Marie Jahoda: Arbeitslose bei der Arbeit & Aufsätze und Essays
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Marie Jahoda: Arbeitslose bei der Arbeit & Aufsätze und Essays

Zwei Bände im Schuber

  1. 636 Seiten
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Marie Jahoda: Arbeitslose bei der Arbeit & Aufsätze und Essays

Zwei Bände im Schuber

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

MARIE JAHODA (1907–2001), in Wien geborene Sozialforscherin, wurde vor allem als Koautorin der Studie "DIE ARBEITSLOSEN VON MARIENTHAL" bekannt. Nach ihrer Ausbürgerung aus Österreich im Jahr 1937 wirkte sie in New York, London und Sussex, wo sie 1973 als Professor of Social Psychology emeritierte. Ihr spezifischer Forschungsstil und ihr Konzept einer LEBENSNAHEN SOZIALFORSCHUNG sind gerade heute wieder hochaktuell und richtungsweisend.BAND 2: ARBEITSLOSE BEI DER ARBEITFünf Jahre nach dem Erscheinen von "Die Arbeitslosen von Marienthal" und nur ein Jahr nachdem sie aus Österreich ausgebürgert worden war, schrieb Marie Jahoda im englischen Exil 1938 diese ethnografische Studie über ein SELBSTHILFEPROJEKT FÜR ARBEITSLOSE BERGARBEITER in Wales.In einem Essay erläutert Meinrad Ziegler die historischen Zusammenhänge, in denen diese Studie entstanden ist. Er rekonstruiert Details des untersuchten Projekts und diskutiert es im Lichte der sozialpsychologischen Bedeutung von Arbeit, die Jahoda in den 1980er Jahren theoretisch ausgeführt hat. BAND 3: AUFSÄTZE UND ESSAYSDieser Band enthält eine AUSWAHL VON AUFSÄTZEN, ESSAYS UND REDEN MARIE JAHODAS, die zwischen 1937 und 1997 entstanden sind. Sie geben Einblick in die Breite der Fragestellungen, mit denen sich Jahoda in ihrem wissenschaftlichen Arbeitsleben beschäftigt hat. Ihre Forschungen waren stets auf grundlegende PROBLEM- UND KONFLIKTLAGEN der modernisierten GESELLSCHAFTEN DES 20. JAHRHUNDERTS bezogen.In ihren Texten erörtert sie unter anderem die sozialen Bedingungen von Nonkonformität und Unabhängigkeit, das Problem des NATIONALISMUS in einer GLOBALISIERTEN WELT, die Entstehung von VORURTEILEN UND ANTISEMITISMUS sowie Thesen zur sozialpsychologischen BEDEUTUNG VON ARBEIT.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783706560078
MARIE JAHODA
Aufsätze und Essays
Illustration

Inhalt

Editorische Notiz
Vorwort
Klaus Taschwer: Zu einigen Nachwirkungen des Roten Wien in Marie Jahodas Arbeiten nach der Vertreibung aus Österreich
Marie Jahoda
Aufsätze und Essays
Sozialpsychologie und Sozialwissenschaft
Eine sozialpsychologische Annäherung an die Untersuchung von Kultur
Nicht-reduktionistische Sozialpsychologie – ein fast aussichtsloses Unternehmen, zu faszinierend, um es unversucht zu lassen
Sozialwissenschaft und soziale Realität. Ein persönliches Plädoyer
Antisemitismus- und Vorurteilsforschung
Vorurteile und das Vermeiden von Aufklärung
Eine psychoanalytische Interpretation antisemitischer Einstellungen
Über die „Autoritäre Persönlichkeit“
Was heißt es, jüdisch zu sein?
Nationalismus in einer globalisierten Welt
Konformität und Freiheit
Sicherheit und Freiheit. Eine explorative Untersuchung zur Wirkung von Sicherheitsmaßnahmen unter McCarthy
Die Wirkung von Literatur. Können Bücher schädlich sein?
Konformität und Unabhängigkeit
Sozialpsychologie der Arbeit
Bemerkungen zum Begriff „Arbeit“
Wirklich Ende der Arbeitsgesellschaft?
Eine Auseinandersetzung mit Hannah Arendt
Rede auf dem SPD-Parteitag, München 1982
Essays
Die Intellektuellen und die revolutionäre Bewegung in Österreich
Überlegungen zu „Marienthal“
Nach einem Besuch in Österreich
Publizieren oder nicht publizieren?
Kommentar
Julia Hofmann u. Georg Hubmann: Für eine lebensnahe Sozialwissenschaft
Postskriptum
Danksagung
Kurzbiografie Marie Jahoda
AutorInnen und HerausgeberInnen
Illustration
Marie Jahoda, New York 1947
Quelle: Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich, Univ. Graz

