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- 139 Seiten
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Nachbarsleute: Kleinstadtgeschichten
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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben
Ăber dieses Buch
In 'Nachbarsleute: Kleinstadtgeschichten' von Ludwig Thoma taucht der Leser ein in die Welt der bayerischen Kleinstadt, in der scheinbar gewöhnliche Nachbarn und ihre Geschichten im Fokus stehen. Thoma's literarischer Stil zeichnet sich durch eine lebendige und humorvolle Darstellung des Alltags aus, die von einem tiefen VerstĂ€ndnis fĂŒr menschliche Natur und soziale Dynamiken geprĂ€gt ist. Das Buch, das zuerst 1909 veröffentlicht wurde, reflektiert die damalige Gesellschaft und bietet einen einzigartigen Einblick in die MentalitĂ€t der bayerischen Kleinstadt zu jener Zeit. Thoma's genaue Beobachtungen und pointierten Dialoge machen 'Nachbarsleute' zu einem zeitlosen Meisterwerk der deutschen Literaturgeschichte.
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Information
Thema
LiteratureThema
Literature GeneralJunker Hans
Inhaltsverzeichnis
Eine Kleinstadtgeschichte
Wie es gekommen war, ob Herr Pfaffinger höflich oder in barschem Tone das SchlieĂen der TĂŒre verlangt, ob Herr Tresser nach dieser Aufforderung erst recht die TĂŒre aufgerissen, ob Herr Pfaffinger in rĂŒder Weise sie dann ins SchloĂ geworfen hatte und hierauf von Herrn Tresser als ungebildeter LĂŒmmel bezeichnet wurde, wĂ€hrend Herr Pfaffinger diesen, Herrn Tresser nĂ€mlich, mit dem Worte Lauskerl schon vorher betitelt hatte, lĂ€Ăt sich aus den erregten Schilderungen der angesehenen BĂŒrger Dornsteins nicht unwiderleglich feststellen, â Tatsache ist, daĂ Herr Tresser Herrn Pfaffinger einerseits an der Gurgel packte, wĂ€hrend Herr Pfaffinger andererseits diesem, dem Herrn Tresser nĂ€mlich, eine derart schallende Ohrfeige versetzte, daĂ der Schlag sogar in den hintersten Sitzreihen des HöllbrĂ€usaales vernommen wurde.
Von vielen Zeugen des Vorfalles wird erzĂ€hlt, daĂ die Tochter des Herrn Magistratsrates Trinkl, FrĂ€ulein Fanny Trinkl, ĂŒber Zugluft geklagt habe, was den neben ihr sitzenden BrauereivolontĂ€r Pfaffinger veranlaĂte, aufzuspringen und die SaaltĂŒre zu schlieĂen, worauf Herr Rechtspraktikant Tresser dieselbe sogleich wieder öffnete, sei es nun, weil er und einige mitanwesende Beamte es zu heiĂ fanden, sei es, weil er ĂŒber die eigenmĂ€chtige Handlung des Herrn Pfaffinger entrĂŒstet war, was aber wiederum diesem, Herrn Pfaffinger, als eine Beleidigung seiner Dame erscheinen muĂte, so daĂ er sich zu einem Schimpfworte hinreiĂen lieĂ, wobei freilich nicht bestimmt behauptet werden kann, daĂ nicht etwa Herr Tresser schon vorher den Ausdruck ungebildeter LĂŒmmel gebraucht hatte, kurz und gut, was hier auch ĂŒbereinstimmend oder verschieden berichtet wird, â Tatsache ist, daĂ Herr Pfaffinger von Herrn Tresser an der Gurgel gefaĂt wurde, und daĂ dann Herr Tresser eine dermaĂen starke Ohrfeige erhielt, daĂ seine linke Wange anschwoll.
Mir war und ist es nur darum zu tun, eine vollkommen wahrheitsgetreue Schilderung des Herganges zu geben, wobei ich keineswegs, wie Herr Magistratsrat Trinkl, das Verhalten des Herrn Pfaffinger oder, wie Herr SekretĂ€r HundertkĂ€s, das Benehmen des Herrn Tresser als absolut berechtigt hinstelle, sondern ich möchte ausschlieĂlich die Tatsache klarstellen, daĂ Herr Tresser einerseits Herrn Pfaffinger körperlich anfiel, wĂ€hrend Herr Pfaffinger andererseits diesem eine wuchtige Maulschelle applizierte.
Das Geschehnis lĂ€Ăt sich weder leugnen noch beschönigen, noch auf irgendeine Weise aus der Welt schaffen, und es ist weiter nichts zu erörtern als die Frage, welche Folgen die MiĂhandlung eines den besseren Kreisen angehörigen Mannes haben konnte.
In der Tat wurde der Vorfall auch von den bĂŒrgerlichen Elementen nach Verlassen des HöllbrĂ€usaales lebhaft erörtert, und BĂ€ckermeister Schwarz bewies vielleicht die gröĂte Heftigkeit der Gesinnung.
