Soziale Angststörung im Kindes- und Jugendalter
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Soziale Angststörung im Kindes- und Jugendalter

  1. 120 Seiten
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Soziale Angststörung im Kindes- und Jugendalter

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Social anxieties cause distress for many children and young adults, both in the setting of social anxiety disorder and as symptoms of accompanying mental disorders. The individuals affected are afraid of behaving embarrassingly or making fools of themselves in front of strangers. Even situations that are meant to bring fun and recognition are avoided. Social anxiety disorder in children and young people often goes undetected, and those affected receive little or no help. This book provides suggestions about the background against which social anxieties arise, with information about how to diagnose them and about the evidence-based treatment modules and programs that exist.

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783170351325
Auflage
1

1 Erscheinungsbild, Entwicklungspsychopathologie und Klassifikation

Fallbeispiel

Die 14;2-jährige Maria stellt sich in einer ambulanten Praxis wegen ausgeprägter Ängste im Kontakt mit Gleichaltrigen vor. Maria beschreibt, dass sie nur wenige Freundschaften habe, da sie der Überzeugung sei, andere Jugendliche würden sie nicht mögen. Aufgrund dieser Ängste falle es ihr schwer, andere Jugendliche anzusprechen oder sich zu verabreden. Trotz guter schriftlicher Leistungen beteilige sich Maria nicht am Unterricht. Vor Referaten in der Schule fühle sie sich morgens häufig krank, bleibe dann zu Hause oder könne Referate nur mit exzessivem Üben vor dem Spiegel in der Woche zuvor bewältigen. Ihre größte Sorge sei, dass sie jemand auslachen könne. Ihre Freizeit verbringe Maria oft allein in ihrem Zimmer und sie ziehe sich zunehmend zurück. Marias Mutter beschreibt, dass sich ihre Tochter bereits im Kindergartenalter sehr zurückhaltend in neuen Situationen verhalten habe und sich wenig von ihrer Mutter gelöst habe. In der Grundschulzeit habe Maria dann zudem Sorgen vor peinlichem Verhalten geäußert, welche sich bis heute sehr verstärkt hätten.

Lernziele

• Sie können die Begrifflichkeiten Soziale Angststörung, soziale Angst und Schüchternheit erklären und voneinander abgrenzen.
• Sie kennen das typische Erscheinungsbild sozialer Ängste von der frühen Kindheit bis zum Jugendalter bzw. jungen Erwachsenenalter.
• Sie können diagnostische Kriterien für die Soziale Angststörung nach der International Classification of Diseases (10. Edition, ICD-10; World Health Organization [WHO], 1994) und dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (5. Edition, DSM-5, American Psychiatric Organization [APA], 2013) benennen.

