Im kranken Haus
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Im kranken Haus

Ärzte behandeln das Gesundheitssystem

  1. 196 Seiten
  2. German
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Im kranken Haus

Ärzte behandeln das Gesundheitssystem

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Diagnose Systemfehler!Sie wollen wissen, was Sie in einer Arztpraxis oder in einem Spital wirklich erwartet?Vier Top-Mediziner zeigen mit umfangreichen Fallbeispielen auf, woran es in unserem Gesundheitssystem krankt. Die Fakten mögen erschüttern. Doch dieses Buch rechnet nicht nur mit den Lügen im System ab, es bietet vor allem praktikable Lösungen an, um die Beziehung von Arzt und Patient in eine heilsame Zukunft zu führen.Eines ist sicher: Als aufgeklärter Patient können Sie sich und Ihre Familie schützen und von allen Beteiligten Veränderung einfordern.Ein Buch, an dem die Gesundheitspolitik der kommenden Jahre nicht mehr vorbeikommen wird.

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KAPITEL FÜNF

DAS SPIEL DER PHARMAINDUSTRIE

Die Pharmaindustrie hat die Medizin fest im Griff. Immerhin produziert sie die Medikamente, die der Arzt seinen Patienten verschreibt. Und das wird teilweise ausgenützt. Den Konzernen leuchten die Dollar-Zeichen in den Augen, speziell bei neuen, oft sehr hochpreisigen Medikamenten. Das geht so weit, dass Studien in Richtungen gedeutet werden, um Krankheiten erfinden zu können, die es wiederum möglich machen, den Markt mit neuen Medikamenten zu überfluten. Als Schlusslicht steht der Patient, der nicht mehr weiß, ob er krank ist und wenn ja, welches Medikament wann und wie wirkt. Am besten gleich mehrere, sicher ist sicher.

PROBLEM: BURN-OUT – DIE MODEKRANKHEIT

Krankheiten werden erfunden. Das ist Fakt.
Disease Mongering nennt sich das, wörtlich: „Handel mit Krankheiten“. Es ist eine spezielle Form der Pathologisierung, indem man seltene Symptome als grassierende Krankheiten darstellt (etwa Erektionsstörungen), normale Lebensvorgänge als medizinisches Problem verkauft (zum Beispiel Haarausfall), leichte Symptome als Vorzeichen schwerer Leiden aufbauscht (Restless-Legs-Syndrom), persönliche und soziale Probleme in medizinische Probleme umdeutet (Soziophobie) oder Risiken als Krankheiten verkauft (geringe Knochendichte wird zu Osteoporose).
Ganz hoch im Kurs steht die Modekrankheit schlechthin: Burn-out. Der Grund, warum Menschen nicht mehr zur Arbeit gehen und in den Krankenstand geschickt werden, ja sogar in die Invalidität und Arbeitsunfähigkeit fallen.
Das heißt nicht, dass Burn-out erfunden ist.
Es ist ein ernst zu nehmendes Phänomen unserer leistungsorientierten Gesellschaft. Trotzdem werden damit mehr Leute diagnostiziert als nötig.
Grundsätzlich kann man Burn-out so beschreiben: Im Leben brennen mehrere Flammen: für den Beruf, privat, im Freundeskreis … Wenn eine Flamme erlischt, der Beruf zum Beispiel, dann ist man nicht im Burn-out, weil die anderen Flammen noch brennen. Diagnostiziert wird es trotzdem schon. Und die Pharmaindustrie bietet natürlich die richtige Pille dafür an.
Problematisch wird es erst, wenn man nur mehr eine Flamme hat, eben den Beruf, und diese Flamme erlischt.
Weil man seine Arbeit immer als Bestätigung seines Lebens gesehen hat. Ein halbes Leben lief man ausschließlich im Hamsterrad. Und dann fällt man raus. Ausgebrannt. Früher hatte man eine Depression, heute hat man ein Burn-out.
Burn-out ist eine der häufigsten Diagnosen für Menschen, wenn sie in Pension gehen. Weil sie eben die einzige stützende Säule in ihrem Leben verlieren. Weil sie sich keine anderen Säulen aufgebaut haben oder sie einstürzen ließen. Pensionsschock haben wir es früher genannt und zu einem neuen Hobby geraten, zu etwas, das Freude macht und die Konzentration auf ein Thema lenkt.
FALLBEISPIEL
Friedrich G., 44, ist verzweifelt. Er spricht mit seiner Hausärztin.
„Angefangen hat alles mit Schlafstörungen. Morgens war ich dann wie gerädert. Wenn ich an meine Arbeit dachte, sind die Füße weich geworden und ich hatte ein Schwindelgefühl. Konnte einfach nicht mehr aufstehen.“
Die durchgeführten Untersuchungen zeigen keine Auffälligkeiten. Friedrich G. hat sich in der Firma durch viel Fleiß und außergewöhnliches Engagement eine gute Position erarbeitet. Durch das viele Arbeiten ist aber seine Familie zu kurz gekommen. Zeit für sich hatte er in den letzten Monaten überhaupt keine mehr.
Projekte und Arbeitsinhalte begleiteten ihn durch den ganzen Tag bis in den späten Abend hinein. Kontakte zu Freunden wurden immer mehr reduziert.
„Seit drei Monaten bin ich mit meinem besten Freund, dem Sepp, auf kein Bier mehr gegangen“, erzählt er.
Er möchte unbedingt das neue Projekt in der Firma noch zu Ende bringen, weiß aber nicht, wie er das schaffen soll.
Die Hausärztin berät Friedrich G. „Sie müssen vor allem wieder Ihren Schlaf finden, denn sonst kommen Sie aus diesem Teufelskreis überhaupt nicht mehr heraus. Ohne Auszeit und ohne vorübergehende Medikamenteneinnahme wird das nicht funktionieren.“
Friedrich hat Sorge, von den Medikamenten abhängig zu werden, zu einem Psychiater will er auch nicht gehen. Nach einem langen Gespräch kann die Ärztin den Patienten dazu bewegen, dass er sich in eine fachärztliche psychiatrische Behandlung begibt.
Im Wartezimmer haben sich schon zweiundzwanzig weitere Patienten eingefunden. Es geht ihnen wie Friedrich G. – schlecht.