»Also mir⊠net⊠also mir bal oana so was saget⊠net⊠also ungâhobelter Lackel oder so was⊠net⊠also i⊠mei Liaba⊠i den bei de Ohrwaschel nehma und beuteln⊠hast dochâ gâhört⊠und nacha oani links und oani rechts abahauân⊠vastehst⊠und nacha no a paar⊠also mir bal oana kam! Was? sag i⊠an ungâhobelter Lackel bin i⊠moanst du vielleicht, weil di dei Vata studieren hat lassân⊠derfst du an BĂŒrgersmann, der wo seine Steuern zahlt⊠net⊠und wo seine Familli rechtschaffân ernĂ€hrt⊠schimpfân⊠sag i⊠Wer is ungâhobelt? sag i⊠vielleicht net a Beamta, der sie a so auffĂŒhrt? Was bin i? A Lackel bin i? Hab Eahna i scho amal an Lackel abgebân? Han? Du Herrgottsakrament! sag i. Da hast a paar! sag iâŠÂ«
»PlĂ€rr do net a so!« rief Magistratsrat Trinkl⊠»Bleibân ja dâLeut stehâ und schaugânâŠÂ«
»Ja no⊠muĂ ma si so was hoaĂân lassân«?
»Zu dir hat er nix gâsagt!«
»Dös is sei GlĂŒck, mei Liaba⊠mir bal er so was saget! Also den schlaget i sei Batterie scho a so her, daĂ er alle Engel pfeifân hörat⊠Ungâhobelter Lackel möcht er an BĂŒrgersmann hoaĂân⊠so a Schreibergâsell, so a notiger, der wo si net amal was Gâscheits zâfressân kaffân ko⊠Dir gib i scho an Lackel⊠also bloĂ sagân braucht erâs zu mir⊠nix als wia sagân⊠sagâ i«
»Mir gâfallt de Gâschicht garnet⊠dös⊠dös⊠ich woaĂ net⊠da derlebân mir no was!« sagte der Gold-und Silberarbeiter Elfinger und machte ein bekĂŒmmertes Gesicht⊠»De Gâschicht is no net firtiâŠÂ«
»Was is net firti?« fragte Trinkl.
»Ja⊠dös mit dera SchellânâŠ.
»Dös is allerdings firti. Der hat sei Fotzân, und gar isâŠÂ«
»Werân maâs sehen, ob die Sache so einfach verlĂ€uft, also gewissermaĂen im Sande«, erwiderte Elfinger, der nicht ungerne hochdeutsch sprach.
»Was will er denn mit a Klag?« höhnte Magistratsrat Trinkl.
»Bal er zâerscht âs Maul aufreiĂt, net, und ganz ordinĂ€r werdâ⊠und nacha aufâs Gâricht laffân! Na, mei Liaba!«
»Gâricht laufen!«
»Ja⊠da werd halt âs Gâricht sagân, Herr Rechtspraktikant, werdâs sagân, bald Sie eine wĂŒrkliche Bildung besitzen, dĂŒrfen Sie nicht anfangen und die Leute aufreizen, und bald Sie aber die Leute aufreizen, mĂŒssen Sie Ihnen halt diese Behandlung gefallen lassen. A so redât âs Gâricht! Vastandân?«
»Ich rede ja ĂŒberhaupts nicht vom Gericht«, sagte Elfinger etwas ungeduldig.
