Erzählungen von der Alhambra
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Erzählungen von der Alhambra

  1. 60 Seiten
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Erzählungen von der Alhambra

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Über dieses Buch

In 'Erzählungen von der Alhambra' entführt uns Washington Irving in die magische Welt des maurischen Palastes in Granada. Mit seinem anschaulichen Schreibstil erweckt er die Geschichte zum Leben und fasziniert den Leser mit exotischen Erzählungen aus dem alten Spanien. Irving verwebt Elemente von Märchen, Historie und Folklore zu einer fesselnden Erzählung, die den Leser in eine vergangene Ära eintauchen lässt. Seine detaillierten Beschreibungen der Alhambra und ihrer Bewohner vermitteln ein lebhaftes Bild dieser faszinierenden Kultur. Als einer der ersten amerikanischen Schriftsteller, der internationalen Ruhm erlangte, prägte Irving mit diesem Werk den literarischen Stil des romantischen Realismus. Seine gründliche Recherche und sein Gespür für Atmosphäre machen 'Erzählungen von der Alhambra' zu einem Meisterwerk der historischen Erzählung. Washington Irving's tiefes Interesse an spanischer Geschichte und Kultur spiegelt sich in diesem Buch wider, das zahlreiche Einblicke in das Leben im Al-Andalus des 15. Jahrhunderts bietet. Mit einer Mischung aus Fakten und Fiktion nimmt uns der Autor mit auf eine Reise in die Vergangenheit, die sowohl unterhaltsam als auch lehrreich ist. Dieses Buch ist ein Muss für alle, die sich für die spanische Geschichte und für fantastische Erzählungen begeistern und bietet einen einzigartigen Einblick in die goldenen Zeiten der Alhambra.

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Information

Jahr
2017
ISBN
9788027210886

Sage von dem Prinzen Ahmed al Kamel; oder der Liebespilger.

