Mirabeau
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Mirabeau

  1. 260 Seiten
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Über dieses Buch

Alfred Schirokauers Buch 'Mirabeau' bietet einen faszinierenden Einblick in das Leben und Wirken des französischen Politikers und Schriftstellers Honore Gabriel Riqueti, Comte de Mirabeau. Das Buch zeichnet nicht nur den Aufstieg und Fall dieses kontroversen historischen Charakters nach, sondern gibt auch Einblicke in die politischen und sozialen Umwälzungen Frankreichs während des 18. Jahrhunderts. Schirokauer verwendet einen anspruchsvollen literarischen Stil, der es dem Leser ermöglicht, tief in die Gedankenwelt Mirabeaus einzutauchen und die komplexen politischen Machenschaften jener Zeit zu verstehen. Das Buch ist daher nicht nur ein biografisches Werk, sondern auch eine fesselnde historische Studie, die den Leser in den Bann zieht und zum Nachdenken anregt.

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Information

Jahr
2017
ISBN
9788027228911

IV.

Inhaltsverzeichnis

Am Sonnabend, dem 9. Juni 1775, stand die junge Königin Marie-Antoinette auf einem Balkon der Rue de Vesle in Reims, der alten Krönungsstadt der Könige von Frankreich, den Festzug zu erwarten. Der König erschien, nach altem Brauche, allein bei den Aufzügen und sakralen Zeremonien.
Sie trug das gepuderte Haar nach der neuesten Mode hoch aufgebauscht, von einem Busche blauer und weißer Federn gekrönt, den Diamantagraffen im Haare hielten. Zwei Zöpfe ihres prachtvollen aschblonden Haares fielen, in natürlicher Farbe, über die entblößten warmen Schultern.
Die Staatsrobe aus blauem Brokat, mit den goldgestickten Lilien der Bourbonen, stand steif und würdig mit ihrem starren Reifrock um sie her. Ihr liebreizendes feines Gesicht, mit dem pikant gebogenen kecken Näschen, war von Erwartung und Schaulust sanft gerötet. Sie sprach in ihrer Erregung unaufhörlich auf die Polignac und die Lamballe ein, die neben ihr standen.
Jetzt tönten Tubatöne. Die Königin federte elastisch empor. Ein Duft von Puder und Parfüm, von Jugend und Frische strömte von ihr aus in den warmen Junitag.
»Sie kommen, sie kommen!« rief sie und ballte in nervöser Lust das Spitzentuch in den erregungsfeuchten kleinen festen Händen.
Durch das Volk, das die Straße säumte und bisher neugierig zu der Königin hinaufgestarrt und ihr manche spöttische, leise Bemerkung entlockt hatte, rieselte eine Bewegung. Aller Augen richteten sich nach rechts, dem Stadttore zu. Sie kamen.
Zuerst ein Piquet der Garde mit den Fanfaren der Stadt. Dann eine Gruppe Männer, würdevoll einherschreitend in schwarzem Mantel und Kragen, eine Goldlilie auf der Brust: die Vertreter der Stadt Paris, die gekommen waren, dem Könige zu huldigen.
Die Menge schreit: »Hoch der König! Hoch der König!«
Die Königin ist vergessen, ist heute Privatperson, Zuschauerin, wie jede andere Frau aus dem Volke.
Jetzt donnern die Kanonen. Der König hat die Stadt betreten. Von allen Türmen singen die Glocken. Jetzt eine Abteilung Musketiere, die Gendarmen der Garde, die Pagen der großen und kleinen Ritterschaft, die Wagen der Prinzen des Hofes. Und jetzt die Karosse des Königs, geleitet von den Haustruppen, den Schweizern, Garde du corps und Chevaulegers. Die Vertretung der Bürgerschaft bildet den Schluß.
