"Schwerer werden. Leichter sein."
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"Schwerer werden. Leichter sein."

Gespräche um Paul Celan. Mit Durs Grünbein, Gerhard Falkner, Aris Fioretos und Ulrike Draesner

  1. 176 Seiten
  2. German
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"Schwerer werden. Leichter sein."

Gespräche um Paul Celan. Mit Durs Grünbein, Gerhard Falkner, Aris Fioretos und Ulrike Draesner

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Über dieses Buch

Michael Eskin spürt der Bedeutung Paul Celans im lebendigen Dialog mit zeitgenössischen Autoren nach. Hundert Jahre nach der Geburt und fünfzig Jahre nach dem Tod von Paul Celan ist seine Dichtung heute immer noch von drängender Aktualität. Mit den vier zeitgenössischen Autoren Durs Grünbein, Ulrike Draesner, Gerhard Falkner und Aris Fioretos spricht Michael Eskin über die nachhaltige Bedeutung des Dichters.Der Stimme des Dichters und Überlebenden der Shoah, der das heilende, jedoch nicht immer mögliche oder gelingende zwischenmenschliche Gespräch durch die Zeiten hindurch als Gegengewicht zur Last der am eigenen Körper schmerzvoll erlebten Geschichte ins Zentrum seiner Dichtung und Existenz stellte, wird dabei zum ersten Mal im tatsächlichen Dialog literarisch Gehör verliehen. Gleichzeitig gewinnen wir einen ganz persönlichen Einblick in das dichterische Nach- und Weiterwirken Celans in Leben und Werk der Gesprächspartner, die alle auf je eigene Weise Celan zutiefst verbunden sind.