Inhaltsverzeichnis

Es war einst ein maurischer König von Granada, welcher nur einen Sohn hatte, Ahmed genannt, dem seine Höflinge den Beinamen al Kamel, der Vollkommne, gaben, wegen der unbezweifelbaren Zeichen von Uebervortrefflichkeit, welche sie schon in seiner Kindheit bei ihm bemerkten. Die Astrologen bestärkten sie in ihrer Ahnung, indem sie alle zu seinen Gunsten vorsagten, was zu einem vollkommnen Prinzen und einem glücklichen König gehörte. Eine Wolke nur ruhte auf seinem Schicksal und selbst diese war von rosiger Farbe. Er würde, hieß es, verliebten Charakters seyn und durch diese zärtliche Leidenschaft in große Gefahren gerathen; wenn er aber den Lockungen der Liebe bis zu seinem mannbaren Alter fern gehalten werden könnte, würden diese Gefahren abgewendet und sein späteres Leben eine ununterbrochene Bahn des Glückes seyn.
Um alle Gefahren dieser Art abzuwenden, beschloß der König weise, den Prinzen in einer Einsamkeit erziehen zu lassen, wo er nie ein weibliches Antlitz sehen, ja, selbst den Namen Liebe nicht hören könnte. Zu diesem Ende baute er einen schönen Palast auf dem Gipfel des Hügels jenseits der Alhambra, inmitten entzückender Gärten, aber von hohen Mauern umgeben; dieß ist in der That derselbe Palast, den man heut zu Tag unter dem Namen Generalife kennt. In diesen Palast wurde der junge Prinz eingesperrt und der Bewachung und dem Unterricht von Eben Bonabben übergeben, einem der gelehrtesten und ausgetrocknetsten der arabischen Weisen, der den größten Theil seines Lebens in Aegypten mit dem Studium von Hieroglyphen und mit Nachforschungen in den Gräbern und Pyramiden hingebracht hatte und mehr Reize in einer Mumie fand, als in den verführerischesten lebendigen Schönheiten. Der Weise erhielt den Befehl, den Prinzen in allen Arten von Kenntnissen zu unterrichten, eine ausgenommen – er sollte mit der Liebe gänzlich unbekannt bleiben. »Wende zu diesem Zweck jede Vorsicht an, die dir nöthig scheint,« sagte der König, »allein bedenke, o Eben Bonabben, wenn mein Sohn etwas von diesem verbotenen Wissen lernt, so lange er unter deiner Pflege ist, so sollst du mit deinem Kopfe dafür büßen.« Ein verwelktes Lächeln überflog das trockne Gesicht des weisen Bonabben bei dieser Drohung. »Möge dein königliches Herz so unbesorgt um deinen Sohn seyn, wie das meinige um meinen Kopf ist: sehe ich wohl aus, wie jemand, der in der müßigen Liebe Unterricht gibt?«
Unter der wachsamen Sorge des Philosophen wuchs der Prinz in der Einsamkeit des Palastes und seiner Gärten auf. Er hatte schwarze Sklaven zur Bedienung – stumme Scheusale, die nichts von Liebe wußten, oder wenn es der Fall war, keine Worte hatten, es mitzutheilen. Seine geistige Ausbildung war die besondere Sorge Eben Bonabben’s, der ihn in die tiefsinnige Weisheit Aegyptens einzuweihen suchte; allein darin machte der Prinz kleine Fortschritte und es war augenscheinlich daß er keine Neigung zur Philosophie hatte.
Er war jedoch auffallend lenksam für einen jungen Prinzen, bereit jedem Rath zu folgen und von dem letzten Rathgeber stets geleitet. Er unterdrückte sein Gähnen und lauschte geduldig den langen und gelehrten Reden Eben Bonabben’s, von welchem er ein wenig aus allen Zweigen des Wissens lernte und so sein zwanzigstes Jahr glücklich erreichte, ein Wunder prinzlicher Weisheit – allein mit der Liebe ganz unbekannt.
Um diese Zeit aber änderte sich das Benehmen des Prinzen. Er ließ seine Studien vollständig liegen und lief in dem Garten umher und saß nachdenkend an dem Rande der Brunnen. Unter seine verschiedene Befähigungen gehörte auch ein wenig Musik; sie nahm jetzt einen Theil seiner Zeit hin und eine Neigung für Poesie ward sichtbar. Der weise Eben Bonabben erschrack und bemühte sich, ihm diese müßigen Launen mit einem ernsten Vortrag über Algebra aus dem Kopfe zu bringen – allein der Prinz wandte sich mit Abscheu von dieser Wissenschaft. »Ich kann die Algebra nicht ausstehen,« sagte er: »sie ist mir ein Greuel. Ich muß etwas haben, das mir mehr zum Herzen spricht.«
Der weise Eben Bonabben schüttelte seinen trocknen Kopf bei diesen Worten. »Hier ist’s mit der Philosophie aus,« sagte er: »der Prinz hat entdeckt, daß er ein Herz hat. Er hielt seinen Zögling nun unter der sorgfältigsten Aufsicht und sah, daß die geheime Zärtlichkeit seines Herzens in Thätigkeit war und nur eines Gegenstandes bedurfte. Er wanderte in den Gärten des Generalife in einem Taumel der Gefühle umher, dessen Grund er nicht kannte. Zuweilen saß er in köstliche Träume verloren; dann pflegte er seine Laute zu ergreifen, und ihr die rührendsten Töne zu entlocken und dann warf er sie zur Seite und brach in Seufzer und Ausrufungen aus.
Stufenweise dehnte sich diese liebende Neigung auf unbelebte Gegenstände aus; er hatte seine Lieblingsblumen, die er mit zärtlichem Eifer pflegte; dann ward er manchfachen Bäumen zugethan und vorzüglich an einen von anmuthiger Form und schmachtendem Laub verschwendete er seine verliebte Inbrunst, indem er seinen Namen in seine Rinde schnitt, Blumen an seine Aeste hängte und zu seinem Lobe Lieder sang, die er mit seiner Harfe begleitete.
