird schnell mit dem Begriff »Klinkenputzen« in Verbindung gebracht. Vertrieb ist in den Köpfen von vielen noch etwas, für das man ein Talent haben muss und für das man möglichst mit Überredungskunst gesegnet sein sollte.
Fühlen Sie sich angesprochen? Haben auch Sie das Gefühl, nicht für den Vertrieb geeignet zu sein? Fühlen Sie sich unwohl bei dem Gedanken, jemandem etwas verkaufen zu müssen? Wenn Sie diese Fragen mit »ja« beantworten, ist das absolut normal. Vielen von uns fehlt das Wissen über die Gestaltung eines modernen Vertriebs, im welchem die althergebrachte »Überredungskunst« einem konsequent geplanten Vertriebsprozess gewichen ist. Ist der Vertrieb eines Produktes professionell geplant, bieten Sie den richtigen Menschen das richtige Produkt zum richtigen Zeitpunkt an und werden erkennen, dass der Verkauf auf diesem Wege kaum noch etwas mit Überredungskunst und Klinkenputzen zu tun hat. Vielmehr gleicht der eigentliche Verkaufsprozess einer gerichteten Kommunikation, in der im besten Fall der Kunde und der Verkäufer kaum noch merken, dass sie mitten in einem Verkaufsprozess sind. Um dieses Niveau zu erreichen, ist in der Regel eine große Menge an Basisarbeit zu leisten, wie Marktanalysen und strategische Planung. Ein erfolgreicher Verkauf eines Produktes oder einer Dienstleistung hängt daher erheblich von den analytischen und planerischen Vorarbeiten ab. Natürlich spielt das eigentliche Produkt auch eine große Rolle, das im Auge des Kunden einen echten Nutzen haben muss. Schlussendlich ist ein erfolgreicher Vertrieb vielmehr das Ergebnis eines fast wissenschaftlichen Entwicklungs- und Planungsprozesses als eine Kunst oder ein Talent.
Nach Abschluss der Entwicklung eines Produktes und der planerischen und analytischen Vorarbeiten ist es wichtig, sich das handwerkliche Know-how eines zeitgemäßen Vertriebs anzueignen. Dazu gehört, wie Vertriebsaktivitäten geplant, durchgeführt und in ihrem Ergebnis gemessen werden, wie ein optimales Kundengespräch aufgebaut sein sollte und wie sich digitaler und klassischer Vertrieb gut kombinieren lassen.
Viele Märkte sind heute davon geprägt, dass eine hohe Angebots- und Nachfragekonzentration vorherrscht und dass Anbieter von Beginn an in einem internationalen Wettbewerb stehen. In einem solchen Umfeld kommt dem Vertrieb eine immer
höhere Bedeutung zu. Es reicht nämlich nicht aus, das innovativste und beste Produkt zu haben. Nur wenn das Produkt auch richtig im Markt platziert wird, hat das Unternehmen eine Chance sich durchzusetzen und im besten Fall die dauerhafte Marktführerschaft zu übernehmen. Sehr häufig unterschätzen Unternehmen den wahren Zeit- und Ressourcenaufwand, der für einen erfolgreichen Vertrieb notwendig ist. Als Faustformel kann dienen, dass etwa 50% des Erfolges in der Entwicklung eines guten Produktes liegt. Die zweite Hälfte des Weges muss durch einen erfolgreich gestalteten Vertrieb zurückgelegt werden (
Abb. 1).
Abb. 1: Der Weg zum Kunden – Bedeutung des Vertriebs
Ohne Zweifel gehört ein vertriebliches Basiswissen heute fast zur Allgemeinbildung. Sich das richtige und zweitgemäße Wissen anzueignen, ist dennoch nicht einfach, denn die Auswahl eines geeigneten Angebots aus der Fülle von unterschiedlichen Ratgebern und Weiterbildungsangeboten ist eine Herausforderung.
