Die Ermöglichungsprofession
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Die Ermöglichungsprofession

69 Leuchtfeuer für systemisches Arbeiten

  1. 201 Seiten
  2. German
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Die Ermöglichungsprofession

69 Leuchtfeuer für systemisches Arbeiten

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Systemische Ansätze sind in der Praxis der Sozialen Arbeit inzwischen Allgemeingut. In Verbindung mit einer postmodernen Haltung helfen sie, den zunehmend vielfältigen und unübersichtlichen Herausforderungen im beruflichen Alltag gerecht zu werden. Allerdings ist der Zugang zum systemischen Fachwissen nicht ganz ohne Mühe.Dieses Buch geht einen neuen Weg: Es entzündet Leuchtfeuer, Orientierungspunkte für die Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit. Sie können als Leitsätze gelesen werden, um das Denken, Fühlen und Handeln zu reflektieren und gegebenenfalls neu auszurichten. Anhand von Einzelbeispielen und Fällen zeigen Jan V. Wirth und Heiko Kleve Muster auf und analysieren Abläufe, die sonst nicht so differenziert in den Blick kommen.Alle Leuchtfeuer vermitteln nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch wertbasierte Einstellungen und konkrete Empfehlungen für die Praxis. Daraus entstehen Energie, Motivation und positive Spannung – beste Voraussetzungen für erfolgreiche Veränderungen!

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783849781989

Methoden

48 Es ist ihre Anwendung, die aus Theorien Methoden macht.

Bei Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmern beobachten wir zuweilen ein größeres Interesse an Methoden, hingegen ein eher geringeres an Theorien. Dies könnte daran liegen, dass die Soziale Arbeit im System der Disziplinen als eine angewandte Sozialwissenschaft gilt. In angewandten Wissenschaften soll praxisbezogen gelehrt, gelernt und geforscht werden. Für die Soziale Arbeit bedeutet das, professionelles Helfen, Beraten, Begleiten, Fördern und Fordern zu lehren, zu erlernen und weiter zu erforschen. Ob als Handlungs- oder Forschungsmethode, Methoden sollen stets darüber informieren, wie etwas zu tun ist. Das Passende zu tun, das ist den Beteiligten zu Recht wichtig. Ohne diesen Motivkomplex würde der Motor Sozialer Arbeit weder anspringen noch kräftig weiterbrummen.
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Wir behaupten, dass das Passende nicht getan werden kann, ohne dass wir wissen, was zu tun ist.
Dies ruft uns allen – wenig sensationell – die notwendige Kenntnis und das Wissen von und über Theorien ins Bewusstsein. Was aber leisten Theorien?
Theorien sind (phänomenale) Beschreibungen (»Was ist los?«) und (kausale) Erklärungen (»Warum ist das so?«), die uns darüber informieren, was von wem warum als Problem und von wem als Lösung angesehen wird. Theorien dürfen nicht mit Tatsachen oder mit der Wirklichkeit verwechselt werden. Sie sind, und das ist keinesfalls geringschätzig gemeint, lediglich Aussagen über Beschreibungen und Erklärungen. Es sind Modelle von Phänomenen, mit denen etwas vermutet, anderes verworfen werden kann – und das jeweils ohne einen mehr als nur vorläufigen Geltungsanspruch.
