Kundenbeschwerden im Web 2.0
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Kundenbeschwerden im Web 2.0

Eine korpusbasierte Untersuchung zur Pragmatik von Beschwerden im Deutschen und Italienischen

  1. 290 Seiten
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Kundenbeschwerden im Web 2.0

Eine korpusbasierte Untersuchung zur Pragmatik von Beschwerden im Deutschen und Italienischen

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Die Kommunikation in sozialen Netzwerken ist in den letzten Jahren zunehmend ins Interesse der (Im)politeness-Forschung gerückt. Die Arbeit untersucht einen Korpus aus jeweils 400 Kundenbeschwerden auf deutschen und italienischen Facebook-Seiten, insbesondere hinsichtlich inhaltlicher Strukturen, Modifikation sowie Selbstdarstellung und Referenzen. Die Ergebnisse werden vor zentralen (Im)politenessTheorien diskutiert und mögliche Ursachen für die Unterschiede zwischen deutsch- und italienischsprachigen Beschwerden aufgezeigt.

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Information

1 Einleitung

1.1 Thema der Arbeit und Begründung

Beschwerden werden alltäglich in vielerlei Zusammenhängen und Konstellationen geäußert: mündlich, schriftlich, postalisch oder in elektronischer Form, an Adressaten wie Unternehmen, Behörden, Organisationen, Vorgesetzte, die Familie oder Freunde1. Wir beschweren uns direkt beim Verursacher der Beschwerde oder dem Verantwortlichen, aber auch bei Menschen, die nichts damit zu tun haben. Wir wollen mit unseren Beschwerden Wiedergutmachung erreichen – vielleicht aber auch nur unserem Ärger Luft verschaffen.
Die vorliegende Studie befasst sich mit Kundenbeschwerden an Unternehmen. Während sich zahlreiche kommunikations- und wirtschaftswissenschaftliche Studien, Lehrbücher und Leitfäden mit der Analyse von Kundenbeschwerden und der Ausgestaltung des Complaint-Handlings seitens des Unternehmens beschäftigen (STAUSS/SEIDEL 2014), gibt es aus sprachwissenschaftlicher Sicht bislang vergleichsweise wenige Arbeiten zu diesem Untersuchungsgegenstand, beispielsweise zur Beschwerdekommunikation in Telefonhotlines (u. a. MÁRQUEZ REITER 2005; ORTHABER/MÁRQUEZ REITER 2011) oder zu Reklamationsgesprächen (SCHNIEDERS 2005).
In einer Online-Kultur, die Konsumenten zum Teilen ihrer Erfahrungen über Bewertungen und Rezensionen sowie zur Weitergabe ihres Feedbacks an die Unternehmen selbst ermutigt, spielt aber auch das Internet als Plattform für Kundenbeschwerden eine immer größere Rolle (HENNIG-THURAU ET AL. 2010). Das gilt auch für Social Media wie Facebook oder Twitter. Damit gerät eine Kommunikation in die Öffentlichkeit, die bislang weitgehend in geschlossenen Kanälen zwischen Unternehmen und Kunden stattfand. Die vorliegende Studie nimmt diese Entwicklung zum Anlass, einen Ausschnitt aus dieser Kommunikation aus linguistischer Sicht zu beschreiben: Kundenbeschwerden auf dem sozialen Netzwerk Facebook.
Hierfür wurden Facebook-Seiten von Telekommunikationsunternehmen ausgewählt, weil sich Kundenbeschwerden dort in außergewöhnlich großer Dichte finden (EINWILLER/STEILEN 2015: 199). Häufige Themen sind beispielsweise mangelnde Netzabdeckung, überhöhte Rechnungen, unerwünschte Leistungen oder das lange Warten auf einen Techniker.
