Emile Zola: Nana - Roman
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Emile Zola: Nana - Roman

Nana gehört zu dem Großwerk der "Rougon-Macquart", die Zola als "Natur- und Sozialgeschichte einer Familie im Zweiten Kaiserreich" - bezeichnet

  1. 736 Seiten
  2. German
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Emile Zola: Nana - Roman

Nana gehört zu dem Großwerk der "Rougon-Macquart", die Zola als "Natur- und Sozialgeschichte einer Familie im Zweiten Kaiserreich" - bezeichnet

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Dieses eBook: "Emile Zola: Nana - Roman (Vollständige deutsche Ausgabe)" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen.Nana ist ein 1880 vom französischen Naturalisten Émile Zola verfasster Roman. Er gehört als neunter Titel zu dem mehrteiligen Großwerk der "Rougon-Macquart", die er als "histoire naturelle et sociale d'une famille sous le Second Empire" - Natur- und Sozialgeschichte einer Familie im Zweiten Kaiserreich - bezeichnet.Émile Édouard Charles Antoine Zola (1840 - 1902) war ein französischer Schriftsteller und Journalist. Zola gilt als einer der großen französischen Romanciers des 19. Jahrhunderts und als Leitfigur und Begründer der gesamteuropäischen literarischen Strömung des Naturalismus. Zugleich war er ein sehr aktiver Journalist, der sich auf einer gemäßigt linken Position am politischen Leben beteiligte.

