Handbuch Pflegeethik
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Handbuch Pflegeethik

Ethisch denken und handeln in den Praxisfeldern der Pflege

  1. 390 Seiten
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Handbuch Pflegeethik

Ethisch denken und handeln in den Praxisfeldern der Pflege

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Über dieses Buch

Health care involves ethical complexities that also affect nursing care: How can an ethically correct approach be recognized in borderline moral situations? When are resources being fairly distributed, and what is the relationship between ethics and economic considerations in nursing practice? What is the ethical significance of concepts such as vulnerability and advanced nursing practice? How can nurses in an interprofessional team help shape ethical decision-making? How can ethics be taught, and what are the characteristics of ethically considered nursing research? How should robotics be regarded ethically in everyday nursing care, and what does migration-sensitive nursing ethics look like? This handbook brings together the views of international experts on these and other topics. In three sections on?Foundations=, ?Clinical and Social Fields of Action= and?Aspects of Ethics Transfer=, they highlight current debates on the ethics of care. The book=s consistent structure, with goals and transfer questions, makes it possible to go into the topics more deeply in a systematic way. With forewords by Christel Bienstein and Ann Gallagher.

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783170359260
Auflage
2
Thema
Medizin

Teil II
Klinische und gesellschaftliche Handlungsfelder

11 Die Vermittlung von Ethik in der Pflege

Marianne Rabe

Als Grundlage des Konzepts zur Vermittlung von Ethik wird zunächst das Ethikverständnis geklärt, das diesem Konzept zugrunde liegt. Im Anschluss an diese Erörterung folgt eine Darstellung der didaktischen Orientierungen und Bildungsziele, die verdeutlicht, worauf sich ein beispielhaft vorgestelltes curriculares Konzept für die pflegerische Grundausbildung stützen kann. Einzelne Module des Konzepts werden vorgestellt, dazu die Bezüge zu den ethischen Prinzipien und den Lerneinheiten, denen sie angegliedert werden können. Die wichtigsten methodischen Ansätze werden kurz dargestellt. Gedanken über die Ethik des Lehrens und über die Haltung, welche gute Lehrpersonen kennzeichnet, schließen das Kapitel ab.
Ziele: Nach dem Lesen dieses Kapitels sollten Sie Ethik als Querschnittsthema der Pflege mit anderen Themen verbinden können, didaktische Grundsätze für die Vermittlung von Ethik kennen und für eigene Aktivitäten nutzbar machen können sowie Anregungen haben, sich in verschiedenen Kontexten der Vermittlung von Pflegeethik mit der eigenen Haltung als Lehrperson auseinanderzusetzen.

11.1 Einführung

Erinnern Sie sich an den Ethikunterricht in Ihrer Ausbildung? Wenn ja, ist das schon einmal ein gutes Zeichen. Noch besser, wenn die Erinnerung auch eine positive ist. In Deutschland führt das Thema Ethik in vielen Bildungseinrichtungen der Pflege noch ein Schattendasein, sodass ein entsprechender Unterricht nicht stattfindet, oft unter dem Vorwand, Ethik werde ja überall »mitbedacht«. Selbstredend ist, dass dies für die Entwicklung eines reflektierten Berufshandelns und Selbstverständnisses nicht förderlich ist. Im Zuge der Professionalisierung entdeckte die Pflege auch die Ethik (Bobbert 2002, Rabe 2017) und erkannte die Notwendigkeit, Ethik auf verschiedenen Ebenen der Pflegebildung zum Thema zu machen.

Die Vermittlung von Ethik in der Pflege ist nicht auf den Unterricht in der Ausbildung beschränkt, sondern findet insgesamt in mehreren Kontexten statt: 1. in der theoretischen Grundausbildung resp. im grundständigen Studium, 2. im Rahmen der Praxisanleitung, 3. in Fortbildungen für Pflegende, 4. in der Klinik, z. B. durch Falldiskussionen im Team, und 5. im Bereich der akademischen bzw. nichtakademischen Weiterbildungen.
So manche Lehrperson wurde plötzlich mit diesem Thema betraut und war zunächst ratlos. Wer sich daran macht, Ethikunterricht für die Pflege zu konzipieren und vorzubereiten, steht vor mehreren Fragen:
• Wie ist die »Sache«, die es hier zu vermitteln gilt, einzugrenzen und zu bestimmen?
• Mit welchem Ziel soll Ethik in dem jeweiligen Lehr-Lernsetting vermittelt werden?
• Welche Methoden haben sich bewährt und sind in der eigenen Einrichtung umsetzbar? und schließlich:
• Welche Rolle hat die Lehrperson in diesem Fach? Ist sie bloß Moderatorin? Wie soll sie mit kontroversen Themen umgehen, wie mit den eigenen Überzeugungen?

