Heilpädagogische Konzepte und Methoden
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Heilpädagogische Konzepte und Methoden

Orientierungswissen für die Praxis

  1. 287 Seiten
  2. German
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Heilpädagogische Konzepte und Methoden

Orientierungswissen für die Praxis

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Von den vielen Konzepten und Methoden heilpädagogischer Tätigkeit fußen nur wenige auf einem heilpädagogischen Bildungsverständnis. Angesichts dieses pluralen Methodenspektrums ist eine zentrale Herausforderung der Disziplin, die Einheit von Praxis, Profession und Wissenschaft immer wieder neu auszuweisen. Der erste Teil des Buches liefert eine theoretische und ethische Grundlegung heilpädagogischer Praxiskonzepte. Diese werden im zweiten Teil konkretisiert: Die Spannbreite reicht dabei von den klassischen Handlungskonzepten wie der Heilpädagogischen Übungsbehandlung bis zu aktuellen personzentrierten und beziehungsorientierten Ansätzen, der Kunsttherapie, der Biographiearbeit und der Syndromanalyse im Kontext heilpädagogischer Diagnostik.

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783170355637
Auflage
2
Thema
Bildung
II Heilpädagogische Konzepte und Methoden: Betrachtungen zur Praxis

4 Beziehung – Grundlage und Ziel der Heilpädagogischen Erziehungshilfe und Entwicklungsförderung (HpE)

Wolfgang Köhn

Grundsätzliche Annahmen

Bevor sehr praxisnah die Beziehung in den Mittelpunkt der Betrachtung dieses Beitrags gerät, sollen die grundlegenden Annahmen des Handlungskonzeptes der Heilpädagogischen Erziehungshilfe und Entwicklungsförderung skizziert werden (vgl. Köhn 2008, 15 f.). Es handelt sich hierbei um
• kurze theoretische Begründungen zur Bedeutung von Beziehung,
• Gedanken zur Entwicklung und
• Perspektiven zur Förderung.

Zur Bedeutung von Beziehung

Die heilpädagogische Beziehung ist das relevante Fundament für eine heilpädagogische Begleitung des Menschen, vor allem des Kindes. Sie ist die grundlegende Voraussetzung für eine Pädagogik und Erziehung, welche unter erschwerten Bedingungen wirksam werden soll und werden kann. Sie unterstützt, wenn sie gelingt, den Prozess der Identitätsentwicklung und dient hierbei dem Ziel der dialogisch orientierten Vermenschlichung des Handlungspartners. Eine professionelle heilpädagogische Beziehung wird ausgeformt und gestaltet in den Situationen des Einzelkontaktes, der Arbeit in der Kleingruppe sowie der Begleitung in der Lebensgruppe des Kindes oder Jugendlichen im heilpädagogischen Milieu. Das die heilpädagogische Beziehung prägende Menschenbild ist das der Menschen- und Nächstenliebe sowie dasjenige der Liebe zum Leben generell. Des Weiteren geht die Grundlegung, Gestaltung und Gestaltbarkeit einer heilpädagogischen Beziehung von einer berufsethischen Haltung aus, in welcher die personale Mitverantwortung der heilpädagogisch Tätigen, also ihre und seine Entwicklung der Selbsterkenntnis und Selbstreflexion im Mittelpunkt stehen. Der Weg und die Suche nach der Identität ist folglich eine doppelte: In der heilpädagogischen Beziehung umfasst und umgreift sie die Kinder und Jugendlichen wie auch die professionell heilpädagogisch Handelnden. Alles, was somit als Erziehungswirklichkeit wahrnehmbar und gestaltbar wird, ereignet sich in Prozessen des Dialogischen, ist immer auf ein »Du« hin realisiert (s. u.).

