Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

Romane und Geschichten

  1. 5,247 Seiten
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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

Romane und Geschichten

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Über dieses Buch

Guy de Maupassant (1850-1893) war ein französischer Schriftsteller und Journalist. Maupassant gilt neben Stendhal, Balzac, Flaubert und Zola als einer der großen französischen Erzähler des 19. Jahrhunderts. Er ist auch einer der am häufigsten verfilmten Autoren.Bel Ami, Dickchen, Ein Menschenleben, Fräulein Fifi, Das Haus, Herr Parent, Der Horla, Die kleine Roque, Der Liebling, Miss Harriet, Mondschein, Nutzlose Schönheit, Die Schnepfe, Die Schwestern Rondoli, Stark wie der Tod, Tag- und Nachtgeschichten, Der Tugendpreis, Unser Herz, Vater Milon, Zwei BrüderNull Papier Verlag

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783962817695
Der LieblingErster Teil

I

Ge­org Du­roy wech­sel­te bei der Kas­sie­re­rin ein Fünf­fran­ken­stück, zahl­te und ver­ließ das Re­stau­rant.
Von Haus aus ein hüb­scher Kerl, sah er be­son­ders gut aus in der mi­li­tä­ri­schen Hal­tung, nach der er sich als ehe­ma­li­ger Un­ter­of­fi­zier trug. Er warf sich in die Brust, wir­bel­te schnei­dig sei­nen Schnurr­bart und ließ über die Ver­spä­te­ten rings an den Ti­schen einen schnel­len, aber um­fas­sen­den Blick glei­ten, dem nichts ent­ging.
Die Frau­en hat­ten ihm nach­ge­schaut, drei klei­ne Ar­bei­te­rin­nen, eine Mu­sik­leh­re­rin von mitt­le­rem Al­ter, die schlecht fri­siert war, et­was ver­nach­läs­sigt aus­sah, einen im­mer stau­bi­gen Hut auf hat­te, und de­ren Kleid schief saß; und dann zwei Bür­ger­frau­en mit ih­ren Män­nern, die für ge­wöhn­lich hier ihr Mit­tag­ses­sen im Abon­ne­ment ein­zu­neh­men pfleg­ten.
Als er hin­aus­ge­tre­ten war, blieb er einen Au­gen­blick auf dem Trot­toir ste­hen und über­leg­te sich, was er tun soll­te. Es war der acht­und­zwan­zigs­te Juni und er be­saß ge­ra­de noch drei Fran­ken vier­zig, wo­mit er den Mo­nat aus­kom­men muss­te. Das be­deu­te­te so viel, wie zwei Mit­ta­ges­sen ohne Abend­brot oder zwei Abendes­sen ohne Mit­tag, je nach Wahl. Er über­leg­te, dass, da das Mit­ta­ges­sen ihm zwei­und­zwan­zig Sous kos­ten wür­de, wäh­rend er drei­ßig für sein Abend­brot an­le­gen muss­te, ihm ein Frank zwan­zig Über­schuss blie­be, wenn er sich mit zwei­mal Mit­ta­ges­sen al­lein be­gnüg­te. Der Über­schuss reich­te noch für zwei Por­tio­nen Brot und Wurst und zwei Glas Bier, die er ir­gend­wo auf dem Bou­le­vard zu sich neh­men könn­te. Das war sei­ne ein­zi­ge Aus­ga­be und sein ein­zi­ges Amü­se­ment. So bum­mel­te er denn die Stra­ße Notre Dame de Lo­ret­te hin­ab.
Er ging ge­nau so, wie er frü­her einst das Pflas­ter ge­tre­ten in sei­ner Husa­ren­uni­form, die Brust her­aus­ge­drückt, die Knie ein we­nig nach au­ßen, als ob er eben vom Pfer­de ge­stie­gen wäre. Und rück­sichts­los schritt er in die Men­schen­men­ge hin­ein, streif­te die Schul­tern, rem­pel­te hier und da ein­mal je­man­den an und mach­te nicht einen Zoll breit Platz. Den Zy­lin­der, der et­was ram­po­niert war, hat­te er schief aufs Ohr ge­setzt, und sei­ne Schrit­te klan­gen laut auf dem Pflas­ter. Er sah aus, als blick­te er al­les her­aus­for­dernd an, die Vor­über­ge­hen­den, die Häu­ser, die gan­ze Stadt, wie’s eben ein schö­ner Husar tut, der zu sei­nem Leid­we­sen den Zi­vil­rock tra­gen muss.
