KAPITEL 1
Der E-Commerce und die Rolle von Amazon
In diesem Kapitel:
- Die E-Commerce-Landschaft – ein aktueller Überblick
- Amazon: der Gigant im deutschen E-Commerce
- Warum man eine Amazon-Strategie braucht
Vom kleinen Onlineshop für Bücher hat sich Amazon schon lange zum Giganten im Bereich Onlineshopping erhoben. Mehr als jede zweite Bestellung im deutschen E-Commerce wird über Amazon getätigt. Mittlerweile ist Amazon jedoch weit mehr als ein bloßer Onlinehändler, es ist für zahlreiche Innovationen im E-Commerce verantwortlich. Den Begriff »Kundenfreundlichkeit« hat das Unternehmen neu definiert. Als Produktsuchmaschine Nummer eins hat Amazon einen nicht zu unterschätzenden Einfluss darauf, wie Verbraucher heutzutage Marken entdecken und Produkte kennenlernen. Es ist die treibende Kraft, wenn es um Brand-Discovery geht. Wer sich hier nicht rechtzeitig positioniert, wird auf lange Sicht von der Bildfläche verschwinden – oder taucht gar nicht erst im Bewusstsein seiner potenziellen Kunden auf.
Händler und Hersteller sollten sich jedoch nicht blind und planlos in den Amazon-Großstadtdschungel begeben, denn er ist ein hartes Pflaster. Dieses Buch begleitet den Leser von den ersten Erkundungstouren durch das unbekannte Terrain bis hin zur Entwicklung von ausgefeilten Strategien. Das Ziel? Aus Amazon so viel wie möglich für das eigene Unternehmen herauszuholen.
Um erfolgreich mit Amazon zu arbeiten, müssen viele verschiedene Faktoren beachtet werden. Grundlegende Voraussetzung ist, den Onlineriesen und seine Funktionsweise zu verstehen sowie seine Rolle im E-Commerce einschätzen zu können.
Die E-Commerce-Landschaft – ein aktueller Überblick
Es ist kein Geheimnis, dass immer größere Marktanteile vom stationären Handel in den Onlinehandel hinüberwandern. Dies bekommen Händler und Hersteller weltweit zu spüren. Noch vor gar nicht allzu langer Zeit verzeichneten Fachgeschäfte, Einkaufszentren und Markenstores mit Abstand den meisten Umsatz. Dieser Anteil wird laufend schmaler. Im Gegenzug wächst der Gesamtumsatz im E-Commerce immer stärker und schneller.
Hinweis
Folgende Zahlen belegen die wachsende Bedeutung des Onlinehandels: In Deutschland liegt der Gesamtumsatz des Einzelhandels 2018 bei 525,0 Milliarden Euro. Der Anteil des B2C-E-Commerce beläuft sich dabei mit 53,4 Milliarden Euro auf über ein Zehntel des Gesamtumsatzes.1
Hersteller und Händler sollten daher nicht den Fehler begehen und diese Entwicklung als einen vorübergehenden Trend abstempeln. Nicht wieder aufzuholende Umsatzeinbußen können die Folge sein. Viele Akteure haben das verstanden und nutzen die Chancen, die der E-Commerce ihnen bietet.
Onlinedistributionskanäle für Hersteller und Händler
Vor den Zeiten des elektronischen Handels waren vor allem Hersteller auf Händler angewiesen, um ihre Kunden überhaupt erreichen zu können. Diese Abhängigkeit brachte oft geringe Margen und Kontrollverluste mit sich. Führten Händler beispielsweise Rabattaktionen durch oder verfolgten eine stark kundenfreundliche Preispolitik, musste der Hersteller das mittragen. Wollte er diesem Druck nicht nachgeben, drohte ihm die Auslistung. Das heißt, der Händler nahm seine Artikel aus dem Sortiment. Doch die Machtverhältnisse haben sich inzwischen verschoben.
Das Internet eröffnet für Hersteller ganz neue Vertriebsmöglichkeiten. Sie können ohne allzu hohen Arbeits- und Kostenaufwand einen Kundenstamm aufbauen und pflegen. In vielen Bereichen ist der Direktvertrieb zum Regelfall geworden. Dies gilt auch für zahlreiche große Markenhersteller, die zuvor ausschließlich an Händler und nicht an Endkunden verkauft haben.
