Moby Dick
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Moby Dick

  1. 189 Seiten
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Moby Dick

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Über dieses Buch

Der Roman "Moby Dick" von Herman Melville wurde 1851 erstmals veröffentlicht und zählt zu den bedeutendsten Werken der US-amerikanischen Literatur. Er behandelt die Erfahrungen des Erzählers Ishmael, der auf dem Walfangschiff Pequod der Jagd des wahnsinnigen Kapitäns Ahab nach dem weißen Pottwal Moby Dick beiwohnt. Melville beschreibt auf detaillierte Weise den Walfang als Metapher für die Ausbeutung der indigenen Völker und der Natur Amerikas durch die europäischen Kolonialmächte, porträtiert mit Ishmael und Queequeg eine Freundschaft über alle Konventionen hinweg und bringt mit dem Konflikt zwischen Ahab und dem Wal Moby Dick die Grenzen der menschlichen Fähigkeiten zum Ausdruck.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783936137378

Zweiter Teil. Moby Dick

Auch ich, Ismael, gehörte zu dieser Mannschaft. Ich hatte mit allen anderen zusammen gebrüllt, mit den anderen zusammen geschworen; und ich hatte lauter gebrüllt als die anderen und meinen Eid noch lauter bekräftigt, um die Angst in meinem Herzen niederzuschreien. Ein wildes, rätselhaftes Mitgefühl war in mir. Ahabs unstillbarer Rachedurst war mein eigener geworden. Gierig hörte ich auf die Geschichten von jenem mörderischen Ungeheuer, dem ich und alle anderen Rache und Tod geschworen hatten.
Schon seit langen Jahren, wenn auch mit Unterbrechungen, war der einsam ziehende weiße Wal immer wieder in jenen öden Meeren aufgetaucht, in denen die Pottwalfänger am häufigsten jagen. Doch nicht alle wußten von seiner Existenz, und nur verhältnismäßig wenige hatten ihn je zu Gesicht bekommen; und noch kleiner war die Zahl derer, die wirklich Jagd auf ihn gemacht hatten. Es kreuzen ja viele Walfänger zerstreut auf allen Meeren umher, und manche von ihnen stoßen, von Abenteuerlust getrieben, in einsame Breiten vor, so daß sie im Laufe eines Jahres selten oder nie einem anderen Segler begegnen, der ihnen Neuigkeiten bringt. Die ungewöhnlich lange Dauer einer solchen Fahrt, die unregelmäßigen Auslaufzeiten aus den Heimathäfen, all das und andere Umstände erschwerten es lange Zeit, daß bei den Walfangflotten rings um den Erdball genauere Nachrichten über Moby Dick durchsickerten. Allerdings hatten verschiedene Schiffe versichert, daß sie zu der und der Zeit auf dem und dem Breitengrad mit einem Pottwal von ungewöhnlicher Größe und Bösartigkeit aneinandergeraten seien, mit einem Wal, der seinen Angreifern viel Schaden zufügte, ehe er spurlos verschwand. An diesen Berichten gab es keinen Zweifel. Und für viele stand fest, daß es sich bei diesem Wal nur um Moby Dick gehandelt haben kann. Allerdings war es bei der Jagd auf den Pottwal schon häufig vorgekommen, daß sich das angegriffene Riesentier mit wilder Wut, mit List und Bosheit zur Wehr gesetzt hatte. So ist es gut möglich, daß mancher Jäger, der, ohne es zu ahnen, mit Moby Dick aneinandergeraten war, den Schrecken, den er verbreitete, ganz allgemein den Gefahren der Jagd auf den Pottwal zuschrieb, nicht aber der Kraft und der Tücke des einen Gegners: Moby Dick. Auf diese Weise hatte man sich auch bisher ganz allgemein den verhängnisvollen Kampf zwischen Ahab und dem Wal erklärt. Und all jene, die schon früher von dem weißen Wal gehört hatten und ihn nun eines Tages zufällig zu Gesicht kriegten, ließen zuerst einmal kühn und unerschrocken ihre Boote zu Wasser wie bei jedem anderen Pottwal. Auf die Dauer aber entstand bei diesen Angriffen zu viel Unheil. Es blieb nicht bei verstauchten Gelenken oder gebrochenen Gliedmaßen oder schrecklichen Amputationen – sondern mancher Mann verschwand für immer. Diese immer wiederkehrenden Katastrophen steigerten den Schrecken, der von Moby Dick ausging, so daß die Geschichten, die man sich von ihm erzählte, auch das Herz eines unerschrockenen Walfängers erbeben ließen.
