Die Überschreitung der Gegenwart
eBook - ePub

Die Überschreitung der Gegenwart

Science Fiction als evolutionäre Spekulation

  1. 375 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Die Überschreitung der Gegenwart

Science Fiction als evolutionäre Spekulation

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Evolutionäre Spekulation ist bis heute eines der Hauptthemen der Science Fiction. Wolfgang Neuhaus bietet mit seinen Essays, die über viele Jahre in DAS SCIENCE FICTION JAHR erschienen sind, einen Einblick in die unterschiedlichen Schreibweisen, die im Genre möglich sind: von der Space Opera bis zum Cyberpunk, von literarischen Gedankenexperimenten bis hin zu kosmischen Visionen. Ergänzend werden einige Beispiele der visuellen SF vorgestellt. Welche Aussichten hat die Menschheit durch die sich beschleunigenden Prozesse der Technik und der Wissenschaft? Es deuten sich vielfache Überschreitungen in den Verhältnissen der Menschen zu ihrem Körper, zur Umwelt und zu den Maschinen an, die erst in Umrissen zu erfassen sind. Auch wenn die SF als Literatur des Wandels sich immer wieder in Krisen befunden hat, was ihre Gestaltung und ihre Rezeption angeht, so war sie stets in der Lage, neue Formen des ästhetischen Ausdrucks für solche Vorgänge zu finden. Das Genre ist auf dem Weg, eine dem 21. Jahrhundert angemessene Symbolik zu entwickeln, der Neuhaus in seinen Essays nachspürt.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Die Überschreitung der Gegenwart von Wolfgang Neuhaus im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Literatur & Literaturkritik Geschichte & Theorie. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2018
ISBN
9783948616212
THEORIE
»Das Raumschiff zerstört die klassische Lebensform«
Gotthard Günther und die Science-Fiction-Literatur
Es ist fast überflüssig zu sagen, dass die fundamentalen Bewusstseinskategorien, auf deren Boden der Mensch seine bisherige Geschichte getrieben hat, diesen kosmischen Ausblicken gegenüber notwendig versagen müssen. Alles bisher Erlernte und Erfahrene, das ewige und absolute Bedeutung zu haben schien, sinkt jetzt zu einem unbedeutenden Spezialfall hinab, dessen zufällige Geltung sich auf einen winzigen Planeten in einer lokalen Sternengruppe beschränkt, die ihrerseits einen verschwindenden Teil eines galaktischen Systems bildet, das seinerseits nur eines unter Milliarden anderen ist.
Gotthard Günther
»Romanliteratur aus Gebieten der Wissenschaft und Technik« – so lautete eine Umschreibung der Science-Fiction-Literatur, als sie in den Fünfzigerjahren zum ersten Mal in der Bundesrepublik erschien. Gotthard Günther war es, der den Begriff Science Fiction hierzulande einführte, als er die Reihe RAUCHS WELTRAUM BÜCHER[1] herausgab. In der Zeit der Wirtschaftswunderjahre mit ihrem konservativen Sicherheitsdenken und ihrem spießigen Lebensgefühl war es eine Pioniertat, anspruchsvolle SF in der Bundesrepublik zu veröffentlichen. Der ökonomische Erfolg blieb jedoch aus und dieser Umstand verbannte das Genre vorerst in das Reich der Leihbücher und Heftromane.
Wer aber war Günther? Bei der Beantwortung dieser Frage geht es um mehr als nur eine biografische Randnotiz zur bundesrepublikanischen Verlagsgeschichte. Günther, geboren am 15. 6. 1900 in Schlesien und gestorben am 29. 11. 1984 in Hamburg[2], war Philosoph. Er gehörte zu den Grenzgängern seines Fachgebiets, behandelte übergreifende Fragestellungen aus Technik, Natur- und Sozialwissenschaften und arbeitete an der philosophischen Fassung eines neuen »transklassischen Weltbildes«[3]. War Günther in seinen Studienzeiten vor allem durch die Lektüre von Oswald Spengler und Hegel beeinflusst, wandte er sich in den Dreißigerjahren einer Beschäftigung mit formaler Logik und den Naturwissenschaften zu. Über einige Zwischenstationen erfolgt seine Emigration aus dem Dritten Reich[4] in die USA. Eine Professur für Philosophie wird ihm 1943 am Colby College in Maine angeboten. 