»Net?«
»Nein⊠durchaus nicht. Das weiĂ man doch, daĂ diese Herren⊠also⊠die wo auf der UniversitĂ€t studiert haben⊠eine Ohrfeige durchaus nicht hinnehmen dĂŒrfen wie unsereinerâŠÂ«
»Geh! Hörâ auf!«
»Nein! Das lest man doch in der Zeitung, daĂ fĂŒr solchene Herren eine Ohrfeige sozusagen eine tödliche Beleidigung ist, und auch bald sie nicht wollen, mĂŒssen sie doch, indem es ein Ehrenstandpunkt istâŠÂ«
»Geh! Hörâ auf!«
»Na, fragâ halt Leutâ, die âs wissen! Ob eine Ohrfeige nicht mit Blut abgewaschen werden muĂ, und bald der Betreffende auch vielleicht nicht willâŠÂ«
»Jetzt muaĂ i scho sagân⊠Elfinger⊠redâ net gar so saudumm daher!«
»Ich rede durchaus nicht saudumm daher⊠und ĂŒberhaupts möchte ich mir das verbitten⊠net wahrâŠÂ«
»Kam er da mitân Bluat oâwaschân⊠und solche SprĂŒch!«
»Weil es wahr ist! Jawohl! Wenn einer natĂŒrlich seiner Lebtag in Dornstein hockt als Lebzelter, weiĂ er nicht, wie solche Vorkommnisse sich auswachsenâŠÂ«
»O mei! Da balst net gehst!âŠÂ«
»Ich war dritthalb Jahr in Erlangen, mein Lieber, wo sich eine UniversitĂ€t befindlich ist, und bald du das nicht woiĂt, kannst es ja nachlesân im Sulzbacher KalenderâŠÂ«
»I huast dir auf dei UniversitÀt!«
»Das ist die Sprache der Ungebildeten⊠das kann ich dir sagenâŠÂ«
»Han?«
»Jawohl! Da muĂ man einmal in der Welt herumgekommen sein, dann schaut man die Sache etwas anders an. Ich hab viel erlebt in dieser Beziehung, und bald ein Student dem anderen eine Ohrfeigen gibt, diese FĂ€lle kennâ ich, und da entscheidet dann das Ehrengericht, ob dieser Betreffende nicht mit der Pistole in der Hand Rechenschaft verlangen muĂâŠÂ«
»Herrgottsakrament, jetzt sagâ i sâ nomal, a so a spinnata Tropf is ma do aa no net fĂŒrkemmaâŠÂ«
»Da spinnt niemand!«
»Net zâ weni, sagâ iâŠÂ«
»Nein! Durchaus nicht! Das ist der Standpunkt der Satisfaktion, wennst dâ scho amal was gâhört hast von dem!âŠÂ«
»Da mĂŒaĂt da SchorschlâŠ?«
»Jawohl!!«
»Da mĂŒaĂt da Pfaffinger Schorschl si vo an so an notinga Hanswurschtân nauf schiaĂn lassân?«
»Jawohl!! Das heiĂt, in dieser Beziehung weiĂ ja der Betreffende nicht, ob ihn das Schicksal trifft, und Ă€hâŠÂ«
»Da Pfaffinger Schorschl, der in a paar Jahr de Brauerei von sein Vata kriagt mit achtavierzâg Wirt⊠undâŠÂ«
»Was hat denn das damit zu tunâŠÂ«
»Und dös schöne Sach in Matzing drauĂân⊠langa koane vierhundert TagwerkâŠÂ«
»⊠AlsoâŠÂ«
»Und a Stuck an achtzâg KĂŒah im Stall⊠der soll siâŠ? Geh! Wia no a Mensch so daher redân ko!«
»Wenn du oan net redân laĂt und allâs besser woaĂt, na brauch ja i net redân«, schrie Elfinger, den der Zorn wieder ins Altbayrische brachte.
»FĂŒr dös Redân kriagst dâ nix«, erwiderte der Herr Magistratsrat Trinkl mit gleichfalls erhobener Stimme. »Kam er do mit sein Studentânschmarrân daher! A DuwĂ€l! Ah! Ah! da kunntâst scho Grean Baamwirt werân!«
»Wenn er an Ehr im Leib hat⊠vastehst!«
»An Ehr! WoaĂt, was da Pfaffinger Schorschl hat? An Diridari hat a! Maxi hat a! Und auf dei Ehr isâŠÂ«
»Mit dir ko ma net streitân; dös woaĂ ma scho! Weil du a Hammi bist!«
»I?«
»Ja du! FĂŒr dös bist du bekannt in ganz Dornstoa!«
»Ah! Der is guat! Was bist na du?«
»Is scho recht!«
»Was bist na du? A spinnata Deifi bist dâ. Mitân Bluat oâwaschân kam er daher! Wasch da du âs Hirn mit Salmiak, dös werd gâscheiter sei!«
»Sie sind ein ordinĂ€rer Mensch, Herr Trinkl! Ich verkehre nicht mehr mit IhnenâŠÂ«
»Bleibâ halt weg, spinnata Deifl! Spinnata!«
Herr Elfinger hatte sich mit raschen Schritten entfernt und war schon in der Dunkelheit entschwunden, da schrie ihm Herr Trinkl noch durch die hohlen HÀnde nach: »Druck di, du Hanswurscht, mit dein DuwÀl!«
Und zum BĂ€ckermeister Schwarz sich noch immer erregt wendend, fragte er: »Hast dâ scho amal so was Dummâs gâhört? Der brachtâs auĂa, als wenn da Pfaffinger Schorschl so a Karmenadlstudent waar!«
»I habân net recht vastandân«, sagte Herr Schwarz. »Moant er, daĂ de mitân Sabl da so aufanand trischakân mĂŒaĂtân?«
»Oder schiaĂân, vastehst? Mit da Pistolân! Der Pfaffinger Schorschl werd si von so an Hungerleider aufi schiaĂân lassân. Dös kost da denkân!«
»Als der oanzige Sohn vom DanglbrĂ€u in Matzing!« rief BĂ€ckermeister Schwarz voll Hohn aus, denn auch er hatte sogleich die ganze LĂ€cherlichkeit dieses Gedankens erfaĂt.
»Also mir sollt oana mit so aâra DuwĂ€lforderung kem...
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