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FAMILIENGESCHICHTE
Die Wurzeln der Familie Trump reichen tief in das kriegsgeplagte Deutschland des 17. Jahrhunderts zurück. Damals hieß die Familie allerdings noch Drumpf. Der Name, der bereits 1648 auf »Trump« – englisch für »Trumpf« – vereinfacht wurde, sollte sich für die späteren Nachkommen zu einem mächtigen Markennamen entwickeln.
Aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts erscheint diese frühe Namenswahl wegweisend. Donald kann die Definition des Trumpfs eines Bridgespielers zweifellos für sich reklamieren: eine besonders wertvolle Karte, die alle anderen sticht. Sonstige Bedeutungen, die dem Wort »trump« im Englischen beigemessen werden, sind »etwas von geringem Wert, eine Kleinigkeit« oder als Verb »täuschen oder betrügen« oder auch »eine Trompete blasen oder zum Erklingen bringen«. Weitere Bedeutungen des Verbs sind »skrupellos täuschen« oder »fälschen, fabrizieren oder erfinden«, wie zum Beispiel in »trumped-up charges«, erfundene Anklagepunkte.
Donald Trump hatte seinen Großvater Friedrich, der starb, als Donalds Vater Fred zwölf Jahre alt war, nie kennengelernt. Trotzdem warf Friedrich, ein skrupelloser Geschäftsmann, mit seiner Geldbesessenheit und seinem Hang zu impertinenten Gesetzesverstößen – so errichtete er Gebäude auf Grundstücken, die ihm nicht gehörten, – einen hundertjährigen Schatten auf die Familie Trump.
Friedrich Trump war in Kallstadt, in der Weinregion Rheinland-Pfalz im Südwesten Deutschlands aufgewachsen, wo man sich mit harter Arbeit zwar ein Dach über dem Kopf, aber keine Reichtümer erwirtschaften konnte. Sein Vater war gestorben, als Friedrich erst acht Jahre alt war. Mit 16 sollte der junge Friedrich 1885 zum Militärdienst einberufen werden. Daraufhin legte er seiner Mutter eine Nachricht auf den Tisch und tat das, was auch Millionen anderer Europäer taten, deren Zukunftsaussichten zu Hause trübe waren: Er floh aus Deutschland und wanderte in die Vereinigten Staaten aus.
Nach einer sicherlich anstrengenden Überfahrt über den Atlantik in einem vollgepackten Dampfer landete Friedrich schließlich in New York, wo er bei seiner älteren Schwester Katherine und deren Mann einzog, die schon vor ihm emigriert waren.
Es dauerte nicht lang, und der junge Mann beschloss, sich nach Westen aufzumachen. Er kam bis nach Seattle, wo er eine Gaststätte, The Dairy Restaurant, eröffnete. Das Lokal verfügte über einen mit einem Vorhang abgetrennten Bereich, der höchstwahrscheinlich als Billigbordell diente, wie Gwenda Blair in ihrer Geschichte der Trumps erzählt, die übrigens unter Mitwirkung der Familie entstand.
1892 erhielt Friedrich die US-Staatsbürgerschaft, nachdem er ein falsches Alter angegeben hatte. Er behauptete, er sei schon zwei Jahre vor seinem eigentlichen Eintreffen in New York ins Land gekommen. Beim Einbürgerungsverfahren wurde er von zwei Freunden unterstützt, die ihm einen hervorragenden Charakter bescheinigten. Einer von ihnen war ein Arbeiter, während die Tätigkeit des anderen darin bestand, Baulichkeiten für etwas bereitzustellen, was Blair vornehm als »Mädchenpensionat« bezeichnete.
Friedrich begründete zwar viele Traditionen der Familie Trump in Amerika, doch zählte die Ausübung des Stimmrechts nicht zu ihnen. Und auch sein Enkelsohn Donald, der sich jetzt um das Präsidentenamt bewirbt, stimmte weder bei der Präsidentschaftswahl 2002 noch bei irgendeiner der republikanischen Vorwahlen nach 1989 ab. Dieses Verhalten änderte er erst 2016 und stimmte – für sich selbst.