Zur menschlichen Entwicklung

Jeder Mensch ist auf Entwicklung hin angelegt. Entwicklung ist hierbei, also auch im Rahmen der HpE, zu verstehen als multifaktorieller, komplexer und fortschreitender Prozess von Wechselwirkungen, in welchem sich der Mensch mehr und mehr der Welt, der Mitmenschen und sich selbst bewusst wird und sich zu seiner Persönlichkeit entwickelt, die ihrerseits zunehmend Einfluss auf diese Entwicklung zu nehmen in der Lage ist (vgl. Köhn 2008, 33). Eine solchermaßen verstandene Entwicklung ereignet sich in der Integration genetischer, soziokultureller und innerpsychischer dynamischer Faktoren. Die Ziele einer solchen Entwicklung bestehen (nach Schenk-Danziger 1991, 21 f.) darin,
• dass der Mensch lernt und (weiter-)lernen lernt,
• dass er seine Fähigkeit zur Selbstreflexion entwickelt,
• dass er sich als zeitlich orientiertes, aber auch begrenztes Wesen (in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) wahrnimmt,
• dass er für eben diese Zukunft planungsfähig wird und plant,
• dass er sich auf andere Menschen hin orientiert und sich an diese binden kann,
• dass er seine Bedürfnisse nach Sicherheit, Geborgenheit, Liebe und Selbstverwirklichung wahrnimmt und leben lernt sowie
• dass er moralische Instanzen entwickelt und mit und in diesen kommuniziert.
Damit diese Entwicklungsziele erreicht werden (können), benötigt der Mensch Hilfe und Unterstützung. Gerade bei Kindern und Jugendlichen, welche in problematischen sozialen Situationen aufwachsen, ist eine solche Unterstützung angezeigt. Sie kann auch durch unterschiedliche Prozesse der Förderung angeregt und begleitet werden.

Zum Veständnis von Förderung

Auch wenn aktuell eher die Postulate und Prozesse der Assistenz das heilpädagogische Handeln gestalten, kann und soll an dieser Stelle dennoch auf eine pädagogische Begründung und Ausformung von Förderung eingegangen werden. Förderung, so wie sie hier verstanden wird, ereignet sich immer in einem pädagogischen Gesamtzusammenhang und geschieht durch die bewusste Gestaltung von entwicklungsfördernden und -förderlichen Situationen. Hierbei zielt Förderung immer auf zu gestaltende Lernprozesse ab (vgl. Strasser 1997, 23). Die Gestaltung heilpädagogischer Maßnahmen und Handlungen ereignet sich hierbei nun aber nicht in der additiven Anwendung spezieller und spezifischer pädagogisch-therapeutischer Methoden. Heilpädagogik ist nicht machbar! Dies muss an dieser Stelle ganz deutlich behauptet werden. Vielmehr kann und muss es in der Umsetzung dieser Förderorientierung darum gehen, ökologisch orientierte Förderansätze und -konzepte zu realisieren, welche sich in der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen ereignen und auf diese bezogen sind (vgl. Köhn 2008, 42). Eine heilpädagogisch ausgerichtete Förderung spricht hierbei immer den ganzen Menschen als Subjekt an. Hierbei wird der Mensch immer als Individuum, als unteilbar Ganzes, als er selbst angesprochen. Dieses bedeutet auch, vorhandene Störungen, Behinderungen oder Beeinträchtigungen zunächst aus dem Blickfeld zu rücken. Oder anders formuliert: Der und die heilpädagogisch Tätige geht nicht symptom- bzw. defizitorientiert vor, um funktionalistisch ganz bestimmte Teilbereiche der Person zu diagnostizieren und zu therapieren. Im Gegenteil: Eine heilpädagogische Beziehung, welche förderorientiert gestaltet ist, ereignet sich in den Prozessen dialogischer Bemühungen und Gestaltungen, mit dem Ziel, in allen menschlichen Bereichen Entwicklungen anzuregen. Eine solche Haltung des Anregens und Gewährenlassens im Rahmen heilpädagogischer Förder- und Entwicklungskonzepte kann an der sokratischen Methode der »Mäeutik« verdeutlicht werden, also der (Frage- und Gesprächs-)Kunst, im Dialog mit dem Gesprächspartner die Wahrheit (in diesem Falle der wechselseitigen Lebensgestaltung) zu ergründen. Die wahre und eigentliche Erkenntnis liegt hierbei bereits im Gegenüber, sie ist ihm jedoch verborgen und nicht bewusst. Im Rahmen der Heilpädagogik kann diese Haltung und Kunst analog zu einem ressourcenorientierten Vorgehen verstanden werden: Verborgene Hilfsquellen des Menschen werden vorsichtig und behutsam entdeckt, aufgedeckt und freigelegt (vgl. Köhn 2008, 44). Eine solchermaßen verstandene Haltung der und zur Förderung kann dann einer (aktuell dargelegten) Begründung von Assistenz recht nahe kommen. Vor diesem Hintergrund können dann die Aussagen zur Entwicklung und zur Förderung integriert und in den Prozess der Entwicklungsförderung eingebracht werden, so wie dieser von Gröschke für die Heilpädagogik beschrieben worden ist (vgl. Gröschke 1997, 268 f.).

