Vom Kopf auf die Füße?
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Vom Kopf auf die Füße?

Zur Hegelkritik des jungen Marx oder Das Problem einer dialektisch-materialistischen Wissenschaftsmethode

  1. 300 Seiten
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Vom Kopf auf die Füße?

Zur Hegelkritik des jungen Marx oder Das Problem einer dialektisch-materialistischen Wissenschaftsmethode

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Friedrich Engels hat, um den revolutionär neuen Theorieansatz von Marx zu charakterisieren, 1888 das halbwahre Wort geprägt, dieser habe "Hegel vom Kopf auf die Füße gestellt". Fast möchte man meinen, diese Behauptung sei philosophisch nie ernsthaft befragt worden. Sahra Wagenknecht hat sich in einer grundlegenden Studie zur Hegelrezeption beim jungen Marx nun damit auseinandergesetzt und kommt zu ebenso überraschenden wie weitreichenden Ergebnissen.

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Information

Jahr
2013
ISBN
9783359510000
III. Die Grundkategorien der Hegelschen Philosophie – Eine Analyse ihrer originären Bestimmung
Um die im vorangegangenen Kapitel referierte Kritik der »Ökonomisch-philosophischen Manuskripte« an der Hegelschen Dialektik und Spekulation bewerten zu können, ist eine Analyse der originären Hegelschen Bestimmung zumindest jener Kategorien, die im Zentrum dieser Kritik stehen, unerlässlich.
Das beginnt mit der Kategorie des Selbstbewusstseins. Wir haben gesehen, dass für Marx die Reduktion des Menschen auf abstraktes Selbstbewusstsein Ausgangspunkt und Grundlage der Abstraktion der spekulativen Methode im allgemeinen ist, damit zugleich Ausgangspunkt und Grundlage des impliziten Positivismus der Hegelschen Form der Dialektik überhaupt. Es ist also die Stellung der Kategorie des Selbstbewusstseins im Hegelschen System zu untersuchen und zu überprüfen, ob und in welchen Zusammenhängen Hegel das menschliche Wesen als abstraktes Selbstbewusstsein bestimmt. Zugleich ist in diesem Kontext der Frage nachzugehen, inwiefern im Hegelschen System realgeschichtliche Entwicklung tatsächlich auf die reine Bewegung von Gedanken reduziert wird. Damit ist die Frage nach dem Charakter der spekulativen Methode selbst aufgeworfen. Es wird demnach notwendig sein, ihre Spezifik sowie den ihr zugrunde liegenden und sie konstituierenden Abstraktionsschritt anhand der Hegelschen Bestimmungen nachzuvollziehen.
Bei all diesen Fragen wird es sich als wesentlich erweisen, die Stellung der Kategorien innerhalb der Hegelschen »Phänomenologie« von derjenigen, die sie im System selbst einnehmen, zu unterscheiden. Marx interpretiert – und in diesem Punkt verbleibt er, ungeachtet aller Kritik, im Rahmen der junghegelianischen Rezeptionsvorgaben – die Hegelsche Philosophie im wesentlichen aus der Perspektive der »Phänomenologie« und ihrer Kategorien. Aber die »Phänomenologie« ist nicht schlechthin ein Teil des Hegelschen Systems, wie etwa die »Logik« oder die »Rechtsphilosophie«. Sie hat eine spezifische Stellung zum System und aus dieser folgt die Spezifik ihrer Kategorien.
Wir werden also damit beginnen, in einem ersten Kapitel die Stellung der »Phänomenologie« im Hegelschen System und die sich daraus ergebende Besonderheit der in ihr auftretenden Kategorien zu untersuchen. In einem zweiten Abschnitt wenden wir uns dann der Kategorie des »Selbstbewusstseins« zu: ihrer spezifischen Funktion innerhalb der »Phänomenologie« und ihrer Stellung im Hegelschen System allgemein. Der dritte große Komplex, bei dem die originären Hegelschen Bestimmungen gesichtet werden müssen, ist das Problem der spekulativen Methode. Gerade diese Thematik durchzieht freilich die gesamte Hegelsche Philosophie. Da es im Rahmen dieser Arbeit ausgeschlossen ist, eine