Vortrag, gehalten in Paris
am Sonntag, dem 4. Februar 1917
Die Psychologie der deutschen Rasse
nach ihren objektiven und spezifischen Merkmalen
Sehr geehrte Damen und Herren!
Die vergleichende Psychologie, eine unabhängige und von jeglichen metaphysischen Gedankengängen freie Wissenschaft, zieht ihre Schlüsse aus der Beobachtung und dem Experiment. Sie studiert die psychischen Zustände in ihrer äußeren Ausprägung und befasst sich vor allem mit der Feststellung und Messung ihrer Objektivität.
Bevor sie zu Folgerungen schreitet, die sie zu synthetischen Schlüssen führen, vereint sie alle Materialien, die ihr die objektive Methode zu liefern vermag.
Aus diesem Grund muss sie als ein Bereich der Naturgeschichte betrachtet werden; sie erfordert vom Psychologen – genau wie vom Naturforscher – zunächst einmal die Beschreibung des untersuchten Gegenstands.
Ohne eine solche Beschreibung wäre es nicht möglich, Ähnlichkeiten und Unterschiede festzustellen, die nicht nur zwischen Individuen derselben Art, sondern auch zwischen jenen verschiedener Rassen bestehen.
Indem die vergleichende Psychologie die Rassen erforscht und psychologisch charakterisiert, den Grad ihrer geistigen Entwicklung misst und ihre Neigungen, Fähigkeiten und Handlungsmotive aufdeckt, wird sie nach der Voraussage von Broca[1] zu einem der wichtigsten Zweige der allgemeinen Anthropologie werden. Und so lässt sich bereits der Tag vorhersehen, an dem diese junge Wissenschaft mithilfe eines Ensembles an wissenschaftlichen Ableitungen imstande sein wird, uns über die Bildungsweisen von Nationalcharakteren zu belehren und uns begreifen zu lassen, welche tiefen Ursachen feindselige Haltungen und Konflikte zwischen den Völkern haben.
Die Legitimität des Vergleichs als psychologisches Untersuchungsverfahren ist von Cabanis[2] in seinem Buch Über die Verbindung des Physischen und Moralischen in dem Menschen klar herausgestellt worden:
Vergleicht man den Menschen mit dem Menschen, so sieht man, daß die Natur auch zwischen den Individuen ähnliche Unterschiede gemacht hat, die gewissermaßen mit den Unterschieden, die sich zwischen den Arten befinden, überein kommen. Die Individuen haben nicht alle dieselbe Größe, noch dasselbe äußere Ansehen; die Lebensverrichtungen geschehen nicht bey allen mit demselben Grade von Kraft und Geschwindigkeit; ihre Neigungen haben nicht alle gleiche innere Stärke und nehmen nicht immer eine gleiche Richtung.
Die Unterschiede, welche zuerst auffallen, betreffen die Größe und die Leibesbeschaffenheit. Einige sind von großer, andere von kleiner Statur. Bald sind sie mit starken Muskeln versehen und fett, bald mager oder gar dürr. Die Farbe der Haare, der Augen und der Haut gibt noch einige andere Unterschiede an die Hand, welche ebenfalls zu den äußeren Formen gerechnet werden müssen.
Betrachten wir diese Körper in ihren Bewegungen, und sehen wir, wie sich ihre Fähigkeiten entwickeln und wie sie die ihnen eigenthümlichen Geschäfte verrichten, so finden wir, daß die einen lebhaft, munter, zuweilen ungestüm, die andern dagegen langsam, feige, schläfrig sind. Ihre Krankheiten tragen, in mehreren Rücksichten, eben den Character an sich, als ihre physische Constitution: ihre Neigungen, ihr Geschmack, ihre Gewohnheiten gehorchen demselben Antriebe, und erfahren mit den Modificationen ihrer Krankheiten übereinstimmende Veränderungen; und man sieht sehr oft, wie dieser ursprüngliche Zustand der Organe gewisse Leidenschaften erstickt, in gewissen Epochen des Lebens neue Leidenschaften hervor lockt, kurz das ganze moralische und geistige System verändert.
