Endlich Unendlich
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Und wie alt wollen Sie werden?

  1. 224 Seiten
  2. German
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Endlich Unendlich

Und wie alt wollen Sie werden?

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Über dieses Buch

Die moderne Wissenschaft hat die wichtigsten Zäsuren des menschlichen Alterns entschlüsselt: Führerschein mit 18, Sex mit 20, viel Geld mit 30, viel Geld mit 60, und mit 80 Jahren noch immer einen Führerschein und sehr viel Sex zu haben. So weit, so gut: Aber wollten Sie nicht immer schon wissen, warum wir überhaupt altern und was dabei in unserem Körper vor sich geht? Warum gibt es einerseits Schildkröten, die 170 werden, und andererseits Eintagsfliegen, die Joghurt essen und Joggen können, so viel sie wollen, und doch nicht alt werden? Warum gibt es eigentlich keinen 150-jährigen Menschen, oder ist das nur noch eine Frage der Zeit? Was hat die moderne Biomedizin vielleicht einmal für jene zu bieten, die sich mit ihrer Endlichkeit nicht abfinden wollen? Mit einem dicken Grinsen und einem entspannten Augenzwinkern erzählt Markus Hengstschläger von Stammzellen aus Milchzähnen, bei Schönheitsoperationen abgesaugtem Fett, von einem längeren aber dafür hungrigen Leben, von tierischen Ersatzteillagern für Menschen, warum Sex vielleicht letztendlich ausstirbt und was wir im hohen Alter tun können, damit wir es auch bemerken, wenn es soweit ist. Frei nach dem visionären Motto: Wir sind dem Altern nicht mehr mit Haut und Haaren ausgeliefert, weil schließlich beides im Labor nachwachsen kann.

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Information

Verlag
Ecowin
Jahr
2008
ISBN
9783711050557

Altern – kann man wirklich etwas dagegen tun?

Mit Genen das Alter austricksen?

Was könnte damit gemeint sein? Dass die Lebensdauer genetische Komponenten hat, haben wir bereits detailliert besprochen und etwa mit den unterschiedlichen Lebensspannen verschiedener Tierspezies untermauert. Außerdem haben wir gehört, dass man heute davon ausgeht, dass die individuelle Lebenserwartung nur zu einem gewissen Anteil von den Genen des Menschen abhängt. Sie ist vielleicht nur zu 20 Prozent genetisch determiniert. Andererseits haben wir aber auch davon gesprochen, dass bereits einige Gene des Menschen entdeckt wurden, die hierbei eben vielleicht eine Rolle spielen könnten – HLA-Gene, Insulin-like growth factor 1 receptor (IGF1R), das Gen für den Glukokortikoidrezeptor, die Variante des Apolipoprotein-Gens APO E2 –, und es werden ständig mehr. Es findet aktuell eine Vielzahl großer internationaler wissenschaftlicher Anstrengungen statt, um noch mehr über die eventuell besondere Genetik von 100-Jährigen zu erfahren. Und letztendlich all die Ergebnisse mit den Mutationsstämmen etwa des Fadenwurms oder der Fliege oder auch die Ergebnisse genetischer Studien über die Maus!
Schon klar, wir haben gesagt, dass das alles nicht so einfach auf den Menschen übertragbar ist. Aber rechtfertigen all diese Forschungsergebnisse nicht die Frage, ob man denn nicht auch bereits beim Menschen Mittel und Wege kennt, genetische Veränderungen vorzunehmen? Wie gut funktionieren die? Und selbst wenn das heute eben so noch nicht klappt, kann man sich davon etwas in Zukunft erwarten – gar etwas Lebensverlängerndes?
Wir haben schon von der so eindeutigen Assoziation zwischen Altern, Auftreten von Erkrankungen und Sterberisiko gehört. Aber sind nicht so manche dieser Erkrankungen auch von unseren Genen mitbestimmt? Wäre es nicht wichtig, möglichst viel durch das Lesen in unseren Genen darüber zu erfahren, zu welchen Erkrankungen man besonders neigt? Wäre nicht eine auf mein diesbezügliches genetisches Rüstzeug abgestimmte Lebensweise ein gutes Mittel gegen Altern beziehungsweise eventuell sogar gegen frühzeitiges Sterben? Diese beiden grundlegend verschiedenen Fragen sind gut gestellt. Sehen wir uns einmal mögliche Antworten darauf an.
Die Gene eines Menschen verändern?