Wenn wir behaupten, dass Theorien im Moment ihrer Anwendung zu Methoden werden, haben wir dafür mindestens zwei Gründe:
Erstens ist für uns das Anwenden einer Theorie gleichbedeutend mit dem Beschreiten eines methodischen Weges. Wenn wir Theorien anwenden, um Probleme und Lösungen zu beschreiben und zu erklären, verbergen sich hinter den Beschreibungen und Erklärungen zugleich Handlungsoptionen, also aktionale Möglichkeiten. Denn die methodische Vorgehensweise ist vom Standpunkt, vom Fall, vom Auftrag bzw. der Lebenssituation her, um die es jeweils geht, abhängig. Wenn Methoden dem Vorwärtskommen dienen, dann dienen Theorien zur Bestimmung des Standpunktes.
Zweitens: Ob wir uns in der Fallbearbeitung nun der Theorien oder der Methoden bedienen, beide sind gleichermaßen auf Beschreibungen und Erklärungen angewiesen. Denn wie können wir wissen, wie gehandelt wurde, ohne zugleich auf eine Beschreibung und Erklärung, d. h. eine Theorie zurückzugreifen? (Denn jede Beobachtung bezieht sich auf die Vergangenheit. Im Moment des Sehens können wir nicht sehen, wie wir sehen, sondern dazu müssen wir eine Unterscheidung nutzen, und das kostet Zeit, differenziert also die Gegenwart des Sehens von der Vergangenheit Sehens. Oder, anders: Immer wenn wir versuchen zu sehen, wie wir sehen, schauen wir auf das, was und wie wir gesehen haben.)
Methoden verweisen – ob mitkommuniziert oder nicht – auf die Theorie, die angewendet wird. Theorien verweisen auf die Methoden, die daran anknüpfen.
Theorien und Methoden sind, so fassen wir diese Überlegungen zusammen, zwei verschiedene Arten von Programmen der Wissenschaft Sozialer Arbeit, die getrennt und kombiniert werden. Dass etwas zusammengehören kann und zugleich zu trennen ist, stellt die Kommunikation und das Denken – ob in Profession oder Disziplin – vor Hürden, die auch nicht mit den Bulldozern widerspruchsfreien Denkens beiseitegeschoben werden können.
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Praxiseinsatz
Die Anwendung der Unterscheidung von Theorie und Methodik erfährt dann ihre Begrenzung, wenn Theorie abgewertet und Methodik aufgewertet wird. Erst Theorien sind in der Lage, die Zielrichtung von Methoden zu kontrollieren. Die beste Gesprächsführung ergibt keinen professionellen Mehrwert, wenn sie nicht mit throretischen und normativen Gesichtspunkten der Sozialen Arbeit möglichst engmaschig verbunden ist.
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Praxisempfehlung
Auch wenn die Praxis beeindruckt und die Gefühle überwiegen, werfen Sie Ihre Unterscheidungen nicht über Bord. Unterscheidungen sind wie Möglichkeitsgeneratoren. Mit jeder verloren gegangenen Unterscheidung werfen Sie wahrscheinlich Möglichkeiten zur Differenzierung von Verhalten und Sachverhalten weg.

