Trauma und Bindung in der Kindheit
eBook - ePub

Trauma und Bindung in der Kindheit

Grundwissen für Fachkräfte der frühen Bildung

  1. 190 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Trauma und Bindung in der Kindheit

Grundwissen für Fachkräfte der frühen Bildung

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Das Thema Trauma ist nicht auf die klinisch-therapeutische Praxis begrenzt, sondern genauso relevant für Fachkräfte in frühpädagogischen Kontexten. Als bedeutsame Bezugspersonen übernehmen sie in Betreuungs- und Kindertageseinrichtungen wichtige Fürsorgeaufgaben und sind im Umgang mit seelisch verletzten Kindern besonders herausgefordert.Das Buch vermittelt eine handlungsorientierte Verstehens- und Zugangsweise zu dem Phänomen Trauma und leitet aus der Bindungstheorie konkrete Überlegungen und Strategien für die frühpädagogische Praxis ab. Dabei wird ein Ressourcen orientierter Ansatz verfolgt, der die Perspektive und das individuelle Erleben von Kindern in den Mittelpunkt stellt.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Trauma und Bindung in der Kindheit von Lilith König im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Bildung & Frühkindliche Bildung. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2020
ISBN
9783170335332

1 Bindung als psychologisches Konstrukt

Das Bedürfnis nach emotionaler Nähe und Verbundenheit ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis und wird in unterschiedlichen Formen sozialer Beziehungen deutlich. In diesem Grundbedürfnis wurzelt auch das Bindungsbedürfnis, das vor allem für Säuglinge und Kleinkinder überlebensnotwendig ist.
Bindungsbedürfnisse im Sinne der Bindungstheorie sind aber nicht mit dem übergreifenden Bedürfnis nach sozialer Einbindung und dem Bedürfnis nach Liebe und Wärme gleichzusetzen. Insofern sind liebevolle nahe Beziehungen auch von Bindungsbeziehungen zu unterscheiden. Im Englischen wird dieser Unterschied auch sprachlich markiert: So steht »affiliation« allgemein für emotionale Verbundenheit, während »attachment« die Bindung bezeichnet, die ein Kind mindestens zu einer spezifischen Bezugsperson aufbaut. Als Bindungspersonen kommen die Personen in Frage, die für die Versorgung des Kindes zuständig sind und ihm bei der Regulierung emotionaler Belastungen beistehen. Eine Bindungsbeziehung baut ein Kind demnach nur zu wenigen vertrauten Bezugspersonen auf – meistens zu Mutter und Vater.
Bindungsverhalten, das vor allem als Herstellen von Nähe gekennzeichnet ist, basiert auf einem biologisch begründeten Verhaltenssystem und lässt sich kulturübergreifend beobachten, wenn ein Kind emotional überlastet ist. Bindungsverhalten hat die Funktion, Sicherheit (wieder-)herzustellen, indem das Kind seine Bindungsperson zum Schutz und zur Regulation seiner Gefühle nutzt.
Eltern1 werden demnach nicht dadurch zu Bindungspersonen, dass sie ihr Kind lieben bzw. ihr Kind sie liebt, sondern durch ihre Fürsorge bezogen auf die Grundbedürfnisse des Kindes. Die Interaktionen zwischen Eltern und Kind sind aber nicht nur bindungsbezogen zu betrachten, sondern das Interaktionsverhalten muss je nach Kontext (Belastungs- oder Spielsituation) und Funktion (Emotionsregulation oder Exploration) differenziert werden.
Dies ist besonders für die Einschätzung der Bindungsqualität notwendig, die nicht mit Liebe verwechselt werden darf. Die Bindungsqualität bezieht sich auf das individuelle Bindungsverhalten des Kindes, das in Abhängigkeit von den Fürsorgeerfahrungen und Kontextbedingungen variieren kann, und nicht auf sein Interaktionsverhalten im Allgemeinen. Gerade in außerfamiliären Kontexten, wenn Fachkräfte der frühen Bildung ersatzweise die Funktion einer Bindungsperson übernehmen, ist die Differenzierung zwischen dem Verhalten eines Kindes in alltäglichen stressarmen Situationen und seinem Bindungsverhalten sehr wichtig.
In diesem Kapitel werden die wesentlichen Grundlagen der Bindungstheorie dargestellt, die für Trauma sensibles pädagogisches Handel relevant sind. Dabei wird ein Ressourcen orientierter Ansatz vertreten, der vor allem den Zusammenhang zwischen Bindungserfahrungen und anderen wesentlichen Grundbedürfnissen in den Mittelpunkt stellt und die individuellen Bindungsvarianten als Anpassung an unterschiedliche Anforderungen und Lebenswirklichkeiten würdigt. Zunächst wird das Bindungskonstrukt definiert und Bindung hinsichtlich ihrer Funktion und auf der Basis des Zusammenspiels spezifischer Verhaltenssysteme analysiert (
image
Kap. 1.11.2). Das Feinfühligkeitskonzept wird ausführlich behandelt, da es für die Zusammenarbeit mit Eltern sehr wichtig ist und sich als Orientierungsrahmen für einen Trauma sensiblen Umgang mit Kindern in außerfamiliären Kontexten sehr gut eignet (
image
Kap. 1.3.). Das in der Bindungsforschung eher selten beachtete Konzept des Sicherheits- und Wärmesystems wird kurz erläutert und seine Bedeutung im Hinblick auf die Abgrenzung von Bindung und Beziehung herausgestellt, was besonders für den pädagogischen Kontext sehr wichtig und auch mit Blick auf kontextuelle und kulturelle Einflüsse zu beleuchten ist (
image
Kap. 1.41.5). Die Bedeutung der Bindung für ein Kind, aber auch für Erwachsene, kann nur in der Zusammenschau mit anderen psychischen Grundbedürfnissen erfasst werden und ist vor dem Hintergrund, dass traumatisierende Erfahrungen eine fundamentale Verletzung der Grundbedürfnisse darstellen, für die Auseinandersetzung mit Trauma und Bindung unerlässlich (
image
Kap. 1.6). Da bei einer Trauma sensiblen Pädagogik die emotionale Stabilisierung im Mittelpunkt steht, sind auch die verschiedenen organisierten Bindungsstrategien eingehender zu erörtern. Ausgehend von der Frage, was im Sinne der Bindungstheorie mit »sicher« versus »unsicher« gemeint ist, werden die verschiedenen Bindungsverhaltensmuster hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Aufmerksamkeitsorientierung und Emotionsregulierung erörtert und ihre adaptive Funktion im Bezug auf den jeweiligen Fürsorgekontext dargestellt (
image
Kap. 1.71.8). In diesem Zusammenhang sind auch das Konzept der inneren Arbeitsmodelle und der damit zusammenhängenden Abwehrprozesse von zentraler Bedeutung (
image
Kap. 1.9). Es veranschaulicht innerpsychische Vorgänge wie Gedächtnisprozesse, Verhaltenssteuerung und Belastungsreaktionen, die für die Konstruktion der eigenen Bindungsgeschichte und die daraus resultierenden Vorstellungen vom Selbst mit der Bindungsperson maßgeblich sind (Bindungsrepräsentationen). Hierin liegt auch der Schlüssel zum Verständnis dafür, wie frühe Erfahrungen das Erleben und Verhalten in neuen Entwicklungskontexten beeinflussen und welche Veränderungen sich im Verlauf der Entwicklung von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter ergeben (
image
Kap. 1.10).