Gesamtanalyse des Hegelschen Systems vorzunehmen, werden wir uns darauf beschränken müssen, die Hegelsche Methodologie anhand einiger ausgewählter Bestimmungen zu analysieren. Wir werden in diesem Zusammenhang zunächst auf die Herleitung des »wissenschaftlichen Standpunkts« in der »Phänomenologie« – die Dialektik von Bewusstsein und Gegenstand – eingehen. Zweitens werden wir das Wesen der spekulativen Methode anhand der Interpretation ausgewählter Kategorien aus der Hegelschen Reflexionslogik zu verdeutlichen suchen. Drittens wird eine Untersuchung der Spezifik der Hegelschen Ontologie sowie der in den ontologischen Bestimmungen gegründeten logischen Figuren, die die spekulative Methode konstituieren, unerlässlich sein.
1. Die Spezifik der »Phänomenologie des Geistes«
Als die Hegelsche »Phänomenologie« im Jahre 1807 erschien, trat sie unter dem Titel »System der Wissenschaft von G.W.F. Hegel. Erster Teil, die Phänomenologie des Geistes« ans Licht der Öffentlichkeit. Dass dieser »Teil« sich jedoch in sehr spezifischer Weise auf das – damals erst zu schaffende – Systemganze bezieht, er insofern ebensowohl zum System gehört wie selbst noch nicht System ist, erläutert Hegel in »Vorrede« und »Einleitung«. Es heißt dort: »Das Werden der Wissenschaft überhaupt oder des Wissens ist es, was diese Phänomenologie des Geistes darstellt.«36 Gegenstand der »Phänomenologie« ist also ausdrücklich nicht die Darstellung der Wissenschaft, sondern die Darstellung des »Werdens der Wissenschaft«. Es geht um die Herleitung jenes wissenschaftlichen Standpunkts, auf dem das philosophische System sich später konstituieren wird, den es folglich voraussetzt. In einer Anmerkung zur Vorrede der »Logik« aus dem Jahr 1831, in der Hegel eine Neuerscheinung der »Phänomenologie« auf »nächste Ostern« ankündigt, weist er übrigens darauf hin, dass dieser zweiten Auflage der Titel »Erster Teil des Systems der Wissenschaft« »nicht mehr beigegeben«37 werden sollte.
Die »Phänomenologie« ist also keineswegs unmittelbarer »Teil« des Systems; sie übernimmt vielmehr auf ganz spezifische und in der Tradition beispiellose Weise eben jene Aufgabe, die seit Descartes an jedes wissenschaftliche Philosophieren gestellt war: nämlich die erkenntnistheoretische Grundlage der Philosophie zu klären, bevor mit dem Philosophieren im eigentlichen Sinne begonnen wird. »Das Ziel [der ›Phänomenologie‹] ist die Einsicht des Geistes in das, was das Wissen ist.«38 Erst wenn diese Einsicht gewonnen ist, wird Philosophie als Wissenschaft und System möglich.
Nun ist bekannt, dass Hegel den Anspruch, man müsse vor dem Erkennen das Erkenntnisvermögen untersuchen, oft und grob verspottet hat. So heißt es etwa in der »Geschichte der Philosophie« gegen Kant: »Es ist, als ob man mit Spießen und Stangen auf die Wahrheit losgehen könnte. Vor der Wahrheit erkennt das Erkennen nichts Wahres …«39 Auch die Einleitung der »Phänomenologie« beginnt mit einer Polemik gegen die »natürliche Vorstellung«, dass »ehe in der Philosophie an die Sache selbst, nämlich an das wirkliche Erkennen dessen, was in Wahrheit ist, gegangen wird, es notwendig sei, vorher über das Erkennen sich zu verständigen, das als das Werkzeug, wodurch man des Absoluten sich bemächtige, oder als das Mittel, durch welches hindurch man es erblicke, betrachtet wird.«40 Indessen kommt auch Hegel nicht daran vorbei, dass all diese »Vorstellungen und Redensarten«,41 diese »leeren Erscheinungen des Wissens«42 einmal in der Welt sind. Und speziell nach der Destruktion des Verstandesdenkens durch die Kantische Kritik ist wissenschaftliche Philosophie mit absolutem Erkenntnisanspruch nur wieder möglich, wenn sie vorab ihren Standpunkt klärt. »Die Wissenschaft muss sich von diesem Scheine [den falschen erkenntnistheoretischen Vorstellungen] befreien, und sie kann dies nur dadurch, dass sie sich gegen ihn wendet.