11.2 Zum Verständnis von Ethik

Bis in die 1970er Jahre hinein überwog in der Pflege die traditionelle Orientierung an »bürgerlich-weiblichen und caritativen Tugenden« (Bobbert 2002, S. 53 ff). Sie wurde abgelöst von den Ideen der Ganzheitlichkeit und Patient*innenorientierung, die parallel auch in der Medizin diskutiert wurden. Erst ab Mitte der 1980er Jahre begann die deutschsprachige Pflege, sich an die schon entwickelte Diskussion in den angloamerikanischen Ländern und damit auch an eine philosophische Fundierung anzunähern (
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Kap. 1). Die neu entstehende Pflegeethik stellte sich die Frage nach ihrem Verhältnis zur schon etwas mehr etablierten Medizinethik, denn von vielen wurde Pflegeethik als Teil der Medizinethik verstanden. Angesichts des historischen Machtgefälles zwischen den Berufen, des Standesdenkens der ärztlichen Profession und der traditionellen Subordination der Pflege ist eine erneute, diesmal »disziplinäre« Unterordnung nicht sinnvoll. Stattdessen sind Medizinethik und Pflegeethik als Teile einer Ethik im Gesundheitswesen zu sehen, wobei beide auf dieselben theoretischen Begriffe rekurrieren. Es gibt also keine pflege- oder medizinspezifische Moraltheorie. Letzteres wäre nicht nur moralphilosophisch fragwürdig, sondern angesichts der großen Überschneidungen der Arbeitsfelder und der Verwiesenheit auf den berufsübergreifenden Dialog auch kontraproduktiv. In der Medizinethik herrschte lange Zeit ein rationalistisches Verständnis von Ethik vor. Alternativ dazu wurden bald kontextbezogene philosophische Konzepte diskutiert, die für komplexe Alltagssituationen und Grenzsituationen des Lebens angemessener sind.
Es gibt verschiedene Ansätze, Ethik in der Pflege philosophisch zu fundieren. Neben theoretischen Unterschieden gibt es aber auch die Gemeinsamkeit, dass diese Theoriekonzepte auf das Ethos und das Handlungsfeld der Pflege bezogen sind. Dem hier vorzustellenden didaktischen Konzept liegt ein phänomenologisch-anthropologischer Ethik-Ansatz zugrunde, wie er etwa von Theda Rehbock vertreten wird. Er vereint die universale Reichweite von Prinzipien mit ihrer situationsgerechten Auslegung. Dafür wird an die Stelle der Idee einer externen Begründbarkeit von Ethik die anthropologische Reflexion gesetzt, die sich im Sinnhorizont der menschlichen Grundsituation – und damit grundsätzlich aus einer Teilnehmer*innenperspektive – abspielt (Rehbock 2005). Leiblichkeit, Zeitlichkeit, Sprachlichkeit, Kulturalität und Interpersonalität – also die Grundbedingungen menschlicher Existenz – bilden den Bezugsrahmen der Reflexion und werden ergänzt durch formale ethische Prinzipien, die ihrerseits sowohl Konkretisierungen des Moralprinzips, ethische Reflexionsbegriffe als auch didaktische Strukturelemente sind (Rabe 2017). Solche Prinzipien sind Würde, Autonomie, Fürsorge, Verantwortung, Dialog und Gerechtigkeit (
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Abb. 11.1).
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Abb. 11.1: Ethische Prinzipien
Die universale Geltung der Prinzipien bedeutet nicht, dass sich aus ihnen moralische Regeln für alle ableiten lassen, sondern unterstreicht die Existenz eines universalen Kerns der Moral. Die Ethik hat die Aufgabe, diesen Kern der Moralität zu explizieren und begrifflich zu fassen. Entgegen der üblichen Trennung von gutem Leben und Moral wird hier die Auffassung vertreten, »dass es genau genommen nichts Gutes außerhalb der Moral gibt« (Rehbock 2005, S. 70). Das, was als »gut« eingeschätzt wird, kann nicht als gut bezeichnet werden, wenn es nicht moralisch rechtfertigbar ist. Eine Prinzipienethik bleibt ohne Bezug zur Lebenspraxis – und damit zu Fragen des guten Lebens – abstrakt und bedeutungslos. Dass die Bedeutung des guten Lebens eng an die Bedeutung von Gesund- und Kranksein sowie Leiden gebunden ist, zeigt die Relevanz eines solchen Praxisbezugs auf. Eine Verbindung zwischen der Ebene der Prinzipien und der konkreten Situation wird durch die Urteilskraft hergestellt, einer bereits von Kant beschriebenen Fähigkeit, die eine Brücke zwischen Theorie und Praxis bildet (Kant 1983). Diese Fähigkeit, so Kant, könne nicht gelehrt, sondern nur geübt werden. Sie ist damit eine Herausforderung für die Didaktik.

11.3 Didaktische Grundorientierung und Bildungsziele

Der Zugang zur Didaktik ist bestimmt von dem soeben skizzierten Verständnis von Ethik als theoretischer Klärung, Bewusstmachung und kritischer Überprüfung von Moral. Er nimmt daher solche Konzeptionen von Didaktik auf, die geeignet sind, die Lernenden zum eigenständigen Denken, Argumentieren und Reflektieren anzuregen und zu befähigen. Es geht also um mehr als um Wissensaneignung, es geht auch um die Herausbildung der eigenen Haltung und somit auch um persönliche Entwicklung.