Ob­gleich er nur einen An­zug für sech­zig Fran­ken trug, hat­te er doch eine ge­wis­se, et­was auf­dring­li­che Ele­ganz an sich, die zwar ein we­nig or­di­när war, doch tat­säch­lich be­stand. Er war groß, gut ge­wach­sen, blond, von ei­nem kas­ta­ni­en­far­be­nen leicht röt­li­chen Blond, mit auf­ge­dreh­tem Schnurr­bart, der sich auf sei­ner Ober­lip­pe zu kräu­seln schi­en. Er hat­te blaue, kla­re Au­gen und eine ganz klei­ne Pu­pil­le, na­tür­lich-ge­lock­tes Haar, das in die Mit­te ge­schei­telt war und sah so ein we­nig aus wie die Schwe­ren­nö­ter in den Schun­dro­ma­nen.
Es war ei­ner je­ner Som­mer­aben­de, wo man das Ge­fühl hat, als wäre nicht ge­nug Luft in Pa­ris. Die Stadt war glü­hend heiß und schi­en zu schwit­zen bei der er­sti­cken­den Hit­ze. Die Schleu­ßen ström­ten durch ih­ren gra­nit­nen Mund ihre ver­pes­te­ten Düns­te aus und die Kü­chen im Un­ter­ge­schoss hauch­ten auf die Stra­ße durch ihre nied­ri­gen Fens­ter die gräss­li­chen Gerü­che von Auf­wasch­was­ser und al­ten Sau­cen hin­aus.
Die Por­tiers sa­ßen in Hemds­är­meln ritt­lings auf ih­ren Rohr­stüh­len und rauch­ten un­ter dem Ho­fein­gang ihre Pfei­fe. Und die Vor­über­ge­hen­den gin­gen mit mü­den Schrit­ten bar­häup­tig, den Hut in der Hand.
Als Ge­org Du­roy an den Bou­le­vard kam, blieb er noch ein­mal ste­hen, un­schlüs­sig, was er tun soll­te. Er hat­te jetzt ei­gent­lich Lust, in die Champs-Elysées und in die Ave­nue du bois de Bou­lo­gne zu ge­hen, um un­ter den Bäu­men ein We­nig fri­sche Luft zu schöp­fen. Aber es quäl­te ihn auch ein an­de­rer Wunsch: ir­gend ein Lie­bes­aben­teu­er zu er­le­ben.
Wie das kom­men soll­te, wuss­te er noch nicht. Aber er war­te­te seit drei Mo­na­ten dar­auf, je­den Tag, je­den Abend.
Dank sei­nes gu­ten Aus­se­hens und sei­nes ga­lan­ten We­sens, stahl er wohl hier und da ein biss­chen Lie­be, aber er hoff­te doch im­mer noch auf mehr und Bes­se­res,
Mit sei­nem lee­ren Por­te­mon­naie und hei­ßen Blut reg­te er sich auf, wenn die Mäd­chen vor­über­stri­chen und an der Stra­ßen­e­cke zu ihm sag­ten:
– Komm mit, Klei­ner!
Aber er wag­te nicht, ih­nen zu fol­gen, denn er konn­te sie nicht zah­len. Und dann hoff­te er doch auch auf et­was an­de­res, auf eine an­de­re, we­ni­ger ge­mei­ne Lie­be.
Und doch lieb­te er die Orte, wo die öf­fent­li­chen Mäd­chen her­um­wim­mel­ten, ihre Bal­lo­ka­le, Cafés, ihre Stra­ßen. Er traf sie gern, und es mach­te ihm Spaß, mit ih­nen zu schwat­zen, sie zu du­zen, ihr star­kes Par­füm zu rie­chen, ihre Nähe zu füh­len. Es wa­ren doch im­mer­hin Frau­en, Frau­en, die Lie­be ge­ben konn­ten, und er ver­ach­te­te sie nicht mit je­nem Ge­fühl, das dem in der Fa­mi­lie auf­ge­wach­se­nen Man­ne an­ge­bo­ren ist.
