TEIL B
»Überzeugen, wenn es darauf ankommt«
Interview und Vortrag, Podiumsdiskussion und Videokonferenz
Wie Führungskräfte ihre Executive Presence sichtbar und hörbar machen
KAPITEL 3
Klare Struktur und verständliche Botschaften
Wir sind – als Zuhörer in Vorträgen, Reden und Präsentationen – große Freunde einer erkennbaren Struktur. Diese sollte jedoch nichts mit trister Dramaturgie nach Schema F zu tun haben, im Gegenteil. Spannend wird es meistens ja erst dann, wenn es Sprünge und Brüche gibt, kreative Ausreißer in alle Richtungen. Aber als Zuhörer sehnen wir uns trotzdem nach Orientierung, nach einem roten Faden, an dem wir uns entlanghangeln können. Der kreative Seitenpfad sollte entsprechend hörbar, logisch und nachvollziehbar sein, sonst versinkt alles schnell im Durcheinander.
Vielleicht liegt es an unseren Wurzeln als Radiojournalisten, dass uns folgender Gedanke so wichtig ist: Du sollst dein Publikum abholen aus seiner Stimmung, es mitnehmen und begleiten auf der Reise durch deinen Text. Wenn dein Zuhörer nicht auf Ohren-Höhe mit dir ist, dann hast du ihn verloren. Er schaltet um oder ab. Was besonders ärgerlich ist, wenn er dadurch ausgerechnet in diesem Moment deine wichtigste Botschaft verpasst.
3.1 Sprache für die Ohren: Ihre Präsentation als Magazinlayout
Erinnern Sie sich an Ihren letzten Kongresstag? Wie haben Sie die Beiträge erlebt? Leider wirken viele öffentliche Reden und Vorträge wie mehr oder weniger lieblos aneinandergereihte Inhalte. Stellen Sie sich vor, sie sähen diese Inhalte niedergeschrieben auf einem Blatt Papier oder auf Ihrem Tablet vor sich. Das wäre vermutlich ein langer Fließtext, Schriftgröße Arial 10, ohne Absätze, ohne Headlines. Ohne Bilder und Grafiken. Keine Tabellen, keine Fußnoten. Ein Satz folgt auf den nächsten. Auf den nächsten. Auf den nächsten. Und so weiter.
Dabei mag durchaus eine Struktur vorhanden sein. Hier ein Beispiel: Das Ganze beginnt mit einem 30-sekündigen Intro als persönliche Vorstellung, gefolgt von Dankesworten an die Gastgeber und einem Überblick über die Agenda des Tages. Weiter geht es mit einer These über die zu erreichenden Ziele, es folgen organisatorische Hinweise, die Überleitung zum nächsten Programmpunkt und so weiter. Okay, nicht unbedingt mitreißend und spannend diese Struktur, aber immerhin gibt es sie. Alles ist eigentlich da. Doch das reicht nicht – nicht, wenn Sie diese Struktur auch hörbar machen wollen, so wie sie in einem geschriebenen Text sichtbar wäre. Nur wenige Leser akzeptieren ohne Murren einen durchlaufenden Fließtext ohne jeden Absatz. Warum erwarten wir es von den Zuhörern im Saal?
Übung: Wie Sie Ihrem Vortrag eine Struktur geben
Verstehen Sie Ihren gesprochenen Text als Layout. Nehmen Sie einen Ihrer letzten Vorträge zur Hand und gestalten Sie ihn optisch so, wie Sie einen Artikel in einem Magazin gestalten würden. Wichtig dabei: Denken Sie nicht ausschließlich inhaltlich – im Sinne von »Zuerst der Inhalt von Folie 1, dann von Folie 2« –, sondern eher in einzelnen Blöcken, die Sie dem Publikum sichtbar = hörbar machen wollen:
Ein Einstieg – eine Anekdote – die zentrale These – ein illustrierendes Bild – eine Fußnote – zurück zur These – ein Ausblick – der Ausstieg.
Nutzen Sie dabei die gestalterischen Möglichkeiten, die Sie bei einem Printartikel auch hätten:
Mit einer fetten Headline.
