Inklusion in der Heilpädagogik
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Inklusion in der Heilpädagogik

Diskurse, Leitideen, Handlungskonzepte

  1. 288 Seiten
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Inklusion in der Heilpädagogik

Diskurse, Leitideen, Handlungskonzepte

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Kein anderes Fach ist durch die Inklusionsdebatte so herausgefordert worden wie die Heilpädagogik. Nicht nur werden deren disziplinären Grundlagen einer kritischen Revision unterzogen. Auch die Profession der Heilpädagogik muss tradierte Berufsbilder überprüfen, sich im Prozess der Inklusion neu verorten. Das Buch vermittelt in dieser Situation sicheres Orientierungswissen. Im Mittelpunkt steht die professionelle Positionierung der Heilpädagogik. Sehr konkret wird dabei auf die unterschiedlichsten Handlungsfelder der Behindertenhilfe und die Lebenswelten von Menschen mit Behinderungen eingegangen. Kritisch analysiert werden dann die bisherigen Basisvariablen des Faches und gleichzeitig die Leitideen für die neugefassten Rollen, Kompetenzen und Zuständigkeiten der Heilpädagogik skizziert.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783170372320

1 Theoretische Positionierungen

Aus der Geschichte lernen, Zukunft zu gestalten: Inklusive Bildung und Erziehung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Eckhard Rohrmann

1 Vorbemerkung

Mein Beitrag wird sich neuerlichen Sprachregelungen, bei denen die Rede ist von »behinderten Menschen« oder »Menschen mit Behinderungen«, nicht anschließen. Nach meinem Verständnis ist Behinderung kein den Behinderten »innewohnendes Abstraktum« (Marx 1981, S. 534), sondern Ausdruck solcher gesellschaftlicher Bedingungen und Verhältnisse, die Menschen mit körperlichen, organischen, sozialen oder sonstigen Beeinträchtigungen bei der subjektiven Aneignung von und der sozialen Teilhabe an relevanten gesellschaftlichen Lebenszusammenhängen behindern. Wenn solcherart Behinderte als Behinderte bezeichnet werden, werden sie nicht dadurch diskriminiert, sondern durch die Verhältnisse, die sie behindern. Im Übrigen sollte die Tatsache, dass behinderte Menschen sind, so selbstverständlich sein, dass sie nicht jedes Mal betont zu werden braucht, wenn man von ihnen spricht. Wir reden ja schließlich auch nicht von studierenden Menschen, von Menschen mit einem Bundestagsmandat oder von Menschen mit einem weiblichen, intersexuellen oder männlichen Geschlecht.