«43 Der Kern dieser falschen Vorstellungen liegt gerade in der mit Descartes gestellten Aufgabe, d.h. in der Forderung einer isoliert für sich – unabhängig von allgemeiner Ontologie – vollzogenen Vorabklärung des erkenntnistheoretischen Standpunkts einer Philosophie. Denn in dieser Forderung ist bereits die unaufhebbare Kluft, die Gleichgültigkeit zwischen Denken und Sein, logischen und Seinsstrukturen impliziert, wenn diese Konsequenz auch erst durch Kant ausgesprochen und zur Grundlage des Philosophierens erhoben wurde. Wird nun der wissenschaftliche Standpunkt, in dem dieses gleichgültige Verhältnis überwunden ist, letzterem schlechthin entgegengestellt, bleibt er ebenso wie dieses bloße Behauptung und ist ihm damit faktisch gleichwertig. Die einzig wahrhafte Widerlegung dieser »leeren Erscheinungen des Wissens« ist ihre Darstellung, sofern sie sich in ihr als widersprüchlich und sich selbst aufhebend erweisen; der wissenschaftliche Standpunkt ist dann absolut begründet – in sich selbst und gegen sie –, wenn er sich als notwendige Konsequenz ihrer eigenen Bewegung und Dialektik aufzeigen lässt. »Aus diesem Grunde soll [in der ›Phänomenologie‹] … die Darstellung des erscheinenden Wissens vorgenommen werden.«44
Der allen Formen dieses »erscheinenden Wissens« gemeinsame Grundzug ist, wie erwähnt, ihr Ausgehen von den »zwei Momente[n] des Wissens und der dem Wissen negativen Gegenständlichkeit.«45 In dieser abstrakten Scheidung und Entgegensetzung von Wissen und Gewusstem, Erkennen und Erkanntem liegt für Hegel der Standpunkt des Bewusstseins, des »unmittelbaren Daseins des Geistes«.46 Dies »Element des unmittelbaren Daseins« ist demnach »die Bestimmtheit, wodurch sich dieser Teil der Wissenschaft [die ›Phänomenologie‹] von dem anderen unterscheidet. Indem in diesem Elemente sich der Geist entwickelt und seine Momente auslegt, so kommt ihnen dieser Gegensatz zu, und sie treten alle als Gestalten des Bewusstseins auf.«47 Die Dialektik dieser »Gestalten des Bewusstseins« mündet schließlich im absoluten Wissen, in dem der Standpunkt des Bewusstseins – und damit die Voraussetzung einer isoliert für sich betreibbaren Erkenntnistheorie – aufgehoben wird. Auf dieser Basis konstituiert sich dann das System.
Gegenstand der »Phänomenologie« ist also nicht die natürliche oder gesellschaftliche Geschichte im allgemeinen, sondern die Geschichte des menschlichen Bewusstseins in seiner Auseinandersetzung mit der natürlichen und gesellschaftlichen Außenwelt. Die »Phänomenologie« ist die universelle historische Darstellung der verschiedenen erkenntnistheoretischen Einstellungen als jeweils spezifischer Versuche, die Realität gedanklich zu bewältigen und das Verhältnis des menschlichen Denkens zu ihr zu bestimmen; sie weist die all diesen Versuchen immanente Dialektik und Widersprüchlichkeit nach, die sie schließlich zur Selbstaufhebung und zum Übergang in die nächsthöhere Bewusstseinsform führen. Und si...

Inhaltsverzeichnis

  1. Impressum
  2. Titel
  3. I. Vorwort
  4. II. Die Rezeption des Hegelschen Dialektik- und Spekulations-Konzepts in den »Ökonomisch-philosophischen Manuskripten« Die Hegel-Rezeption in den »Ök.-phil. Manuskripten«
  5. III. Die Grundkategorien der Hegelschen Philosophie – Eine Analyse ihrer originären Bestimmung
  6. IV. Die »Ökonomisch-philosophischen Manuskripte« als Werk des Übergangs Die »Ök.-phil. Manuskripte« als Werk des Übergangs
  7. V. Die Rezeption des Hegelschen Dialektik- und Spekulations-Konzepts in den »Ökonomisch-philosophischen Manuskripten« – Analyse und Wertung Die Hegel-Rezeption des jungen Marx – Analyse und Wertung
  8. VI. Nachbemerkung. Methodologische Reflexionen des reifen Marx