Mit einem hervorgehobenen Text, der Lust auf den Rest Ihres Vortrages macht.
Mit einem emotionalen Bild , um Ihrer These ein Gesicht zu geben. Mit einem in kursiver Schrift angeführten Zitat.
Mit unterstrichenen Schlagworten.
Mit einem grafisch gestalteten Kasten, der Hintergrundinformationen liefert.
Mit einer leeren Fläche, die so wichtig bei der Gestaltung ist,
weil sie dem Auge Ruhe verschafft.
Und dem Betrachter ein wenig Zeit, über das Gelesene nachzudenken.
Der Leser hat einen Anspruch auf gut gestaltete Inhalte und Ihr Zuhörer erst recht. Es ist Ihre Aufgabe als Rednerin oder Redner, die sichtbaren grafischen Elemente eines Magazinartikels für Ihre Zuhörer hörbar zu machen, wenn Sie vor ihnen auf der Bühne stehen. Anders gesagt: Es gilt, den endlosen Fließtext einer Präsentation aufzulösen.
Die Zuhörer müssen wissen, wo sie sich befinden. Und Sie als Rednerin oder Redner ebenfalls.
Durch klar vernehmbare Punkte, die das Ende eines Gedankens definieren, oder auch das Ende einer zentralen Botschaft. Durch entschiedene Pausen und Absätze, die Zeit zum Nachdenken und Verstehen geben. Durch stimmliche Variationen (schnell / langsam, laut / leise u. a.) als Äquivalente zu Fettdruck und Kursivschrift im Printtext. Durch Bilder in Ihrer Sprache, so wie es Bilder zum Text gibt. Durch kurze Geschichten, die eine Storyline haben und in sich schlüssig sind. Durch Ankerpunkte, die immer wieder auftauchen …
Warum das so wichtig ist? Weil Sie damit dem Publikum Orientierung geben. Die Zuhörer müssen wissen, wo sie sich befinden. Und Sie als Rednerin oder Redner ebenfalls. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Sie sich in Ihren eigenen Inhalten verlaufen.
Nutzen Sie die gestalterischen Möglichkeiten, Ihrer gesprochenen Präsentation ein Layout zu geben
Formulieren Sie deutliche Headlines zu den einzelnen thematischen Blöcken. (»Unser Ziel: Sauberes Wasser für drei Millionen Menschen!«) Setzen Sie klar vernehmbare akustische Absätze zwischen den Blöcken. (Falls Sie mit Stichwortkarten arbeiten: Der Moment zwischen zwei Blöcken ist gut geeignet, um zur nächsten Karte überzugehen.) Gönnen Sie sich (und dem Publikum) zwischendurch immer wieder kurze Pausen. Ihre Zuhörer brauchen die Zeit, gerade um zentrale Botschaften als solche zu erkennen. Unterbrechen Sie Ihre Rede (auch zur Auflockerung) mit kurzen Zitaten. Integrieren Sie kurze, in sich geschlossene Geschichten und illustrieren Sie Ihre Gedanken mit griffigen und verständlichen Bildern. Ankerpunkte entlang der Storyline helfen, einen roten Faden zu sehen; das können Beispiele sein, die Sie immer wieder aufgreifen. Nutzen Sie Ihre Stimme. Stimmliche Variationen (quasi ein Äquivalent zu Fettdruck oder kursiv) sind ein starkes Mittel, zwischen wichtig und weniger wichtig zu trennen, aber auch, um dem Zuhörer Orientierung zu verschaffen. Interaktion mit dem Publikum ist ein spannendes Stilmittel. Es hilft Ihnen dabei, den Fließtext aufzulösen und Inseln der Erholung in Ihren Vortrag zu bringen. Zu all diesen Punkten finden Sie in diesem Buch viele Anregungen.