Die Beziehung in der HpE – Praxisrelevanzen

»Hallo, wer zieht denn da? Lass’ mich los, ich will nicht!« – »Hallo, zieh’ mich, lass mich nicht los, halt’ mich fest!«
Zwei sehr unterschiedliche Wünsche in zwei sehr unterschiedlichen Situationen – so scheint es. Es geht aber in beiden Situationen um dasselbe: Um Festhalten und Loslassen. Ist das nicht doch etwas absolut Unterschiedliches, etwas Unvergleichbares? Festhalten und Loslassen sind doch Gegensätze – oder etwa nicht? Zweifelsohne kommt es auf die jeweilige Situation an, in der festgehalten oder losgelassen wird; und außerdem darauf, wie festgehalten oder losgelassen wird.
Fallbeispiel
Ein zwölfjähriger Junge – nennen wir ihn Peter – , der in einem Heim lebt, tobt morgens nach seinem Erwachen wild herum, brüllt immer wieder »Scheiße!«, wirft Stühle um, tritt gegen sein Bett, dass die Bretter knirschen. Vielleicht hat er schlecht geträumt? Der Heilpädagoge hört den Lärm, öffnet die Tür, geht in das Zimmer und schließt die Tür hinter sich. Wütend stürmt der Junge auf den Heilpädagogen los, versucht ihn zu treten und mit den Fäusten zu schlagen. Der Heilpädagoge weicht aus, schützt sich und sagt: »Guten Morgen«. »Scheiße, Scheiße, Scheiße!«, schreit der Junge, tobt noch wilder und greift noch heftiger an. Es entsteht – ohne dass der Heilpädagoge dies beabsichtigt hätte – ein körperliches Gerangel zwischen den beiden. Der Heilpädagoge achtet darauf, sich soweit wie möglich zurückzunehmen und gleichzeitig Halt zu geben. Schließlich gibt Peter erschöpft und keuchend auf und beginnt zu weinen.
Was nun? Was hätten Sie anstelle des Heilpädagogen getan? Und was würden Sie jetzt tun?
Versuchen Sie einmal, für sich eine Antwort zu finden. Wenn möglich, achten Sie dabei auf Ihre Gedanken und Gefühle. Beide sind oftmals sehr unterschiedlich, so dass es schwerfällt, überhaupt etwas zu sagen oder zu tun. Versuchen Sie es trotzdem:
• Was denke ich gerade?
• Wie fühle ich?
• Was möchte ich am liebsten tun?
• Was muss ich jetzt tun – ob ich will oder nicht?
Gedanken und Gefühle sind in kritischen Situationen oftmals völlig gegensätzlich, so dass Sie unter Druck geraten können und nicht wissen, mit was und wie sie anfangen sollen. Überlegen Sie aber nicht zu viel und erst recht nicht lange, denn dann geht Ihre Spontaneität, einer plötzlichen Eingebung folgend, völlig verloren, und diese benötigen Sie jetzt ganz dringend, sonst werden Sie in einer solchen Situation genötigt (= in Not geraten, gezwungen), oder Sie geben auf! Wäre das eine – die innere Nötigung – oder das andere – das Aufgeben – dann noch sinnvoll und hilfreich auszurichten?
Wie lösen Sie die hier an Sie gestellte Not-wendige Auf-Gabe durch eine heilpädagogisch sinnvolle und verantwortungsvolle Handlung? Wie auch immer: Wenn Sie für sich eine überzeugende Handlung als Antwort gefunden haben oder wenn Sie abwehrend und verzweifelt aufgeben: Teilen Sie einer Partnerin oder einem Partner Ihre Gefühle und Gedanken mit, und schildern Sie sowohl Ihre Gedanken und Gefühle für eine mögliche Lösung oder auch die Gedanken und Gefühle Ihrer Hilflosigkeit, vielleicht auch Ihrer Ängste, in einer solchen Situation unentschlossen zu sein und zu versagen oder aber nach Ihrem Gefühl übergriffig und möglicherweise ungerecht zu handeln.