49 Die erste Aufgabe von Beratung ist es, Phänomenen den passenden Namen zu geben.

Soziale Arbeit reagiert auf Probleme der Lebensführung. Für die sozialarbeiterische Beratung als spezielles Setting gilt im Grunde das Gleiche. Das allgemeine Beratungssystem startet beispielsweise in dieser Weise:
B(erater/in): »Was führt Sie zu mir/uns?«
N(utzer/in): »Ich suche die Lösung für ein Problem.«
B: »Was ist für Sie denn derzeit das Problem?«
N: »X ist das Problem.«
B: »Okay!«
Das Beratungssystem könnte auch starten, wenn Leute von Dritten aufgefordert werden, Beratung in Anspruch zu nehmen:
B: »Was führt Sie zu mir/uns?«
N: »Andere meinen, ich hätte ein Problem.«
B: »Welches Problem sehen denn die anderen bei Ihnen?«
N: »Es geht um X«.
B: »Okay!«
Das Beratungssystem beginnt erst, wenn interagiert, kommuniziert wird mit Bezug auf ein Phänomen, das von irgendjemandem als problematisch unterschieden und als bearbeitungsnotwendig bezeichnet wird. Damit lässt sich der Startpunkt für systemische Beratung markieren. Als sinnverwendende Lebewesen sind wir nicht nur in einem sensorischen Kontakt mit Phänomenen. Wir setzen uns darüber hinaus in Bezug zu diesen Phänomenen, und zwar über die Zeichen, die wir dabei verwenden. Wenn wir oder unsere Nutzer/innen im Zuge der Lebensführung mit problematischen Phänomenen zu tun bekommen, bewerten wir diese Phänomene mit Gefühl. Wir verleihen ihnen zugleich Bezeichnungen, sonst könnte die Kommunikation nicht darauf Bezug nehmen.
Wenn Nutzer/innen mit uns Beratungssysteme bilden, können wir uns nicht direkt über die Phänomene beraten. Eigentlich beraten wir uns über die zutreffenden Bezeichnungen, Beschreibungen, Erklärungen und Bewertungen der Beteiligten. Insofern startet jede Beratung mit der Frage, wie das problematische Phänomen benannt sowie, davon ausgehend, beschrieben und erklärt wird.
Der ideale Fall wäre, wenn die Nutzer/innen eine möglichst konkrete, handhabbare Bezeichnung für das Problem mitbringen und präsentieren, die sich mit unserem trägerseitigen Auftrag ungefähr deckt. Damit kann das Beratungssystem überhaupt erst loslegen. Noch wissen wir nicht, mit welchen Unterscheidungen und Bezeichnungen das präsentierte Problem konstruiert wird.
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Die erste Aufgabe von Beratung ist es, dialogisch zu klären, um welche Art von Problem es sich handelt und wie es mit anderen Problemen in Verbindung steht.
Da wir selbst keinen Zugriff auf die außerhalb des eigenen Systems wahrgenommenen Phänomene haben, sind es die Unterscheidungen, die den Bezeichnungen zugrunde liegen, die das Phänomen kommunikativ konstruieren. Daher ist es für die Situationsanalyse wichtig, dialogisch und mehrperspektivisch um die treffenden Problemtitel und selbstverständlich ebenfalls um die zutreffenden Ressourcentitel zu ringen.
Das Suchen nach der passenden Bezeichnung für ein Phänomen ist nicht nur wichtig, damit alle Beteiligten an einem Strang ziehen, nämlich weg vom Problem in Richtung möglicher Lösungen. Im mehrperspektivischen Blick auf Problemzusammenhänge und das Durchkreuzen der ihnen zugrunde liegenden Unterscheidungen könnte es bestenfalls zu einer Aufweichung, Verflüssigung und Verschiebung der Problemkonstruktion kommen, die nun von den Beteiligten als passender oder positiver beschrieben wird.
Ein Beispiel: Der Nutzer kommt in die Beratung mit einem Suchtproblem. Im Zuge der Erstgespräche stellt sich heraus, dass vor allem das Fehlen einer beruflichen Perspektive die weitere Entwicklung des Nutzers bzw. die Verbesserung seiner Lebensumstände – einschließlich der Vermeidung des Suchtmittelkonsums – blockiert. Es geht an dieser Stelle der Beratung nun nicht mehr um »Sucht« im Unterschied zu »Abstinenz« oder um »Krankheit« im Unterschied zu »Gesundheit«. Der Problemtitel ändert sich und damit die ihm zugrunde liegenden Unterscheidungen. Der neue Problemtitel lautet »sinnvolle Arbeit« und wird profiliert im Unterschied zu »sinnlose Arbeit«. Und wie schon bei der ersten Problemkonstruktion liegen dieser Unterscheidung erneut mehrere Werte zugrunde. Ein weiterer Wert einer zweiseitigen Unterscheidung ist das von ihr ausgeschlossene Dritte, also die Menge aller mit der Zwei-Seiten-Form ausgeschlossenen Beobachtungsmöglichkeiten.
Wenn das Problem zu eng, zu konkret und zu eindimensional beschrieben wird, versuchen wir, die Komplexität zu erhöhen, indem wir neue, auch anders mögliche Problemtitel einspeisen. Dabei verwenden wir Unterscheidungen, die die Anzahl der damit zugleich ausgeschlossenen Beobachtungsmöglichkeiten reduzieren, d. h. statt »Sucht« abstraktere Begriffe wie »Gesundheit« oder »Sinn«. Wenn sich Nutzer/innen in diesem durch Abstraktionen aufgespannten virtuellen Kosmos wenig orientieren können, ziehen w...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Einleitung
  6. Philosophie
  7. Wirklichkeit
  8. Konstruktion
  9. Wissen und Nichtwissen
  10. Ambivalenz und Umgang
  11. Haltung
  12. Kommunikation
  13. Handeln
  14. Lebensführung
  15. Systemisch arbeiten
  16. Methoden
  17. Fähigkeiten
  18. Macht
  19. Vielfalt
  20. Literatur
  21. Über die Autoren