Das folgende Beispiel illustriert eine Kundenbeschwerde, wie sie Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind.
Der Kunde schildert den Kontext der Beschwerde und den eigentlichen Beschwerdegrund: Er hat das ihm aufgrund seiner Vertragsverlängerung zustehende Handy auch bei der zweiten Bestellung nicht erhalten, muss weiterhin warten. Mit Fragen wie „Sind nur Neukunden mit großen Verträgen wichtig??“ und Formulierungen wie „Wirklich schade“ verleiht er seinem Ärger und seiner Enttäuschung Ausdruck; wiederholte Satzzeichen dienen der Verstärkung, genaue Zeitangaben („3–4 Tage später“, „bis zum 22.09.“) verdeutlichen die wiederholten Versäumnisse des Unternehmens. Abschließend droht der Kunde damit, den Anbieter zu wechseln. Sich selbst stellt er in der Beschwerde als jahrelangen, bislang immer zufriedenen Kunden dar – der zudem „höflich“ nachfragt. Das Unternehmen selbst wird im Post zwar genannt, die Unternehmensmitarbeiter werden aber an keiner Stelle direkt angesprochen, auch eine einleitende Anrede fehlt – mit der gleichen Formulierung könnte der Schreiber seinen Unmut auch gegenüber einem Bekannten äußern.
In welchem Teil des Textes wird nun die eigentliche Beschwerde vollzogen? Es wird schnell deutlich, dass sich diese Frage kaum sinnvoll beantworten lässt, denn auch einzelne Abschnitte für sich genommen könnten bereits als Beschwerde klassifiziert werden. Beschwerden stellen mithin ein komplexes Zusammenspiel verschiedener moves wie Beschwerdegrund, Kontext, Verärgerung oder Drohung dar (MURPHY/NEU 1996) – und können auch gänzlich anders als das gerade zitierte Beispiel aussehen.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es zum einen, einen Beitrag zur sprachwissenschaftlichen Beschwerdeforschung zu leisten. Die moves, die die Kunden bei der sprachlichen Formulierung ihrer Beschwerden wählen, werden im Detail beschrieben. Welche inhaltlichen Bestandteile und welche Verfahren der Verstärkung und Abmilderung lassen sich ausmachen? Wer wird in der Beschwerde wie angesprochen? Dabei knüpft die Arbeit zum einen an sprachwissenschaftliche, insbesondere Sprechakt- und Textsorten-(Genre-)analytische, daneben auch konversationsanalytische Forschungen zu Beschwerden an. Die meisten dieser Arbeiten basieren auf z.B. über discourse completion tests elizitierten Daten (u. a. BLUM-KULKA ET AL. 1989) oder auf mündlicher Kommunikation (u. a. MÁRQUEZ REITER 2005, 2013). Dagegen liegen erst wenige Arbeiten zu Beschwerden in authentischer schriftlicher – und im Speziellen in computervermittelter Kommunikation (CvK) vor (u. a. MEINL 2010; DAYTER/RÜDIGER 2014). In den Forschungsbericht beziehe ich auch Ansätze und Erkenntnisse aus Studien ein, die sich mit online veröffentlichten Kundenrezensionen beschäftigt haben (u. a. VÁSQUEZ 2011, 2013, 2014a, b).
Zum anderen leistet die Arbeit einen Beitrag zur (Im)politeness-Forschung: Verschiedene theoretische Ansätze der (Im)politeness-Forschung sollen in ihrem Erklärungsgehalt für die Gestaltung der Beschwerden diskutiert und hinterfragt werden. Oft werden Respektlosigkeit und Aggressivität in der Internetkommunikation beklagt; die Kunden selbst verteidigen ihren Stil aber häufig – ebenso wie den anderer Kunden. Die für die Studie ausgewählten Unternehmen gehen auf die Posts ein und beantworten sie; von der Seite entfernt werden nur wenige. Wie lässt sich diese Art von Kommunikation in die postmodernen (Im)politeness-Theorien einordnen?