1948 nimmt er die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Er hat den Ansatz der Kybernetik, wie sie von Warren McCulloch und Norbert Wiener begründet wurde, in seine philosophischen Arbeiten einbezogen und in den Sechzigerjahren mit dem Konstruktivisten Heinz von Foerster am berühmten Biological Computer Laboratory an der University of Illinois in Urbana zusammengearbeitet. In der Bundesrepublik hat Günther einige Gastprofessuren übernommen, aber erst kurz vor Erreichen der Pensionsgrenze wird er 1963 ordentlicher Professor an der Universität Hamburg. Nach dem Ende seiner Tätigkeit in Urbana kommt er 1972 in die Bundesrepublik zurück und hält in den folgenden Jahren Vorlesungen in Hamburg und Westberlin, die ihm eine kleine Anhängerschaft bescheren.
Seit einigen Jahren lässt sich nun eine Wiederkehr seiner Themenstellungen beobachten. Der Philosoph Peter Sloterdijk hat in einem Vortrag Günther in eine Reihe gestellt mit dem Systemtheoretiker Niklas Luhmann und mit dem Theoretiker der Dekonstruktion, Jacques Derrida, was die Suche nach einem neuen Denk-Instrumentarium betrifft. Aktuelle Bezüge auf Günther finden sich verstreut in den Natur- und den Sozialwissenschaften wie in der windigen Trendforschung und – leider – auch in der Esoterik. Seine philosophischen Fachtexte sind schwierig zu lesen. Es sind komplexe Texte, die nur für den verständlich sind, der sich in Fragen von formaler Logik, idealistischer Geschichtsphilosophie und Kybernetik gleichermaßen auskennt. In seinen Texten sind aber auch spekulative Passagen enthalten, die wohl in erster Linie für SF-Leser zu goutieren sind. Welcher Philosoph publiziert schon zu Fragen der Kommunikation mit extraterrestrischer Intelligenz? Günther hat das Mensch-Maschine-Verhältnis, die Bedeutung der Kybernetik und die Zukunft einer zunehmend technisch vermittelten Kulturgeschichte schon früh philosophisch reflektiert und dabei nicht nur das SF-Publikum mit Fragen konfrontiert, die auch heute zur Jahrtausendwende intellektuelle Herausforderungen darstellen.
Die Skizzierung einer zukünftigen Weltgeschichte
Bisher ist Günther hauptsächlich als Logik-Theoretiker rezipiert worden. Wie seine Verdienste für die bundesrepublikanische SF sind auch seine geschichtsphilosophischen Arbeiten in Vergessenheit geraten. Ihre Lesart der Geschichte ist ein Einstieg in seine Auffassung von SF. Um von diesen Arbeiten einen kurzen Eindruck zu geben, sei seine Veröffentlichung Amerikanische Apokalypse[5] erwähnt, in der er den Prozess der Entdeckung Amerikas interpretiert. Historisch sei nachgewiesen, dass der Kontinent bereits mehrmals vor Kolumbus sowohl von asiatischen als auch von europäischen Schiffen angesteuert worden ist, ohne dass diese Entdeckung für irgendwelches Aufsehen in den jeweiligen Heimatwelten gesorgt hätte. Das Wissen um die Existenz der westlichen Hemisphäre wurde in Europa beispielsweise unterdrückt oder schlichtweg nicht wahrgenommen. Diese Art von »Blockade« interessiert ihn, und er hält dieses Phänomen für ein großes Rätsel der Weltgeschichte. Günther beschreibt in dem Text eine Vielzahl von Alltagsbeobachtungen, an denen er den Unterschied zwischen der amerikanischen und der europäischen Mentalität festmachen will. Er kommt beispielsweise auf die amerikanischen Nationalparks zu sprechen, die völlig anders angelegt seien als die europäischen Parks, er erwähnt die Faszination der Wolkenkratzer, die sich tatsächlich nicht mit einer ökonomischen Analyse ausreichend erklären lässt, und kommentiert die große Mobilität der dortigen Einwohner. Solche Phänomene interpretiert er als Beweise für eine größere Distanz zwischen Mensch und Naturlandschaft, für eine zunehmende ideelle Abstraktion der Gesellschaft von konkreten Lebensräumen. Von Anfang an hätten sich die ersten Siedler auf eine Situation einstellen müssen, die in Europa völlig unbekannt war: »the frontier«. Das Land, das sich vor ihren Augen auftat, sei ein Raum ohne Grenzen gewesen, »prinzipiell unbegrenzt ausdehnungsfähig« (bis man an die pazifische Grenze stieß). Dass dieses »Frontier«-Ideologem in der amerikanischen Gesellschaft nach wie vor lebendig ist, zeigt die Bereitschaft, den digitalen Cyberspace oder auch die Besiedlung des Mars zur neuen Grenze zu erklären.