Lösungsansatz

Die Lösung setzt beim Grundlegenden an. Bei der Änderung der persönlichen Einstellung. Halt im Leben findet man überwiegend bei der Familie oder in einer anderen Gemeinschaft. Der Kreis von geliebten Menschen fängt einen auf, wenn alle anderen Flammen erloschen sind. Aber nur, wenn man sich im Leben um die wichtigste Flamme gekümmert hat. Sich Zeit freigeschaufelt hat und nicht bei jedem Treffen das Handy und die Mails wichtiger waren.
Es geht um die Aufwertung der sozialen Kompetenz gegenüber materiellen Gütern. Nennen wir es ruhig Menschlichkeit.

PROBLEM: DIE GEFAHR VON ANTIBIOTIKA

Für jede gängige Krankheit gibt es mittlerweile das passende Antibiotikum. Halskratzen – Antibiotika. Kopfschmerzen – Antibiotika. Grippe – Antibiotika. Ein weher Fuß – Antibiotika. Eine Schürfwunde – Antibiotika. Die massenhafte Verabreichung von Antibiotika birgt Gefahren, über die sich der Patient meist nicht im Klaren ist.
Ja, sogar seinen domestizierten Tieren verabreicht der Mensch Antibiotika. Über unser Essen kommt alles wieder in unsere Körper. Durch Ausscheidungen in unser Ökosystem. In unsere Böden, auf denen wir unsere Nahrung anpflanzen. In unser Trinkwasser, das wir in Flaschen abfüllen. Prost, Mahlzeit.
FALLBEISPIEL
Die 47-jährige Theresa H. hat Husten und ein wenig Fieber. Sie geht zu ihrem Hausarzt, damit er ihr ein Antibiotikum verschreibt. Eine eingehende Untersuchung durch den Arzt ergibt einen grippalen Infekt. Er überlegt, ihr ein Antibiotikum zu geben, entscheidet sich aber dagegen.
Eine Bestimmung des CRP, ein Laborwert, der einen Hinweis auf eine bakterielle Infektion gibt, kann der Hausarzt vor Ort in der Praxis als Schnelltest nur gegen Bezahlung anbieten. Der Check wird von der Krankenkasse nicht übernommen. Theresa möchte aber nicht für den Befund bezahlen. Der Arzt nimmt ihr Blut ab, das Ergebnis wird am Nachmittag oder am nächsten Tag vom Labor übermittelt. Theresa H. lässt sich vom Hausarzt überzeugen, nicht sofort ein Antibiotikum einzunehmen, sondern die Befunde abzuwarten und die Symptome des Infekts mit Hausmitteln zu bekämpfen.
Eine Ausnahme. Viele Menschen wollen nicht warten, bis die Symptome sich auch ohne Antibiotika bessern. Sie haben Druck am Arbeitsplatz und können sich längere Krankenstände nicht leisten, sind privat stark eingespannt oder haben vielleicht einen Urlaub gebucht, auf den sie nicht verzichten wollen. Die Erkrankung muss also möglichst rasch beseitigt werden. Also warum nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen?

Lösungsansatz

Es ist nicht immer leicht, vor allem für den Hausarzt, angemessen zu reagieren. Patienten kommen mit hohen Erwartungshaltungen, die, wenn sie sich nicht erfüllen lassen, gleich einen Arztwechsel nach sich ziehen. Dabei wird aber das gesamte System belastet. Im Falle der Antibiotikaverschreibung entstehen unnötige Kosten, Resistenzentwicklungen von Keimen, die dann auf die gängigen Antibiotika nicht mehr ansprechen. In einigen Staaten Europas sind multiresistente Keime, also Keime, gegen die nur mehr einige oder gar keine Antibiotika mehr wirken, durch das unkritische Verschreiben zu einer Seuche geworden.
Es braucht zudem eine Stärkung der Diagnostik im niedergelassenen Bereich. Beispielsweise durch die Kostenübernahme für entsprechende Laborwerte, die gleich in der Praxis bestimmt werden können und wichtig für die Therapieentscheidung sind. Die Kosten sollte die Krankenkasse tragen.
Der Einsatz von Antibiotika darf nur bei bakteriellen Infekten nach entsprechender Diagnostik verschrieben werden. Auf keinen Fall sollte man Breitbandantibiotika als Ersttherapie verwenden.
Es braucht aber auch die Reduktion von Antibiotika in anderen Bereichen, wie in der Tierhaltung.