Während sich sprachwissenschaftliche Untersuchungen zu CvK angesichts der Dominanz der englischen Sprache im Internet lange vor allem auf englischsprachige Texte gestützt hatten und die Forschungslage hier mittlerweile vergleichsweise gut ist, sind erst nach und nach Arbeiten auch für Sprachen wie das Deutsche und Französische sowie – in geringerem Maße – für weitere Sprachen entstanden (vgl. HERRING ET AL. 2013: 4), sodass hier gegenüber dem Englischen noch größerer Nachholbedarf besteht. Nach wie vor gilt: „There is a pressing need for systematic cross-linguistic studies that make use of similar methods in similar contexts involving different languages“ (DANET/HERRING 2007: 28). Für einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu möglichen sprach-/kulturspezifischen Ausprägungen soll die Studie anhand des Sprachenpaars Deutsch/Italienisch durchgeführt werden.
Die Wahl der Sprachkombination beruht dabei auf mehreren Erwägungen: Es soll ein deutschsprachiges Korpus erstellt und neben der umfangreichen englischsprachigen Forschungsliteratur auch speziell die zum Deutschen ausgeprägt gute Forschungslage für CvK genutzt werden. Da für Beschwerden in diesen beiden Sprachen zwar einige Einzelstudien, aber bislang keine vergleichenden linguistischen Untersuchungen vorliegen, geht diese Arbeit nur von einzelnen zu überprüfenden Hypothesen aus, verfolgt aber im Wesentlichen einen Bottom-up-Ansatz. Unterschiedliche Kulturstandards im deutsch-italienischen Vergleich – wie ein höherer Direktheitsgrad im Deutschen, stärker ausgeprägte Emotionalität im Italienischen –, die in der Literatur auch im Hinblick auf potenzielle interkulturelle Missverständnisse beschrieben wurden (u. a. KAUNZNER 2009), sowie die verbreitete Einordnung des Italienischen als tendenziell stärker auf positive politeness hin orientiert führen zu der Frage, ob sich Unterschiede auch im Beschwerdeverhalten in beiden Korpora zeigen. Erkenntnisse zum kulturell determinierten Beschwerdeverhalten von Kunden sind bereits Teil von Handbüchern zum Beschwerdemanagement (STAUSS/SEIDEL 2014: 565 ff.) und von Einzelstudien. Ein Ziel dieser exemplarischen Studie wird es also sein, mögliche einzelsprachliche Konventionen herauszuarbeiten, die sich für das Deutsche und das Italienische ausgebildet haben.
Mit ihrem Untersuchungsgegenstand ordnet sich die vorliegende Studie in den Bereich der Sprachverwendung im Internet bzw. in CvK ein, in dem pragmatische Forschungen erst in jüngerer Zeit an Raum gewonnen haben. Eine erhebliche Forschungslücke lässt sich weiterhin für Web-2.0-Phänomene wie Wikis, Microblogging und soziale Netzwerke konstatieren (HERRING ET AL. 2013: 5): Angesichts der schnellen Entwicklungen in der Online-Kommunikation – und gerade im Web 2.0 – sind zahlreiche Textsorten, Sprechakte und Diskurse aus sprachwissenschaftlicher Sicht noch nicht hinreichend untersucht worden. Darunter fallen auch Beschwerden, deren exemplarische Analyse Gegenstand der vorliegenden Studie ist.