Dazu kamen natürlich wilde Gerüchte aller Art, die diese Geschichten weiter übertrieben und mit schrecklichen Einzelheiten ausschmückten. Denn wo sich etwas Furchtbares zuträgt, da wuchern auch die unheimlichsten Gerüchte wie die Pilze im Stamm eines geborstenen Baumes. Auf See aber wuchern die Gerüchte noch weit üppiger als an Land. All das aber wird bei weitem übertroffen, von dem, das man sich unter Walfängern an wunderbaren und gruseligen Geschichten erzählt. Die Walfänger sind, wie alle Seeleute, unwissend und abergläubisch.
Aber sie kommen noch viel enger als alle anderen mit den Wundem und Schrecken des Meeres in Berührung, nicht nur als Zuschauer, sondern im Kampf – sozusagen mit der Hand im Rachen. Einsam in den entlegensten Meeren der Welt, ist der Walfänger allen Eindrücken und Einflüssen ausgesetzt, die seine Phantasie befruchten. So war es kein Wunder, daß die Gerüchte vom weißen Wal schon auf der Fahrt durch allerlei undeutliches Gerede, durch halbe Andeutungen bereichert wurden. Man schrieb ihm übernatürliche Kräfte zu, die ihn zu neuen, ungeahnten Schreckenstaten befähigten, weit über jedes vernünftige, nachprüfbare Maß hinaus. Am Ende hatte kaum einer, der die Geschichten mitangehört hatte, noch Lust, seinem Rachen zu nahe zu kommen.
Immerhin, einige Männer gab es doch, die trotz der Redereien die Jagd auf Moby Dick nicht aufgeben wollten. Eine noch größere Zahl hatte nur unbestimmte Geschichten ohne schreckliche Einzelheiten und abergläubische Ausschmückungen gehört. Sie waren bereit, dem Kampf nicht auszuweichen, wenn er sich ihnen anbot.
Eine der zügellosesten Mutmaßungen, die sich an Moby Dick knüpfte, war die, daß der weiße Wal allgegenwärtig sei. Zu ein und demselben Zeitpunkt sei er in ganz entgegengesetzten Breiten beobachtet worden. Und diese Behauptung hatte sogar einen Schimmer von Wahrscheinlichkeit für sich. Denn wie man die Geheimnisse der Meeresströmungen noch nicht erforscht hat, so bleiben auch die Wege des Pottwals unter dem Spiegel des Meeres seinen Verfolgern großenteils verborgen. Von Zeit zu Zeit haben sie die merkwürdigsten und widersprüchlichen Vermutungen über die unglaubliche Geschwindigkeit hervorgerufen, mit der sich der Wal angeblich in großen Tiefen zwischen den entlegensten Punkten hin und her bewegt.
So viel ist jedenfalls bei amerikanischen und englischen Walfängern bekannt, daß man Wale im nördlichen Pazifik mit Harpunenhaken im Leib gefangen hat, die aus den Gewässern um Grönland stammten. Es ist auch unbestreitbar, daß in einigen Fällen zwischen den beiden Angriffen nur wenige Tage gelegen haben. Deshalb glauben manche Walfänger, daß der Wal die NordWestPassage, die dem Menschen so lange ein Problem war, längst gefunden hat.
Wenn man sich nun einmal an solche Wundergeschichten gewöhnt hatte und wußte, daß der weiße Wal auch wiederholte, tollkühne Angriffe überlebt hatte, so konnte es nicht überraschen, daß manche Seeleute noch einen Schritt weiter gingen und behaupteten, Moby Dick sei nicht nur allgegenwärtig, sondern auch unsterblich. Denn ein wahrer Wald aus Lanzen stecke bereits in seinen Flanken, und dennoch entrinne er jedesmal unversehrt.
Sieht man aber von all diesen übernatürlichen Dingen einmal ab, dann bleibt immer noch genug übrig, um die Phantasie zu beschäftigen. Denn es war nicht einmal seine ungewöhnliche Größe, die ihn von anderen Pottwalen unterschied, sondern seine schneeweiße, tiefgefurchte Stirn und sein hoher, pyramidenförmiger weißer Buckel. Das waren die Zeichen, mit denen er auf dem unendlichen Meer denen seine Gegenwart zu erkennen gab, die ihn kannten.