Dieses Buch vermittelt die wesentlichen Erfolgsfaktoren des Vertriebs und ist gleichzeitig ein kompakter Leitfaden für Aufbau und Umsetzung einer erfolgreichen Vertriebsstrategie. Es liefert das Basiswissen für die wichtigsten Aspekte eines modernen Vertriebs und behandelt auch die Frage, wie digitale und nicht digitale Vertriebskanäle effektiv kombiniert werden können
2 Herausforderungen für den Vertrieb in heutigen Märkten
Viele Märkte wurden in den letzten Jahrzehnten stark von der Globalisierung geprägt. Speziell in B2B-Märkten ist es dadurch häufig zu einer Angebotskonzentration gekommen, bei der immer größer werdende und stark internationalisierte Anbieter eine marktbeherrschende Stellung einnehmen. Gleichzeitig sind auch viele Nachfrager in größeren Organisationen verschmolzen oder haben sich in Einkaufsgemeinschaften zusammengefunden. Für Neueinsteiger in solchen Märkten bedeutet dies, dass Marktanteile mehr oder weniger fest verteilt sein können und eventuelle Kunden durch die Bündelung Ihrer Nachfrage nach bestimmten Produkten oder Dienstleistungen eine starke Verhandlungsmacht erworben haben. Die Bedingungen für den Vertrieb eines Produktes können heute bereits so komplex sein, dass ohne ausreichend genaue Marktanalyse der Einstieg in den Vertrieb sehr risikoreich sein kann. Daher ist es absolut notwendig, vor jeglicher Entwicklung einer Vertriebsstrategie und deren Umsetzung eine möglichst detaillierte Marktanalyse durchzuführen, die ein verlässliches Bild über die aktuellen Bedingungen im Markt liefert.
Eine weitere wichtige Herausforderung ist, dass sich neue Geschäftsideen insbesondere durch das Internet immer schneller international verbreiten und die Zeit, bis der erste Wettbewerber in den Markt eintritt, eher kürzer wird.
Viele Unternehmensgründer fragen sich daher, wie sie sich einen Vorsprung im Markt aufbauen und gleichzeitig möglichst viele Markteintrittsbarrieren gegen den zukünftigen Wettbewerb errichten können. Strategisch ist der Aufbau von Markteintrittsbarrieren und die Entwicklung von Differenzierungsmerkmalen gegen Wettbewerbsprodukte ein wichtiges Mittel, seinen dauerhaften Erfolg sicherzustellen. Allerdings ist die Zeit, die für den Aufbau der Abgrenzung des eigenen Produkts nach Markteinführung verbleibt, eher kürzer geworden. Daher ist die Entwicklung einer erfolgversprechenden Vertriebsstrategie und deren konsequente Umsetzung ein sehr wichtiger Erfolgsfaktor, der ebenso wichtig ist, wie das eigentliche Produkt sowie dessen Qualität und Nutzen.
Als wichtigster Einflussfaktor auf die allgemeinen Rahmenbedingungen im Vertrieb ist sicherlich die Digitalisierung des Vertriebs zu nennen. Mehr und mehr informieren sich Kunden sowohl im B2B als auch in B2C-Märkten über Produkte und Lösungen im Internet und können ihren Entscheidungsprozess bereits bis zu 57% absolviert haben, bevor sie mit einem Verkäufer Kontakt aufnehmen
(CEB 2012). In vielen Fällen findet der Vertrieb bereits voll digital statt, ohne dass ein Verkäufer überhaupt direkten Kontakt zu einem Kunden hat. Dies bedeutet, dass Verkaufsprozesse heute fast immer teilweise oder ausschließlich digital und auch weiterhin zum
Teil klassisch ablaufen. Wer also den digitalen oder den klassischen Teil des Vertriebsprozesses vernachlässigt oder nicht beherrscht, setzt sich einem nicht unerheblichen Risiko aus. Es ist wichtig zu verstehen, dass Kunden heute eine zweiteilige Kundenidentität entwickelt haben. Auf der einen Seite besitzen sie weiterhin ihre persönliche Identität, die vor allem in direkten Verkaufsgesprächen zum Tragen kommt. Hinzugekommen ist die digitale Identität, die sich durch Verhaltensweisen im Internet manifestiert (Digital Footprint). Diese Verhaltensweise eines jeden Kunden oder potentiellen Kunden möglichst genau zu kennen, ist Ziel eines jeden digitalen Marketingmanagers (
Abb. 2).