Man kann die Gene von Säugetieren verändern – ja. Das muss schließlich auch so sein, weil wir ja bereits gehört haben, dass Mäuse hergestellt werden, bei denen bestimmte Gene ganz spezifisch von außen und durch Menschenhand gentechnologisch verändert wurden. Aber wie geht das? Und funktioniert das auch beim Menschen?
Man unterscheidet bei diesen genetischen Verfahren solche, die nur Körperzellen betreffen, von solchen, die auch die Keimbahn betreffen. Vielleicht einmal das Letztere. Bei den gentechnisch veränderten langlebigen Mäusen war das Erbgut aller Zellen der Maus einschließlich der Keimzellen (Ei- oder Samenzellen) verändert. Das erreicht man, indem man das Gen so früh in den Embryo der Maus einbringt, dass eben schließlich dann (fast) alle Zellen auch betroffen sind, die sich in Folge noch auf dem Weg zur ausgewachsenen Maus entwickeln werden (beziehungsweise man zielt darauf ab, dass das zumindest in den nächsten Mäusegenerationen der Fall ist). Es wird auch die Keimbahn verändert sein.
Das scheint ja noch klar. Aber wie bringt man denn überhaupt ein Gen hinein? Oder wer bringt dieses Gen überhaupt hinein? Im Fall der Mausexperimente gibt es dafür den Ansatz, sehr frühe embryonale Mausstammzellen (was Stammzellen genau sind, darüber sprechen wir noch, ich muss Sie noch einmal, allerdings nur mehr bis zum übernächsten Kapitel, vertrösten) mit dem Gen auszurüsten, indem man über genetische/biochemische Verfahren das Gen in deren Erbgut integriert. Danach werden diese Zellen in den ganz frühen Embryo eingebracht und übernehmen dort wichtige Funktionen, wodurch sie während der Weiterentwicklung bis zur vollständigen Maus oft fast ganz, auf jeden Fall sehr stark das Ruder im Körper des Tieres übernehmen. Und schon hat das so entstandene Tier ein von außen eingebrachtes oder ein von außen verändertes Gen. Genetiker studieren dann an diesem Tier die Auswirkungen dieser genetischen Veränderungen, mit dem Ziel, herauszufinden, was genau für eine Rolle dieses Gen für den Organismus und seine Entwicklung spielt.
Gene im Insulin-Signalübertragungsweg zu beeinflussen, veränderte die Lebenserwartung der Mäuse enorm. Hört sich einfach an – war es aber nie und wird es nie wirklich sein. Dafür muss man embryonale Mausstammzellen erst einmal züchten können, man muss sich sehr gut mit der Embryologie von Säugetieren auskennen, man muss sehr gut in der Genetik Bescheid wissen etc. – schließlich wurden erst im Jahr 2007 die Entwickler dieser Technologie, Professor Mario Capecchi, Professor Oliver Smith und Professor Martin Ewans, mit dem Nobelpreis für Medizin dafür geehrt. Etabliert wurde diese Technologie schon vor geraumer Zeit – der Nobelpreis kam also relativ spät.
Solche Ansätze, die auch die Keimbahn betreffen, beim Menschen zur Anwendung zu bringen, werden allerdings heute aus vielen guten Gründen international abgelehnt. Es besteht breiter Konsens darüber, dass diese Verfahren ein hervorragendes Mittel sind, Grundlagenwissenschaft etwa an der Maus zu betreiben. Ihrer Anwendung am Menschen stehen aber noch (vielleicht auch für immer) viele ungelöste Probleme im Weg. Man könnte wahrscheinlich niemals vollständig die genauen Auswirkungen solcher Eingriffe auf das einzelne Menschenleben voraussagen. Ergebnisse von anderen Säugetieren zu übertragen, ist nur bedingt möglich. Zusätzlich ist die dabei gewollte Integration des Gens, das von Interesse ist, in das Erbgut des Organismus auch immer mit dem Risiko verbunden, dass dabei ein anderes Gen oder sogar mehrere wichtige Gene ge- oder zerstört werden. Es ist schon jedes Mal ethisch gut zu begründen, wenn man solche Experimente an Tieren durchführen möchte. Am Menschen sind Eingriffe in das Erbgut eines gesamten Individuums, ohne präzise vorhersagen zu können, was genau passieren wird, abzulehnen. So wird das international heute gesehen.