1.1 Erscheinungsbild der Sozialen Angststörung

1.1.1 Schüchternheit und soziale Ängste bei Kindern und Jugendlichen

Schüchternheit und die Angst vor negativer Bewertung bzw. Ablehnung durch andere Personen sind einem großen Anteil von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen der Allgemeinbevölkerung vertraut. So berichteten in einer Studie von Seim und Spates (2010) 31 % aller befragten Studierenden davon, in ihrem Alltag regelmäßig moderate bis starke soziale Ängste zu erleben. In einer älteren Studie von Lazarus (1982) beschrieben sich 38 % der befragten Grundschulkinder als schüchtern. Auch während sozialer Leistungssituationen zeigen Kinder ohne klinisch bedeutsame Ängste eine moderate Angst und physiologische Stressreaktionen (Krämer et al., 2012). Der Begriff soziale Ängste kann dabei als Überkategorie für viele verschiedene Ausprägungen von Aspekten sozialer Ängste verstanden werden. Soziale Angst beschreibt eine Angst in sozialen Situationen – also Situationen mit anderen Personen –, die von sehr gering bis sehr stark ausgeprägt sein kann. Das Kontinuum sozialer Ängste erstreckt sich von nicht beeinträchtigenden sozialen Ängsten auf der einen Seite bis hin zu starken und meist chronifizierten sozialen Ängsten auf der anderen Seite. Im Zusammenhang mit sozialen Ängsten wird der Begriff der Schüchternheit häufig verwendet. Schüchternheit bezeichnet in der Regel ein gehemmtes Verhalten im Rahmen von sozialen Ängsten und wird häufig im Kontext frühkindlicher sozialer Ängste und sozialer Ängste im Grundschulalter gebraucht. Eine weitere Begrifflichkeit, die auch im Kindes- und Jugendalter im Zusammenhang mit sozialen Ängsten häufig gebraucht wird, ist die der Testängstlichkeit oder Prüfungsangst (Steinmayr, Crede, McElvany & Wirthwein, 2016). Damit werden häufig Kinder und Jugendliche beschrieben, die vornehmlich Angst vor Testsituationen in der Schule haben. Prüfungsangst ist jedoch keine eigene Diagnose in der ICD-101 oder im DSM-5. Da sich diese Ängste jedoch in sozialen Leistungssituationen manifestieren, können sie als umgrenzte Soziale Angststörung verstanden werden. Wichtig ist dabei, dass Kinder und Jugendliche negative Testergebnisse aufgrund einer möglichen negativen Bewertung durch andere Kinder, Jugendliche oder Erwachsene fürchten. Für rein prüfungsbezogene Ängste ist eine differenzialdiagnostische Abklärung zur Spezifischen Phobie zu prüfen. Des Weiteren muss ebenfalls eine differenzialdiagnostische Abgrenzung zur Generalisierten Angststörung des Kindesalters vorgenommen werden, falls Prüfungsängste von Ängsten und Sorgen in mehreren anderen Bereichen begleitet werden (
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Kap. 3).
Die Soziale Angststörung beinhaltet schließlich eine manifestierte, unangemessene Furcht vor Leistungs- oder Interaktionssituationen, die sich in verschiedenen Situationen, z. B. außerhalb der Schule wie auch im privaten Bereich, zeigt (APA, 2015). Zugleich sind die Kinder und Jugendlichen nicht in der Lage, altersgemäße soziale Beziehungen mit vertrauten Personen einzugehen. Die Angst tritt zudem nicht nur in Interaktion mit Erwachsenen, sondern auch mit Gleichaltrigen auf und führt zu einer Beeinträchtigung des Alltagslebens und/oder Leidensdruck (APA, 2015).

Definition: Soziale Ängste

Soziale Ängste bezeichnen das Gefühl von Angst und Furcht in sozialen Situationen wie Interaktionen (z. B. eine Spielsituation mit anderen Kindern) und Leistungssituationen (z. B. ein Referat in der Klasse halten oder sich zu melden). Im Zentrum steht die Sorge, sich vor anderen zu blamieren oder nicht gemocht zu werden. Häufig treten soziale Ängste in Situationen mit Kindern und Jugendlichen auf, welche eher unbekannt sind. Soziale Ängste sind fast allen Kindern und Jugendlichen bekannt. Sie haben somit nicht notwendigerweise Krankheitswert und müssen nicht zwingend behandelt werden.

Definition: Schüchternheit

Schüchternheit bezeichnet eine kindliche Verhaltenshemmung in sozialen Kontexten, z. B. bei jüngeren Kindern das Verstecken hinter den Eltern beim Treffen auf Bekannte der Eltern. Im Vergleich zu sozialen Ängsten ist Schüchternheit mehr auf das Verhalten als auf andere Bereiche von Ängsten bezogen wie ängstliche Gedanken oder physiologische Reaktionen. Auch Schüchternheit ist ein breites Phänomen, welches viele Kinder und Jugendliche von sich selbst kennen und beschreiben.

Definition: Soziale Angststörung

Die Soziale Angststörung bezeichnet soziale Ängste mit Krankheitswert. Der Begriff ist äquivalent zum Begriff der sozialen Phobie aus dem ICD-10 zu verwenden. Die Soziale Angststörung bezeichnet eine anhaltende Angst vor negativer Bewertung durch andere Kinder, Jugendliche oder Erwachsene in sozialen Interaktionen und sozialen Leistungssituationen. Neben starkem persönlichem Leiden der Kinder ist die Störung auch durch Leidensdruck und/oder starke Einschränkungen in der Gestaltung des Alltags der Kinder und Jugendlichen gekennzeichnet, wie wenige soziale Kontakte oder die Vermeidung von schulischen Anforderungssituationen.