Editorische Notiz

Die Texte in diesem Band sind in den Jahren 1937 bis 1997 entstanden. Sie geben Einblick in die Breite der Fragestellungen, mit denen sich Marie Jahoda in ihrem wissenschaftlichen Arbeitsleben beschäftigt hat. Ihre Forschungen waren stets auf grundlegende Problem- und Konfliktlagen der modernisierten Gesellschaften des 20. Jahrhunderts bezogen. Sie bekannte sich dazu, mit ihrer sozialpsychologischen Forschung einen konkreten Beitrag zur Gestaltung einer lebenswerten und gerechten Gesellschaft zu leisten. Wir haben hier jene ihrer Aufsätze und Essays zusammengestellt, die zahlreiche methodische und theoretische Anregungen für aktuelle Diskurse innerhalb der Sozialwissenschaften ebenso wie für Debatten in gesellschaftspolitischen Zusammenhängen bieten.
Zwölf der Aufsätze und Essays sind der von Christian Fleck im Jahr 1994 herausgegebenen und von Hans Georg Zilian übersetzten Textsammlung entnommen, die unter dem Titel „Marie Jahoda – Sozialpsychologie der Politik und Kultur“ im Verlag Nausner & Nausner erschienen und seit Jahren vergriffen ist. Flecks und Zilians Verdienst war es, Jahodas weitgehend in englischer Sprache publizierte Texte auch für eine Leserschaft im deutschsprachigen Raum zur Verfügung zu stellen. Die österreichische Sozialforschung und Soziologie verdanken Christian Fleck viel. Er hat sich in den 1980er Jahren für Jahodas unkonventionellen Forschungsstil zu interessieren begonnen und war neugierig auf die Person hinter der Marienthal-Studie. Es folgten die Aufnahme eines persönlichen Kontaktes, zahlreiche Gespräche mit Jahoda in Sussex und seine Bemühungen, ihre Arbeiten durch eigene Archivarbeiten und Publikationen bekannt und zugänglich zu machen. Ohne diese Initiativen würden viele Kolleginnen und Kollegen Marie Jahoda vielleicht noch immer nur als Ko-Autorin der Marienthal-Studie zur Kenntnis nehmen. Flecks ausgeprägter Sinn für das Historische an sozialen Phänomenen hat 1987 zur Gründung des Archivs für die Geschichte der Soziologie in Österreich (AGSÖ) geführt. Das Archiv sammelt Nachlässe und andere Archivmaterialien, die für die Geschichte der Soziologie in Österreich relevant sind, und stellt Materialien in Form von Web-Editionen zur Verfügung.
Wir haben Jahodas Texte in fünf thematischen Feldern angeordnet:
– Das erste Feld „Sozialpsychologie und Sozialwissenschaft“ versammelt Aufsätze, mit denen sich Jahoda im Rahmen grundlegender Fragen nach der methodischen und theoretischen Konzeption der Sozialwissenschaften verortet.
– Das Feld „Antisemitismus- und Vorurteilsforschung“ setzt sich aus Texten zusammen, die in der Folge des Nationalsozialismus breit diskutierte Fragen behandeln und heute unter dem Gesichtspunkt nationalistischer und rechtspopulistischer Diskurse von Bedeutung sind.
– Das Feld „Konformität und Freiheit“ enthält Aufsätze, die im Zusammenhang mit der McCarthy-Ära in den USA entstanden sind und soziale Konsequenzen sowie demokratiepolitische Probleme von Überwachungsmaßnahmen zur Herstellung von öffentlicher Sicherheit diskutieren.
– In das Feld „Sozialpsychologie der Arbeit“ haben wir zwei wenig bekannte Texte zur Bedeutung von Arbeit und Arbeitslosigkeit und eine Rede, die 1982 auf einem Parteitag der SPD gehalten wurde, aufgenommen.
– Die Texte im fünften Feld „Essays“ weisen Unterschiede sowohl im Hinblick auf die Themenstellungen als auch im Hinblick auf die Textsorten auf. In diesen Aufsätzen, Essays und Vorträgen kommt besonders die Fähigkeit der Autorin zum Ausdruck, der eigenen wissenschaftlichen Arbeit oder auch politischen Aktivität selbstreflexiv und selbstkritisch zu begegnen.
Alle Texte sind in die neue Rechtschreibung übertragen, orthografische Fehler wurden dabei korrigiert. Hervorhebungen von Wörtern oder Textteilen sind von den Originaltexten übernommen. Anmerkungen der Herausgeber sind als solche sichtbar gemacht. Bei den Texten aus dem Sammelband von Fleck aus dem Jahr 1994 wurden sie von dort übernommen und geringfügig erweitert, bei allen anderen Texten stammen sie von uns.
Jedem Text sind Informationen und Erläuterungen zu dessen Entstehungskontext vorangestellt. Sie verweisen auf bedeutsame biografische, politische oder wissenschaftliche Hintergründe der Überlegungen der Autorin. Im Wesentlichen beruhen sie auf drei Texten von Christian Fleck1 und auf drei Interviews mit Marie Jahoda2. Die dort angeführten Kurzverweise beziehen sich auf diese Quellen.
Diese Publikation ist der dritte Teil einer mehrbändigen, von uns herausgegebenen Marie-Jahoda-Edition:
Band 1: Marie Jahoda, Lebensgeschichtliche Protokolle der arbeitenden
Klassen 1850–1930. Dissertation 1932; erschienen 2017.
Band 2: Marie Jahoda, Arbeitslose bei der Arbeit; erschienen 2019.
Band 3: Marie Jahoda, Aufsätze und Essays; erschienen 2019.