Der König hebt sein breites, dickes, gutes Gesicht zur Königin empor, grüßt mit der schweren Hand und lächelt.
Marie-Antoinette blickt dem Zuge nach. Die Straße ist geschmückt mit Teppichen, die blumig von allen Balkonen, aus jedem Fenster herniederwallen. Von Haus zu Haus spannen sich über den Damm Girlanden, Laubbogen wölben sich, symbolische Statuen prangen mit französischen oder lateinischen Inschriften, Lobpreisungen des jungen Königs.
Unter dem Balkon drängt und schiebt sich das Volk, folgt dem Zuge zur Metropolitankirche, vor deren Tor der Herr von Frankreich das Knie beugen wird, das geweihte Öl vom Kardinal zu empfangen. –
Später steht die Königin im Schloß des Erzbischofs in einem kleinen Saale, ganz allein und empfängt das Kapitel, die Vertretung der Stadt, der Universität, des Präsidiums. Sie hört immer wieder: »Die Tugenden, die Eure Majestät schmücken, sind unzertrennlich von der Grazie, die ihr Gefolge sind« oder »Seit das glückliche Geschick Frankreichs die Tage Eurer Majestät mit denen unseres erhabenen Monarchen verbunden hat, drang ein unaussprechliches Gefühl des Glückes in unsere Herzen. Niemals hat ein strahlenderes Licht, ein reinerer Tag auf unser Haupt herniedergeleuchtet!«
Sie muß auf alle diese ewig gleichen Phrasen antworten, das Lächeln des Spottes verbeißen, das so leicht die Lippen schürzt, für alle diese wichtigen braven Leute das rechte Wort, die bezaubernde Geste finden.
Heute ist die Salbung, morgen am Sonntag die Krönung, dann Bälle, Manöver, Feste. Tagelang, viele, lange, frohe Tage. Die Königin ist in einem Fieber des Genusses, des Erlebens. »Ah,« ruft sie ganz laut beim Feste des Erzbischofs, »diese herrlichen Krönungstage! Mein lebelang werde ich sie nicht vergessen!«
Alles lächelt über diese junge, sprühende, lebensfrohe Begeisterung.
Ganz Frankreich feierte die Krönung Ludwigs XVI. den Juni und einen Teil des Juli 1775 hindurch. Jede Stadt, jeder Weiler baute seine Ehrenpforte, stelzte seine Umzüge der Honoratioren, schwelgte in Bällen und Maskeraden. Die Zeiten waren teuer, das Geld sank täglich im Werte. Die Vergnügungssucht der Menschheit steht immer im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Wohlfahrt.
Auch Pontarlier, ein kümmerliches Städtchen in der Nähe der Grenze des Schweizer Kantons Neuchâtel, dessen Einwohner ebenso rauh und frostig waren wie das Klima ihres Wohnortes, wollte seine Krönungsfeier haben. Den militärischen Teil der Festlichkeiten hatte die Besatzung der dem Orte vorgelagerten Feste Joux auf dem Schlosse in Parade und Gottesdienst vollzogen. Doch die Bürger forderten ihren bürgerlichen Anteil.
Im Salon der Marquise von Monnier, der Gattin des Ersten Rechnungskammerpräsidenten a. D. von Dôle, tagte die Beratung. Alles grübelte angestrengt nach würdigem Begehen.
»Ich hab’s«, rief der Artillerieleutnant von Montperreux und wippte, von seiner Idee geschleudert, im Stuhle auf, daß sein unwiderstehlicher Zopf wie ein ausgestrecktes langes Ausrufungszeichen vom Haupte abstand.
Alles blickte den jäh Erleuchteten an.
»Wir könnten einen Ball veranstalten«, platzte er heraus, allgemeiner Bewunderung seiner erstaunlichen Entdeckerkunst gewiß.
Erwartungen enttäuschen. Ein allgemeines »Oh« der Verachtung fiel frostig auf die Knospen erharrten Ruhmes.