Die Idee dahinter wäre Ihnen aber auch im Zusammenhang mit dem Altern klar? Findet man heraus, dass eine bestimmte Variante eines Gens (jeder hat alle Gene, aber jeder hat individuelle Varianten davon) mit Langlebigkeit assoziiert ist, so könnte das Ziel sein, den Menschen schon in seiner Embryonalphase (eben ähnlich wie bei der Maus) damit auszustatten. Selbst aber wenn diese Technik einmal so grundsätzlich weiterentwickelt werden könnte, dass alle technischen Probleme ausgeräumt wären, ergäben sich durch solche Keimbahntherapien am Menschen immer noch viele ethische Probleme. Wer bestimmt über den noch ungeborenen Embryo in seiner frühesten Phase, was er einmal alles an genetischen Veränderungen tragen soll? Was würde man überhaupt erlauben, zu verändern?
Wir reden hier vom Altern. Was noch ist von Genen mitbestimmt und wäre dadurch beeinflussbar? Warum spreche ich hier nur von beeinflussbar und nicht von bestimmbar? Weil der Mensch ohnedies nicht auf seine Gene reduziert werden kann und darf. Wir sind nun einmal – und so wird es immer bleiben – ein Produkt des Wechselspiels aus Genetik und Umwelt. Und über die Umwelt von morgen wissen wir heute auch nichts. Ich halte es sogar für äußerst wahrscheinlich, dass Genvarianten, die heute für Langlebigkeit förderlich sind, in einer zukünftigen, sich verändernden Umwelt sogar von Nachteil für eine hohe Lebenserwartung sein könnten. Genvarianten, die unter den einen Umwelteinflüssen das Altern verlangsamen, sind vielleicht in der Lage, unter anderen Umwelteinflüssen das Altern sogar zu beschleunigen. Geben Sie mir schon recht?
Gerade da wir in diesem Buch schon so ausführlich darüber gesprochen haben, dass unsere Lebenserwartung so enorm von Umweltfaktoren, wie etwa Rauchen, Alkohol, Ernährung, körperliche Ertüchtigung etc. abhängt, muss uns klar sein, dass jede genetische Variation eben auch nur im Wechselspiel mit der richtigen Umwelt solche oder sonst eventuell sogar entgegengesetzte Auswirkungen haben kann. Konkret meine ich, dass es sein könnte, man käme auf die Idee, Menschen mit bestimmten Genvarianten auszustatten, weil die genetischen Untersuchungen an Tiermodellen so überzeugend waren. All diese Menschen werden dann aber an verschiedenen Stellen unseres Planeten leben – nicht im gleichen Klima, mit anderen Ernährungs- und Lebensgewohnheiten. Geben Sie mir jetzt recht?
Ich lege sogar noch nach. Ein genetischer Keimbahneingriff beim Menschen würde nicht nur diese eine Person, sondern auch alle ihre Nachkommen betreffen, weil er schließlich ja auch die Keimzellen betreffen und daher auf alle kommenden Generationen vererbt würde. (Es wäre grundsätzlich auch möglich, solche Eingriffe so vorzunehmen, dass sie zwar den einzelnen gesamten Organismus betreffen und trotzdem nicht an die nächste Generation weitergegeben würden.) Ziehen wir ein Resümee: Genetische Keimbahneingriffe am Menschen – aus heutiger Sicht ein klares Nein, und was man in Zukunft damit machen wollte, wenn alle technischen Probleme wirklich einmal behoben wären, müsste man sich trotzdem mehr als gut überlegen.
Teile des Körpers genetisch verändern?
Vielleicht etwas anders wäre die Sache gelegen, würde man den genetischen Eingriff auf jene Gewebe, Organe, Körperteile beschränken, die uns auf dem Weg zu einem gesunden, vitalen und fitten Altern Probleme machen (können). Was meine ich jetzt wieder damit?
Erinnern Sie sich noch an meine „zellbiologischen“, „genetischen“ und/oder „biochemischen“ Fußballkollegen? Erinnern Sie sich noch an deren äußerst brutale und jeden Charme und jedes Mitgefühl vermissen lassende Analyse meiner alternden Fußballleistungen? Aus ihrem aus meiner Sicht äußerst subjektiven Blickwinkel habe ich meinen spritzigen Antritt verloren, weil meine Muskeln bereits anfangen, zu degenerieren. (Sie haben an dieser Stelle sogar eingeworfen, dass meine Muskeln zwischen dem 30. und 70. Lebensjahr um ein Viertel degenerieren! Was soll das? Ist das nett?)