Anmerkungen

1 Christian Fleck, „Einleitung“, in: Marie Jahoda, Sozialpsychologie der Politik und Kultur. Ausgewählte Schriften, hrsg. und eingel. Christian Fleck, Graz und Wien: Nausner & Nausner 1994, 7–47; Christian Fleck, „Lebensnähe der Forschung und Anwendung in der wirklichen Welt“, in: Frauen in der Soziologie. Neun Porträts, hrsg. Claudia Honegger und Theresa Wobbe, München: Beck 1998, 258–285 und 382–387; Christian Fleck, „Ein Porträt“, in: Marie Jahoda, Lebensgeschichtliche Protokolle der arbeitenden Klassen 1850–1930. Dissertation 1932, hrsg. Johann Bacher, Waltraud Kannonier-Finster und Meinrad Ziegler, Innsbruck, Wien, Bozen: Studienverlag 2017, 267–361.
2 Marie Jahoda, „‚Für mich ist mein Judentum erst mit Hitler eine wirkliche Identifikation geworden.‘ Gespräch mit Marie Jahoda“, Ästhetik und Kommunikation 14/Heft 51. 1983: 71–89; Marie Jahoda, „Ich habe die Welt nicht verändert“. Lebenserinnerungen einer Pionierin der Sozialforschung, hrsg. Steffani Engler und Brigitte Hasenjürgen, Frankfurt a. M.: Campus 1997; David Fryer, „The social psychology of the invisible: An interview with Marie Jahoda“, New Ideas in Psychology 4. 1986: 107–118.
Illustration

Vorwort

Klaus Taschwer

Zu einigen Nachwirkungen des Roten Wien in Marie Jahodas Arbeiten nach der Vertreibung aus Österreich