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Information

Verlag
e-artnow
Jahr
2013
ISBN
9788074841996

Dreizehntes Kapitel

Inhaltsverzeichnis

Gegen Ende des September kam Graf Muffat, der am Abend bei Nana dinieren sollte, in der Dämmerung zu ihr, um ihr mitzuteilen, daß er plötzlich Order erhalten habe, nach den Tuilerien zu kommen. Das Haus war noch nicht erleuchtet, man hörte das laute Gelächter des Personals in der Küche; er stieg behutsam die Treppe hinauf, die im tiefsten Dunkel lag. Oben öffnete er geräuschlos die Tür des Salons; ein rosiges Licht breitete sich an der Decke des Zimmers aus, die roten Vorhänge, die schwellenden Diwane, die feinlackierten Möbel, der Überfluß von Stickereien, Bronzen und Porzellangegenständen lagen schon in langsam herniederwallender Finsternis da, die auch in den Nischen den Glanz des Elfenbeins und den Schimmer der Goldverzierung nicht hervortreten ließ. Und hier in dieser Finsternis, in der man nur ein weites, weißes Unterkleid sah, bemerkte er Nana in den Armen Georges'. Ein Leugnen war unmöglich. Seiner Brust entwand sich ein halberstickter Schrei; er blieb wie angewurzelt stehen. Mit einem Satz war Nana aufgesprungen und schob ihn in das Schlafzimmer, um so dem Freunde Zeit zur Flucht zu geben.
»Geh hinein«, murmelte sie, »ich will dir sagen...«
Sie war außer sich über diesen plötzlichen Besuch. Niemals hatte sie in diesem Salon, noch dazu bei offenen Türen, sich so gehen lassen. Nur ein heftiger Streit mit Georges, der aus Eifersucht gegen Philippe wütete, hatte dies vermocht; der arme Zizi weinte so heftig an ihrem Busen, daß sie nicht wußte, wie sie ihn sonst beruhigen sollte, da sie im Grunde viel Mitleid für ihn fühlte. Und gerade, als sie die Dummheit beging, sich so weit zu vergessen, noch dazu mit einem jungen Taugenichts, der ihr nicht einmal mehr Veilchenbuketts bringen konnte – so kurz hielt ihn seine Mutter –, gerade da mußte der Graf kommen und sie überraschen! Schade, nun war es mit den Chancen vorbei! Das hatte sie von ihrer Gutmütigkeit!
Unterdessen war es in dem Zimmer, wohin sie Muffat gedrängt hatte, völlig Nacht geworden. Im Finstern herumtappend, klingelte sie wütend nach einer Lampe. An allem war Julien schuld! Wenn im Salon eine Lampe gestanden hätte, so wäre alles dies nicht vorgekommen. Nur diese dumme Abenddämmerung hatte sie hingerissen.
»Ich bitte dich, mein Mäuschen, sei vernünftig«, sagte sie, als Zoé Licht gebracht hatte.
Der Graf saß auf einem Stuhl, seine Hände ruhten schlaff auf den Knien, und sein ganzer Körper bebte noch. Nicht ein Wort des Zornes kam über seine Lippen. Er zitterte, wie von einem Schreck erfaßt, der ihm das Blut in den Adern erstarren ließ. Dieser stumme Schmerz rührte Nana, und sie versuchte ihn zu trösten.
»Nun ja, ich habe gefehlt... Es ist sehr schlimm, was ich getan habe... Du siehst, ich bereue meine Schuld! Ach, ich bin wirklich sehr betrübt darüber, zumal es dich ärgert... Komm, sei nun artig und verzeihe mir!«
Sie hatte sich ihm zu Füßen geworfen und suchte seine Blicke mit der Miene zärtlicher Unterwerfung zu erhaschen, um zu sehen, ob er ihr ernstlich böse sei; als er sich dann wieder beruhigte und einen langen Seufzer ausstieß, fing sie noch mehr an zu schmeicheln und brachte schließlich im Ton wahrer Güte den Hauptentschuldigungsgrund vor:
»Siehst du, mein Lieber, du mußt mich nur recht verstehen... Ich kann doch meinen armen Freunden eine unschuldige Umarmung nicht verwehren.«
Der Graf ließ sich erweichen und verlangte nur, daß Georges fortgeschickt werde. Aber jetzt waren alle Illusionen in ihm zerstört; er glaubte nicht mehr an die geschworene Treue. Er wußte nun, daß ihn Nana schon am nächsten Tage wieder betrügen werde; nur eine feige Gier, ein Ekel gegenüber dem Leben, das ihm ohne sie nicht denkbar war, ließen ihn noch fernerhin die Qual ihres Besitzes erdulden.