Meine Gelenke versteifen angeblich bereits langsam, weil meine Knorpelzellen verschleißen, was mittlerweile dazu führt, dass ich ständig vergeblich versuche einen Kopfball zu erhaschen, ähnlich aussichtslos wie die Ameise im Kampf gegen den Elefanten. (Ein Elefant steigt in einen Ameisenhaufen. Völlig erbost klettert die kleine Ameise Markus daraufhin den Hals des Elefanten hinauf, angetrieben von den unterstützenden Zurufen der Kollegen: „Markus – würge ihn!“) Ich falle angeblich deshalb immer so ungeschickt, weil ich auch Angst davor habe, dass meine mürbe gewordenen Knochen mein Gewicht nicht mehr aushalten (mit „Feder im Wind“ haben sie doch mein Körpergewicht gemeint, oder haben Sie das irgendwie anders verstanden?). Meine Reflexe sind nicht mehr die alten, weil angeblich so manche meiner Nervenzellen bereits das Zeitliche gesegnet haben, aus elf Metern Entfernung treffe ich das Tor nicht mehr, weil meine Sehkraft nachgelassen hat, und den Schiedsrichterpfiff höre ich angeblich auch nicht mehr. Alles Unterstellungen! Und doch: Von der wissenschaftlichen Meinung dieser meiner Kollegen halte ich viel mehr als von ihren Fußballkünsten.
Es ist also vielleicht etwas dran an dieser Verschleißanalyse meines Körpers. Schön, aber wie könnten mir (wenn ich das wollte, und seien Sie versichert, ich will nicht) genetische Eingriffe bei diesen fußballtechnischen Problemen, die durch das Altern eingetreten sind, helfen? Zwei Fragen muss man sich in diesem Zusammenhang stellen: 1.) Wie würde man denn Gene in meinen Körper (und sogar noch an die richtige Stelle) bringen, die mir da helfen könnten? 2.) Gibt es schon Gene, die da von Interesse sein könnten?
Um das erste Problem zu lösen, benutzt man einen auf den ersten Blick simplen, bei genauerem Hinsehen aber doch recht komplizierten Trick. Man sagt einem Virus, es soll diese Arbeit übernehmen – es soll ein Gen, natürlich nicht irgendein Gen, sondern DAS Gen, nehmen und in meine Körperzellen einbringen. Viren tun das eigentlich immer (nur für wen ist das üblicherweise von irgendeiner Hilfe?). Sie infizieren Zellen des Körpers. So lösen sie Schnupfen aus, oder Fieberblasen (Herpes), oder … Ja, aber halt, das will ich alles eigentlich gar nicht! Also müssen diese Viren zuerst verändert werden, damit sie eben keinen Schnupfen, keine Fieberblasen und auch sonst nichts mehr in meinem Körper auslösen. Das kann man. Das macht man gentechnologisch an den Labortischen dieser Welt schon mit lang entwickelter Routine.
Das hilft mir aber noch nicht beim Fußballspielen. Dafür müsste man diesem Virus zuerst noch das Gen, von dem man eventuell Hilfe erwarten kann, mitgeben. Auch das kann man. Und auch das macht man gentechnologisch an den Labortischen dieser Welt schon mit lang entwickelter Routine. Das Virus ist am Ende also so verändert, dass einerseits eigene genetische Anlagen so beeinflusst wurden, dass es eben keinen Schnupfen, keine Fieberblasen mehr auslöst, und dass es andererseits ein Gen des Menschen in einer Variante trägt, von der man erhofft, dass es mit dem Altern verbundene Verschleißerscheinungen hemmen kann.
Welche Gene, welche Varianten davon sollte mir das Virus denn wo in meinem Körper hinbringen? In der Tat gibt es dafür wirklich viele Möglichkeiten. Sie werden es nicht glauben – es gibt sogar so viele solcher möglichen Ansätze, dass es gänzlich aussichtslos wäre, würde man eine Übersicht darüber geben wollen. Ich muss ein Beispiel wählen, um Ihnen klarzumachen, was da möglich wäre. Fangen wir einfach bei dem ersten Kritikpunkt meiner „Fußballfreunde“ an. Mein Antritt ist also nicht mehr spritzig (so, so). Meine Muskeln haben bereits begonnen, zu degenerieren, und sie werden das bis zu meinem siebzigsten Lebensjahr sogar insgesamt um ein Viertel tun.