„Ich habe die Welt nicht verändert“ ist ein einigermaßen resignativer Titel für eine Autobiografie. Im Fall des beeindruckenden Lebenswerks von Marie Jahoda scheint diese Überschrift auf den ersten Blick so gar nicht zu passen. Denn mit ihren einflussreichen sozialpsychologischen Studien – etliche aus der US-amerikanischen und britischen Schaffensphase Jahodas sind in diesem Band versammelt – hat Marie Jahoda eine Vielzahl nachhaltiger Beiträge für ihr Fach geleistet, die weit in die angrenzenden Disziplinen ausstrahlten, über die akademische Wissenschaft hinaus wirkten und deren Lektüre auch heute noch anregend sind – und zwar nicht nur aus historischen Gründen. Warum also stand sowohl Jahodas erstes großes lebensgeschichtliches Interview, das 1979 in einem Sammelband veröffentlicht wurde, wie auch das autobiografische Buch 18 Jahre später unter diesem selbstkritischen Zitat?1
Ein Grund dafür war gewiss Jahodas notorische Bescheidenheit. Dass sich die Wissenschafterin trotz ihres eindrucksvollen OEuvres, das die Arbeiten der meisten ihrer Fachkollegen in den Schatten stellte, nicht so wichtig nahm wie so mancher männliche Forscher, lag gewiss auch an ihrem Elternhaus. Beispielhaft war ein Vers ihres Vaters, den sie selbst immer wieder zitierte – so etwa anlässlich des an sie vergebenen Preises der Stadt Wien für Geisteswissenschaften im Jahr 1993. Der Zweizeiler lautet: „Von dem Erfolg zieh ab das Glück! Sei stolz auf das, was bleibt zurück!“ In ihrem Fall, so fügte Jahoda hinzu, sei das Glück ein außerordentlicher Bestandteil ihres Lebens gewesen: „Ich war glücklich in der Wahl meiner Eltern, war glücklich, in der Blütezeit der Sozialdemokratie aufgewachsen zu sein, und ich war schließlich glücklich, dass ich aus Wien im Jahre 1937 ausgewiesen wurde.“2
Jahodas Verweis auf ihre Sozialisation im Roten Wien liefert freilich auch noch eine zweite Erklärung für ihr allzu bescheidenes Lebensresümee: Jahoda war durch ihre Arbeit in der sozialistischen Jugendbewegung fest davon überzeugt, zu einer Generation zu gehören, die dafür bestimmt war, die Welt zu verändern. Und gemessen an diesen frühen Ansprüchen war ihr Beitrag dazu nicht ganz so groß wie ursprünglich erhofft. In ihren eigenen Worten, die sie in späten Jahren immer wieder leicht verändert wiederholte, hörte sich das in aller Dialektik so an: „Wir haben geglaubt, wir sind die Träger des sozialen Fortschritts, aber das war eine große Illusion. Für mich persönlich und für viele meiner Freunde eine sehr bereichernde Illusion. Ich glaube, die Beschäftigung mit der Zukunft ist für junge Leute außerordentlich wichtig. Der Glaube, dass Verbesserungen möglich sind, das ist charakterbildend und bestärkend für junge Menschen und bringt Werte mit sich, die ein Leben lang halten.“3
Obwohl die meisten Texte der vorliegenden Sammlung aus Jahodas Jahren in Großbritannien und in den USA stammen und auf den ersten Blick nicht allzu viel mit ihrem Wiener Weg bis 1937 zu tun haben, soll hier noch einmal ein Blick zurück auf die sie prägenden Jahre des Roten Wien von 1919 bis 1933/34 geworfen werden. Das geschieht nicht nur deshalb, weil sich im Erscheinungsjahr dieses Bandes auch der Beginn des kommunalen sozialistischen Experiments zum hundertsten Mal jährt. Der Anlass für den Rückblick liegt vor allem darin, dass Jahodas Sozialisation im Roten Wien bei ihr – vielleicht noch mehr als bei vielen anderen ihrer Wiener Kolleginnen und Kollegen – tatsächlich ein Leben lang nachwirkte und auch noch tiefe Spuren in ihren späteren wissenschaftlichen Arbeiten hinterließ: in ihrem wissenschaftlichen und politischen Selbstverständnis ebenso wie in ihrem Engagement als öffentliche Intellektuelle und in ihrer von hohen ethischen Ansprüchen getragenen Art, Sozialwissenschaft zu betreiben.
