Rechte Wörter
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Rechte Wörter

Von "Abendland" bis "Zigeunerschnitzel"

  1. 160 Seiten
  2. German
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Von "Abendland" bis "Zigeunerschnitzel"

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Wer gegen Rechte bestehen will, muss sie zuerst verstehen. Das ist nicht immer leicht, denn die rechte Szene hat ihre ganz eigene Sprache und Sprechweise entwickelt – zum Teil mit neuen Wortgebilden, aber auch mit geläufigen Wörtern, denen ein anderer Sinn zugewiesen wird.Andreas von Bernstorff filtert aktuelle Schlüsselwörter der deutschen Rechten aus dem Strom der Medien und betrachtet sie bei Tageslicht: Was bedeuten sie, woher kommen sie, und wie wirken sie?Von "Abendland" über "Klimawahn" bis "Zigeunerschnitzel" nimmt der Autor rechte Konzepte und alltägliche Diskriminierungen unter die Lupe. Dabei werden immer wieder überraschende Zusammenhänge sichtbar, die manch harmlos wirkende Vokabel in neuem Licht erscheinen lassen.Die einfach gehaltenen Wörterbucheinträge geben schnelle Orientierung und sind dabei sorgfältig belegt. Als Handreichungen für den Alltag schärfen sie unsere Aufmerksamkeit und Urteilsfähigkeit, und sie pflegen den Diskurs, wo andere ihn abschalten wollen.Das Buch wendet sich an Menschen, die in Medien arbeiten, in der politischen Bildung, in Schulen, Gewerkschaften, Verbänden und Kirchen, Stiftungen und Parteien, aber auch an alle anderen politisch wachen und interessierten Menschen.