Also gut, gibt es Gene, von denen wir wissen, dass sie im Muskelabbau (ob nun altersbedingt oder ganz allgemein) beteiligt sind? Ja! Der Wachstumsfaktor Myostatin lenkt etwa den Muskelabbau. Immer wenn die Konzentration dieses Wachstumsfaktors hoch ist, gibt es wenig Muskelmasse. Bei Mäusen, bei denen das Gen dafür durch die oben bereits beschriebene Technologie kaputt gemacht wurde, tritt ein äußerst starkes Muskelwachstum auf. Es gibt Rinderrassen, die bestimmte Mutationen im Myostatin-Gen haben und deshalb aussehen wie der Bizeps dieses kleinen Matrosen Popeye, unmittelbar nachdem er Spinat (oft erstaunlicherweise über seine Pfeife) zu sich genommen hat. Bloß dass diese Rinder am ganzen Körper so aussehen. Beruhigen Sie sich, ich rede ja nicht von einem Keimbahneingriff bei mir – das hatten wir ja schon abgelehnt. Ich rede davon, dass es mir vielleicht helfen könnte, durch „eine gezielte virale Infektion“ in bestimmten meiner Muskeln die Myostatinfunktion zu hemmen – ein Gegenspieler also.
Sie fragen sich, warum ich es mir nicht viel einfacher mache und so wie Popeye auch Spinat esse? Nun, die Frage, ob und wie sehr Spinat gesund ist, hat ja offensichtlich ganz allgemein auch etwas mit dem Alter zu tun, aber mehr in dem Sinn, dass es augenscheinlich vom Alter abhängt, ob man daran glaubt oder nicht. Die Eltern glauben es, Kleinkinder meist nicht. Spaß beiseite. Eine ganz aktuelle Studie von Forschern aus den USA hat kürzlich eine genaue Analyse von Spinat vorgenommen. Dieses Zerlegen des Spinats in seine Bestandteile brachte ein darin beinhaltetes Pflanzenhormon zutage, das chemisch den menschlichen Steroiden stark ähnelt. Spinat soll nach den Ergebnissen dieser Untersuchungen sogar bis zu einem gewissen Grad ähnlich wie Anabolika wirken – es lässt die Muskeln wachsen. Die Forscher haben das natürlich weiter untersucht. Diese Spinatsubstanz bringt Muskelzellen in der Kulturschale dazu, sich um 20 Prozent mehr oder schneller zu teilen. Gibt man diese Substanz Ratten ins Futter, so steigert das nachweislich ihre Kraft in den Vorderpfoten – so die Ergebnisse dieser Studie. Sie meinen, Sie haben das schon immer gewusst, aber ich soll einmal bei nächster Gelegenheit mit Ihren Kleinkindern darüber sprechen?
Wäre es denn auch möglich, eine große Menge eines Gens, das den Muskelaufbau fördert, in meine Muskeln einzubringen? So könnte ich doch meiner Muskeldegeneration entgegenwirken. Was käme denn da in Frage? Es ist noch gar nicht so lange her, dass Genetiker in Großbritannien den Faktor identifiziert haben, der Muskelzellen wachsen lässt, wenn man Muskeltraining betreibt. Mechano Growth Factor ist sein Name, und in die Beinmuskulatur etwa von Mäusen eingebracht, bewirkt das entsprechende Gen, dass die Muskulatur um 25 Prozent anwächst! Jetzt muss ich mich eigentlich nur noch fragen, in welche meiner Muskeln Viren dieses Gen bei mir einbringen sollen, damit ich beim nächsten „Kickerl“ meine „Freunde“ überraschen kann? Warum nicht?
Und schon wieder möchte ich Ihnen eine ganze Reihe von Gründen nennen, die klar dagegen sprechen. Erstens weiß man noch nicht, wie man gewährleisten soll, dass letztendlich nicht zu wenig oder (vielleicht sogar noch schlimmer) zu viel davon in meinen Muskelzellen auftaucht. Es ist noch kaum möglich, die Menge oder aber auch die Dauer der eingebrachten Genaktivität nach der Virusinfektion zu steuern. Man kann noch nicht effizient verhindern, dass nicht zusätzlich andere Zellen (Zellen, die nicht zu meinen Muskeln gehören) auch vom Virus infiziert werden. Sie erinnern sich, dass wir gesagt haben, dass jeder Zelltyp unseres Körpers nur ganz bestimmte Gene der insgesamt vielleicht etwa 30.000 Gene des Menschen aktiviert, benutzt. Was also, wenn plötzlich Zellen in meinem Körper Mechano Growth Factor haben, die ihn wirklich nie und nimmer haben sollten? Mit welchen Nebenwirkungen hätte ich zu rechnen? Ich glaube, man müsste auch mit dem Schlimmsten – etwa der Entstehung von Tumoren – rechnen. Sie sehen also, ich würde nicht wissen, ob und wie lange es überhaupt hilft, und hätte mit fatalen Nebenwirkungen zu rechnen. Das ist der aktuelle Stand der Wissenschaft.