Etliche der theoretischen Grundlagen für dieses Wiener Labor der sozialdemokratischen Gesellschaftstransformation waren bereits vor 1919 von Sozial-, aber auch Biowissenschaftern gelegt worden. Erinnert sei hier nur beispielhaft an die einschlägigen Arbeiten des Soziologen Rudolf Goldscheid, des Biologen Paul Kammerer, des Anatomen Julius Tandler oder des Sozialphilosophen Josef Popper-Lynkeus, der als Freund der Familie auf Marie Jahoda besonders nachhaltigen Einfluss hatte. Die Gemeinsamkeit dieser Denker beruhte auf der linken und letztlich lamarckistischen Annahme, dass eine bessere Gesellschaft durch positive Veränderungen der Umweltbedingungen herstellbar wäre. Das führte ab 1919 in Wien nicht nur zu einzigartigen Anstrengungen in der Wohnungs-, Gesundheits- und Sozialpolitik. Herzstück der „Weltverbesserung“ im Kleinen war die Bildungspolitik, konkret: Otto Glöckels Schulreformen. Denn die Utopie vom neuen Menschen konnte vor allem, so die Annahme, durch ein besseres und gerechteres Bildungssystem realisiert werden.
So war es nur folgerichtig, dass sich Marie Jahoda bereits als Schülerin bei der Vereinigung Sozialistischer Mittelschüler engagierte und überzeugt war, einmal Unterrichtsministerin zu werden (und als solche Beiträge zur Weltveränderung zu leisten). Der konsequent nächste Schritt war, nach der Matura sowohl eine Ausbildung zur Volksschullehrerin am neu gegründeten Pädagogischen Institut der Stadt Wien als auch parallel dazu ein Psychologie- und Philosophiestudium an der Universität Wien zu beginnen. Bildungsarbeit stand aber auch jenseits ihrer eigenen Ausbildung im Zentrum von Jahodas zahllosen Aktivitäten dieser Zeit. Davon zeugen nicht nur ihre ersten Publikationen in Zeitschriften wie Der Schulkampf oder Arbeit und Wirtschaft oder ihre Arbeit als Bibliothekarin im Karl-Marx-Hof. Jahoda hielt nebenbei auch noch zahllose, bisher weniger beachtete Vorträge und Kurse im Bereich der Arbeiter-, Frauen- und Volksbildung, die meist pädagogischen und psychologischen Themen gewidmet waren. Neben den Dutzenden Einzelvorträgen im Rahmen der sozialdemokratischen Bildungsarbeit, die ab 1927 vor allem in der Arbeiter-Zeitung dokumentiert sind, leitete sie auch ganze Kurse im Wiener Volksbildungsverein – so etwa 1928/29 eine zweisemestrige Veranstaltung über „Schulversuche der Gegenwart“ sowie eine einsemestrige Veranstaltung über „Die Psychologie des Schulkinds“. Ein Jahr später folgte ein Kurs über „Das geistige und wirtschaftliche Leben Frankreichs“.
Ihre eigenen Erfahrungen – Jahoda hatte zuvor einige Monate an der Pariser Sorbonne studiert –, das erworbene Wissen und später auch die ersten eigenen Forschungsergebnisse wurden von der jungen Intellektuellen prompt über verschiedene Medienkanäle (später auch über das damals neue Radio) an eine nicht-akademische Öffentlichkeit weitervermittelt. Ihre wissenschaftlichen Untersuchungen waren mithin von Beginn an alles andere als akademischer Selbstzweck. Und das gilt auch noch im Fall von Marie Jahodas späteren Arbeiten im Hinblick auf die gesellschaftliche Relevanz und Dringlichkeit der Themenwahl – wie Arbeitslosigkeit, Antisemitismus und Nationalismus –, des unterstützenden Umgangs mit den erforschten Personengruppen und des sorgsamen Umgangs mit den Forschungsergebnissen. Für die überzeugte Sozialdemokratin wurde auch in den Jahren in Großbritannien und den USA das Engagement fü...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Arbeitslose bei der Arbeit
  3. Aufsätze und Essays
  4. Impressum