Und so viel vorab: Das alles ist weniger komplex, als es sich liest. Oft ist schon eine Menge gewonnen, wenn es klar hörbare Absätze gibt und der Redner nicht nahtlos von seinen »BegrüßungswortenüberdenDankandieGastgeberüberdenÜberblickseinesVortragsthemasundseinewichtigstenThesenzumzentralenUntersuchungsgegenstandbiszumgroßenFinaleplusAbschlusswortenmitÜberleitungzumnächstenRedner« hastet.
Wir erzählten einer Klientin von einer Wanderung durch die schottischen Highlands und von den vielen kleinen Steinhäufchen als Markierungen, die so unscheinbar aufgetürmt waren, dass man sie erst entdeckte, wenn man direkt davor stand. Orientierung? Fehlanzeige. »Dann doch lieber die weithin sichtbaren Stecken, wenn ich von Amrum nach Föhr laufe«, sagte sie. Sie könne immer von einem Stecken bis zum nächsten schauen, und dann wieder zum nächsten. Genau so funktioniert Orientierung. Es gilt, die Stecken im Schlick zu setzen – auch in Ihrem Vortrag.
Struktur in der Präsentation und sichtbare Executive Presence
Leser haben es einfacher als Zuhörer. Sie können zurückblättern, eine Passage mehrfach lesen, Verschnaufpausen einlegen, wenn ihnen danach ist, das Lesetempo individuell bestimmen, genau wie die Intensität. Zusätzlich haben sie die Struktur sichtbar vor Augen: Absätze, Headlines, Bilder, Grafiken, Punkte und Pausen.
Wenn Sie ohne erkennbare Struktur eine Agenda abarbeiten, bleiben Sie auch in Tonalität und Körpersprache im endlosen Fließtext gefangen.
Der Zuhörer hat dies alles nicht vor Augen. Umso mehr muss er sinnlich und inhaltlich mitgenommen werden auf die Reise durch Ihren Vortrag. Wer über einen Zusammenhang nachdenken muss, dafür aber keine Zeit bekommt, weil der Redner den notwendigen Absatz nicht gesetzt hat, ist verloren. Wenn keine Zeit bleibt, über einen Witz zu lachen, macht der Witz keinen Sinn. Für einen Leser ist es kein Problem, ein sprachliches Bild zu betrachten oder eigene zu kreieren – die Sekunden kann er sich nehmen, bevor er weiterliest. Wenn ich als Rednerin oder Redner ein Bild zum Besten gebe, ohne es vor den Augen (besser: den Ohren) des Publikums entstehen und wirken zu lassen, dann hätte ich mir die Mühe auch sparen können.
Struktur ist wichtig für beide Seiten. Das Publikum kann Ihnen folgen und erkennt wichtige Botschaften. Sie haben einen roten Faden, der Ihnen die nötige Sicherheit gibt: die Grundlage sichtbarer Präsenz. Wenn Sie ohne erkennbare Struktur eine Agenda abarbeiten, bleiben Sie auch in Tonalität und Körpersprache im endlosen Fließtext gefangen. Setzen Sie dagegen Akzente, gleicht Ihr Auftritt in der Wahrnehmung des Publikums eher einem klaren Layout mit starken Inhalten. Darum ist Struktur so wichtig, für das Publikum und für Ihre Präsenz.
Wie Sie Ihre Struktur finden? Indem Sie zum Beispiel mit dem Einstieg beginnen
Der erste Gedanke hierzu: Es gibt keinerlei Verpflichtung zur strikten Chronologie. Wenn sich eine Bewerberin bei Ihnen im Unternehmen vorstellt, wollen Sie ihre Vita auch nicht von der Einschulung bis zum heutigen Tag hören. Sie wollen wissen, ob sie jetzt passt, ob sie Ihnen und dem Unternehmen jetzt und zukünftig weiterhelfen kann. Berichten Sie einem Freund von Ihrem zweiwöchigen Urlaub, werden Sie nicht mit dem Kofferpacken beginnen, dann mit der Fahrt zum Flughafen fortfahren, dem Check-in und so weiter. Sie werden viel eher mit einem Highlight starten: »Du glaubst nicht, was mir am vorletzten Tag passiert ist!«
Zwe...