Es war der Wendepunkt ihrer Existenz, und mit verdoppeltem Glanz blendete Nana Paris. Sie erschien immer größer am Horizont des Lasters und dominierte in der Stadt durch die Unverschämtheit, mit der sie ihren Luxus zur Schau trug, durch die Geringschätzung des Geldes, mit der sie in gewissenlosester Weise das Vermögen anderer verschwendete. In ihrem Hause war gleichsam eine Goldschmiede: ihre ewig neuen Wünsche flammten darin auf, und ein leiser Hauch ihrer Lippen verwandelte das Gold in feine Asche, die der Wind zu jeder Stunde zerstreute. Noch nie hatte man eine so rasende Verschwendung beobachtet. Ihr Glanz schien auf einem Abgrund erbaut zu sein, in den sich die Männer mit ihrem Vermögen, ihrem Körper, sogar ihrem Namen stürzten, ohne auch nur die geringste Spur davon zu hinterlassen. Dieses Weib, dessen Geschmack nach Radieschen und Mandeln stand, die sie knabberte, während sie das Fleisch kaum anrührte, zahlte jeden Monat für ihre Tafel Rechnungen in Höhe von fünftausend Franken. In der Dienerstube herrschte sinnlose Vergeudung, man ließ im wilden Übermut die Weinfässer auslaufen, und alle Rechnungen gingen erst durch drei, vier Hände, an denen immer etwas kleben blieb. Victorine und François herrschten unumschränkt in der Küche, luden Leute ein, an die sich noch eine ganze Schar von Vettern und Basen schloß, die außerhalb des Hauses gefüttert wurden. Mitten in dieser allgemeinen Plünderung gelang es der schlauen Zoé, immer den Schein des Rechtes zu wahren, indem sie die Diebstähle vertuschte, um dadurch ihren eigenen Raub um so mehr sichern zu können.
Oben bei Madame ging die Zerstörung noch schneller vor sich: Kleider für zehntausend Franken, zweimal getragen, wurden von Zoé verkauft; Schmucksachen verschwanden, als hätten sie sich zwischen den Schubladen verkrümelt; mit toller Gier wurden alle Neuigkeiten des Tages gekauft; am nächsten Tag lagen sie schon vergessen in den Ecken und wurden auf die Straße gekehrt. Nana konnte nichts sehen, ohne es zu begehren, und mochte es noch so teuer sein; so richtete sie auch beständig unter den Blumen und wertvollen Nippsachen um sich herum Unheil an und war um so glücklicher, je mehr das launenhafte Zerstörungsspiel einer Stunde kostete. Nichts blieb in ihren Händen ganz; sie zerbrach alles, das eine verblich, das andere wurde schmutzig zwischen ihren kleinen, weißen Fingern; eine unbeschreibliche Trümmerstätte bezeichnete ihre Spur.
Endlich kamen noch die großen Ausgaben zu dieser Verschleuderung in kleinen Einzelheiten hinzu: zwanzigtausend Franken bei der Modistin, dreißigtausend bei der Weißnäherin, zwölftausend beim Schuhmacher; ihr Marstall verzehrte fünfzigtausend, und binnen einem halben Jahr hatte sie bei ihrem Schneider eine Rechnung von einhundertzwanzigtausend Franken. Ohne daß sie ihren Haushalt vermehrt hatte, der nach Labordettes Schätzung im Durchschnitt vierhunderttausend Franken kostete, beliefen sich in diesem Jahre ihre Ausgaben auf eine Million. Sie war selbst bestürzt über diesen Betrag, da sie nicht imstande war anzugeben, wohin eine derartige Summe gekommen sei. Die Herren, die sie einen nach dem anderen an sich gelockt hatte, und das Geld, das ihr gleichsam schubkarrenweise zuströmte, reichten nicht hin, den Abgrund auszufüllen, der ihre verschwenderische Haushaltung immer tiefer unterhöhlte.
Indessen ging Nana noch mit einer letzten Laune um. Da sie noch einmal von der Idee geplagt wurde, ihr Zimmer zu restaurieren, glaubte sie jetzt, eine glückliche Wahl getroffen zu haben: ein Zimmer, in dem sich teerosenfarbener Samt mit kleinen Silbertupfen in Form eines Zeltes bis zur Zimmerdecke spannen sollte, mit goldenen Schnüren und einer goldenen Spitze verziert. Das mußte nach ihrer Ansicht reich und zart sein und einen prächtigen Hintergrund zu dem Purpurzauber ihrer Haut bilden. Im übrigen sollte das Zimmer zur Aufnahme eines Bettes dienen, eines Wunderwerks, über das man staunen sollte. Nana dachte an ein Bett, wie es kein zweites gab, einen Thron, einen Altar, zu dem ganz Paris strömen werde, um sie auf ihm in königlicher Nacktheit zu verehren. Es sollte ganz aus getriebenem Gold und Silber bestehen, ähnlich einem großen Schmuck mit goldenen Rosen auf einem silbernen Gitter; am Kopfende selbst sollte eine Amorettengruppe unter Blumenwerk sich lachend herniederneigen. Sie hatte sich an Labordette gewandt, der ihr zwei Goldarbeiter empfahl. Nana war schon mit den Zeichnungen beschäftigt. Das Bett sollte fünfzigtausend Franken kosten, die ihr Muffat als Neujahrsgeschenk hoffentlich spenden würde.