Sein Körper war weiß gestreift und gefleckt und marmoriert, so daß er Ende am zur Unterscheidung von anderen Walen den Namen der weiße Wal erhielt; ein Name, den er wahrhaftig rechtfertigte, wenn er am hohen Mittag durch das dunkelblaue Meer dahinzog, hinter sich eine Milchstraße von weißem Schaum, von goldenen Lichtern übersprüht. Doch, es war nicht so sehr seine ungewöhnliche Größe, auch nicht seine Färbung oder der mißgestaltete Unterkiefer, was ihn den Walfängern so furchtbar machte, als vielmehr die beispiellose Tücke und Schlauheit, die er bei seinen Angriffen immer und immer wieder bewies. Vor allem seine hinterhältigen Rückzüge waren der Schrecken der Jäger. Denn mehr als einmal soll er mit allen Zeichen der Furcht vor seinen Verfolgern davongeschwommen sein, um dann plötzlich zu wenden, auf sie loszurasen und die Boote in Stücke zu schlagen oder wenigstens zu vertreiben.
Diese Jagd hatte schon manchem das Leben gekostet. Aber solche Unglücksfälle bringt der Walfang eben mit sich, auch wenn man an Land wenig davon spricht. Wenn aber der weiße Wal einen in seiner rasenden Wut zum Krüppel geschlagen oder gar getötet hatte, dann wurde er nicht einfach als Opfer der dumpfen Kreatur betrachtet, sondern als Opfer eines bewußten, teuflischen Anschlags. So ist auch die Wut der verzweifelten Jäger zu verstehen, die inmitten der Trümmer ihrer zerschmetterten Boote und der versinkenden Gliedmaßen ihrer Kameraden herausschwammen aus dem weißen Strudel, den die Raserei des Wals erzeugte, zurück in das Licht einer Sonne, die heiter weiterleuchtet, als wäre nichts geschehen.
Einst hatte ein Kapitän, als seine drei Boote zerschmettert waren und Ruder und Männer im aufgewühlten Wasser umherwirbelten, das Messer aus dem Bug seines zerbrochenen Bootes gezogen und sich auf den Wal gestürzt, um mit der sechs Zoll langen Klinge die tiefliegende Lebensader des Wals aufzureißen. Dieser Kapitän war Ahab. Und da geschah es. Plötzlich war Moby Dick mit seinem sichelförmigen Unterkiefer unter ihm hinweggeschossen und hatte Ahabs Bein abgemäht wie einen Grashalm auf der Wiese. Kein Teufel hätte ihn tückischer treffen können. So ist es leicht zu begreifen, daß Ahab seit diesem verhängnisvollen Schlag unersättlich nach Rache dürstete. Denn er sah in seinem fast krankhaften Haß in dem Wal nicht nur den Urheber all seiner körperlichen Leiden, sondern auch seiner seelischen Qualen. Der weiße Wal schwamm vor ihm wie die Verkörperung alles Bösen. Auf seinen weißen Buckel häufte er den ganzen Haß und die Wut des Menschengeschlechts.
Es ist nicht wahrscheinlich, daß dieser Wahn erst in dem Augenblick von ihm Besitz ergriff, als er vom Wal verstümmelt wurde. Als er mit dem Messer in der Hand auf das Ungeheuer eindrang, hatte er nur einer Regung plötzlichen Abscheus nachgegeben. Und als er den Hieb, der ihn zerfleischte, empfing, da fühlte er wahrscheinlich den rasenden Schmerz der Wunde, aber sonst nichts. Aber jetzt war er gezwungen, heimzufahren, und für endlose Tage, Wochen und Monate lagen sie zusammen in einer Hängematte, Ahab und seine Qual. Sie fuhren mitten im Winter um das trostlose Kap Horn. Und hier wurde er wahnsinnig. Die Tobsuchtsanfälle wiederholten sich und wurden so schlimm, daß die Steuerleute ihn schließlich in seiner Hängematte festbinden mußten. Da lag er in einer Art Zwangsjacke und wurde von den wilden Stürmen hin und her gewiegt. Als dann das Schiff in ruhigere Breiten kam und unter milderen Winden dahinglitt, da schienen auch die Anfälle des alten Mannes zurückgeblieben zu sein am Kap Horn. Er kam hervor aus seiner finsteren Kammer und trat hinaus in Licht und frische Seeluft. Er war bleich, aber ruhig und, wie es schien, gefaßt, er gab seine Befehle so bestimmt wie früher, so daß die Steuerleute bereits Gott danken wollten, daß die furchtbaren Anfälle vorüber waren.