PROBLEM: ENTZÜNDUNGSHEMMER

Bei Patienten sind sogenannte over the counter, das heißt ohne Rezept einlösbare Entzündungshemmer und Antirheumatika, problematisch. Die Patienten horten die Medikamente und Schmerzmittel, kombinieren sie, ohne zu wissen, dass man das nicht soll, weil es zu massiven Nebenwirkungen führen kann. Nebenwirkungen wie Magenbeschwerden, Magenblutungen, Nierenversagen treten auf.

Lösungsansatz

Es braucht das Bewusstsein, dass Schmerzmittel die häufigsten Risiken beinhalten. Es geht um Wissensvermittlung und Aufmerksamkeit, denn frei nach Paracelsus: Die Dosis macht das Gift. Es können auch nichtsteroidale Antirheumatika, die frei erhältlich sind und in Überdosierung angewendet werden, töten. Man könnte den Preis der over the counter-Medikamente erhöhen und sie speziell kennzeichnen. Speziell kennzeichnen heißt, die Kunden müssen, bevor sie die Drogerie/das Geschäft mit den over the counter-Medikamenten verlassen, über Wirkungen, Nebenwirkungen, richtige Einnahme/Dosierung usw. beraten werden. Die Preiserhöhung sollte die Beratungskosten decken.

EXKURS FÜR INSIDER

Der erste Exkurs in diesem Buch richtet sich an all jene, die es genauer wissen möchten. Das erste Thema dreht sich um die starken Schmerzmittel, die Opioide. Der Missbrauch und die Überdosierung von Medikamenten ist ein Problem, dem die Medizin und die Politik entgegenwirken müssen. Auch wenn man sich damit gegen die Pharmaindustrie stellt.

Das Geschäft mit dem Schmerz

„Opioid-Krise“: In Österreich kein Grund zur Sorge
Aktuelle Berichte sprechen immer wieder von einer dramatischen Verschärfung der Opioid-Krise in den USA, von zahlreichen Toten und Abhängigen und von einer verantwortungslosen Verschreibungspraxis durch Ärzte. Und immer wieder wird die Frage gestellt, ob eine ähnliche Entwicklung auch in Österreich vor der Tür steht. Um gleich das wichtigste Ergebnis vorwegzunehme: Nein, die Situation in Österreich ist völlig anders, daher gibt es hierzulande keine Rede von einer Opioid-Krise.
Die veröffentlichten Daten der Centers for Disease Control and Prevention (CDC), einer Einrichtung des US-Gesundheitsministeriums, sind tatsächlich alarmierend: In den USA sterben täglich rund 130 Menschen an einer Überdosis an Opioiden, das sind mehr als im Straßenverkehr oder durch Schusswaffen ums Leben kommen. Diese sogenannte Opioid-Krise hat man sogar zum nationalen Notstand erklärt.
In der öffentlichen Debatte werden Opiatmissbrauch und der Einsatz von Opioiden in der Schmerzmedizin leider häufig in unzulässiger oder oft absichtlich polemischer Weise vermischt und wird auf die erforderliche Differenzierung vergessen, was zu bedauerlichen Missverständnissen und Verunsicherungen führt. Man muss eine klare Abgrenzung zwischen dem Einsatz von Opioiden als Schmerzmittel und der Verwendung bei Abhängigkeitserkrankungen ziehen.

Folgen der Absicherungsmedizin

Oft wird in der aktuellen Debatte auch nicht berücksichtigt, dass die Situation in Nordamerika und in Europa deutliche Unterschiede aufweist. Anders als in den USA halten sich die Ärzte in Öst...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Über dieses Buch
  3. Widmung
  4. INHALT
  5. VORWORT
  6. WAHRHEIT AUF REZEPT
  7. Kapitel eins – DAS KRANKE HAUS
  8. Kapitel zwei – DER KRANKE PATIENT
  9. Kapitel drei – DIE KRANKE MEDIZIN
  10. Kapitel vier – DAS LEBEN DES ARZTES
  11. Kapitel fünf – DAS SPIEL DER PHARMAINDUSTRIE
  12. Kapitel sechs – DER VERNACHLÄSSIGTE ALTE
  13. Nachbehandlung – ETHIK AUF REZEPT
  14. ANHANG ÖGARI Ethik-Manifest für eine menschlichere Medizin
  15. DIE AUTOREN
  16. Über die Autoren
  17. Impressum