Friedrichs Urenkel zeigten sich, was die Ausübung ihrer staatsbürgerlichen Pflichten betraf, noch nachlässiger als der Urgroßvater. Als Donald Trumps Name 2016 auf dem Stimmzettel der Präsidentschaftsvorwahlen des Bundesstaates New York stand, durften weder seine Tochter Ivanka noch sein Sohn Eric, beide in den Dreißigern, ihre Stimme abgeben, weil sie es versäumt hatten, sich als Republikaner ins Wahlregister eintragen zu lassen. Sie gaben der Regierung die Schuld daran und erklärten, man hätte es ihnen in letzter Minute erlauben müssen, von den Parteilosen zu den Republikanern zu wechseln. Die Abstimmungsregeln für Präsidentschaftsvorwahlen im Empire State sind zwar veraltet, gelten aber schon seit vielen Jahren. Die Geschwister hätten monatelang Zeit gehabt, sich als Republikaner eintragen zu lassen, um an den Wahlen teilnehmen und für ihren Vater stimmen zu können.
Eine Familientradition führte Friedrich Trump allerdings tatsächlich in Amerika ein: Er begann damit, Reichtum anzuhäufen und den Hals nie vollzukriegen. Friedrich verkaufte sein Restaurant-Bordell und gründete circa 50 Kilometer nördlich von Seattle ein neues Unternehmen. Gerüchten zufolge planten die Rockefellers, die mit Öl reich geworden waren, in dem Gebiet ein großes Bergwerk zu eröffnen. Das veranlasste Friedrich, auf einem Grundstück direkt gegenüber vom Bahnhof, das ihm nicht gehörte, ein ganz spezielles Hotel zu errichten – ein Haus sozusagen für aktive Kurzaufenthalte, nicht für volle Übernachtungen. Die Idee, auf einem fremden Grundstück zu bauen, sollte sein Enkelsohn Donald später wieder aufgreifen, als er das Anwesen Mar-A-Lago in Florida erwarb. Er nahm dazu eine Hypothek auf, die mit dem schriftlichen Einverständnis der Chase Bank nicht bei Gericht eingetragen wurde.
Das Bergbauprojekt verlief letztendlich im Sande, und kaum jemand war am Ende reicher als bei der Ankunft in diesem Gebiet der Hoffnung. Einer dieser wenigen war Friedrich Trump, der seinen Namen zu diesem Zeitpunkt bereits an amerikanische Gepflogenheiten angepasst hatte und sich Frederick nannte. Man rief ihn Fred.
Sobald Fred vom Goldrausch am Klondike erfuhr, machte er sich auf ins kanadische Yukon-Territorium. Die Mühsal des Goldwaschens in eisigen Flüssen erschien ihm wenig attraktiv. Freds Goldmine waren die Minenarbeiter. Er eröffnete eine Art Bar und Grill, ein Lokal, das er The Arctic nannte. Dort wurden harte Getränke ausgeschenkt, und auch halbseidene Damen – »Sporting Ladies«, wie man sie nannte – durften nicht fehlen. Wieder einmal war sein Gefühl für Timing perfekt. Er trat gerade am Höhepunkt des Goldrausches auf den Plan. Einige Zeit danach neigten sich die Goldvorräte ihrem Ende zu, und berittene Polizei, die Royal Canadian Mounted Police, kam in die Camps, um nach dem Rechten zu sehen. Doch da hatte Fred Trump bereits ein kleines Vermögen gemacht, mit dem er sich zurück nach Amerika absetzte.