2 Idee und Begriff der Inklusion und die gegenwärtige Inklusionsdebatte

»Neue Begriffe, jeweils in kritischer Absicht eingeführt, unterliegen mit der Zeit mehr oder weniger dem gleichen Schicksal: Sie werden inflationiert, auch und gerade von denjenigen übernommen, gegen die sie sich ursprünglich gerichtet hatten und dabei mehr und mehr inhaltlich aufgeweicht, unverbindlich und ihrer ursprünglich kritischen Potenz zusehends beraubt« (Rohrmann 1994, S. 19).
Dies habe ich 1994 geschrieben. In dem Beitrag ging es um Integration und Selbstbestimmung für Menschen, die wir geistigbehindert nennen. Dort habe ich mich kritisch mit der seinerzeit zunehmenden Verwendung beider Begriffe als inhaltsleere, z. T. geradezu sinnzersetzende schillernde Modebegriffe auseinandergesetzt und bin zu folgender Einschätzung gelangt:
»Wie Integration, so ist auch der Selbstbestimmungsbegriff längst von einem kritischen Programm zu einer begrifflichen Dekoration auch solcher Praxis verkommen, die Integration und Selbstbestimmung im jeweils ursprünglich gemeinten Sinne diametral zuwider läuft« (ebd.).
Ich habe damals dafür plädiert, die alten nicht einfach durch neue Begriffe zu ersetzen, da diese neuen, so meine Befürchtung, in kürzester Zeit das gleiche Schicksal ereilt hätte, wie die alten Begriffe. Stattdessen habe ich vorgeschlagen und zugleich den Versuch unternommen, die Begriffe zu rehistorisieren bzw. zu radikalisieren, d. h. die Begriffe und die hinter ihnen verborgenen Ideen auf ihre Ursprünge, auf ihre Wurzeln zurückzuführen, also auf die Verhältnisse und Praxen, deren Negation sie ihren eigenen Ansprüchen nach sein wollten und anfangs wohl auch waren. Bekanntlich ist der öffentliche und fachöffentliche Diskurs meinem Vorschlag mehrheitlich nicht gefolgt, sondern es wurden neue Begriffe wie Inklusion und Teilhabe eingeführt. Auch wenn dieser Vorgang zuweilen enthusiastisch gar als Paradigmenwechsel gefeiert wird, ist doch kaum zu übersehen, dass das eingetreten ist, was ich damals befürchtet habe. Ich denke, ich könnte Passagen meines damaligen Beitrags heute wortgleich noch einmal schreiben und sie wären hoch aktuell, wenn ich nur die Begriffe Selbstbestimmung und Integration durch Teilhabe und Inklusion ersetzen würde.
Mit der Einführung neuer Begriffe ändert sich erst einmal überhaupt nichts, und die Frage, ob Integration und Inklusion dasselbe meinen oder Inklusion gewissermaßen eine Weiterentwicklung der Integrationsidee ist, wie vielfach vertreten wird und auch in der verbreiteten Grafik in Abb. 1 zum Ausdruck kommt, hängt allein davon ab, was man jeweils inhaltlich darunter versteht.
Images
Abb. 1: Unterscheidung zwischen Exklusion, Integration und Inklusion
Das wird besonders deutlich, wenn man z. B. die einschlägigen Debatten zu Integration damals und Inklusion heute miteinander vergleicht. So attackierten etwa Norbert Myschker und Monika Ortmann (1999, S. 13) »die die ›totale Integration‹ verlangenden ›radikalen Integrationisten‹ (…)«, denen sie die »ein nach Schweregraden der Behinderung differenziertes Stufensystem der Förderung« befürwortenden »moderaten Differenzialisten (…)« gegenüberstellten. Das war 1999. Und heute? Heute warnt Bernd Ahrbeck (2014) vor den Risiken und Nebenwirkungen der Inklusion, welche er insbesondere in der hierdurch drohenden »Auflösung der sonderpädagogischen Fachlichkeit (›Dekategorisierung‹)« und »(…) einer organisatorischen Einheitslösung, die im Widerspruch zu pädagogischen Notwendigkeiten steht« (S. 5), sieht. Schroff weist er das Anliegen »radikaler Inklusionsbefürworter« zurück, nämlich »das Ziel (…) eine Einheitsschule, eine ›Schule für alle‹ … als ›völlig aussonderungsfreie‹ Schule zu konzipieren« (S. 6), und bezweifelt, dass »eine ungetrennte Gemeinsamkeit aller Schüler das ausschließlich gültige Ziel sein kann« (S. 8). Dem »radikalen Inklusionsbegehren« (S. 15) besagter »radikaler Inklusionsbefürworter« (S. 2 und S. 5) stellt er »(…) ein moderates Inklusionsverständnis« (S. 5) gegenüber.
Es zeigt sich: Hier wird mit dem Inklusionsbegriff in gleicher Weise argumentiert, wie früher mit dem Integrationsbegriff, ohne dass sich das inhaltliche Problemverständnis irgendwie geändert hätte. Moderate Inklusion bedeutet doch nichts anderes als Fortbestand der Exklusion und mithin lediglich ein moderates Absenken der Aussondergrenze mit der unweigerlichen Konsequenz eines noch zunehmenden Homogenisierungsdrucks auf die nach wie vor Ausgegrenzten. Von der Logik erscheint die Vorstellung einer moderaten Inklusion ähnlich plausibel wie die Aussage, eine Frau sei lediglich ein bisschen schwanger.
Inklusion ist in den vergangenen Jahren zu einer Art Modethema geworden, und es gehört heutzutage schon fast zur political correctness, bei jeder passenden oder auch unpassenden Gelegenheit ein Bekenntnis zur Inklusion abzulegen, was auch immer damit gemeint ist. Verfolgt man außerdem die einschlägigen aktuellen öffentlichen und fachöffentlichen Debatten, lassen sich einige typische inhaltlich eingrenzende Grundannahmen erkennen:
• Die Idee der Inklusion sei Mitte der 1990er Jahre entstanden.
• Inklusion richte sich in erster Linie auf Behinderte und hier vor allem auf den Bereich der Schule. Hieraus wird häufig geschlussfolgert, Inklusion sei in erster Linie ein Thema der Sonder(schul)pädagogik.
Meine folgenden Ausführungen werden zeigen, dass die erste Grundannahme nicht zutrifft. Die zweite Grundannahme hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die UN-Behindertenrechtskonvention oftmals missverstanden wird als eine Art »Sondermenschenrechtserklärung« nur für Behinderte. Sie ist jedoch, wie andere Menschenrechtsabkommen auch, eine Konkretisierung der am 10. Dezember 1948 von der UN-Vollversammlung verabschiedeten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Insofern folgt dieser Beitrag dem folgenden Grundverständnis:
»Das mittlerweile zum Fachbegriff erhobene Konzept der Inklusion geht (…) davon aus, dass höchst unterschiedliche, prinzipiell aber stets gleichrangige Gruppen ein großes, inklusives Ganzes bilden, das sich durch allseitige Veränderung weiterentwickelt. Inklusion in diesem Sinne ist ein systemtheoretisches Konzept, das keine Normen und Hierarchien akzeptiert, sondern horizontale Verbindungen, die in steter Bewegung sind« (Tolmein 2013, S. 165).
Es geht also letztlich um Gleichheit aller Menschen und nicht nur Behinderter unter Anerkennung ihrer jeweils subjektiven und individuellen Verschiedenheit und dies in allen Lebensbereichen, auch, aber nicht allein im Bildungsbereich. Neu ist allerdings, wenn man von diesem Inklusionsverständnis ausgeht, welches sich bei verschiedenen sozialen Bewegungen, nicht nur der Behindertenbewegung, sondern ebenso bei den Bewegungen der Afroamerikaner sowie der indigenen amerikanischen Bevölkerung oder der Frauenbewegung durchaus auch erkennen lässt, nicht die Idee dessen, was heute mit Inklusion bezeichnet wird, sondern, wie schon gezeigt, erst einmal nur der Begriff, und wenn man sich die Realitäten vergegenwärtigt, unter denen viele Menschen in Deutschland leben, lernen und arbeiten müssen und dabei auf vielfältige Weise in ihren Lern-, Entwicklungs- und Lebensmöglichkeiten behindert werden, so erscheint das Gerede von einem Paradigmenwechsel bislang jedenfalls fast zynisch.