Er wand­te sich zur Ma­de­lei­ne-Kir­che und folg­te dem Men­schen­strom, der, von der Hit­ze be­drückt, da­hin flu­te­te. Die großen Cafés wa­ren Men­schen-über­füllt. Die Leu­te fas­sen bis auf das Trot­toir, beim hel­len schar­fen Licht, das durch die er­leuch­te­ten Spie­gel­schei­ben fiel. Auf klei­nen vier­e­cki­gen Ti­schen stan­den Glä­ser mit ro­ter, gel­ber, grü­ner, brau­ner Flüs­sig­keit, alle Far­ben­spie­le wa­ren ver­tre­ten. Und in den Kar­af­fen glänz­ten die großen, durch­sich­ti­gen Eis­kris­tal­le, die das schö­ne kla­re Was­ser ab­küh­len soll­ten.
Du­roy hat­te sei­nen Gang ver­lang­samt, sei­ne Keh­le war wie aus­ge­trock­net und das drin­gen­de Be­dürf­nis et­was zu trin­ken quäl­te ihn.
Ein bren­nen­der Durst, wie er sich an hei­ßen Som­mer­aben­den ein­stellt, hielt ihn ge­fan­gen, und er dach­te im­mer wie wun­der­voll er­qui­ckend es doch wäre, wenn ihm das kal­te Ge­tränk durch die Keh­le lau­fen wür­de. Aber wenn er an die­sem Abend auch nur zwei Glas Bier trank, muss­te er auf sein ma­ge­res Abend­brot mor­gen ver­zich­ten. Und die Hun­ger­qua­len der letz­ten Tage des Mo­nats kann­te er zu ge­nau.
Er sag­te sich: bis zeh­ne muss ich mich hin­schlep­pen, dann trin­ke ich im Ame­ri­cain mein Bier. Gott ver­damm mich noch mal, hab’ ich einen Durst!
Und er be­trach­te­te all die Men­schen, die dort an den Ti­schen sa­ßen und tran­ken, all die­se Men­schen, die ih­ren Durst lö­schen konn­ten, so viel sie nur moch­ten. Wenn er an den Cafés vor­über­kam, nahm er eine re­nom­mis­ti­sche ke­cke Hal­tung an, und mit ei­nem Blick ta­xier­te er nach Aus­se­hen und Klei­dung die ein­zel­nen Leu­te, die da ru­hig sa­ßen. Wenn man ih­nen die Ta­schen leer­te, wür­de man schon Gold fin­den, Sil­ber und Kup­fer; durch­schnitt­lich hat­te wohl je­der ge­wiss zwei Zwan­zig-Fran­ken­stücke bei sich. In dem Café sa­ßen min­des­tens hun­dert, hun­dert mal zwei Zwan­zig-Fran­ken­stücke das gab vier­tau­send Fran­ken. Er brumm­te in sich hin­ein: Schwei­ne­ban­de! und wieg­te sich in den Hüf­ten. Wenn er nur an der Stra­ßen­e­cke im Dun­keln einen von den Kerls hät­te an­hal­ten kön­nen, dem hät­te er den Hals um­ge­dreht, weiß der Teu­fel, ohne ir­gend­wel­che Ge­wis­sens­bis­se, wie er’s frü­her im Ma­nö­ver mit den Hüh­nern beim Bau­er ge­tan.
Und er dach­te an die bei­den Jah­re, die er in Afri­ka ge­stan­den, wie er da­mals in den klei­nen Gar­ni­so­n­en im Sü­den die Ara­ber aus­ge­plün­dert. Ein grau­sam-lus­ti­ges Lä­cheln lief über sei­ne Züge, als er sich ei­nes tol­len Strei­ches er­in­ner­te, der drei Mann des Stam­mes der Ou­led-Ala­ne das Le­ben ge­kos­tet und ihm wie sei­nen Ka­me­ra­den zwan­zig Hüh­ner, zwei Scha­fe und eine Men­ge Gold ein­ge­bracht hat­te, so­wie Lach­stoff auf min­des­tens ein hal­b­es Jahr.