Die hübsche Schwester des Staatsanwalts Michaud, Madeleine, aber nahm das Wort, das gesprochen werden mußte. Sie hatte ihre Gründe. Sie – wie die ganze Stadt – wußte, daß der schneidige Artillerieleutnant in nahen Beziehungen zur Herrin des Hauses stand, in sehr nahen, tuschelte man. Nun hatte Fräulein Madeleine Michaud allerdings keine begründete Ursache, futterneidisch zu sein. Auch sie hatte ihre feste Ration an den Süßigkeiten des Lebens. Aber auf begründeten Anlaß zur Eifersucht legen Frauen kein Gewicht. Sie tun gern, was sich gerade machen läßt. Hier ließ sich etwas machen, hier bot sich eine mildtätige Gelegenheit, den Geliebten Sophie von Monniers zu demütigen. Madeleine zog also ihren hübschen Mund in liebenswürdige Falten und lächelte:
»Herr Leutnant, diese geradezu geniale und durch ihre Originalität verblüffende Idee verrät den vertrauten Umgang mit der klügsten und geistreichsten Dame der Stadt.« Sie verbeugte sich gegen Frau von Monnier, die über diese Bosheit erbleichte.
Die Herren lächelten heimlich, der Leutnant starrte unbegabt, begriff dann, ward bleich und stammelte: »Mein Fräulein – aber mein Fräulein, es war doch nur ein Vorschlag. Wenn er die Billigung des Komitees nicht findet, so – –«
Der Rest ertrank in seiner Verlegenheit.
Jetzt bekam der Staatsanwalt Mut. Sein glattes Juristengesicht ward runzlig im Eifer.
»Die Idee des Herrn Leutnants ist am Ende nicht so abwegig«, bedachte er und hob, Aufmerksamkeit heischend, den Zeigefinger. »Sie läßt sich verwerten. Nur dürfte es kein einfacher Ball sein, sondern ein Maskenball.«
Er sah sich im Kreise um, die Lorgnette vor den kurzsichtigen Augen. Das war doch mal ein Vorschlag!
Er fand indessen nur die ekstatische Begeisterung seiner Schwester. Maskenball war gut, sehr gut. Unter der Maske konnte sie ihren Liebsten einschmuggeln. Im Gebäude der Festlichkeit würde es sicher einen verschwiegenen Winkel geben, der sich zum Liebesneste eignete. Sie hatte leider nicht allzuviel Gelegenheit, dem Gefangenen der Feste Joux zu begegnen.
Sophie von Monnier aber sagte mit einem leisen lieben Lächeln: »Ich finde, wir müßten zu diesem historisch bedeutungsvollen Anlasse einer Krönungsfeier etwas – verzeihen Sie, Herr Staatsanwalt – etwas – Vergeistigteres finden. Ein Maskenball kann sehr gut den Beschluß des Abends bilden. Doch vorher müßte irgend etwas Bezügliches den besonderen Tag besonders weihen!«
Der alte Kommandant der Feste Joux, Graf Saint-Mauris, ihr glühender Verehrer, klatschte in die weißen feinen Greisenhände. »Sehr gut, Madame, ausgezeichnet!«
»Nur daß die Hauptsache noch fehlt«, bemerkte neidisch der Staatsanwalt.
»Ich denke an eine Theatervorstellung«, erläuterte Sophie bescheiden ihren Vorschlag.
»Ausgeschlossen!« rief ihr Gatte mit seiner vertrockneten Stimme. Er hatte etwas Mumienhaftes. Seine Zweiundsiebzig hatten ihn ausgedörrt. »Ausgeschlossen! Theater hat etwas Unsittliches. Diese Berührung der Geschlechter – das Küssen – –«
Seine bleiche Stimme ging in einem Orkan des Widerspruchs unter, der wenig Achtung vor der sittlichen Größe des Ersten Rechnungskammerpräsidenten a.D. bekundete.
Als Ruhe eintrat, sprach Sophie fort, als wäre die Mumie nie zu neuem Leben erstanden. »Es müßte etwas Allegorisches sein. Die Tugenden des Königspaares symbolisiert und – –«
Hier lachte Madeleine heraus. Sie war leider sehr frivol.
»Famos! Und leicht zu machen. Die Tugend des Königs kann ein Eunuch versinnbildlichen. Die Tugend der Königin aber ließe sich am besten durch ein Sieb veranschaulichen!«