Der weise Eben Bonabben war über diesen aufgeregten Zustand seines Zöglings erschreckt. Er sah ihn an dem Rand des verbotenen Wissens – der kleinste Wink konnte ihm das unglückliche Geheimniß enthüllen. Das Wohl des Prinzen und die Sicherheit seines eigenen Kopfes machten ihn zittern und er eilte, ihn den Verführungen des Gartens zu entziehen und schloß ihn in den höchsten Thurm des Generalife ein. Dieser enthielt schöne Gemächer und hatte eine fast grenzenlose Aussicht, allein er lag weit über jener Atmosphäre der Schönen und jener bezaubernden Lauben, die den Gefühlen des allzu empfänglichen Ahmed so gefährlich waren.
Was war aber zu thun, um ihn mit diesem Zwange auszusöhnen und die trägen Stunden hinzubringen? Er hatte alle Arten angenehmer Kenntnisse erschöpft, und der Algebra durfte nicht erwähnt werden. Glücklicherweise war Eben Bonabben, als er in Aegypten reißte, in der Sprache der Vögel von einem jüdischen Rabbiner unterrichtet worden, welcher diese Wissenschaft in grader Linie von Salomon dem Weisen hatte, dem die Königin von Seba darin Unterricht gegeben hatte. Als eines solchen Studiums nur erwähnt wurde, funkelten die Augen des Prinzen vor Freude und er betrieb dasselbe mit einer solchen Wißbegier, daß er es so weit brachte, wie sein Lehrer.
Der Thurm des Generalife war fortan keine Einsamkeit mehr; er hatte Gefährten zur Hand, mit denen er verkehren konnte. Seine erste Bekanntschaft war ein Habicht, welcher sein Nest in einer Spalte der hohen Zinnen gebaut hatte, von wannen er weit und breit nach Beute ausflog. Der Prinz fand aber wenig oder nichts an ihm zu achten. Er war ein bloßer Pirate der Luft, großthuend und prahlerisch und sein Geschwätz drehte sich nur um Raub, Muth und verzweifelte Thaten.
Seine nächste Bekanntschaft war eine Eule, ein mächtig weise aussehender Vogel, mit einem großen Kopf und starren Augen, der den ganzen Tag blinzelnd und glotzend in einem Mauerloche saß, aber des Nachts ausflog. Er machte große Ansprüche auf Weisheit, sprach etwas über Astrologie und den Mond und ließ Winke über geheime Wissenschaften fallen; allein er war der Metaphysik schmählich ergeben und der Prinz fand sein Geschwätz noch langweiliger als das des Eben Bonabben.
Dann fand sich eine Fledermaus, die den ganzen Tag an ihren Beinen in der dunkeln Ecke eines Gewölbes hing, aber mit dem Zwielicht im Schlarren-Style ausflog. Sie hatte aber über alle Gegenstände nur Zwielichtsideen, verspottete Dinge, von denen sie nur unvollkommene Kenntnisse hatte und schien an nichts Freude zu haben.
Außer diesen war auch eine Schwalbe da, von welcher der Prinz anfangs sehr eingenommen war. Sie hatte ein gutes Mundwerk, war aber ruhlos, lärmend und immer auf den Flügeln; selten blieb sie lange genug zu einer fortgesetzten Unterhaltung. Es fand sich zuletzt, daß sie eine bloße Schwätzerin war, die nur über die Oberfläche der Dinge hinstreifte, alles zu wissen vorgab, aber nichts gründlich wußte.
Dies waren die einzigen gefiederten Freunde, mit welchen der Prinz Gelegenheit hatte, die neu erlernte Sprache zu üben; der Thurm war zu hoch, als daß die andern Vögel ihn hätten besuchen können. Er wurde seiner neuen Freunde bald müde, deren Unterhaltung so wenig zu seinem Kopfe und gar nicht zu seinem Herzen sprach; allmählig verfiel er wieder in seine Einsamkeit. Ein Winter verging, der Frühling erschloß alle seine Blüthen, sein Grün und seine duftige Süße und die glückliche Zeit kam, wo sich die Vögel paaren und ihre Nester bauen. Gleichsam in Einem Augenblick erscholl ein allgemeiner Ausbruch von Gesang und Melodie in den Lauben und Gärten des Generalife und erreichte den Prinzen in der Einsamkeit seines Thurmes. Von allen Seiten hörte er dasselbe allgemeine Wort – Liebe – Liebe – Liebe – in allen Tönen und Weisen singen und beantworten. Schweigend und verwirrt lauschte der Prinz. »Was mag diese Liebe seyn,« dachte er, »von welcher die Welt so voll scheint und von der ich nichts weiß?« Er wandte sich an seinen Freund, den Habicht, um sich belehren zu lassen. Der wüste Vogel antwortete in verächtlichem Tone: »du mußt dich an die gemeinen friedlichen Vögel der Erde drunten wenden, welche geschaffen sind, uns Fürsten der Luft zur Beute zu dienen. Mein Gewerbe ist der Krieg und der Kampf meine Freude. Mit einem Worte, ich bin ein Krieger und weiß nichts von einem Dinge, das man Liebe heißt.«
Der Prinz wandte sich mit Abscheu von ihm und suchte die Eule in ihrem Loche auf. »Dies ist ein Vogel von friedlichen Sitten,« sagte er, »und kann wohl meine Frage beantworten.« So bat er dann die Eule um Auskunft, was diese Liebe sey, von welcher alle Vögel in den Gebüschen drunten sängen.
Die Eule aber nahm eine Miene beleidigter Würde an: »Meine Nächte,« sagte sie, »sind dem Studium und Forschen geweiht und meine Tage dem Nachdenken in meiner Zelle über alles, was ich gelernt habe. Was diese Singvögel betrifft, von denen du sprichst, so höre ich nie auf sie – ich verachte sie und ihre Worte. Allah sey gelobt, ich kann nicht singen; ich bin ein Philosoph und weiß nichts von diesem Dinge, das Liebe genannt wird.«
Der Prinz begab sich nun zu dem Gewölbe, wo seine Freundin, die Fledermaus, an den Beinen hing, und trug ihr dieselbe Frage vor. Die Fledermaus zog ihre Nase mit einem höchst verdrießlichen Ausdruck empor. »Warum störst du mich in meinem Morgenschlaf mit einer solchen müssigen Frage?« versetzte sie grämlich. »Ich fliege nur in der Dämmerung umher, wenn alle Vögel schlafen und bekümmere mich nicht um ihr Treiben. Ich bin weder Vogel noch Säugthier und danke dem Himmel dafür. Ich habe sie alle als Schurken kennen gelernt und hasse die einen, wie die andern. Mit einem Wort, ich bin ein Misanthrop – und weiß nichts von dem Ding, das Liebe genannt wird.«