3 Zwei historische Vorläufer der Inklusionsidee aus dem 17. und dem 19. Jahrhundert

3.1 Die Idee einer Schule, »ubi omnes omnia omnino duceantur« (Comenius)

Die Idee von Schulen für alle, in denen »alle alles umfassend gelehrt werden müssen« (Comenius 1954, S. 58), schwebte bereits dem Theologen und Pädagogen Joan Amos Comenius in seiner Großen Didaktik vor. Das Buch erschien erstmals 1628, also inmitten des 30-jährigen Krieges auf Tschechisch, 1657 in der letztendlichen Fassung auf Latein, und gilt als »das erste Lehrbuch über schulischen Unterricht« (Grundmann 2010, S. 69) überhaupt. Das was wir heute Inklusion nennen, war für Comenius in einer Zeit, als Bildung noch das Privileg vornehmlich des männlichen Adels war, so scheint es, eine Selbstverständlichkeit. Er meinte wirklich eine Schule für alle:
»Nicht nur die Kinder der Reichen und Vornehmen sollen zum Schulbesuch angehalten werden, sondern alle in gleicher Weise, Adlige und Nichtadlige, Reiche und Arme, Knaben und Mädchen aus den Städten, Flecken, Dörfern und Gehöften« (Comenius 1954, S. 55. Hervorhebung ER.).
Ausdrücklich bezieht er in seiner unvollendet gebliebenen Pampaedia auch Menschen, die wir heute behindert nennen, in sein pädagogisches Konzept mit ein:
»Nun ist die Frage, ob auch die Blinden, die Tauben und die Dummen, denen wegen mangelnder Erkenntnismittel gewisse Dinge nicht genügend eingeprägt werden können, dieser Pflege unterzogen werden sollen. Ich antworte: (…) Nur außermenschliche Geschöpfe werden von der vervollkommnenden Pflege ausgeschlossen. In dem Maße, wie jemand an der menschlichen Natur Anteil hat, soll er an jener Wartung teilnehmen; besonders ist dort, wo die Natur sich wegen eines inneren Mangels nicht selbst helfen kann, äußere Hilfe nötig« (Comenius 1960, S. 47).
Zwar blieb Comenius’ Anliegen »noch in weitumspannende religiöse, ja eschatologische Weltdeutungen eingehüllt« (Spranger 1949, S. 19). Ihm ging es weder um soziale Teilhabe im heutigen Sinne, noch um Vorwegnahme des bürgerlichen Bildungsideals im Spannungsfeld zwischen Emanzipation von überkommenen Hörigkeitsverhältnissen auf der einen und Erziehung zur bürgerlichen Brauchbarkeit auf der anderen Seite, sondern, geprägt von seinen Kriegserfahrungen, um sittliche und religiöse Vervollkommnung, aber aller Menschen (omnes). Insofern kann Comenius durchaus als Verfechter der Idee, die wir heute als Inklusion bezeichnen, verstanden werden, wenn auch im Kontext seiner Zeit.