Wie heißt ein weises Sprichwort: »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!« Das stimmt! Es gibt nun aber wagemutige und waghalsige Menschen. Der Waghals ist ein wagemutiger Mensch, jemand, der sich nicht scheut, ein Wagnis einzugehen, dessen Auswirkung er nicht vollständig »berechnen« kann. Dies kann aus verschiedenen Gründen geschehen: Entweder »echt«, also aus Mut und teilweise einschätzbarem Risiko; oder aber aus psychischer Abwehr, d. h. durch Verleugnung eigener Ängste und Furcht vor dem Verlust von Anerkennung durch andere und daher aus Selbstbetrug, der sich in seiner Auswirkung gegen den- oder diejenige auswirkt, der oder die sich selbst betrogen hat. Wie schätzen Sie sich selber als Partner/in ein, und welche Situationen fallen Ihnen ein, wie Sie mit Unwägbarkeiten und nicht vorhersehbaren Risiken umgegangen sind?
In unserem »Fall« bemerkt der Heilpädagoge die Aufgabe, die der Junge sich selbst und dem Heilpädagogen stellt. »Auf-Gabe« bedeutet, dass jemandem etwas gegeben wurde, das er nun zu tragen hat, das er nun stemmen soll, sei es Arbeit, Auftrag oder Pflichterfüllung – freiwillig oder gezwungen, überflüssig oder »Not«-wendig. Welche Aufgabe vermuten Sie nach Ihrem bisherigen Wissensstand? Auf welche Weise würden Sie die von Ihnen vermutete Aufgabe erfüllen?
Vermutlich stellen sich verschiedene Ideen ein, die Sie abwägen. Jede Idee erwächst aus Erfahrung, Gedanken und Gefühlen, und vor diesem Hintergrund hat sie einen einmaligen Wert, ganz gleich, ob Sie die Idee spontan als »objektiv richtig« betrachten oder nicht. Beachten – und wenn möglich, notieren Sie – Ihre eigenen Gedanken und Gefühle zu jedem Vorschlag, so dass Sie sich später dialogisch, im inneren oder im echten Zwiegespräch, mit den verschiedenen Handlungsoptionen auseinandersetzen können. Oftmals wissen oder bemerken wir nicht: Gefühle sind emotionale Intelligenz. Es gibt keine Intelligenzleistungen ohne Gefühle! Emotionale Intelligenz stellt demnach grundsätzlich die bewusste Verknüpfung von Affekten und Kognitionen dar. Leider verdrängen wir öfter unsere Gefühle, weil wir mutig sein wollen, wenn wir Angst verspüren, weil wir nicht dumm dastehen wollen, wenn uns etwas nicht klargeworden ist. Diese Haltung versperrt uns aber den Weg zu neuem Wissen und zu neuem Handeln, und sie macht uns dumm! »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!« Wir lernen nur dann durch unser Handeln, wenn wir auch unsere Gefühle sorgfältig miterleben und reflektieren! Das bedeutet: Wir schauen uns wie im Spiegel an, nehmen uns sorg...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. I Theoretische Impulse für heilpädagogische Konzepte und Methoden
  7. II Heilpädagogische Konzepte und Methoden: Betrachtungen zur Praxis
  8. Die Autorinnen und Autoren