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783835344556

»Derrida! die Blumen sind da!«

Gespräch mit Gerhard Falkner

MICHAEL ESKIN Lieber Gerhard, es ist beinahe so, als würden wir unser Gespräch von 2001 wieder aufnehmen, das damals in New York in der Germanic Review erschien und in dem Du den prägnanten Satz formuliertest, der dem Gespräch auch den Titel gab: »Das Gedicht arbeitet wie eine Pionierpflanze«. Die »Pionierleistung« des Gedichts, sagtest Du damals, bestehe in der »Versprachlichung des Ungesagten oder Unsagbaren« sowie in einem »Heimholen von, als auch, in umgekehrter Richtung, Hereinholen in Sprache«. In diesem Kontext fiel auch der Name Paul Celan zum ersten Mal zwischen uns.
Bevor wir uns nun erneut in ein Gespräch über Dichtung und Leben, Geschichte und Leiden, Sprache und Existenz und vieles andere vertiefen – diesmal ganz im Zeichen Paul Celans –, eine grundsätzliche, autobiographische Frage: Kannst Du Dich noch erinnern, wann Du den Namen ›Celan‹ zum ersten Mal gehört hast, was Du dabei empfandest – zumal er ja alles andere als gewöhnlich oder deutsch klingt – und wann Du anfingst, seine Gedichte zu lesen?
GERHARD FALKNER Ich war ein früher Leser Celans. Ich stieß auf ihn bereits Ende der Sechzigerjahre, als Fadensonnen schon erschienen war, aber Lichtzwang noch nicht, und war augenblicklich gepackt. Die erste Berührung geschah auch in einem erotischen Kontext, ich trennte mich gerade sehr stürmisch von einer Geliebten und diese war dann auch nicht zu Hause, als wir uns noch mal abschlüssig treffen wollten, aber an ihrer Wohnungstür hing ein Zettel, auf dem stand: »Du darfst mich getrost mit Schnee bewirten«.
Ich trennte mich dann aber erst, nachdem ich herausgefunden hatte, von wem dieser Satz war.
In dieser Zeit standen in fast allen Buchhandlungen noch die Originalausgaben seiner Gedichtbände, so dass ich recht bald alles von Celan zusammenhatte, was es gab, was ich dann Stück für Stück mit den damals noch erschwinglichen Erstausgaben ersetzte, so dass ich inzwischen eine recht beachtliche Celan-Sammlung besitze.
Der Eindruck dieser Gedichte war damals so stark, dass mir augenblicklich bewusst wurde, wie groß die Gefahr war, ihrer Ausdruckswelt zu nahe zu kommen, wo ich doch selbst gerade dabei war, eine eigene poetische Sprache zu entwickeln.
Aber anders als bei Arno Schmidt, meinem zweiten sozusagen »literarischen Altar« dieser Zeit, von dem ich mich später, nach Zettels Traum, völlig löste und zu Beckett und Bernhard übertrat, blieb ich Celan verbunden wie einer großen, fernen Sonne, deren Strahlen ich spürte, aber an der ich mich, ob ihrer gestirnartigen, großen Ferne nicht verbrannte.
ME Das finde ich sehr interessant. Denn dass Deine damalige Geliebte den allerersten Vers aus Celans Gedichtband Atemwende von 1967 verwandte, um Dir – wenn ich den Kontext richtig verstanden habe – sozusagen »eins reinzuwürgen«, würde ja bedeuten, dass Celans Dichtung damals möglicherweise einen gewissen Pop-Status hatte. Man kannte seine Texte – man kannte sie so gut, dass man sie als Aperçus und Pfeile im Alltag einsetzen konnte, was ja heute überhaupt nicht mehr der Fall zu sein scheint –, vor allem seitdem Celans Werk unters akademische Messer geraten und bisher nicht wieder aus dem Operationssaal aufgetaucht ist. War dem so? War Celan für Dich und Deinen Umkreis bzw. die breitere, an Dichtung im Allgemeinen interessierte Leserschaft von damals tatsächlich als Dichter auch im Alltag, jenseits der Büchereien und Bibliotheken, jenseits der gediegenen Literaturpreise präsent? War er gewissermaßen Teil der damaligen poetischen Popkultur?
GF Ich glaube, mit »eins reinwürgen« ist die Konnotation nicht richtig benannt. Ich denke, es ist eher die Melancholie einer Trennungstrauer, die damit ausgedrückt werden sollte.
Einen gewissen Pop-Status gab es vielleicht, allerdings eher in einem kleineren Kreis.
Vielleicht darf ich das mit einer Anekdote beantworten. Bei einer Autofahrt (VW Käfer) durch Franken sang das Paar, dem ich mich zu einem Ausflug nach Bayreuth angeschlossen hatte, während des Fahrens Lieder aus Schuberts Winterreise. Die beiden waren literarisch (vor allem Jean Paul) und musikalisch (Schubert, Mozart, russische Moderne) sehr »beschlagen« und versiert, und riefen mir nach hinten zu, warum ich nicht mitsinge? Der Mann, einer der fähigsten Buchhändler, die mir je begegnet sind, beantwortete die Frage an mich ironisch: »Der Gerhard Falkner, der liebt doch nur Paul Celan und die Beatles«, was so nicht stimmte, aber für Gelächter sorgte.
