Todesmarsch durch Russland
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Todesmarsch durch Russland

Mein Weg in die Kriegsgefangenschaft

  1. 304 Seiten
  2. German
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Todesmarsch durch Russland

Mein Weg in die Kriegsgefangenschaft

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Trotz Krankheit wird Lothar Herrmann einer Gebirgsjägerdivision zugeteilt und 1944 an die Ostfront geschickt. Als die Stellungen gegen die Russen nicht mehr gehalten werden können, erfolgt ein chaotischer Rückzug. Mit einigen Kameraden verliert Lothar den Anschluss an die Truppe. Gemeinsam kämpfen sie sich durch die unwirtliche Landschaft. Völlig entkräftet werden sie schließlich aufgegriffen und geraten in russische Kriegsgefangenschaft. Auf einem langen Todesmarsch sieht Lothar viele Gefangene sterben und verliert doch selbst nie die Hoffnung auf Heimkehr. Aber erst nach fast sechsjähriger Gefangenschaft wird er endlich wieder nach Hause kommen.

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Information

Jahr
2017
ISBN
9783933708564
Die Flucht
Dünne Nebelschleier kündigten in den letzten Oktobertagen den herannahenden Winter an, als uns einige Rotarmisten wieder einmal gründlich durchsuchten und bei manchen von uns auch fündig wurden. Sie hatten ihre Löffel so zugeschliffen, dass es möglich war, beispielsweise Brot damit zu schneiden.
»Nix gut!«, hörte man immer wieder.
Es war erstaunlich, wie gründlich man an diesem Tag zählte und sogar unsere Namen in Listen vermerkte. Waren das Vorzeichen für unsere Entlassung oder musste sich der russische Offizier rechtfertigen, wenn er uns irgendwo ablieferte? Auch wenn viele von uns wieder einmal von der bevorstehenden Entlassung träumten – ich gehörte zu den Realisten unter uns, die damit rechneten, dass wir nur an einen anderen Einsatzort verlegt werden sollten.
Nach dem Appell wurde Abmarsch befohlen. Vier Tage ging es durch die Weite der russischen Ebene.Diesmal fielen keine Schüsse, und unsere Bewacher hatten auch keinerlei Veranlassung dazu. Die Felder waren abgeerntet. Jeden Morgen erhielten wir einen Schlag dünner Tomaten- oder Kartoffelsuppe oder eine borschtschähnliche Flüssigkeit und ein Stück Brot. Unser Marsch schien gut geplant, denn jeden Abend erreichten wir einen Strohbunker, in dem wir die Nacht verbrachten. In unseren Reihen kursierten die haarsträubendsten Gerüchte, von denen mir eines das wahrscheinlichste zu sein schien:
»Jungs, wir nähern uns den Kohlengruben im Donezbecken. Wahrscheinlich brauchen uns die Russen dort.«
»Deshalb geben die uns gerade mal so viel, dass keiner zurückbleiben muss. Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel!«
Es begann schon zu dämmern, als wir am vierten Abend unser bisher unbekanntes Ziel erreichten. Das Lager war angeblich schon mit tausend Woina Plenis, Kriegsgefangenen, belegt und lag am Stadtrand von Makejewka neben einer Kohlengrube. Es bestand aus mehreren Häusern gleicher Bauart, in denen zuvor russische Bergarbeiterfamilien gewohnt hatten. Sie bestanden aus Erd- und Obergeschoss, standen leer und machten in ihrer einheitlich grauen Farbe einen tristen Eindruck. Wir, insgesamt 250 Neuankömmlinge, wurden in zwei dieser Häuser eingewiesen. Die Räume waren nicht beheizt, und ich legte mich mit 15 Männern in einen kleineren Raum auf den Dielenboden. Wir waren froh über unsere gut gefütterten russischen Steppjacken und Hosen, die uns in den schon kälter werdenden Nächten wärmten.
Schon bevor wir das Haus betraten, bemerkten wir das »Klosett« im Hofraum zwischen den beiden Bauten. Es bestand aus einer Betonplatte mit zwölf runden, in gleichem Abstand voneinander angeordneten Löchern, durch die die Fäkalien in eine darunterliegende Versitzgrube fallen konnten.
»Na, Prost, Mahlzeit«, bemerkte mein Nebenmann sarkastisch. »Jetzt mag das ja gerade noch angehen. Wenn aber der kalte Winterwind unsere Pisse über die Betonplatte verteilt, dann kannst du dir hier beim Sturz auf der entstehenden welligen Eisplatte die Knochen brechen.«