Da sich Cabanis fortwährend damit befasste, die Beziehungen zwischen körperlichen und moralischen Fähigkeiten herauszuarbeiten, also zwischen der äußeren Form des Objekts und seiner spezifischen Bestimmung, kann man in ihm den hellsichtigsten Anreger für alle Forschungen sehen, welche mit der vergleichenden Rassenpsychologie zu tun haben.
Es ist bedauerlich, dass die Psychologen unserer Zeit so lange gezögert haben, ihm auf diesem Wege zu folgen. Die vergleichende Untersuchung der Mentalität ethnischer Gruppen hätte ihnen gewiss befriedigendere Resultate geliefert als die Studien zur induktiven Psychologie, welchen viele von ihnen wertvolle Zeit widmeten, ohne zu irgendwelchen nützlichen Ergebnissen zu gelangen.
Es ist wahr, dass die Erforschung der Rassen auf einige Schwierigkeiten stößt.
Im Jahre 1866 hat Bourdin in einer merkwürdigen Denkschrift, die er bei der Akademie der Wissenschaften einreichte, dargelegt, dass der Mensch aufgrund eines verkannten Instinkts dazu neigt, in Bild und Skulptur jenen Rassetyp wiederzugeben, dem er selbst angehört. Umgekehrt resultiert aus der Besonderheit dieses Instinkts die Erklärung für unsere Unfähigkeit, Menschen anderer Rassen darzustellen.
Kunst wäre danach nichts anderes als der Sieg über diesen Instinkt.
Bourdins Beobachtung findet gegenwärtig ihre Bestätigung in der Tatsache, dass französische Zeichner, wenn sie deutsche Typen aufs Papier bannen wollen, diese unweigerlich mit dem einen oder anderen Attribut unserer Rasse ausschmücken. Es gelingt ihnen nicht, sie ganz und gar so darzustellen, wie sie wirklich sind. Das liegt daran, dass ihr Auge nicht rechtzeitig darin geschult wurde, Haltungen und Gesten, Rhythmus und Physiognomie von Individuen deutscher Rasse zu beobachten. Einer unserer bekanntesten Künstler hat niemals die Umrisse einer deutschen Frau skizziert, ohne sie mit den zartesten Füßen und der feinsten Fußwölbung zu versehen. Sein Stift gibt unweigerlich dem Drang nach, die gröberen Frauen aus Pommern mit französischen Gliedern auszustatten.
Die elsässischen Zeichner Hansi[3] und Zislin[4] sind zu einer exakten Darstellung des deutschen Typs gelangt, weil die Geburt in einem annektierten Land es ihnen seit frühester Kindheit leichter machte, die Zugeströmten zu beobachten.
Wenn nun die bildliche Darstellung durch einen besonderen Instinkt auf Individuen unserer eigenen Rasse beschränkt ist, so gibt es keinen Grund, weshalb es sich nicht genauso verhalten sollte, wenn es sich ums Verstehen und Beschreiben des geistigen Typus handelt.
Tatsächlich mangelt es selbst bei den gebildetsten Köpfen an nichts so sehr wie an Verständnis für alles, was mit fremden Nationen zu tun hat. Dies erklärt, weshalb die Mentalität der deutschen Rasse einem großen Teil unserer Landsleute bis heute vollkommen unverständlich geblieben ist.
Angesichts solcher Umstände begreift man, dass Psychologen, bei welchen die Fähigkeit zur Beobachtung menschlicher Wesen sich nicht zu einer Kunst aufgeschwungen hat, keine vergleichenden Studien von Vertretern der verschiedenen Rassen riskieren mögen. Die Rasse, der sie selbst angehören, scheint ihnen das einzige Forschungsfeld zu sein, das ihre Aufmerksamkeit auf sinnvolle Weise beanspruchen darf.
Die vergleichende Psychologie muss somit als ein Forschungsfeld betrachtet werden, das einer speziellen Vorbereitung und spezieller Anpassungen bedarf. Besonders medizinische Studien werden das wirksamste Mittel sein, um diese Anpassung zu bewerkstelligen – die medizinische Praxis beruht ja grundlegend auf der Beurteilung und dem Vergleich objektiver Merkmale.