Solche gentherapeutische Ansätze (man spricht auch von somatischer Gentherapie, weil hier im Gegensatz zu den oben besprochenen Keimbahneingriffen nur Körperzellen betroffen sind) als Therapie bei bestimmten genetischen Erkrankungen des Menschen haben in jüngster Vergangenheit schwere Rückschläge erlebt. Das klappt alles noch nicht so wie es soll, und die Nebenwirkungen scheinen nicht im Griff. Und trotzdem, gerade im Zusammenhang mit bestimmten genetischen Erkrankungen setzt die Wissenschaft sehr große Hoffnungen auf diese Technologie. Es ist noch viel Forschungsarbeit und Weiterentwicklung notwendig, aber es erscheint auf keinen Fall aus heutiger Sicht unrealistisch zu sein, dass wir uns gerade auf eine Epoche zu bewegen, wo dieser Ansatz einen enorm wichtigen und erfolgreichen Teil des therapeutischen Spektrums in der Humanmedizin darstellen wird. Ich denke, dass auch durchaus absehbar ist, dass bei der Anwendung somatischer Gentherapie im Kampf gegen genetische Erkrankungen die ethischen Pros gegenüber den Kontras am Ende überwiegen werden.
Nicht unbedingt so sehe ich das in unserem Zusammenhang. Ein Zukunftsszenario, einmal angenommen und alles klappt, es ist bereits perfekt überprüfte und weit angewandte Routine ohne irgendwelche Nebenwirkungen, was würden denn meine Fußballkollegen dazu sagen, wenn ich mich genetisch gedopt hätte? Was würde man im Sport, aber auch im Alltag befürworten, was würde man absolut ablehnen? Wie weit würden wir diese Technologie in unseren täglichen Alltag Einzug finden lassen? Wer würde sagen, was erlaubt und was verboten sein sollte? Wie weit würde das, wenn auch nur für eine Generation, da ja eine Vererbung bei diesen somatischen Eingriffen grundsätzlich einmal nicht vorgesehen ist, den Menschen verändern? Wie weit wollen wir das bei uns selbst, und wie weit würden wir das bei anderen akzeptieren? Es ergeben sich noch unzählige zusätzliche Fragen daraus, und schon schieße ich den Fußball wieder ganz beruhigt neben das Tor, erwische ich schon wieder den Kopfball nicht.
Aus den Genen lesen
Wir haben im ersten Teil dieses Buches darüber gesprochen, dass die Auftretungswahrscheinlichkeit von vielen Erkrankungen mit dem Alter stark zunimmt. Die meisten der Erkrankungen, die wir in diesem Zusammenhang durchgenommen haben, werden ganz wesentlich von Umweltfaktoren bestimmt. Gleichzeitig gilt aber für die meisten dieser Erkrankungen, dass genetische Komponenten, die man bereits von Geburt an mit sich trägt, auch von Relevanz sind. Dies gilt etwa für viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen genauso wie für so manche Krebserkrankungen (die ja auch die häufigsten Todesursachen im mittleren Alter sind), das gilt für Erkrankungen der Atemwege wie auch für manche Augenerkrankungen, um nur einige Beispiele zu nennen. Viel ist über den Zusammenhang zwischen genetischen Anlagen und dem Auftreten bestimmter Erkrankungen im Alter schon bekannt, noch viel mehr werden wir bald wissen.
Wenn man darüber aber aus wissenschaftlicher Sicht Bescheid weiß, sollte man nicht darüber nachdenken, bereits bei jungen Menschen entsprechende genetische Untersuchungen durchzuführen, um sie optimal über spezifische, individuelle, eventuell gegenüber der Normalbevölkerung erhöhte Wahrscheinlichkeiten aufklären zu können? Ande...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort des Nobelpreisträgers Sir Tim Hunt
  6. Ein Überblick
  7. Wenn ich beginne, über das Altern nachzudenken – meine ganz persönliche Einleitung
  8. Altern – was passiert dabei?
  9. Altern – wozu?
  10. Altern – kann man wirklich etwas dagegen tun?
  11. Literatur
  12. Matters of Life and Death