1.1 Bindung und Beziehung

In den meisten Definitionen wird Bindung als emotionales Band beschrieben, das sich Zeit und Raum übergreifend zwischen zwei Personen, insbesondere zwischen dem Kleinkind und seiner primären Fürsorgeperson, entwickelt. Die Bezeichnung emotionales Band wird allerdings häufig im Sinne von Liebe missverstanden, was damit nicht gemeint ist. Um zu verstehen, was im Kontext der Bindungsbeziehung mit emotionalem Band gemeint ist, ist es hilfreich, nochmals auf die oben erwähnte Differenzierung im Englischen zurückzugreifen. Analog zur Differenzierung von »attachment« und »affiliation« gibt es die Bezeichnungen »attachment bond« und »affectional bond«. »Attachment bond« wird ausschließlich für die Bindungsbeziehung verwendet, wohingegen »affectional bond« die emotionale Verbundenheit in anderen nahen Beziehungen bezeichnet (s. z. B. Ainsworth, 1989, S. 711). Im Deutschen gibt es keine entsprechende sprachliche Unterscheidung. Emotionales Band kann als Kennzeichen einer Bindungsbeziehung verstanden werden, aber auch für emotionale Verbundenheit in einer vertrauten und sehr nahen Beziehung stehen. Viele Missverständnisse, die gerade in der Praxis auftreten, entstehen durch eine einseitige Fokussierung auf die emotionale Verbundenheit, die zwar auch für die meisten Bindungsbeziehungen charakteristisch ist, aber eben nicht das Spezifische ausmacht, was eine Bindungsbeziehung von anderen nahen und vertrauten Beziehungen abhebt. Im Weiteren wird deshalb der Ausdruck »emotionales Band« verwendet, wenn es um die Bindungsbeziehung geht, und gefühlsmäßige oder emotionale Verbundenheit, um enge nahe Beziehungen zu umbeschreiben. Der zentrale Unterschied zwischen beidem liegt darin, dass das »emotionale Band« (»attachment bond«) ein überdauerndes, weitgehend stabiles Merkmal einer Person ist, nämlich das der bindungssuchenden Person bzw. des Kindes (Bowlby, 2008, S. 22). Die gefühlsmäßige Verbundenheit (»affectional bond«) ist dagegen ein Beziehungsmerkmal und kann je nach Art der Beziehung variieren.
Wie in der Abbildung 1.1 zu erkennen ist, ist emotionale Verbundenheit ein wechselseitiges Beziehungsmerkmal, das heißt zwei Personen (auch Kind und Bindungsperson) können sich mehr oder weniger nah sein, was durch die Art des Aufeinander-Bezogen-Seins bestimmt wird und sich zudem über die Zeit verändern kann. Das »emotionale Band« dagegen wird nur vom Kind bezogen auf die Bindungsperson aufgebaut und nicht umgekehrt auch von der Bindungsperson. Das »emotionale Band« ist also ein Personenmerkmal, das stabil, aber nicht qualifizierbar ist.
Die Qualität der Bindung bezieht sich deshalb weder auf das »emotionale Band« noch auf die Intensität der emotionalen Verbundenheit, sondern auf das Bindungsverhalten und damit einhergehende psychische Prozesse (Main, 2016). Die gängigen Bezeichnungen gute, schlechte, starke oder schwache Bindung sind deshalb bindungstheoretisch unangebracht.
Images
Abb. 1.1: Bindung als emotionales Band (attachment bond) und spezifisches Personenmerkmal (hier des Kindes) versus emotionale Verbundenheit (affectional bond) als Merkmal einer nahen Beziehung
Qualitative Unterschiede sind nur auf der Ebene des Bindungsverhaltens möglich, wobei auch hier Begriffe wie gut und schlecht unpassend sind, weil damit verschiedene Strategien der Emotionsregulation gemeint sind (
image
Kap. 1.7). Insofern ist es auch missverständlich, eine Bindung als gestört zu bezeichnen, allenfalls (in sehr seltenen Fällen) kann davon ausgegangen werden, dass ein Kind zu keiner Person eine Bindungsbeziehung entwickeln konnte, was dann der psychiatrischen Diagnose »Bindungsstörung« entsprechen würde.