Abb. 2: Zweiteilige Kundenidentität in der digitalen Welt
3 Persönliches Anforderungsprofil im Vertrieb
Viele Neueinsteiger im Vertrieb stehen vor der Frage, ob sie grundsätzlich für den Vertrieb geeignet sind. Das teilweise noch immer negativ geprägte Image des Verkaufens als auch das fehlende Wissen, wie ein erfolgreicher Vertrieb zu organisieren ist, lässt viele darüber zweifeln, ob sie im Vertrieb erfolgreich sein können. Insbesondere Firmengründer kommen sehr häufig über den Prozess der Unternehmensgründung und Produktentwicklung eher spät zur Fragestellung, wer den Vertrieb übernimmt bzw. wie der Vertrieb organisiert werden sollte. Es ist ratsam, sich von Beginn an immer mit der Frage auseinanderzusetzen, wie und wann das eigene Produkt verkauft werden soll. Dazu gehört auch, alle notwendigen Vorbereitungen so früh wie möglich anzugehen und sich konkret mit der Frage zu beschäftigen, welche Rolle man selbst im Vertrieb spielen möchte bzw. sollte.
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die vertriebliche Eignung eines Menschen vor allem in dessen persönlichen Eigenschaften begründet liegt. Wenn die persönlichen Voraussetzungen stimmen, ist das eventuell fehlende betriebswirtschaftliche und verkäuferische Handwerkszeug von jedem erlernbar.
Zu den wichtigsten persönlichen Eigenschaften gehören:
• Hohe soziale Kompetenz
• Durchsetzungsvermögen
• Zielorientiertheit
• Leistungsbereitschaft
• Gefestigtes Selbstwertgefühl
Diese Eigenschaften sind besonders wichtig, da Verkäufer im Grunde permanent aktiv auf andere Menschen zugehen und Sie gerichtet dazu bewegen wollen, ihr Produkt zu kaufen. Wenn potentielle Kunden dann signalisieren, dass sie kein Interesse haben, empfinden vielen Menschen dies als persönliche Ablehnung. Um mit solchen Situationen umgehen zu können, bedarf es einer bestimmten inneren Haltung, die man entweder schon hat oder für sich entwickeln muss.
Diese richtige innere Haltung wird vor allem durch folgende sehr wichtige Eigenschaften bestimmt:
• Starkes Motiv, erfolgreich sein zu wollen
• Echtes Interesse an anderen Menschen
• Positive Lebenseinstellung
• Begeisterungsfähigkeit
Die Frage nach dem persönlichen Motiv erfolgreich sein zu wollen, ist ein sehr wichtiger Punkt. Das persönliche Motiv ist der Grundantrieb, aus welchem heraus Menschen handeln. Man sollte sich daher prüfen, welche Ziele man verfolgt und worin die eigene Zielsetzung begründet ist. Wenn das persönliche Motiv erfolgreich sein zu wollen stark genug ist, ist dies eine optimale Voraussetzung, ein Geschäft dauerhaft zu entwickeln und gegen jede Veränderung im Markt aufrecht zu erhalten. Die richtige innere Haltung ermöglicht einen adäquaten Umgang mit allen Höhen und Tiefen des täglichen Geschäfts und die Bewahrung einer dauerhaften persönlichen Balance. Nicht selten sind Geschäftsmodelle auch deswegen nicht erfolgreich, weil sie nicht entschlossen und konsequent umgesetzt wurden.
Erfolgreiche Verkäufer sind häufig gute Netzwerker mit einer positiven Lebenseinstellung, und einem echten Interesse an anderen Menschen. Dies ist oft mit der Fähigkeit gepaart, andere für Produkte zu begeistern bzw. zu motivieren, sich mit den Produkten auseinanderzusetzen.
Ein letzter wichtiger Erfolgsfaktor liegt darin, alle strategisch wichtigen Ziele und Pläne für die Umsetzung des eigenen Geschäfts in einem gerichteten Analyse- und Planungsprozess gewissenhaft ableiten zu können, zu Papier zu bringen und hinterher mit einer ausreichenden Disziplin umzusetzen.
Natürlich gibt es auch wissenschaftliche Ansätze, die ergründen, was erfolgreiche Verkäufer oder Verkaufsteams ausmacht. So wurde zum Beispiel eine Untersuchung durchgeführt, in der 800 Verkäufer während ihrer Kundengespräche bezüglich spezifischer Fähigkeiten, wie z. B. Umgang mit Kunden, Knüpfen von Beziehungen, Präsentieren des Angebots, beobachtet und eingeschätzt wurden (Ryals, Davies 2010). Die Ergebni...