Die letzte Zuflucht des Prinzen war jetzt die Schwalbe: er suchte sie auf und hielt sie an, als sie eben die Zinnen des Thurmes umkreiste. Die Schwalbe war, wie gewöhnlich, in einer mächtigen Eile und hatte kaum Zeit zu antworten. »Auf mein Wort,« sagte sie, »ich habe so viele öffentliche Geschäfte und muß so vielen Arbeiten obliegen, daß ich keine Zeit habe, über die Sache nachzudenken. Ich habe täglich tausend Besuche zu machen und tausend wichtige Geschäfte zu besorgen, so daß ich nicht einen Augenblick Muße für diese kleinen Sing-Sang-Geschichten habe. Mit einem Wort, ich bin ein Weltbürger – ich weiß nichts von dem Dinge, das Liebe genannt wird.« Bei diesen Worten schoß die Schwalbe in das Thal hinab und war augenblicklich aus dem Blicke verschwunden.
Der Prinz stand getäuscht und verwirrt da; aber seine Neugier war durch die Schwierigkeit, sie zu befriedigen, nur reger geworden. Während er in dieser Stimmung war, trat sein alter Hüter in den Thurm. Der Prinz trat ihm lebendig entgegen. »O weiser Eben Bonabben,« rief er: »du hast mir vieles Wissen der Erde enthüllt; aber es gibt einen Gegenstand, über den ich in der tiefsten Unwissenheit bin und gern belehrt wäre.«
»Mein Prinz hat nur die Frage vorzulegen und alles in dem beschränkten Kreise des Verstandes seines Dieners ist zu seinem Befehl.«
»So sage mir denn, du Ausbund von Weisheit, was ist das Wesen des Dinges, das man Liebe nennt?«
Der weise Eben Bonabben war wie von einem Donnerkeil getroffen. Er zitterte und erblaßte und es war ihm, als säße sein Kopf ganz locker auf den Schultern.
»Was konnte meinen Prinzen zu einer solchen Frage verleiten? – wo mag er ein so müssiges Wort gehört haben?«
Der Prinz führte ihn an das Thurmfenster. »Höre, o Eben Bonabben!« sagte er. Der Weise lauschte. Die Nachtigal saß in einem Dickicht unten am Thurm und sang ihrer geliebten Rose; aus jedem blühenden Zweig und jeder duftigen Laube stiegen melodische Töne empor und Liebe – Liebe – Liebe war der stets wiederkehrende Ton.
»Allah Akbar! Gott ist groß!« rief der weise Bonabben: »wer kann sich anmaßen, dieses Geheimniß dem Herzen des Menschen vorenthalten zu wollen, wenn sich selbst die Vögel der Luft vereinigen, es zu verrathen?«
Darauf wandte er sich zu Ahmed und sagte: »O mein Prinz! Schließe dein Ohr diesem verführerischen Klange! Verhülle deinen Geist diesem gefährlichen Wissen. Wisse, diese Liebe ist die Ursache der Hälfte aller Uebel der unglücklichen Menschheit. Sie ist’s, die Bitterkeit und Streit zwischen Brüdern und Freunden erzeugt, verrätherischen Mord und verheerenden Krieg gebiert. Kummer und Sorgen, öde Tage und schlaflose Nächte sind ihr Gefolge. Sie zerstört die Blüthe und vergiftet die Freuden der Jugend und bringt die Uebel und die Wehen des vorzeitigen Alters herbei. Allah erhalte dich, mein Prinz, in gänzlicher Unwissenheit über dieses Ding, das Liebe genannt wird.«
Der weise Bonabben zog sich eilig zurück und ließ den Prinzen in nur noch größerer Verwirrung zurück. Vergebens versuchte er, sich die Sache aus dem Sinn zu schlagen; sie blieb stets oben auf in seinen Gedanken und quälte und erschöpfte ihn mit eiteln Vermuthungen. »Gewiß,« sagte er sich, als er dem melodischen Gesang der Vögel lauschte: »es ist kein Kummer in diesen Tönen: alles scheint Zärtlichkeit und Freude! Wenn die Liebe so viel Unglück und Streit erzeugt, warum schmachten diese Vögel nicht in der Einsamkeit, oder zerreißen einander in Stücken, statt fröhlich in den Büschen umher zu flattern und mit einander in den Blumen zu spielen?« –
Er lag eines Morgens auf seinem Lager und sann über diesen unerklärlichen Gegenstand nach. Das Fenster seines Gemaches war offen, um den sanften Morgenwind herein zu lassen, der beladen mit dem Dufte der Orangenblüthen aus dem Darrothal herauf kam. Die Stimme der Nachtigal, stets die gewohnten Töne singend, wurde schwach gehört. Während der Prinz lauschte und seufzte, entstand ein plötzliches Rauschen in der Luft; eine schöne Taube, von einem Habicht verfolgt, schoß in das Fenster und fiel keuchend auf den Boden, während der Verfolger, seiner Beute baar, zu den Bergen hinüberstrich.
Der Prinz nahm den schwer athmenden Vogel auf, glättete sein Gefieder und koßte ihn an seinem Busen. Als er ihn durch seine Liebkosungen beruhigt hatte, setzte er ihn in einen goldnen Käfig und bot ihm mit eigenen Händen das weißeste und schönste Waizenbrod und das reinste Wasser. Der Vogel aber wollte nichts fressen und saß schmachtend und gramvoll da und stieß jammernde Seufzer aus.
»Was fehlt dir?« sagte Ahmed: »Hast du nicht alles, was dein Herz wünschen kann?«
»Ach, nein!« erwiederte die Taube: »bin ich nicht von dem Freunde meines Herzens getrennt, und noch dazu in der Frühlingszeit, der wahren Zeit der Liebe?«
»Der Liebe!« wiederholte Ahmed: »ich bitte dich, mein hübsches Thierchen, kannst du mir sagen, was Liebe ist?«
»Zu gut kann ich dies, mein Prinz. Sie ist die Qual von einem, das Glück von zweien, der Streit und die Feindschaft von dreien. Sie ist ein Zauber, welcher zwei Wesen mit einander verbindet und sie durch köstliches Gleichgefühl vereinigt, ihr Zusammenseyn zum Glück, ihre Trennung zum Unglück machend. Gibt es kein Wesen, zu welchem du durch diese Bande zärtlicher Neigung hingezogen wirst?«
»Ich liebe meinen alten Lehrer, Eben Bonabben, mehr als irgend ein anderes Wesen; allein er ist oft la...