Suchen Verbraucher heute Produkte einer bestimmten Brand, gehen sie den direkten Weg über das Internet und die Website des Herstellers. Der stationäre Handel und auch Onlinehändler dienen Markenherstellern zum Teil nur noch als Zuarbeiter. Viele Verbraucher schauen sich Produkte im Ladengeschäft an, nur um sie anschließend online zu erwerben. Oder sie bestellen das erste Paket bei einem Onlinehändler und werden durch Flyer und Gutscheincodes zum Onlineshop des Herstellers geführt. Dieser sitzt in vielen Fällen nun am längeren Hebel.
Doch ganz ohne Zwischenhändler kommen selbst die großen Player nicht aus. Gerade wenn es um Umsatzsteigerung und Neukundengewinn geht, sind die Möglichkeiten eines eigenen Onlineshops beschränkt. Darüber hinaus ist ein eigener Webshop nicht für jedes Geschäftsmodell der effizienteste Vertriebsweg.
Für Unternehmen aller Segmente und Größenordnungen findet sich in der breit gefächerten E-Commerce-Landschaft ein Platz – sei es in Form eines eigenen Onlineshops, über Onlinehändler oder auf digitalen Marktplätzen:
Eigener Onlineshop
Für Hersteller ist der eigene Onlineshop das digitale Aushängeschild ihrer Marke und ein wichtiges Branding-Werkzeug. Er dient im E-Commerce analog zum stationären Handel als Flagship-Store. Der Vorteil bei diesem Distributionskanal liegt in der vollen Kontrolle über die eigenen Produkte und ihren Vertrieb. Hersteller können selbst entscheiden, wie sie ihre Artikel präsentieren und zu welchen Konditionen sie sie verkaufen.
Dies bedeutet im Umkehrschluss auch, dass beim Direktverkauf an den Endkunden sämtliche Arbeitsschritte in der Verantwortung des Herstellers liegen. Hat er zuvor noch nie unmittelbar an Endkunden verkauft, muss er entsprechende Vertriebs- und Logistikstrukturen aufbauen sowie Personal rekrutieren, das den Onlineshop betreibt und pflegt. Auch das Outsourcing dieser Aufgabenbereiche ist möglich. So oder so bedeutet ein eigener Webshop im Vergleich zu den anderen Optionen einen höheren Ressourceneinsatz. Bevor Umsätze erzielt werden, muss der Hersteller oder Händler Geld und Zeit in den Aufbau des Shops investieren. In der Regel fallen dafür die Margen je Produkt auf lange Sicht höher aus.
Verfolgt ein Unternehmen Umsatz- und Wachstumsziele mit seiner E-Commerce-Strategie, stößt es mit dem eigenen Onlineshop jedoch schnell an seine Grenzen. Oft lassen sich nicht genug Traffic und Reichweite generieren, um die Zielvorgaben zu erreichen. Selbst für Markenhersteller mit starker Brand wird es mit steigendem Wettbewerb zunehmend schwerer, sich ausschließlich mit dem eigenen Webshop sichtbar im Internet zu platzieren und die Aufmerksamkeit von potenziellen Kunden zu erlangen.
Onlinehändler
Onlinehändler kaufen Waren von Herstellern oder anderen Händlern und verkaufen sie anschließend an den Endkunden. Dies geschieht über den Onlineshop des Händlers und/oder auf Onlinemarktplätzen.
Die Zusammenarbeit mit Onlinehändlern entspricht der gewohnten Vorgehensweise von großen Markenherstellern. Sie gehen in der Regel den Weg über Handelspartner und verkaufen ihre Produkte nicht direkt an Endkunden. Onlinehändler bieten für sie folglich den Vorteil, dass sie keine neuen Vertriebsstrukturen aufbauen müssen, sondern nach gewohntem Muster vorgehen können.
Als Eigentümer der Waren ist der Onlinehändler für alle Arbeitsschritte verantwortlich, die nach der Produktlieferung an sein Lager erfolgen. Dazu gehören neben Logistik, Bestellabwicklung und Versand auch das Marketing und die Betreuung der Kunden.
Entscheidet man sich für den Verkauf an Onlinehändler, gibt man einen Großteil des Arbeitsaufwands, aber auch ein nicht unerhebliches Maß an Kontrolle ab. Schließlich haben Sie nur noch bedingt Einfluss auf den Verkaufspreis sowie die Präsentation der Produkte. Darüber hinaus fällt die Marge bei diesem E-Commerce-Modell im Schnitt am niedrigsten aus, da auch der Händler am Weiterverkauf der Ware verdienen will.