Alles schwieg. Dann brüllte der Leutnant lachend los. Marquis von Saint-Mauris meckerte greisenhaft vergnügt, Sophie lächelte gezwungen. Der Marquis von Monnier aber klappte entrüstet mit den Augendeckeln und schnappte nach Luft. Der Staatsanwalt ward Amtsperson.
»Ich muß dich doch sehr bitten, liebe Madeleine,« wandte er sich an die lose Schwester, »von den allerhöchsten Personen nicht in dieser – dieser – obszönen Weise zu sprechen.«
»Was habe ich denn gesagt?« trotzte sie. »Ich habe nur wiederholt, was die Spatzen vom Dach pfeifen. Und was den Spatzen recht, ist –«
»– der Spottdrossel noch lange nicht billig«, vollendete der Bruder. »Merke dir das, oder ich werde in der Öffentlichkeit deine Gesellschaft meiden müssen.«
Madeleine schnitt ein Gesicht, als bedeute die Erfüllung dieser Drohung für sie kein Mindermaß an Glückseligkeit. Schwestern sind Brüdern gegenüber oft ohne rechte Innigkeit – und umgekehrt.
Sophie suchte taktvoll zu überbrücken.
»Es handelt sich hier um eine Huldigung, liebe Madeleine, zu einem Ehrentage des Königspaares. Vergessen wir also alles Gerede in der Verehrung, die wir ja alle den jungen Regenten Frankreichs herzlich entgegenbringen. Beraten wir über den Vorschlag. Wer ist für eine Theatervorstellung, die symbolisch die Tugenden des erlauchten Paares darstellt? Übrigens –« fuhr sie in poetischem Eifer fort – »das Glück könnte zum Schluß ihre Büsten krönen, der Erfolg ihnen huldigen – kurz, ich sehe allerlei Möglichkeiten. Wer ist dafür?«
Alle außer der Mumie waren einverstanden. Herr von Monnier aber sprach: »Ich bleibe dabei, das Theater ist unsittlich. Dieses Berühren der Geschlechter – –«
Keiner hörte auf ihn. Das Ende seines Bedenkens sabberte er vor sich hin.
»Nun erhebt sich die Frage,« erwog der Leutnant, der bisher ob seines ersten Mißerfolges grollend geschwiegen hatte, »wer das Theaterstück verfaßt. Ich bin leider durch anstrengenden Dienst verhindert. Sonst – Sie wissen, ich habe mich oft auf diesem Gebiete – ich darf wohl sagen mit Erfolg – versucht.«
»Schade«, erwiderte Sophie und lächelte ihm liebreich zu.
Madeleine schlug den Abbé vor. Er machte ihr bisweilen Augen. Doch man lehnte ihn ab. Er war zu salbungsvoll, auch in seinen Predigten.
Da ließ der alte gute Marquis Saint-Mauris sich vernehmen. Seine roten Bäckchen glänzten noch polierter als sonst:
»Ich weiß einen. Der ist unser Mann.« Er schwieg pfiffig.
»Nun – reden Sie! Heraus damit, Marquis! Spannen Sie uns nicht auf die Folter.«
Erfreut über den Erfolg seines Erzählertricks, schmunzelte der Kommandant. »Ahnen Sie nichts? Können Sie auch nicht. Er blüht im Verborgenen. Bei mir blüht er – oben auf der Feste.« Er wies mit dem Daumen hinter sich gegen die Wand. Die Feste aber lag just in entgegengesetzter Richtung. Doch das verschlug fast nichts.
»Ihr Gefangener?« rief Sophie.
»Der Graf Mirabeau?« forschte der Staatsanwalt streng.
Madeleine errötete.
»Jawohl«, sagte Herr von Saint-Mauris großartig.
»Darf der denn in...

Inhaltsverzeichnis

  1. Mirabeau
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. I.
  4. II.
  5. III.
  6. IV.
  7. V.
  8. VI.
  9. VII.
  10. VIII.
  11. IX.
  12. X.
  13. XI.
  14. XII.
  15. XIII.
  16. XIV.
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  18. XVI.
  19. XVII.
  20. XVIII.
  21. XIX.
  22. Literatur.