1.2 Forschungsfragen und Aufbau der Arbeit

Das oben stehende Beispiel hat die wesentlichen Untersuchungsgegenstände dieser Arbeit bereits illustriert:
  • inhaltliche Strukturen (moves) der untersuchten Online-Beschwerden
  • Mittel interner und externer Modifikation
  • Referenzen der Beschwerdeführer1 auf das Unternehmen, andere und sich selbst
  • Strategien der Selbstdarstellung
Die theoretischen Grundlagen der Arbeit werden in einem Forschungsüberblick gelegt: zunächst zu (Im)politeness-Theorien, anschließend zur sprachwissenschaftlichen Beschwerdeforschung. Diese Reihenfolge ist darin begründet, dass die Beschwerdeforschung immer wieder Bezug auf (Im)politeness-Modelle genommen hat; die vorangehende Verortung dieser Modelle bietet daher eine gute Basis für das Verständnis der Beschwerdeforschung.
In Abschnitt 2 werden also (Im)politeness-Theorien vorgestellt, zu deren Diskussion die Ergebnisse dieser Arbeit einen Beitrag leisten sollen, neben der klassischen von BROWN/LEVINSON ([1978]1987) insbesondere drei postmoderne: relational work (u. a. LOCHER/WATTS 2005), rapport management (u. a. SPENCER-OATEY 2000a, b) und der genre approach (u. a. GARCÉS-CONEJOS BLITVICH 2012). Abschnitt 3 enthält einen Überblick über die sprachwissenschaftliche Beschwerdeforschung. Er zeigt die Vielfalt an existierenden Studien und welchen Einfluss Kommunikationssituation und Teilnehmerkonstellation auf die Ausgestaltung der Beschwerden haben können. Diese Studien bilden die Basis für die Analysekategorien, die ich für den empirischen Teil entwickelt habe; gleichzeitig werden die Ergebnisse dieser Arbeit vor ihrem Hintergrund diskutiert werden. In Abschnitt 4 werden Kommunikationssituation und Teilnehmerkonstellation der hier untersuchten Beschwerden im Detail erörtert. Dazu gehören auch die Besonderheiten von CvK: technologische Einflussfaktoren, z.B. der Post als Nachrichtenformat, Asynchronizität, die Möglichkeit zur Veröffentlichung von Links oder Bildern, ebenso wie soziale Einflussfaktoren, z.B. die öffentliche Zugänglichkeit der Posts, ihr Thema und in der Netiquette verankerte Normen (HERRING 2007).
Abschnitt 5 leitet zum empirischen Teil der Arbeit über: Er beschreibt zum einen die Erstellung des Korpus aus Kundenbeschwerden, das der quantitativen Auswertung zugrunde liegt; zum anderen werden Forschungsfragen und Methoden vorgestellt, wie sie sich aus dem zuvor geschilderten Forschungsdefizit und dem Untersuchungsgegenstand selbst heraus ergeben.
Die Abschnitte 6 bis 8 enthalten die Ergebnisse der empirischen Studie und leisten einen Beitrag zur Beschwerdeforschung. Die Analyse ist dabei sowohl qualitativer wie auch quantitativer Natur. Abschnitt 6 befasst sich mit dem inhaltlichen Aufbau der Beschwerdeposts, den moves. Dazu gehören auch Betrachtungen zur Reihenfolge der einzelnen moves sowie zum Direktheitsgrad der Beschwerde als Ganzes. Abschnitt 7 analysiert Mittel zur internen und externen Modifikation der Beschwerden. Studien haben gezeigt, dass Sprecher – abhängig von Faktoren wie dem Gewicht des Beschwerdegrunds, der Machtverteilung zwischen den Interaktionspartnern, aber auch ihrem sprachlich-kulturellen Hintergrund – verschiedene Verfahren der internen und externen Modifikation ihrer Beschwerden heranziehen. Auch CvK-spezifische Hervorhebungsverfahren werden hier berücksichtigt. In Abschnitt 8 werden Erkenntnisse aus den vorangegangenen Abschnitten sowie weitere Strategien im Hinblick auf die Selbstdarstellung des Beschwerdeführers ausgewertet. Außerdem werden die Referenzen auf Schreiber, Unternehmen und andere Kunden untersucht, um dem Untersuchungskontext Rechnung zu tragen: Denn die Beschwerden werden im öffentlichen Raum geäußert und können auch von Dritten rezipiert werden. Die Ergebnisse aus den Abschnitten 6 bis 8 werden am Ende jedes Abschnitts zusammengetragen und vor dem Hintergrund anderer sprachwissenschaftlicher Studien zu Beschwerden diskutiert. In Abschnitt 9 schließlich fasse ich die wichtigsten Ergebnisse aus dem empirischen Teil zusammen. Erst an dieser Stelle sollen sie vor dem Hintergrund der verschiedenen (Im)politeness-Modelle diskutier...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Danksagung
  6. 1 Einleitung
  7. 2 Forschungsüberblick I: (Im)politeness-Theorien
  8. 3 Forschungsüberblick II: Sprachwissenschaftliche Beschwerdeforschung
  9. 4 Facebook-Beschwerden: Kommunikationssituation und Teilnehmerkonstellation
  10. 5 Korpus und Forschungsfragen
  11. 6 Der Aufbau der Beschwerdeposts: moves
  12. 7 Interne und externe Modifikation: supportive moves, upgraders und downgraders
  13. 8 Selbstdarstellung und Referenzen zwischen privater und öffentlicher Kommunikation
  14. 9 Ergebnisse und Ausblick
  15. Literaturverzeichnis
  16. Fußnoten