Aber in seinem Innern hatte Ahab seine Raserei noch nicht überwunden. Sie war nicht vorüber, sie hatte sich tief innen zusammengezogen. Äußerlich merkte man ihm nichts mehr an.
So war man in Nantucket auch bereit, ihm wieder ein Schiff anzuvertrauen, und sei es nur, weil die scharfen Rechner auf der Insel ihn besonders geeignet für das blutige Geschäft des Walfangs hielten. Und so jagte der gottlose alte Graukopf unter wilden Verwünschungen seinen JonasWal um die Erde an der Spitze einer Mannschaft, die hauptsächlich aus Deserteuren, Ausgestoßenen und Kannibalen bestand, die obendrein demoralisiert war durch die Hilflosigkeit Starbucks, die Rücksichtslosigkeit Stubbs und die erbärmliche Mittelmäßigkeit Flasks. Solche Matrosen mit solchen Offizieren waren ihm von einem höllischen Verhängnis ausgesucht und zugetragen worden, damit sie ihm zu Helfern bei seiner widervernünftigen Rache wurden. Wie kam es, daß sie sich so ganz zu seinem Werkzeug machten, daß sie seinen Haß zu dem ihren machten? Fragen, auf die ich keine Antwort zu geben weiß.
Rache, das also bedeutete der weiße Wal für Kapitän Ahab. Was er allerdings für mich, Ismael, und was er für die Mannschaft bedeutete, das ist etwas anderes.
Es war die weiße Farbe des Wals, die ihn mir so entsetzlich erscheinen ließ. Denn, obwohl Weiß die Farbe der Schönheit, der Reinheit, die Farbe von Königen und Priestern ist, so lauerte in ihr doch etwas, das die Seele des Menschen mit größerem Schauder erfüllt als das Rot des Blutes. Und wenn diese schwer faßbare Eigenschaft, die Farbe Weiß besitzt, von Vorstellungen erhabener Natur gelöst ist, sich mit einem Ding verbindet, das allein schon durch seine Gestalt Furcht erregt, so steigert sich diese Furcht ins Unermeßliche. Die Gründe dafür sind schwer zu bezeichnen. Aber es ist sicher dieselbe Furcht, die uns beim Anblick des marmorbleichen Todes beschleicht.
Wahrscheinlich ist es auch weniger die Farbe selbst, die uns erschreckt und schaudern macht, als vielmehr das völlige Fehlen jeglicher Farbe eine Farblosigkeit, die ihre Bedeutung unsichtbar in sich trägt.
Für all das war der weiße Wal ein Sinnbild. Wen also wundert die besessene Jagd?
»Pssst! Cabaco! Hast du das gehört?«
Es war Mitternacht, helles Mondlicht. Die Matrosen standen in langgezogener Reihe von der Frischwassertonne rnittschiffs nach achtern, um die Hecktonne zu füllen. Da die meisten von ihnen auf dem Achterdeck standen, waren sie darauf bedacht, nicht zu laut zu sprechen oder mit den Füßen auf den Planken zu scharren. In tiefstem Stillschweigen gingen die Eimer von Hand zu Hand, nur hie und da hörte man das Klatschen eines Segels und das Glucksen am Kiel.
Mitten in dieser Stille geschah es, daß Archy, der in der Nähe der Achterluke in der Kette stand, seinem Nebenmann zuflüsterte: »Pssst! Cabaco! Hast du das gehört?«
»Da, nimm den Eimer! Was soll ich gehört haben?« »Da ist es wieder – unter der Luke – hörst du's denn nicht?