1.1.2 Frühe Kindheit und Vorschulalter

Epidemiologische Studien legen einen Beginn der Sozialen Angststörung im Grundschulalter nahe. Dass Kinder bereits im Kindergartenalter über eine stabile und klinisch relevante Furcht vor negativer Bewertung durch andere Kinder und Erwachsene berichten, ist eher selten (Esbjørn, Hoeyer, Dyrborg, Leth & Kendall, 2010). Dennoch berichten einzelne Studien bereits über das Auftreten einer Sozialen Angststörung bei Kindern im Alter von drei Jahren, insbesondere charakterisiert durch Vermeidungsverhalten in sozialen Situationen (Bufferd, Dougherty, Carlso, Rose & Klein, 2012). Auch Ängste vor negativer Bewertung scheinen im Vorschulalter schon zu bestehen, wenn auch deutlich weniger häufig als im Grundschulalter (Stuijfzand & Dodd, 2017). Diagnostisch grenzt die ICD-10 aus diesem Grund die Soziale Angststörung oder Soziale Phobie (F40.1) von der Emotionalen Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters (F93.2) ab, welche weniger den Fokus auf kognitive Prozesse sowie körperliche Begleitsymptome legt, sondern das Verhalten fokussiert.
Eine größere Bedeutsamkeit im Zeitfenster der frühen Kindheit und im Vorschulalter haben Reaktionen und Verhaltensweisen in sozialen Situationen, die als Risikofaktoren für die spätere Entwicklung einer Sozialen Angststörung gelten. Studien legen als zentralen Risikofaktor ein gehemmtes Temperament oder ein hohes Maß an Behavioral Inhibition (BI; Verhaltenshemmung) nahe (Essex, Klein, Slattery, Goldsmith & Kalin, 2010). Kinder mit einer hohen Ausprägung auf dieser Verhaltensdimension reagieren auf unvertraute Situationen oft mit einer starken emotionalen Reaktion (z. B. Anklammern, Schreien und Weinen bei Annäherung einer fremden Person) und zeigen auch in sozialen Situationen wenig Explorationsverhalten (z. B. weniger aktive Kontaktsuche zu unbekannten Gleichaltrigen oder Annäherung an unbekannte Spielsachen). Während BI auf der einen Seite auch ein Risikofaktor für andere Angststörungen sein kann (Ollendick & Hirshfeld-Becker, 2002), scheint BI dennoch besonders stark mit der Entwicklung der Sozialen Angststörung assoziiert zu sein (Hirshfeld-Becker et al., 2007).

Behavioral Inhibition (BI) prädiktiv für soziale Angst

Hirshfeld-Becker et al. (2007) untersuchten in einer Längsschnittstudie 284 Kinder zunächst im Alter von 21 Monaten bis 6 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt interagierten die Kinder mit unbekannten Spielsachen und erwachsenen Versuchsleitern. Die Beobachtung des gezeigten Verhaltens führte zur Einstufung in inhibierte (n = 67) vs. nicht inhibierte Kinder (n = 148). Fünf Jahre später zeigte ein klinisches Interview mit 215 der zuvor untersuchten Kinder bzw. deren Eltern, dass BI insbesondere prädiktiven Wert für die Soziale Angststörung hat. 28 % der Kinder, die zum ersten Messzeitpunkt als behavioral inhibiert eingeschätzt wurden, erfüllten in den folgenden fünf Jahren die Kriterien für eine Soziale Angststörung. In der Gruppe der nicht inhibierten Kinder waren dies nur 14 % der Kinder. Trotz statistischer Vorhersagekraft von BI ist zu berücksichtigen, dass ein Großteil der inhibierten Kinder (72 %) die Kriterien für eine Soziale Angststörung nicht erfüllte.

1.1.3 Grundschulalter

Mit der Einschulung beginnt sowohl eine Konfrontation mit Leistungssituationen sowie ein erster Abgleich mit gleichaltrigen Kindern. Zudem stehen die Kinder vor der Aufgabe, sich in eine Gruppe einzufinden. Für viele Kinder entsteht damit die Sorge, von anderen negativ bewertet zu werden. Diese Sorge kumuliert bei einigen Kindern in einer Sozialen Angststörung (Beidel & Turner, 2007). Insbesondere jüngere Kinder zeigen eher somatische Reaktionen als klare Äußerungen von Angst wie vermehrte Bauch- oder Kopfschmerzen (Melfsen & Warnke, 2009), die jedoch meist im Z...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Geleitwort zur Reihe
  5. Inhalt
  6. 1 Erscheinungsbild, Entwicklungspsychopathologie und Klassifikation
  7. 2 Epidemiologie, Verlauf und Folgen
  8. 3 Komorbidität und Differenzialdiagnostik
  9. 4 Diagnostik
  10. 5 Störungstheorien und -modelle
  11. 6 Psychotherapie
  12. 7 Psychotherapieforschung
  13. Literatur
  14. Stichwortverzeichnis