Als eine Folge dieser geschichtlichen Entwicklung sieht Günther die US-amerikanische Kultur befreit vom europäischen »metaphysischen« Erbe, von großen Gedankengebäuden und von angestrengter Tiefgründelei. Der bekannte amerikanische Pragmatismus und die viel zitierte »Oberflächlichkeit« seien das Ergebnis einer Kommunikationssituation, die nicht länger auf metaphysisch »sicherem« Boden stattfinde, sodass die Menschen dort gezwungen seien, ihre Kommunikation immer wieder neu zu begründen. Darin sieht Günther eine gewaltige Chance. Während andere Kulturen in ihrem Bezugsrahmen gefangen bleiben würden, könne sich die US-amerikanische Kultur leichter für neue »Bewusstseinsräume« öffnen. »Wie es scheint, ist es die Bestimmung des amerikanischen Kontinents, lediglich solche Formen des geschichtlichen Lebens anzunehmen und zu ertragen, die wirklich planetarischen Umfangs sind. […] die nächste Hochkultur [wird] die erste ohne regionale Grenzen sein. Sie wird sich über die ganze Erde verbreiten und eine dritte Epoche der Weltgeschichte einführen: die Ära planetarischer Zivilisationen.« Die künftige Weltgeschichte werde sich in einer »radikalen Negation« der europäischen vollziehen. Der wichtigste Pol der Entwicklung zu einer planetarischen Kultur seien eben die USA; sie würden von Europa allerhöchstens Technologien übernehmen, aber nicht den kulturellen Denkballast. Die Entwicklung neuer Technologien in verschiedensten Bereichen mache ein neues Bewusstsein und eine neue Lebensweise möglich. »Das Raumschiff tötet den Symbolismus klassischer Metaphysik, und damit zerstört es die klassische Lebensform.«[6] Es sei an dieser Stelle nicht weiter diskutiert, ob es sich um eine brauchbare kulturphilosophische Erklärung handelt. Die USA sind im Ganzen offensichtlich kein Land aufgeklärter Zeitgenossen und Freidenker. Unangenehme Bewusstseinsphänomene wie einen gewalttätigen Rassismus oder einen rigiden religiösen Fundamentalismus gibt es dort auch. Günther versuchte größere historische Tendenzen zu erfassen, die zu einer neuen Stufe der kulturellen Entwicklung führen können.
Es ist aber keineswegs ausgemacht, dass sich bald ein kosmischer »Ausweg« für irdische Probleme öffnet. Auch wenn die Besiedlung des Mars zum Gegenstand popkultureller Reflexion wird, so ist das doch nur eine Perspektive für die nächsten Jahrhunderte. Den »positiven Beginn einer solchen planetarischen Universalgeschichte« sieht er in weiter Ferne. Günther befürchtet »jahrhundertelange Kämpfe zwischen sich integrierenden Großlandschaften«, bevor es zu einer wirklichen globalen Kultur käme. Und der angekündigte Bewusstseinswandel in dem Buchkapitel über die planetarische Kultur bleibt nebulös, obwohl er sich interessant liest. Günther sieht den Zeitpunkt einer weiteren Ernüchterung der Menschen über ihren Platz in der Welt voraus. Gerade weil die Erkenntnisse aus Mikro- und Makrokosmos die rationale Vorstellungskraft überfordern, werde das Weltbild des »klassischen Menschen« zerrüttet und damit hypothetisch die Chance für ein neues Bewusstsein eröffnet, das man erst in Konturen beschreiben könne. Die neue Epoche der planetarischen Kultur werde durch den »Abbau emotionaler Traditionen und erworbener theoretischer Denkweisen« charakterisiert und den vorangegangenen Zeitaltern »so unähnlich wie möglich« sein. Günther spekuliert über eine Rationalität, die an die Fähigkeit des primitiven Bewusstseins anknüpft, virtuelle »Ereignisserien«...

Inhaltsverzeichnis

  1. Impressum
  2. Inhalt
  3. Meine Affäre mit dem SCIENCE FICTION JAHR
  4. THEORIE
  5. BÜCHER
  6. MEDIEN
  7. Wolfgang Neuhaus
  8. Sachbücher und deutsche Phantastik bei MEMORANDA