Inhaltsverzeichnis

  1. Erzählungen von der Alhambra
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Die Reise.
  4. Befehlshaberschaft der Alhambra.
  5. Das Innere der Alhambra.
  6. Der Thurm des Comares.
  7. Gedanken über die maurische Herrschaft in Spanien.
  8. Die Haushaltung.
  9. Der Flüchtling.
  10. Des Verfassers Wohnung.
  11. Die Alhambra im Mondlichte.
  12. Bewohner der Alhambra.
  13. Der Löwenhof.
  14. Boabdil el Chico.
  15. Erinnerungen an Boabdil.
  16. Der Balkon.
  17. Das Abentheuer des Maurers.
  18. Ein Spaziergang auf die Hügel.
  19. Oertliche Sagen.
  20. Das Haus des Wetterhahns.
  21. Sage von dem arabischen Astrologen.
  22. Der Thurm der Prinzessinnen.
  23. Sage von den drei schönen Prinzessinnen.
  24. Besucher der Alhambra.
  25. Sage von dem Prinzen Ahmed al Kamel; oder der Liebespilger.
  26. Sage von des Mauren Vermächtniß.
  27. Sage von der Rosa der Alhambra; oder der Page und der Geierfalk.
  28. Der Veteran.
  29. Der Statthalter und der Notar.
  30. Statthalter Manco und der Soldat.
  31. Sage von den zwei verschwiegenen Statüen.
  32. Muhamed Abu Alahmar, der Gründer der Alhambra.
  33. Yusef Abul Hagig, der Vollender der Alhambra.