Und ja, eine zweite Anekdote – obwohl ich weiß Gott kein Anekdotensammler bin –, in der damals berühmten Nürnberger Kino-Kneipe »Die Meisengeige«, bei der Bestellung eines kühlen, fast schwarzen Guinness-Biers fiel der Satz: »Mache mich bitter, zähle mich zu den Malzbieren.«
Und ja, den Gedichtbänden Celans wurde bis zu einem gewissen Grad durchaus entgegengefiebert wie dem Release neuer Alben von Pink Floyd oder später dem »neuen Thomas Bernhard«. Das hatte teilweise schon den Touch von Popkultur, jedenfalls für uns. Obwohl uns andererseits auch die Exklusivität des Schwierigen und Hermetischen faszinierte. Und zur jeweiligen Sweet Lady Jane konnte man mit unvermeidlichem Erfolg sagen: »Wir sehen uns an / wir sagen uns Dunkles / wir lieben einander wie Mohn und Gedächtnis«!
ME Einen wahren Strauß an Assoziationen hast Du mit Deiner Antwort hingelegt! Dass es eine Zeit gab, da Celans Lyrik noch organischer Teil des Alltags – wenn auch von nur wenigen, aber doch immerhin! – gewesen sein soll, ist aus heutiger Sicht kaum vorstellbar, zumal Celan ja immer mehr als der deutschsprachige »Dichter des Holocaust« gesehen wird, vor allem im Ausland. Wahrscheinlich werde ich nie wieder ein Guinness bestellen können, ohne an die im Abschlussgedicht von Mohn und Gedächtnis zu zählenden bitteren Mandeln denken zu müssen. Auch dass die Nürnberger Off-Kino-Kneipe ausgerechnet »Die Meisengeige« hieß, ist beinahe schon unheimlich, denn 1965 erschien ja bei Hanser eine von Günter Bruno Fuchs herausgegebene Anthologie, die Du sicherlich kennst, mit dem Titel Die Meisengeige: Zeitgenössische Nonsensverse, zu der auch Celan zwei Gedichte beigesteuert hatte. Und dass man Celan auch – und vielleicht in besonderem Maße – als erotischen Dichter las, der er ja durch und durch war, und wozu sich das Gedicht »Corona«, das Du am Ende zitierst, besonders gut eignet, ist in der Tat erfrischend!
Ich kann nicht umhin, Celans Stimme, die Obertöne seiner poetischen Erotik auch in Deinem Werk zu hören. Nehmen wir zum Beispiel ein Gedicht wie »du schläfst und liegst bei deinem haar« aus dem Band so beginnen am körper die tage von 1981:
du schläfst und liegst bei deinem haar
dein weißes bein ist aufgestellet
und ich, darauf es ruht, ich bin die welt
bedrückt von deinem schlaf, bin die gefahr
die leise deinen traum in atem hält.
du schläfst und liegst bei deinem haar
ich hab ein flüstern in dein haar gebettet
es spricht zu dir, daß ich der abend war
die trunkenheit, das zittern im pessar
es spricht zu dir die sprache, die mich rettet.
Wie viel Celan schwingt hier intendiert mit, wenn überhaupt? Und wie wichtig war bzw. ist der erotische Dichter Celan für Dein Schaffen insgesamt?
GF Ja, natürlich kenne ich das Buch Die Meisengeige von Günter Bruno Fuchs. Und selbstverständlich wurde Celan auch als erotischer Dichter gelesen, Eros und Thanatos liegen da ja schmerzhaft nahe beieinander.
Für »du schläfst und liegst bei deinem haar« gibt es keinen direkten Celan-Bezug, aber einen atmosphärischen, oder sprachatmosphärischen. Ich würde sagen, die erotische Sprachverschlüsselung Celans war für mich sehr wichtig – und ist es auch heute noch.
Ich habe ja immer ein bisschen darauf gewartet, dass dieses Thema – »wie viel Celan steckt in Falkner?« – mal jemand anpackt. Hans Michael Speier, der Herausgeber des Celan-Jahrbuchs hat das mir gegenüber immer wieder mal in den Raum gestellt, bisher allerdings nie in Angriff genommen.
Immerhin gab es inzwischen wenigstens die ersten Ansätze in dieser Hinsicht, als ich gemeinsam mit meiner Frau Nora Matocza, die ebenso wie Paul Celans Frau Gisèle Celan-Lestrang...

Inhaltsverzeichnis

  1. Umschlag
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Michael Eskin: Mit und um Celan sprechen. Wie es zu diesem Buch kam
  6. Der Spiritus des Lebendigen. Gespräch mit Durs Grünbein
  7. »Derrida! die Blumen sind da!«. Gespräch mit Gerhard Falkner
  8. »Zuviel, Zuwenig«. Gespräch mit Aris Fioretos
  9. Die Poesie reizt das Extrem. Gespräch mit Ulrike Draesner
  10. Dank
  11. Die Autorin und die Autoren