3.2 »Die Einheit des Menschen in der Menschheit« (Séguin)

Ein weiteres Beispiel dafür, dass die Idee der Inklusion eine lange Tradition hat, findet sich ca. 200 Jahre später. 1846 legte der Mediziner und Pädagoge Édouard Séguin das wohl weltweit erste Lehrbuch einer Pädagogik der damals sog. Idioten vor. Sein Anliegen war es,
• »(…) die Idioten zu erziehen und sie mehr oder weniger und Schritt für Schritt der Menschenwürde wiederzugeben« (2011, S. 215),
• »(…) die Idioten zu bessern,
• die menschliche Natur von ihren niedrigsten bis zu ihren höchsten Äußerungen zu studieren und
• an Idioten die richtigen physiologischen Mittel zur Erhebung der Menschheit durch jene Erziehung zu erproben (…)« (S. 74),
• die er in seinem Werk entwickelt hat. Sein Ziel war dabei
• die Herstellung »(…) der Einheit des Menschen in der Menschheit« (S. 164) und
• »(…) ein beständiges Aufsteigen auf der Stufenleiter von der Isolierung zur Vergesellschaftung« (S. 167).
Wichtiges Anliegen war Séguin die Erziehung zur Arbeit, wobei er ausdrücklich nicht entfremdete Lohnarbeit meinte. Das »(…) Resultat oder Produkt der Arbeit muss in ihrer Perzeption und Intelligenz wahrnehmbar und faßbar sein, muß vor allem von persönlichem und unmittelbarem Nutzen sein« (S. 184). Scharf grenzte er sich von dem (nicht nur) zeitgenössischen Ziel der Erziehung zur bürgerlichen Brauchbarkeit ab:
»Kann man aber den Idioten in einer Massenindustrie arbeiten lassen, wo Dampf und Maschinen die Produktion täglich zu einem Tags vorher unbekannten Umfange zwingen und frohe Menschen zum Äußeren und zur Erniedrigung verkrüppelter, bleicher und vergrämter Arbeiter von Lyon, Manchester, Birmingham usw. reduzieren? Wenn Idioten so verwendet werden, dann wäre es besser, sie in ihrer ursprünglichen Verfassung zu lassen« (S. 185).

4 Die Inklusionsidee in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte

Ich unternehme einen weiteren historischen Sprung in die deutsche Nachkriegsgeschichte, wobei ich mich aus Zeitgründen auf die frühere BRD beschränke1. Nach einer Phase der Restauration kam es in den 1960er Jahren parallel zur Bildungsexpansion der sog. höheren Schulen auch zu einer qualitativen wie quantitativen Ausweitung des Sonderschulsektors. Außerdem gelang es der Sonderpädagogik, sich von der bis dahin vorherrschenden medizinischen Dominanz zu emanzipieren und als pädagogische Teildisziplin an mehreren Universitäten und pädagogischen Hochschulen zu etablieren. Doch nur wenige Jahre nach Beginn dieser Entwicklung, regte sich der Protest insbesondere von Betroffenen, denen all diese Segnungen zugedacht waren. Sie wandten sich vor allem gegen die zentrale sonderpädagogische Grundannahme, der zufolge sie als Behinderte besondere Menschen seien, die nur in besonderen Einrichtungen pädagogisch und sozial sonderbehandelt werden können.
• »Keine Reden,
• Keine Aussonderung,
• Keine Menschenrechtsverletzungen.«
Das waren die zentralen Forderungen von Aktivistinnen und Aktivisten eines bundesweiten Zusammenschlusses von Krüppel- und Behinderteninitiativen, die am 24. Januar 1981 anlässlich der nationalen Eröffnungsveranstaltung des Internationalen Jahres der Behinderten in der Dortmunder Westfalenhalle die Hauptbühne besetzt hatten, wenige Minuten bevor dort der damalige Bundespräsident Carl Carstens hätte sprechen sollen. Knapper und präziser kann man die Idee der Inklusion kaum auf den Punkt bringen. Durch die Gründung gemeindenaher ambulanter Assistenzdienste als Gegenentwurf zur verbreiteten stationären Unterbringung von Menschen mit Behinderung, die bei der Bewältigung ihres Alltages auf Unterstützung angewiesen sind, haben manche dieser Initiativen seit Ende der 1970er/Anfang der1980er Jahre, leider bislang in nur sehr wenigen Städten, ihre Forderungen auch ganz praktisch umgesetzt.
»Gemeinsam leben – gemeinsam lernen« ist das Mot...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Heilpädagogik und Inklusion – ein Widerspruch?!
  6. 1 Theoretische Positionierungen
  7. 2 Inklusion zwischen Anspruch und Wirklichkeit (Lebenswelten, Handlungs- und Organisationsfelder)
  8. 3 Umsetzung in die inklusive Praxis
  9. Die Autorinnen und Autoren