Besonders erstaunt war die junge Frau aber darüber, daß sie trotz dem Geldstrom, dessen Flut ihre Glieder umspülte, doch beständig auf dem trocknen saß. An manchen Tagen war sie in Verzweiflung, wo sie die lächerliche Kleinigkeit von einigen Louisdor hernehmen sollte. Dann mußte sie sich entweder von Zoé etwas vorschießen lassen, oder wenn sie konnte, verschaffte sie sich wohl auch selbst Geld. Allein bevor sie zu diesen letzten Hilfsquellen griff, fühlte sie ihren Freunden auf den Zahn, indem sie mit der anscheinend größten Unbefangenheit den Herren alles bis auf den letzten Sou aus der Tasche lockte. Besonders berücksichtigte sie seit einem Vierteljahr Philippe in dieser liebenswürdigen Weise, so daß er schließlich in solchen kritischen Momenten immer gleich sein Portemonnaie daließ. Bald war sie dreist geworden und hatte von ihm kleine Darlehen von zweihundert oder dreihundert Franken verlangt, niemals mehr, für kleine Läpperschulden; Philippe, der im Juli mit der Verwaltung der Regimentskasse betraut worden war, brachte dann das Geld am nächsten Tage und entschuldigte sich damit, daß er selbst nicht reich sei, denn die gute Mama Hugon behandelte ihre Herren Söhne gegenwärtig mit sonderbarer Strenge. Nach einem Vierteljahr hatten diese kleinen Darlehen schon ungefähr die Höhe von zehntausend Franken erreicht. Der Kapitän ließ hierbei stets sein helles, wohltönendes Lachen vernehmen. Trotzdem magerte er zusehends ab, war bisweilen sehr zerstreut, und ein schmerzlicher Zug umschattete sein Gesicht. Allein ein Blick Nanas verwandelte ihn sofort, und sein ganzes Wesen geriet in eine Art Ekstase. Sie umschmeichelte ihn wie eine Katze, berauschte ihn mit Küssen und bemächtigte sich seiner durch ihre bezaubernde Hingebung. Dadurch fesselte sie ihn immer wieder an sich, wenn sich ihm auch bisweilen Gelegenheit geboten hätte, aus ihren Schlingen zu entkommen.
Als Nana eines Abends bemerkt hatte, daß sie auch Therese heiße und daß ihr Namenstag auf den 15. Oktober falle, schickten ihr alle Herren Geschenke. Kapitän Philippe brachte das seinige selbst, eine vergoldete, altertümliche Konfektschale aus Meißner Porzellan. Er fand Nana allein in ihrem Ankleidezimmer, als sie gerade aus dem Bade stieg; sie war in einen weiten Mantel aus weißem und rotem Flanell gehüllt und eifrig damit beschäftigt, die auf einem Tisch ausgebreiteten Geschenke zu mustern. Sie hatte schon ein Fläschchen aus Bergkristall zerbrochen, als sie es entkorken wollte.
»Oh, du bist reizend!« sagte sie. »Was ist denn das? Zeige einmal... Bist du denn ein Kind, dein bißchen Geld für solche Kleinigkeiten auszugeben?«
Sie schalt ihn, weil er nicht reich war, im Grunde aber war sie zufrieden, zu sehen, daß er alles für sie ausgab, der einzige Beweis der Liebe, der sie rührte. Indessen spielte sie an der Konfektschale herum, öffnete und schloß sie wieder, um zu sehen, wie sie konstruiert sei.
»Nimm dich in acht«, murmelte er, »das ist sehr zerbrechlich.«
Aber sie zuckte die Achseln und entgegnete:
»Glaubst du denn, daß ich Packträgerhände habe?«
Plötzlich blieb ihr das Scharnier in den Händen, der Deckel fiel zu Boden und zerbrach. Verblüfft richtete sie ihre Augen auf die Scherben und rief aus: »O je, nun ist es entzwei!«
Darauf begann sie zu lachen, denn die auf dem Boden umherliegenden Bruchstücke erschienen ihr drollig. Eine krampfhafte Heiterkeit hatte sich ihrer bemächtigt, und sie zeigte das dumme, boshafte Lachen eines Kindes, das sich an der Zerstörung ergötzt. Philippe war einige Augenblicke sprachlos; die Unglückliche wußte nicht, welche Sorgen ihn diese Nippsache gekostet hatte. Als sie seine Bestürzung sah, suchte sie sich zu mäßigen:
»Verzeih mir, es ist nicht meine Schuld... Es hatte einen Riß. Diese alten Sachen halten nicht mehr viel aus... Auch ist es ja nur der Deckel. Hast du gesehen, wie er heruntersprang?«
Wieder brach sie in ein tolles Gelächter aus. Als jedoch dem jungen Mann trotz seiner Anstrengung die Augen übergingen, umschlang sie zärtlich seinen Hals.
»Du bist wohl toll! Ich liebe dich doch trotzdem. Wenn man nichts zerbricht, können die Kaufleute nichts mehr verdienen. Alles das ist ja nur dazu gemacht, zerbrochen zu werden... Schau, der Fächer da ist auch nur geleimt!«
Sie hatte einen Fächer ergriffen und hastig auseinandergefaltet, wobei die Seide entzweiriß. Dies schien sie zu erregen. Um zu zeigen, daß ihr die anderen Geschenke von dem Augenblick an, wo sie das seine zerbrochen hatte, gleichgültig waren, vergnügte sie sich mit der Zerstörung, nahm sie einzeln in die Hände und bewies ihm dadurch, daß sie sie zerbrach, daß kein einziges solide gearbeitet sei. Dabei leuchteten ihre Augen, und zwischen den schelmisch aufgeworfenen Lippen schimmerten blendend weiß die Zähne. Als endlich alle Geschenke in Stücken dalagen, errötete sie heftig, schlug lachend mit den Händen auf den Tisch und lispelte wie ein ungezogenes Mädchen:
»Nun ist's aus; nichts mehr, nichts mehr ist da!«
Durch diesen Freudentaumel wurde jetzt Philippe wieder erheitert, beugte sie zurück und bedeckte ihre Brust mit Küssen. Sie ließ es geschehen, hing sich an seine Schulter und war so glücklich, als hätte sie sich seit langer Zeit nicht so gut amüsiert. Ohne ihn loszulassen, fuhr sie in zärtlichem Ton fort:
»Sage mir, mein Schatz, du könntest mir morgen wohl zehn Louisdor bringen... Eine dumme Rechnung meines Bäckers geht mir im Kopf herum.«
Bei diesen Worten war er erbleicht, und als er ihr hierauf noch einen Kuß auf die Stirn drückte, sagte er kurz:
»Ich will es versuchen.«
Schweigend kleidete sie sich an, während er die Stirn gegen eine Fensterscheibe preßte. Nach einiger Zeit wandte er sich vom Fenster um und versetzte langsam: »Nana, du solltest mich heiraten.«
Dieser Gedanke erheiterte das junge Weib plötzlich derart, daß sie vor Lachen gar nicht dazu kam, ihre Kleider zuzuknöpfen.
»Aber, mein armer Kerl, du bist ja krank! ... Bietest du mir etwa wegen der zehn Louisdor deine Hand an? ... Niemals! Ich liebe dich viel zu sehr! Danke schön für die Dummheit!«
An jenem Abend war auch Georges trotz Nanas Verbot im Hause erschienen. François hatte ihn wohl vorübergehen sehen, allein keiner der Diener hinderte ihn, und alle lachten nur unter sich über die Bestürzung, in die ihre Herrin geraten werde. Georges hatte sich soeben bis in den kleinen Salon geschlichen, als ihn die Stimme seines Bruders stutzig machte; er verbarg sich dicht hinter der Tür und hörte nun die ganze Szene, die Küsse und den Heiratsantrag. Vor Schreck erstarrt, ging er wie geistesabwesend davon; ihm war, als sei sein Hirn aus dem Kopf geschwunden. Erst in der Rue Richelieu, in seinem Zimmer über den Gemächern seiner Mutter, machte er seinem Herzen in wilden Seufzern Luft. Beständig trat ein schreckliches Bild vor seine Augen: Nana in den Armen Philippes; das erschien ihm wie Blutschande. Sobald er sich beruhigt glaubte, kam diese Erinnerung wieder, und ein neuer Ausbruch eifersüchtiger Wut warf ihn auf sein Bett; krampfhaft biß er in die Decken und stieß gräßliche Verwünschungen aus, die ihn noch viel toller machten. So verging der ganze Tag, und er schützte Kopfschmerzen vor, um in seiner Einsamkeit fortrasen zu können. Die Nacht jedoch war noch schrecklicher, ein mörderisches Fieber schüttelte ihn, und furchtbare Phantasien durchtobten sein Hirn. Wenn sein Bruder in demselben Hause gewohnt hätte, er wäre seinem Messer zum Opfer gefallen. Am Tage wollte er vernünftig handeln: er müsse sterben, dachte er, und er werde sich zum Fenster hinabstürzen, sobald ein Omnibus vorbeifahre. Dennoch ging er gegen zehn Uhr aus; er rannte in Paris umher, streifte über die Brücken und empfand ein unbesiegbares Bedürfnis, Nana noch einmal wiederzusehen. Vielleicht würde sie ihn durch ein freundliches Wort retten. So schlug es drei Uhr, als er das Haus in der Avenue de Villiers betrat.
Gegen Mittag war Madame Hugon durch eine Schreckensbotschaft niedergeschmettert worden. Philippe befand sich seit dem vorigen Abend im Gefängnis. Man beschuldigte ihn, aus der Kasse seines Regiments zwölftausend Franken entwendet zu haben. Schon seit einem Vierteljahr veruntreute er daraus kleine Summen; er hatte immer gehofft, sie ersetzen zu können, und das Defizit durch falsche Buchführung verheimlicht; dank der Nachlässigkeit des Verwaltungsrats gelang dieser Betrug.
Die alte Dame, vor Schreck über das Verbrechen ihres Sohnes erstarrt, richtete ihren verzweifelten Zorn gegen Nana; sie kannte die Beziehungen Philippes zu ihr. Ihre traurige Stimmung rührte von diesem Unglück her, das sie aus Furcht vor einer Ka...

Inhaltsverzeichnis

  1. Nana - Roman
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Ein Pariser Sittenroman
  4. Zweites Kapitel
  5. Drittes Kapitel
  6. Viertes Kapitel
  7. Fünftes Kapitel
  8. Sechstes Kapitel
  9. Siebentes Kapitel
  10. Achtes Kaptiel
  11. Neuntes Kapitel
  12. Zehntes Kapitel
  13. Elftes Kapitel
  14. Zwölftes Kapitel
  15. Dreizehntes Kapitel
  16. Vierzehntes Kapitel