Onlinemarktplätze
Hierbei handelt es sich um virtuelle Marktplätze, auf denen Hersteller und Händler ihre Produkte anbieten können. Die Plattformen verfügen meist über eine große Produktvielfalt. Sie zeichnen sich daher oft durch eine vergleichsweise hohe Reichweite aus. Sie geben Ihnen die Möglichkeit, Ihre Waren auch ohne eigenen Onlineshop zu vertreiben. Anders als bei der Zusammenarbeit mit einem Onlinehändler erfolgt der Verkauf bei diesem Modell direkt an die Endkunden.
Es gibt sowohl Onlinemarktplätze, die auf bestimmte Produktkategorien und -nischen spezialisiert sind, als auch Handelsplätze für Produkte aus vielen unterschiedlichen Segmenten. Die größten Onlinemarktplätze in Deutschland sind mit Abstand Amazon und eBay.
Je nach Marktplatzmodell wird von den Verkäufern ein hohes Maß an Eigeninitiative gefordert. So liegt es beispielsweise in ihren Händen, die Artikel einzustellen, ihre Preise zu definieren und sie zu versenden. Dies bedeutet zwar einen höheren Arbeitsaufwand als bei der Zusammenarbeit mit einem Onlinehändler, doch dafür hat der Verkäufer auch mehr Kontrolle. Die Bestellabwicklung übernimmt in der Regel der jeweilige Marktplatzbetreiber. Darüber hinaus bieten viele Onlinemarktplätze weitere Serviceleistungen an, vom Retourenmanagement bis hin zur Übernahme der Kundenbetreuung.
Da Verkäufer die bereits vorhandene Infrastruktur der Plattform nutzen, muss weder Zeit noch Geld für deren Aufbau eingeplant werden. Sie können Produkte sofort listen und ihren Kunden anbieten. Dafür erheben die Marktplatzbetreiber Gebühren für die Nutzung der Handelsplattform. Kosten, aber auch Margen, fallen folglich meist geringer aus als bei einem eigenen Onlineshop.
Hinweis
Händler und Hersteller müssen den Richtlinien des jeweiligen Marktplatzes gerecht werden. Die Betreiber stellen teilweise recht hohe Ansprüche an die Nutzer. Davon sind insbesondere die Themen Kundenservice, Verpackung und Versand betroffen. Oft sind Sie beispielsweise dazu verpflichtet, Kundenanfragen innerhalb eines bestimmten Zeitfensters zu bearbeiten und sich bei Retouren kulant zu zeigen.
Onlinedistributionskanäle strategisch auswählen
Welche Variante man wählt, ist ein komplexer Entscheidungsprozess und hängt von zahlreichen Faktoren ab. Dazu gehören zum Beispiel die Produktkategorie, das zur Verfügung stehende Budget und die Unternehmensstrategie. Hersteller müssen sich fragen, welche Ziele sie über den Onlinehandel erreichen wollen und mit welchen Mitteln sich diese erreichen lassen.
Wenn Sie eine E-Commerce-Strategie entwickeln, sollten Sie sich bewusst sein, dass bei der Kooperation mit Onlinehändlern und -marktplätzen immer ein Abhängigkeitsverhältnis entsteht. Dieses ist je nach Modell unterschiedlich stark ausgeprägt. Je größer die Marktmacht eines Shopbetreibers ist, umso mehr Druck kann er auf seine Handelspartner ausüben – etwa indem er immer höhere Verkaufsgebühren verlangt und damit droht, Produkten ihre Sichtbarkeit auf der Website zu entziehen. Oft wird daher eine Kombination aus verschiedenen Onlinedistributionskanälen gewählt. Eine breitere Aufstellung verhindert, dass man in eine zu hohe Abhängigkeit von einem einzigen Distributionskanal gerät.
Für welchen Onlinevertriebsmix man sich auch entscheidet: An Amazon kommt heute niemand mehr vorbei. Der Handelsriese ist gleichzeitig Händler, Marktplatzbetreiber und sogar Hersteller. Im E-Commerce nimmt Amazon mit seiner laufend wachsenden Marktmacht eine Sonderstellung ein. Wer mit dem Onlinehandel Umsatz- oder Markenziele verfolgt, muss sich diese zunutze machen.
Amazon: der Gigant im deutschen E-Commerce
Im europäischen und globalen E-Commerce spielt Amazon eine immer entscheidendere Rolle. In Deutschland wächst Amazon sogar exponentiell zum gesamten Onlinehande...