Die Tä­ter hat­te man nie ent­deckt, die man üb­ri­gens auch wei­ter nicht ge­sucht hat­te, denn der Ara­ber wur­de mehr oder we­ni­ger als selbst­ver­ständ­li­che Beu­te des Sol­da­ten an­ge­se­hen.
In Pa­ris war das ganz was an­de­res. Dort konn­te man nicht den Sä­bel an der Sei­te, den Re­vol­ver in der Hand, weit von je­der bür­ger­li­chen Ge­richts­bar­keit, frei wie man war, auf Plün­de­rung aus­ge­hen. Er fühl­te sich wie ein Un­ter­of­fi­zier im er­ober­ten Lan­de. Ach, er dach­te doch mit Be­dau­ern an die zwei Jah­re zu­rück, die er in der Wüs­te zu­ge­bracht. Es war ei­gent­lich scha­de, dass er nicht dort ge­blie­ben war. Aber er hat­te ge­hofft, sich ver­bes­sern zu kön­nen, wenn er zu­rück­kehr­te. Und nun? Na, das war eine schö­ne Be­sche­rung!
Er wälz­te die Zun­ge im Mun­de her­um und schnalz­te, als ob er die Tro­cken­heit sei­nes Gau­mens fest­stel­len woll­te.
Die Men­ge be­weg­te sich um ihn her­um, matt und lang­sam, und er dach­te im­mer: elen­des Pack, die­se gan­zen Rind­vie­cher da, ha­ben nu Geld in der Ta­sche.
Er stieß die Leu­te beim Ge­hen mit der Schul­ter an und pfiff sich eine lus­ti­ge Wei­se. Ein paar Her­ren, die er an­ge­rem­pelt, dreh­ten sich schimp­fend um und ein paar Frau­en rie­fen:
– So ein Fle­gel!
Da kam er am Vau­de­ville vor­bei und blieb vor dem Café Ame­ri­cain ste­hen. Er frag­te sich, ob er nicht doch ein Glas Bier trin­ken soll­te, der Durst quäl­te ihn zu schau­der­haft. Ehe er zu ei­nem Ent­schluss kam, blick­te er noch ein­mal nach dem er­leuch­te­ten Zif­fer­blatt der Uhren auf der Stra­ße. Es war ein vier­tel auf zehn Uhr. Er kann­te sich ge­nau: wenn ein­mal das Glas Bier vor ihm stand, hat­te er es auch schon ’r­un­ter­ge­schüt­tet, und was soll­te er dann bis elf Uhr an­fan­gen?
Er ging wei­ter und sag­te sich: ach, ich gehe lie­ber bis zur Ma­de­lei­ne und dann bum­me­le ich ganz sach­te zu­rück.
Als er an die Ecke des Opern­plat­zes kam, be­geg­ne­te ihm ein di­cker, jun­ger Mann, des­sen Ge­sicht er mein­te schon ein­mal ir­gend­wo ge­se­hen zu ha­ben.
Er folg­te ihm und such­te in sei­nem Ge­dächt­nis, in­dem er halb­laut zu sich sag­te: Teu­fel noch mal, wo bin ich nur dem Kerl schon mal be­geg­net?
Er such­te hin und her, aber es fiel ihm nicht ein. Dann plötz­lich durch ein ei­gen­tüm­li­ches Spiel des Ge­dächt­nis­ses stand der­sel­be Mann vor ihm, we­ni­ger dick, jün­ger, in Husa­ren­uni­form und er rief ganz laut:
– Herr Gott, Fo­res­tier!
Er ver­län­ger­te sei­ne Schrit­te und klopf­te dem Herrn, der vor ihm ging, auf die Schul­ter. Der an­de­re dreh­te sich um, blick­te ihn an und frag­te:
– Bit­te, was wün­schen Sie?