1901, inzwischen war er 32 Jahre alt, kehrte Frederick Trump nach Deutschland zurück, wo seine Mutter ihren inzwischen reich gewordenen Sohn mit standesgemäßen jungen Damen bekannt machte. Frederick jedoch verliebte sich in eine junge Frau, von der seine Mutter alles andere als angetan war, eine zwanzigjährige Blondine namens Elizabeth Christ. Elizabeth, die gerade einmal sechs Jahre alt war, als ihr zukünftiger Ehemann nach Amerika segelte, um sich dem deutschen Militärdienst zu entziehen, war von barocker Üppigkeit. Trump bevorzugte kurvige Blondinen, und auch das sollte zu einer Familientradition werden.
Frederick entführte seine Braut nach Amerika, wo er alsbald wieder Ausschau nach Gelegenheiten hielt, sein Vermögen zu vergrößern, das sich zu diesem Zeitpunkt in heutigem Geld bereits auf eine halbe Million Dollar belief. Elizabeth fühlte sich im hektischen New York mit seinen starken Kontrasten zwischen Arm und Reich jedoch unglücklich. Sie litt unter fürchterlichem Heimweh. So bestiegen Frederick und seine Frau 1904 gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter ein Schiff zurück nach Deutschland.
Dort angelangt, bekam der junge Krösus jedoch alle Hände voll zu tun, um die Behörden von seiner Verfolgung als Wehrdienstverweigerer abzuhalten. In der Hoffnung, das Vermögen, das er ins Land gebracht hatte, würde die Behörden beeindrucken, erklärte er der Regierung seine Abwesenheit im Jahr 1904 schriftlich wie folgt: »Ich bin nicht nach Amerika ausgewandert, um mich dem Militärdienst zu entziehen, sondern um Wohlstand zu erwerben und so meine Mutter [in Kallstadt] unterstützen zu können«, erklärte er. Die deutschen Behörden fanden das nicht überzeugend genug und verwiesen ihn des Landes.
Donald Trump wurde noch nie gefragt, ob es diese Episode seiner Familiengeschichte war, die ihn zu seiner in den USA verfassungswidrigen Forderung veranlasste, geschätzte elf Millionen illegal ins Land gekommene Einwanderer auszuweisen. Zusätzlich möchte er sogar solche Immigranten abschieben, deren Kinder längst amerikanische Staatsbürger sind. Er wurde auch noch nie gefragt, ob er an seinen Großvater denkt, wenn er fordert, die USA sollten Soldaten oder Matrosen muslimischen Glaubens die Rückeinreise in die Vereinigten Staaten verwehren.
Wieder in New York angelangt, vergrößerte Frederick sein Vermögen weiter. In ihrer reich bebilderten Biografie erzählt Gwenda Blair, dass Frederick als Friseur zu arbeiten begann, eine schlecht bezahlte Tätigkeit, die man bei einem Mann, der so aufs Geldverdienen bedacht war, kaum vermuten würde. Wie sie schreibt, wurde in den Friseurläden der damaligen Zeit auch Tabak verkauft, doch wurden Friseure trotzdem schlecht bezahlt. Allerdings boten Friseurläden einen anderen, wertvollen Vorteil: Da hier zweifelhafte Gestalten aller Art ein- und ausgehen konnten, um sich ihre tägliche Rasur zu holen oder einfach rumzuhängen, eigneten sich diese Orte wunderbar als Drehscheiben für gewiefte Geschäftemacher und zur Anbahnung geheimer Transaktionen zwischen kriminellen Elementen verschiedenster ethnischer Zugehörigkeit, die sich in der großen Stadt tummelten.
Obwohl er noch so viel vorhatte, konnte sich Frederick trotz seines Vermögens keine zusätzliche Lebenszeit erkaufen: Er war einer von über 20 Millionen Menschen, die der Grippepandemie von 1918 zum Opfer fielen. Doch schon bald trat ein anderes emsiges Mitglied der Familie Trump in seine Fußstapfen: Donalds Vater Fred.