Die bevorstehenden Wintermonate sollten ihm Recht geben.
Mein Schlafplatz war reserviert, und ich ging noch einmal ins Freie, um genauer zu erkunden, wo wir uns befanden. Nicht weit vor mir sah ich neben dem Eingang zum Kohlenschacht ein kleineres, ebenerdiges Haus. Dahinter vermutete ich im Halbdunkeln eine Kohlenhalde.
Ein wohl schon länger hier internierter Kriegsgefangener hatte unser Klo benutzt und wollte gerade an mir vorbeigehen. Ich fasste ihn am Arm und fragte ihn:
»Kamerad, du kannst mir sicher sagen, was dieser kleine Bau dort soll. Ist das etwa ein Lagerraum?«
»Nein! Was glaubst du wohl, wie wir aussehen, wenn wir nach unserer Schicht unter Tage herauf kommen. Dort können wir uns duschen. Die Russen wollen uns doch noch länger behalten! Dieser Schacht ist das Primitivste, das ich mir zuvor vorstellen konnte. Nicht so wie wir es von zu Hause kennen. Ich bin in Wattenscheid zu Hause. Von wegen Förderkorb und so. Wir müssen auf Leitern nach unten klettern und die Kohlenbrocken auf Rückentragen heraufholen. Hoffentlich stecken sie dich nicht wie mich in diesen fürchterlichen Schacht 6. Dort ist es nämlich zudem noch nass und alles glitschig. Fast täglich haben wir Tote und Verletzte, die die Russen seit Neuestem sogar registrieren. Bleib gesund, Kamerad!«
Er entfernte sich und ließ einen sehr nachdenklich gewordenen Woina Pleni zurück.
Doch nach der Zählung am anderen Morgen trafen meine Befürchtungen nicht ein. Zusammen mit 200 meiner Kameraden wurde ich einer Arbeitsbrigade in einem Steinbruch zugeteilt. Mehrere Posten führten uns zu unserem Arbeitsplatz. Dort angelangt, staunte ich wieder einmal über die reichen Bodenschätze, die diesem Land zur Verfügung standen. Nicht weit von den Kohlenhalden entfernt lag rosafarbiger, fester Stein in mehr oder weniger starken Schichten waagrecht übereinander, sodass er zum Glück über Tage abgebaut werden konnte.
Ein russischer Meister nahm 20 Mann von uns in Empfang. Er machte uns in gebrochenem Deutsch mit hineingemixten russischen Brocken und Gesten klar, wie man mit Brechstangen und großen Vorschlaghämmern möglichst große Plattenstücke aus der anscheinend unerschöpflichen Gesteinsmasse herausschlagen konnte. Indessen beobachtete ich aus den Augenwinkeln die Postenkette, die unsere Arbeitsplätze bewachte. Er sagte uns zwar nicht, wie viel Kubikmeter Steinplatten wir jeden Tag abholbereit aufschichten mussten, machte uns jedoch klar, dass unsere Tagesrationen nach Leistung bemessen werden würden.
»Dawai! Dawai! Nix hier ausruhen, auch wenn Wetter einmal schlecht! Besser als in Kohlegrube!«
Seine letzte Bemerkung zweifelte keiner von uns an.
Während der ersten Tage wurde ich zusammen mit einem findigen Schwaben dazu bestimmt, die von meinen Kameraden gebrochenen Steinplatten auf einer einfachen Holztrage etwa zwanzig Meter von der Bruchstelle weg zum Lagerplatz zu tragen und dort aufzuschichten. Die vorne und hinten aus der Holzplatte herausragenden Holme wogen schwer in unseren Händen, und wir lernten bald, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig der verschieden großen Steinplatten aufzuladen.
Natürlich waren wir beide nicht die einzigen Träger. Während wir hin und her gingen, beobachtete uns unser Brigadier, und ich verfolgte aus den Augenwinkeln die Posten. Ich registrierte aber auch den Verlauf eines mehrere Meter breiten Flusses, der in kleinen Windungen in der Weite der Landschaft verschwand.
»Lothar«, unterbrach mich der Schwabe einmal in meinen Betrachtungen in seinem schwer nachzuahmenden Dialekt. »Wir müssen ab und zu kleine Steine zwischen die Platten legen, wenn unser Antreiber nicht gerade zu uns herschaut. Das gibt luftige Kubikmeter und etwas mehr Nahrhaftes zwischen die Rippen.«
Natürlich gaben wir unsere Technik an die anderen Träger weiter, doch unser russischer Meister kam mehrmals mit einem Stock und stocherte damit in den ihm zu groß erscheinenden Ritzen zwischen den gestapelten Steinschichten herum. Sobald er fündig wurde, berichtigte er unser Maß und machte uns klar, dass er auch kontrolliert werde.