Du­roy fing an zu la­chen:
– Was, Du kennst mich nicht mehr?
– Nein.
– Ge­org Du­roy. Sechs­ter Husar.
Fo­res­tier streck­te ihm bei­de Hän­de ent­ge­gen:
– Al­ter Kerl! Wie geht Dir’s denn?
– Aus­ge­zeich­net! Und Dir?
– Na, nicht be­son­ders. Weißt Du, ich bin nicht ganz takt­fest auf der Brust. Sechs Mo­na­te im Jahr hus­te ich. Das kommt von ei­nem Bron­chi­al­ka­tarrh, den ich mir in Bou­gi­val jetzt vor vier Jah­ren, als ich nach Pa­ris zu­rück­kam, ge­holt habe.
– Aber Du siehst doch ganz ge­sund aus!
Und Fo­res­tier nahm den Arm sei­nes Ka­me­ra­den und er­zähl­te ihm von sei­ner Krank­heit, von den Kon­sul­ta­tio­nen, den ver­schie­de­nen Mei­nun­gen und Re­den der Ärz­te. Er sag­te, wie schwie­rig es sei in sei­ner Stel­lung ih­ren Ver­ord­nun­gen zu fol­gen. Er soll­te den Win­ter im Sü­den zu­brin­gen, aber das könn­te er doch nicht. Er war näm­lich ver­hei­ra­tet, Jour­na­list und hat­te eine vor­züg­li­che Stel­lung.
– Ich re­di­gie­re den po­li­ti­schen Teil der ›Vie françai­se‹, be­sor­ge beim ›Sa­lut‹ den Ar­ti­kel Se­nat und schrei­be ab und zu li­te­ra­ri­sche Feuil­le­tons für den ›Pla­ne­ten‹. Ja! ja! Ich habe mei­nen Weg ge­macht.
Du­roy blick­te ihn er­staunt an. Er fand ihn sehr ver­än­dert, sehr viel fer­ti­ger ge­wor­den. Er hat­te eine Art und Wei­se, Hal­tung und An­zug wie ein Mann in gu­ter Stel­lung, der sei­ner selbst si­cher ist und war wohl­be­leibt wie je­mand, der gut zu es­sen pflegt. Frü­her war er ma­ger, dürr, ge­len­kig, ein Leicht­fuß, ein Lärm- und Ra­dau­ma­cher, der im­mer in der Fahrt war. Und ein drei­jäh­ri­ger Auf­ent­halt in Pa­ris hat­te aus ihm einen ganz an­de­ren Men­schen ge­macht, einen wohl­be­leib­ten, ge­setz­ten Herrn mit ei­ni­gen grau­en Haa­ren an der Schlä­fe, ob­gleich er erst sie­ben­und­zwan­zig Jah­re zähl­te.
Fo­res­tier frag­te:
– Wo gehst Du hin?
Du­roy ant­wor­te­te:
– Nir­gends. Ich bumm­le bloß noch ein­mal her­um, ehe ich nach Hau­se gehe.
– Schön. Weißt Du was, kom­m’ doch mit zur...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Impressum
  3. Inhaltsverzeichnis
  4. Danke
  5. Newsletter abonnieren
  6. Vater Milon und andere Erzählungen
  7. Bel Ami
  8. Das Haus Tellier und Anderes
  9. Ein Menschenleben
  10. Yvette und Anderes
  11. Zwei Brüder
  12. Der Horla
  13. Mont Oriol
  14. Herr Parent
  15. Dickchen
  16. Nutzlose Schönheit
  17. Schnaps-Anton
  18. Die kleine Roque
  19. Die Schwestern Rondoli
  20. Der Liebling
  21. Stark wie der Tod
  22. Tag- und Nachtgeschichten
  23. Unser Herz
  24. Miss Harriet
  25. Ein Menschenleben
  26. Mondschein
  27. Die Schnepfe
  28. Hans und Peter
  29. Der Tugendpreis
  30. Das Haus
  31. Fräulein Fifi
  32. Literaturverzeichnis
  33. Index
  34. Das weitere Verlagsprogramm