11.3.1 Bildungsorientierung

Gerade in der Berufsbildung ist der Verwertbarkeitsanspruch an Bildungsmaßnahmen so allgegenwärtig, dass man mitunter daran zweifeln kann, ob ein Bildungsanspruch im eigentlichen Sinn noch erhoben wird. Stattdessen dominiert eine Handlungsorientierung, die oft mit einem instrumentalistischen Verständnis von Lehren und Lernen im Sinne einer Erzeugungsdidaktik verbunden ist. Da es aber in der Pflege nach inzwischen allgemeiner Überzeugung um mehr geht als um technische Fertigkeiten und abfragbares Faktenwissen, kommt dem Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung und damit auch den »soft skills« wie personale und psychosoziale Kompetenz eine hohe Bedeutung zu. Dass dies in besonderem Maße für die Pflegeethik zutrifft, ist offensichtlich. Mit Wolfgang Klafki ist die Unverzichtbarkeit der Bildung als Leitkategorie auch der berufsbezogenen Didaktik zu betonen (Klafki 1996). Klafkis Verständnis von Bildung als Befähigung zur Autonomie im Kantischen Sinn und als lebenslange Auseinandersetzung mit der Welt sowie seine Forderung nach Allgemeinbildung und Bildung für alle haben auch für die Berufsbildung Gültigkeit.
Bildendes Lernen braucht unverzweckte Freiräume, in denen Einzelne oder eine Gruppe eigenen Fragen nachgehen können, Freiräume, die Suchbewegungen im Feld der existenziellen Fragen erlauben. Nur so können die Lernenden die Selbst- und Mitverantwortung und die Solidarität entwickeln, die Klafki als oberste Bildungsziele beschreibt. Besonders für die Lehrperson in der Praxis heißt das, vom Geplanten auch einmal abzuweichen, wenn aktuelle Probleme sich als Lernanlass anbieten. Manchmal sind Lernende betroffen oder frustriert von der Diskrepanz zwischen ihrem Ethos und der Realität in der Praxis. Wenn sie ein moralisches Problem in der Praxis selbst als solches erkennen, ist das bereits ein Lernfortschritt. Wo immer möglich, sollten hier Zeit und Hilfestellung gegeben werden, das Problem eigenständig zu analysieren und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen.
Freiräume sind auch deshalb nötig, weil uns trotz aller Theorien über das Lernen eine unmittelbare Erkenntnis des Lernvorgangs versagt ist (Meyer-Drawe 1996). Diese Unverfügbarkeit des Lernens muss aber nicht in didaktischen Nihilismus führen, sondern erfordert eine sorgfältige mehrperspektivische Planung und eine Selbstbescheidung der Didaktik.: Lehrpersonen können Lernen und Bildung nicht erzeugen, sondern bestenfalls durch ihren Unterricht fördern und ermöglichen. Dies kann für Lernende krisenhafte Erfahrungen hervorrufen, wenn sie stark auf der Suche nach allgemeingültigen Handlungsmustern und sicherem Wissen sind. Gleichzeitig wird aber der Bruch zwischen theoretischem Unterricht und Praxisanforderungen gemildert, wenn die Lernenden darin gestärkt und angeleitet werden, individuelle und situationsangemessene Lösungen gemeinsam mit den Betroffenen zu finden.

11.3.2 Erfahrungs- und Praxisorientierung

Im Zuge der Akademisierung .der Gesundheitsberufe stellt sich viel deutlicher als bisher die Frage, welchen Raum Theoriewissen haben sollte. Dies gilt auch für die Ethik. In der Didaktik wird über zwei grundsätzliche »Zugangswege« diskutiert: Sollte man von der Theorie ausgehen und zunächst ein begriffliches Hintergrundwissen vermitteln, und sich dann praktischen Fragen zuwenden? Oder sollte man von der Praxis ausgehen und die eigene Erfahrung zur Grundlage von Theoriebildung machen, wie es im Bereich der Ethik etwa in der Kasuistik geschieht? Ilse Bürmann plädiert für eine Überwindung des falschen »Dualismus zwischen Person und Sache« und fordert stattdessen, beides immer wieder miteinander zu verschränken (Bürmann 1997). Ein einseitiger Zugang ist auch wegen der verschiedenen Lerntypen und -biografien problematisch.
Einen erfahrungsorientierten Zugang zu naturwissenschaftlichem Unterricht hat Martin Wagenschein mit seiner »genetisch-sokratisch-exemplarischen« Methode beschrieben, die ursprünglich für den Physik- und Mathematikunterricht entwickelt wurde. Die Methode ist genetisch, weil sich die Pädagogik sowohl mit dem werdenden Menschen als auch mit dem werde...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Geleitwort: Christel Bienstein
  5. Geleitwort: Ann Gallagher
  6. Vorwort des Herausgebers
  7. Inhalt
  8. Einführung und Überblick
  9. Teil I Fundamente
  10. Teil II. Klinische und gesellschaftliche Handlungsfelder
  11. Teil III Dimensionen des Ethiktransfers
  12. Verzeichnis der Autor*innen
  13. Stichwortverzeichnis