»Nix mehr mogeln! Sonst sehr böse!«
Der russische Winter mit seinen Kältegraden bis nahezu vierzig Grad unter null war unseren Arbeitsbedingungen und unseren von der Norm abhängigen Tagesrationen nicht förderlich. Hunger quälte uns unablässig, aber wir hatten im Steinbruch wenigstens keine Toten zu beklagen, so wie dies bei den Schächtern, den unter Tage arbeitenden Kameraden, fast täglich der Fall war. Obwohl es dort unten wärmer war, waren wir froh, über Tage bleiben zu können.
Dieser Vorteil wurde aber durch andere Nachteile relativiert. Mehrmals mussten wir unsere durchnässten Kleider mangels anderer Möglichkeiten nachts am Körper trocknen lassen, und manchmal mussten wir sogar mit noch feuchten Kleidern zur Arbeit antreten.
Zweimal in diesem Winter wurden wir während der Nacht herausgejagt, um am Bahnhof Baumstämme von Rungenwagen abzuladen. Diese gefürchtete Knochenarbeit mit hungrigen Mägen schwächte viele von uns, und ich wunderte mich über mich selbst, wie widerstandsfähig ich geworden war.
Als wir aber bei unserem zweiten Nachteinsatz etwa zwei bis drei Meter hoch angewehten Schnee von den Stämmen schaufeln mussten und unsere Hände dabei lediglich mit fadenscheinigen Arbeitshandschuhen aus grobem Leinen geschützt waren, glaubte auch ich, nun die Grenze meiner körperlichen Leistungsfähigkeit erreicht zu haben. Die oberste Schicht der Stämme war noch relativ gut abzuheben und nach unten zu werfen. Von dort trugen sie Kameraden zu wartenden LKWs, die sie zu den Gruben fuhren. Eiskalter Ostwind pfiff uns um die Ohren. Als wir aber die unteren Schichten der Grubenhölzer mühsam nach oben wuchten und über die Rungen heben mussten, wurde jedem von uns trotz der Kälte warm. Wieder einmal mussten wir die durchnässten Kleider am Körper trocknen und trotz der arbeitsreichen schlaflosen Nacht anderntags unsere übliche Schicht beginnen.
An einem Morgen im Februar mit zwar klarem Himmel, aber beißender Kälte wurden nach dem Zählappell Maler gesucht. Ohne zu überlegen, meldete ich mich. Zusammen mit einem Kameraden aus Frankfurt am Main führte mich ein Posten nach Matejewka zu einer Bäckerei, die mehr einer Brotfabrik glich. Selbstverständlich war es ein Staatsbetrieb, in dem erstaunlich hygienisch gearbeitet wurde. In der ersten Halle, durch die wir geführt wurden, mischten einige Frauen und Männer mit bloßen Händen den Teig in großen Wannen. Von dort trugen sie ihn in die Backhalle, die wir zuerst mit frischem Anstrich versehen sollten. Dabei durfte der Arbeitsablauf nicht behindert werden. Der gut deutsch sprechende Natschalnik erklärte uns genau, wie wir dabei vorgehen sollten. Hier duftete es sehr angenehm nach frischem Brot, von dem der Natschalnik zunächst jedem von uns ein großes Stück gab.
Während wir heißhungrig kauten, konnten wir beobachten, wie mehrere Frauen mit nackten Armen, schneeweißen und fast bis zu den Knöcheln reichenden Schürzen sowie sauberen Kopftüchern den Teig aus den Wannen mit den Armen aufnahmen und in Backformen aus Metall verteilten, deren Volumen ich auf fünfzehn mal fünfzehn Zentimeter Grundfläche und fünfzehn Zentimeter Höhe schätzte. Immer wieder verschwanden die befüllten Brotformen in einem der großen mit Kohle beheizten Backöfen. Andere Öfen wurden entleert, und jeweils zwei Frauen trugen das frisch gebackene Brot a...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Worum geht es im Buch?
  6. Inhalt
  7. Vorwort
  8. Lehr- und Wanderjahre
  9. Beim RAD
  10. So wurden wir Soldaten
  11. In die Heimat zum Genesungsbataillon
  12. Mit der 4. Gebirgsdivision an die Ostfront
  13. Böses Erwachen
  14. Zwangsarbeit am Asowschen Meer
  15. Fahrt zu unbekanntem Ziel
  16. Die Flucht
  17. In endlose Weiten
  18. Enttäuschte Hoffnung
  19. Kontakt in die Heimat
  20. Rückkehr nach Hause
  21. Schwerer Start in die Zukunft
  22. Weitere E-Books aus dem Rosenheimer Verlagshaus
  23. www.rosenheimer.com