Da Objektivität aus allem entsteht, was zur Außenwelt gehört und damit über die Sinne wahrnehmbar ist, kann man nicht daran zweifeln, dass die Beobachtung besonders exakt sein wird, wenn unsere Sinneswahrnehmungen besser geschult sind, über einen längeren Zeitraum geführt werden und leichter wiederholt werden können.
Hier ist es nötig, eine Unterscheidung zu treffen zwischen dem, was als permanente und dauerhafte Objektivität angesehen werden kann, und dem, was nur eine vergängliche Objektivität darstellt. Die permanente Objektivität entsteht aus der anatomischen Beschaffenheit der Individuen, aus ihrer allgemeinen Physiognomie, ihren Organfunktionen, ihren automatischen Bewegungen, Gewohnheiten und gewissermaßen stereotypen Veranlagungen.
Die vergängliche Objektivität erscheint in Gesten, physischen und psychischen Reflexen, Worten, Gesichtsausdrücken und allen äußerlich sichtbaren Reaktionen, die nicht lange genug andauern, um in Ruhe beurteilt und analysiert zu werden.
Aber egal ob die Objektivität dauerhaft oder vergänglich ist – schon die Beobachtung der einfachsten Gegenstände birgt zahlreiche Fehlerquellen. Nicht selten findet man in der Beschreibung ein und desselben Individuums, ein und derselben Tatsache die schockierendsten Abweichungen. Das liegt zunächst einmal daran, dass die Fähigkeit zum Beobachten nicht bei allen Wissenschaftlern in gleichem Grade entwickelt ist.
So wie es welche gibt, bei denen die Genauigkeit des Beobachtens wie die Entfaltung eines ererbten Talents oder einer glücklichen Leichtigkeit der Anpassung wirkt, scheinen andere dem in den Psalmen beschriebenen Zustand zu entsprechen:
Sie haben Augen und sehen nicht; sie haben Ohren und hören nicht.[5]
Verblüfft über das häufige Auftreten dieser Unfähigkeit zum Gebrauch der eigenen Sinne – selbst bei denen, die sich einer wissenschaftlichen Laufbahn verschreiben –, hat Professor Beauvisage[6] es unternommen, die Ursachen dafür zu ergründen. In seinem gut dokumentierten Buch über die Methode des Beobachtens, dessen Lektüre man nicht genug empfehlen kann, lehrt er die geeignetsten Verfahren, um beim Studenten die Fähigkeit zum Beobachten, Zählen, Vergleichen und Analysieren zu entwickeln.
Lange waren Geschichte und Literatur die einzigen Mittel, um die Beschreibung der äußerlich erkennbaren psychischen Merkmale der Menschen zu überliefern. Später kamen die bildenden Künste hinzu: Malerei, Bildhauerei und Grafik haben trotz einiger den Konventionen geschuldeten Ungenauigkeiten die Objektivität gewissermaßen festgehalten, und zwar nicht nur die der Physiognomien und Haltungen, sondern auch jene der seelischen Antriebe und Leidenschaften.
In unserer Epoche haben geistreiche Forscher in alten Kunstwerken Anhaltspunkte für bemerkenswerte Studien in rückschauender Psychologie aufgefunden. Unter diesen Autoren muss man vor allem Charcot[7], Paul Richer[8] und Félix Regnault[9] aufführen. Mir selbst hat die psychologische Analyse gemalter oder gemeißelter Figuren[10] Gelegenheit zu ähnlich gelagerten Studien verschafft; sie erlaubte es mir, die psychologischen Intentionen aufzuspüren, aus welchen die alten Künstler ihre Inspiration geschöpft hatten.
Aber unter all diesen Werken hat Dr. Galippes[11] Buch über die Vererbung von Stigmata der Degeneration in Herrscherfamilien den engsten Bezug zu den Studien in objektiver Psychologie, die ich derzeit verfolge. Aus der Analyse von 278 Porträts konnte Dr. Galippe eine Erklärung für den degenerieren...