Ein Husten – wie wenn einer hustet.«
»Pfeif auf den Husten. Gib mir den Eimer.« »Da – schon wieder – da ist es! Wie wenn sich ein, zwei Mann im Schlaf umdrehen – jetzt!«
»Verflucht! Mach schon, her damit! Das ist der aufgeweichte Zwieback, der sich dir im Magen dreht – sonst nichts. Schau lieber auf den Eimer!«
»Sag, was du willst, Kamerad, ich hab’ scharfe Ohren.« »Ja, du – du bist genau der Richtige, der die Stricknadeln der
alten Weiber von Nantucket noch fünfzig Meilen draußen auf See hört.« »Grins nur. Wir werden ja sehen, was dahintersteckt. Hör doch! Cabaco! Da steckt jemand im Achterraum, der sich an Deck noch nicht hat blicken lassen. Unser Mogul weiß vermutlich mehr davon.«
In der Nacht nach dem wilden Gelage, mit dem die Mannschaft den Plänen ihres Kapitäns die Zustimmung erteilt hatte, ging Ahab, als es wieder still geworden war, hinab in seine Kajüte. Dort trat er an einen Kasten im Heckbalken, schloß ihn auf und zog eine große Rolle zerknitterter, vergilbter Seekarten hervor, die er vor sich auf dem festgeschraubten Tisch ausbreitete. Er setzte sich davor und studierte angestrengt die verschiedenen Linien und Schraffierungen. Dabei zeichnete er langsam und bedächtig weitere Eintragungen in die bisher noch leeren Felder. Hin und wieder blätterte er in einem der alten Logbücher, die haufenweise neben ihm lagen und in denen vermerkt war, wann und wo bei früheren Fahrten andere Schiffe Pottwale gefangen oder gesichtet hatten.
Während er so in seine Arbeit vertieft war, schwankte die schwere Zinnlampe, die an Ketten von der Decke hing, mit den Bewegungen des Schiffes ständig hin und her und warf im Wechsel Licht und Schatten auf Ahabs tief zerfurchte Stirn, als zeichne ihm bei seiner Arbeit ein unsichtbarer Stift die Linien und Kurven auf, die er selbst auf seiner zerknitterten Karte eintrug.
Aber nicht nur in dieser einen Nacht saß Ahab einsam in seiner Kajüte und brütete über seinen Karten. Fast jede Nacht holte er sie hervor; fast jede Nacht wurden die Linien wieder ausradiert und durch neue ersetzt. Denn auf den Karten der vier Weltmeere, die vor ihm lagen, knüpfte er ein verwirrendes Netzwerk von Strömungen und Wirbeln, immer von dem einen Gedanken besessen, sein Ziel zu erreichen.
Seit einer Reihe von Jahren war Moby Dick immer zur gleichen Zeit in den gleichen Gewässern gesichtet worden. Und in diesen Gegenden hatten sich auch die meisten von den tödlichen Zusammenstößen mit dem weißen Wal zugetragen. Dort wußten die Wellen von seinen Untaten zu erzählen; und dort war auch der Ort, wo den besessenen Alten sein schreckliches Schicksal ereilt hatte, von dem er sich nicht mehr loslösen konnte, das ihn unablässig auf Rache sinnen ließ. Aber die unermüdliche Wachsamkeit, mit der Ahab seinem Feind nachjagte, erlaubte es ihm nicht, alle seine Hoffnungen auf den einen Punkt auf seiner Seekarte zu richten, so verheißungsvoll es auch sein mochte. Sein Schwur ließ seiner Seele keine Ruhe; er konnte die Suche nicht bis dahin aufschieben.
Nun war die »Pequod« gerade zu Beginn der Saison am Äquator aus Nantucket ausgelaufen. So konnte der Kapitän auch bei größter Anstrengung unmöglich die große Reise südwärts um das Kap Horn machen und dann sechzig Grad nordwärts vorstoßen, um das Fanggebiet am Äquator rechtzeitig zu erreichen. Er mußte also die nächste Fangsaison abwarten. Dennoch war es wahrscheinlich richtig gewesen, mit der »Pequod« so zeitig auszulaufen, denn nun lagen vor Ahab dreihundertfünfundsechzig Tage und dreihundertfünfundsechzig Nächte, die er mit allen möglichen Nachforschungen hinbringen konnte, anstatt ungeduldig zu Hause zu verharren. Vielleicht stieß er so auf den weißen Wal, wenn der von seinen eigentlichen Jagdgründen aus eine Ferienreise unternahm; vielleicht tauchte die gefurchte weiße Stirn unversehens vor dem Persischen Golf auf oder in der Bucht von Bengalen oder in der Chinesischen See oder in anderen Gewässern, die diese Bestien aufzusuchen pflegen. Monsun oder Pampa, Nordwest oder Passat: Fast jeder Sturm, außer Samum und Schirokko, konnte der »Pequod« den weißen Wal vor den Bug bringen.