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Abendland

Von der geografischen Orientierung zur Hasspropaganda: Das Abendland-Konzept wird seit dem frühen 19. Jahrhundert in verschiedenen Varianten vorgetragen. Seit den ersten Pegida-Demonstrationen im Oktober 2014 wird es zur Begründung von Hassparolen gegen den Islam und Einwanderer eingesetzt. Pegida heißt Patriotische Europäer gegen dieIslamisierung des Abendlandes.8
Sol occidens ist bei den Römern zunächst die untergehende Sonne, occidens folglich der Westen und speziell die Provinzen und Länder Westeuropas. Martin Luther nennt den Westen (1534) »Abend«. Geografen richten die Landkarten nach Oriens, dem Morgenland mit Zentrum Jerusalem, aus, daher der Begriff »Orientierung«. Wenn es damals eine religiös-kulturelle Scheidelinie gibt, dann die zwischen der christlichen Westkirche und der ebenfalls christlichen Ostkirche, vereinfacht: Rom versus Byzanz (später Konstantinopel, heute Istanbul).
Die deutsche Romantik des frühen 19. Jahrhunderts definiert das Abendland erstmals religiös-kulturell: römisch, germanisch, christlich im Unterschied zum muslimischen Morgenland. Abendland ist aber im Wörterbuch der Brüder Grimm, erschienen ab 1852, immer noch einfach »westlich gelegenes Land«9.
»Morgenland« ist nie negativ besetzt. Die biblischen Weisen aus dem Morgenland verehren das neugeborene Christuskind. Die »Geschichten aus 1001 Nacht« sind seit den 1820er-Jahren bis weit ins 20. Jahrhundert ein beliebter Lesestoff des deutschen und europäischen Bürgertums. Die erste vollständige Übersetzung ins Deutsche stammt von dem jüdischen Romanisten Gustav Weil aus Heidelberg. »Der Islam gehört zur deutschen Literatur«, sagt der Literaturwissenschaftler Heinrich Detering und zeigt das an zahlreichen Beispielen (Detering 2019, S. 44).
Ideologisch neu aufgeladen wird Abendland durch das Hauptwerk des Geschichtsphilosophen Oswald Spengler mit seinem Werk »Der Untergang des Abendlandes«. Für Spengler wachsen, gedeihen, blühen und sterben Kulturen und Weltreiche ab wie Pflanzen oder Tiere – ohne sich jedoch fortzupflanzen. Seine universalhistorischen Untersuchungen 1918–1922 gipfeln in der Prognose, der Untergang des Abendlandes sei unausweichlich, aber noch zu bremsen und gestaltbar. Für Spengler ist der Höhepunkt der abendländischen Kultur die absolutistische Fürstenherrschaft des 18. Jahrhunderts. Deutschlands Entscheidung 1918 für Liberalismus und parlamentarische Demokratie lehnt er ab und plädiert für eine Verbindung von autoritativem Preußentum (Pflichtprinzip) mit dem modernen Sozialismus (Solidarprinzip). Spengler hat wesentlichen Anteil an der Gegenüberstellung von westlicher Zivilisation mit ihren Idealen »Freiheit«, »Gleichheit«, »Brüderlichkeit« und den preußischen Tugenden »Pflicht«, »Ordnung« und »Gerechtigkeit« als Leitbilder einer deutschen Kultur.10
Im sogenannten Dritten Reich gewinnt eine komplett völkischrassistische Variante die Oberhand. Abendland wird mit Europa gleichgesetzt. Und seine geschriebene Geschichte wird sozusagen eingedeutscht. Die germanische Heldengeschichte beginnt jetzt mit der Verteidigung der griechisch-hellenischen Kultur durch die – angeblich germanischen! – Spartaner unter der Führung von König Leonidas in der Schlacht bei den Thermopylen 480 v. Chr. gegen die Perser. Und von diesem Beginn an wird die Verteidigung Europas – oder auch nötigenfalls Rückeroberung, →Reconquista – als eine wiederkehrende Notwendigkeit durch die Jahrhunderte forterzählt. Der heldische Opfertod der unterlegenen Spartaner wird im neuzeitlichen Europa vielfach besungen.
Mit dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg Ende 1941 droht der deutsche Eroberungszug endgültig als Zweifrontenkrieg zu scheitern. Jetzt hören die Nazis auf, vom deutschen Herrenmenschen zu reden. Adolf Hitler ruft die Völker Europas zum gemeinsamen Kampf – zuvörderst gegen den bolschewistischen Osten – auf und spinnt den Faden fort:
»[…] so wie die Griechen gegenüber den Persern nicht Griechenland und die Römer gegenüber den Karthagern nicht Rom, Römer und Germanen gegenüber den Hunnen nicht das Abendland, deutsche Kaiser gegenüber Mongolen nicht Deutschland, spanische Helden gegenüber Afrika nicht Spanien, sondern alle Europa (verteidigt haben), so kämpft Deutschland auch heute nicht für sich selbst, sondern für unseren gesamten Kontinent« (Weiß 2017, S. 176 f.).
Das hat der Führer sich nicht mal so eben ausgedacht. Er kann an den Bildungskanon des deutschen Gymnasiums anknüpfen. Nicht wegzudenken aus dem Deutschunterricht sind die Zeilen Friedrich Schillers von 1795 (»Der Spaziergang«):
»Wanderer, kommst du nach Sparta, berichte dorten, du habest uns hier liegen gesehen, wie das Gesetz es befahl.«
Auch Kriegsminister Hermann Göring bemüht den Opfertod der Spartaner11 zur Legitimation der Durchhaltebefehle Adolf Hitlers während der Schlacht von Stalingrad 1943.
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Abb. 2: Wahlplakat der CDU von 1953:
»Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau«
Zur Kampfparole wird Abendland auch gleich wieder in den ersten Jahren der Bundesrepublik. Die Adenauer-CDU wirbt: »Rettet die abendländische Kultur. Wählt die Christlich-Demokratische Union.«
Damit sollen damals die Westbindung der Bundesrepublik und der europäische Gedanke betont werden. Diese Identitätsstiftung richtet sich explizit gegen die kommunistische Sowjetunion (Weiß 2017, S. 155–186). So wie heute wieder bei den ganz Rechten gegen den Islam – und den Liberalismus.
Der Rückgriff auf das mittelalterliche »Heilige Römische Reich Deutscher Nation« nach Kaiser Karl dem Großen (gekrönt 800 n. C.) als ein Vorläufer des modernen Europa drückt sich dann in der Schaffung des alljährlich verliehenen »Internationalen Karlspreises zu Aachen« (für Verdienste um Europa und die europäische Einigung) aus. Der Preis ging 2018 an den französischen Präsidenten Emmanuel Macron und 2019 an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres.
Christlich-abendländische Kultur – zuweilen mit dem Zusatz jüdisch – bildet heute einen wichtigen Bezugspunkt im Wertesystem europäischer bürgerlicher Parteien. So aber auch bei den rechten, islamophoben PI-News, dem größten politischen Blog deutscher Sprache und folglich auch größten rechten Blog (Gießelmann et al. 2019, S. 41 f.).
Neben Pegida-Gruppen in Dresden, Leipzig und anderswo treten rechte Akteure in Deutschland und Europa gegen eine angeblich gezielt betriebene →Islamisierung auf; mit dabei sind der niederländische Politiker Geert Wilders, der österreichische Polit-Aktivist Martin Sellner (Identitäre),...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Einleitung
  7. Rechte Wörter
  8. Anhang
  9. Literatur
  10. Über den Autor