Das »emotionale Band« ist die Voraussetzung dafür, dass Bindungsverhalten gegenüber einer bestimmten Person gezeigt wird. Es entsteht durch die biologisch angelegte Bindungsbereitschaft bzw. das überlebensnotwendige Bedürfnis des Kindes, Nähe zu einer (vermeintlich) kompetenteren Person zu suchen, um Sicherheit und Beistand zu erlangen (Bowlby, 2008, S. 22). Eine Bindungsbeziehung ist deshalb durch eine unumkehrbare Rollenverteilung gekennzeichnet, die der Bindungsperson die Aufgabe zuschreibt, als »sichere Basis« und »sicherer Hafen« zur Verfügung zu stehen. Hat ein Kind eine Bindung bzw. »ein emotionales Band« aufgebaut, ist damit die Person festgelegt, auf die sich sein Bindungsverhalten richtet. Der Bindungsaufbau ist nicht als prägungsartiger Vorgang zu verstehen. Wann er genau beginnt, ist nicht bestimmbar. Bowlby (1969/1982) sprach deshalb von einer Vorbindungsphase in den ersten drei Monaten nach der Geburt, den Zeitpunkt der »eindeutigen Bindung« z. B. zur Mutter setzte er ab ca. sechs Monaten an, während klar identifizierbare Bindungsverhaltensmuster gegen Ende des ersten Lebensjahres beobachtet werden können. Die (wechselseitige) gefühlsmäßige Verbundenheit kann dagegen von Anfang an, also bevor der Bindungsaufbau beginnt, sehr stark sein und die Mutter-Kind-Interaktion positiv beeinflussen.
Die gefühlsmäßige Verbundenheit ist nicht für den Bindungsaufbau entscheidend! Eine Bindungsperson muss sich nicht zwingend gefühlsmäßig mit dem Kind verbunden fühlen, und ein Kind baut zu seinen Eltern auch dann ein »emotionales Band« auf, wenn sie es misshandeln.
Dass es immer wieder zu einer Vermischung von Bindung und Beziehung kommt, ist wahrscheinlich dadurch bedingt, dass die Eltern-Kind-Beziehung in der Regel auch eine Bindungsbeziehung ist: Eltern und Kind lieben sich, sind gefühlsmäßig eng miteinander verbunden, Mutter wie Vater sind die relevanten Bindungspersonen, und das Kind baut zu jedem der beiden ein »emotionales Band« auf. Die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung und die Bindungsqualität bedingen sich dadurch wechselseitig, da in einer liebevollen Mutter- oder Vater-Kind-Beziehung die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass auch die Bindungsbedürfnisse angemessen erfüllt werden. Allerdings ist Liebe nicht zwingend notwendig, um einem Kind Schutz zu bieten, und umgekehrt führt Liebe nicht automatisch dazu, dass ein Kind die nötige Sicherheit erhält.
Bindungs- und Beziehungsaspekte müssen sorgfältig auseinandergehalten werden. Entsprechend ist auch das Interaktionsverhalten unterschiedlich zu interpretieren. In vielen Alltagssituationen, in denen ein Kind emotional stabil ist (was jenseits des Säuglingsalters und wenn nicht andere Belastungsfaktoren dazukommen, die meiste Zeit am Tag der Fall sein sollte), wird die Eltern-Kind-Interaktion (auch) durch andere Faktoren beeinflusst. Wenn Kinder in solchen Situationen Nähe suchen, z. B. um mit der Mutter zu kuscheln, ist das ein Zeichen ihrer emotionalen Verbundenheit und sagt etwas über ihre Beziehungsqualität aus. Die Bindungsqualität lässt sich daraus nicht ableiten. Auch Kinder, deren Bindungsbedürfnisse nicht adäquat beantwortet werden, kuscheln mit ihren Eltern, suchen ihre Nähe und können Freude in der Interaktion mit ihnen erleben. Umgekehrt kann sich ein sehr autoritäres direktives Erziehungsverhalten z. B. in Form von Machtkämpfen, negativ auf der Beziehungsebene auswirken, schließt aber nicht aus, dass die entsprechende Bindungsperson in Bindungssituationen dem Kind adäquaten Schutz und Sicherheit bietet.
Der wechselseitige Einfluss von Beziehungs- und Bindungsaspekten erschwert es, Bindung und Beziehung getrennt zu betrachten. Aber nur so sind Effekte von Erziehungsverhalten, der Einfluss kultureller Wertvorstellungen und kontextbedingte Wirkfaktoren zu erkennen und der besondere Beitrag der Bindung in diesem komplexen Bedingungsgefüge zu verstehen. Einschätzungen zur Bindungsqualität sind deshalb auch nicht auf der Grundlage alltäglicher Interaktionsbeobachtungen möglich, sondern erfordern die Analyse von Situationen, in denen das Bindungssystem des Kindes aktiviert ist, oder Verfahren, die durch spezifische Methoden Rückschlüsse auf die mental repräsentierten Bindungserfahrungen zulassen.

1.2 Bindung als Verhaltenssystem

Die Bindungstheorie basiert auf der Annahme biologisch begründeter Verhaltenssysteme, denen ein wesentlicher Stellenwert für die Überlebenschancen zugesprochen wird. Mit dem Begriff Verhaltenssystem werden Regulationsmechanismen beschrieben, die dazu dienen, einen bestimmten Zustand aufrecht zu halten bzw. (wieder) herzustellen. Verhaltenssysteme können entsprechend ihrer Funktionsweise in einfache und zielkorrigierende Systeme unterteilt werden. Bei einfachen Systemen erfolgt die Zielerreichung ohne systematische Anpassung des Verhaltens, bei zielkorrigierenden Systemen wird das Verhalten je nach Kontext systematisch angepasst. So erfolgt z. B. die Aufmerksamkeitssuche als integrierter Bestandteil von Bindungsverhalten von Geburt an zielkorrigiert, damit die Kommunikationssignale des Kindes wahrgenommen werden. Dagegen sind Signal- und Annäherungsverhalten anfangs noch nicht zielkorrigiert. Sie erfolgen nach Bedarf, passen sich jedoch (noch) nicht an die Umweltbedingungen und soziale Reaktionen an. Ein Säugling signalisiert Unwohlsein durch Schreien, das Schreien hört auf, wenn er sich wieder wohlfühlt, z. B. weil die Mutter ihn auf den Arm nimmt oder füttert. Mit der Zeit lernt das Kind sein Verhalten anzupassen und schreit z. B. lauter, wenn die Mutter weiter weg ist, oder bewegt sich schneller auf sie zu. Zum Teil sind Verhaltensweisen vorprogrammiert, werden aber immer durch Interaktionserfahrungen mit der (sozialen) Umwelt modifiziert und durch interne (z. B. Emotionen, mentale Repräsentationen) und externe Informationen (Kontext) gesteuert. Schon das Kleinkind präferiert das Verhalten, das im jeweiligen Kontext am nützlichsten ist, und kann im Laufe der Entwicklung mit entsprechender sozialer ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Einleitung
  6. 1 Bindung als psychologisches Konstrukt
  7. 2 Das Phänomen Trauma
  8. 3 Trauma und Bindung in der frühen Kindheit
  9. 4 Qualitätsmerkmale einer Trauma sensiblen frühen Bildung
  10. 5 Pädagogische Haltung und Trauma sensibler Umgang mit Kindern
  11. Literatur