Doch selbst wenn man das alles gelten läßt, dann ist es doch bei ruhiger Überlegung eine Wahnsinnsidee, im unendlichen Ozean einen einzeln ziehenden Wal, wenn man überhaupt auf ihn trifft, als denjenigen zu erkennen, den man zu jagen sucht. Immerhin: Moby Dicks eigenartige, schneeweiße Stirn und sein schneeweißer Buckel sind nicht zu verkennen. »Habe ich ihn nicht gezeichnet?« pflegte Ahab vor sich hin zu murmeln. »Und jetzt soll er mir entkommen? Seine breiten Rückenflossen sind durchbohrt und für immer gezeichnet.« Und hier schweiften seine Gedanken ab, bis sie müde wurden und verblaßten. Auf Deck suchte er dann in der frischen Luft seine Spannkraft wiederzufinden.
Obgleich Ahab nur an Moby Dick dachte, obgleich er jedes Opfer gebracht hätte, um seinem Ziel näher zu kommen, wollte er dennoch nicht völlig darauf verzichten, seine Aufgabe als Kapitän eines Walfängers auszuüben und den, Wal zu jagen, damit die Ölfässer gefällt würden. Mag dies teilweise daran liegen, daß es einer jahrelangen Gewohnheit entsprach, die aufzugeben er nicht in der Lage war, so war der Hauptgrund ein anderer.
Ahab brauchte, um seinen Todfeind, den weißen Wal, zu jagen, Werkzeuge – die Mannschaft seines Schiffes. Er wußte jedoch genau, daß viel Zeit verstreichen konnte, bis man auf den Leviathan traf. Die Matrosen, besonders aber Starbuck, würden während der Wartezeit unwillig werden, meutern, denn sie verlangte es, den Wal zu töten. Ahab, den sein Wahnsinn verschlagen und feinfühlig gemacht hatte, spürte außerdem, daß er die Männer ablenken mußte von der Jagd nach Moby Dick, deren Vorstellung allein schon Grauen erweckte. Hatten sie auch alle den Eid geschworen, so doch mit Schaudern; waren sie auch bereit, dem Eid Folge zu leisten, so galt ihre Leidenschaft doch dem Abenteuer, wie es jede Jagd nach dem Wal versprach, und sie würden nicht gewillt sein, sich dieses Abenteuer nehmen zu lassen, nur mit dem Versprechen, daß sie am Ende der Fahrt ein noch ungeheuerlicheres Erlebnis erwarte. Sie brauchten etwas, um ihren täglichen Appetit zu stillen.
Ahab hatte wohl gespürt, daß er sich zu früh hinreißen ließ, als er das eigentliche Ziel der Reise enthüllte. Nun war seine Stellung gefährdet. Er mußte seine Leute bei Laune halten, sie selbst antreiben, nach Walen auszuschauen – auch wenn er dabei seine Interessen im Moment vergessen mußte. So hörte man ihn jetzt häufiger hinauf zu den Ausguckposten rufen, sie sollten die Augen offenhalten und unbedingt alles melden, was sie erspähten, und sei es nur ein Tümmler. Sein neuerwachter Eifer blieb auch nicht lange unbelohnt.
Es war an einem schwülen, wolkigen Nachmittag. Die Matrosen lungerten auf Deck herum oder schauten müßig hinaus auf das bleigraue Meer. Quiqueg und ich waren ohne besonderen Einsatz damit beschäftigt, eine sogenannte Schwertmatte zu flechten. So still und verhalten es an Bord auch war – es lag irgend etwas in der Luft. Selbst die rauhen Matrosen schwiegen und schienen in sich gekehrt.
Wir waren in unsere Flechtarbeit vertieft, als mich plötzlich ein Laut aufschreckte, so seltsam langgezogen, von einer ganz unirdischen, wilden Musikalität, daß ich wie gebannt nach oben starrte, woher der Laut wie auf Flügeln herabgeschwebt war. Hoch oben in den Salings stand Taschtego, der wilde GayHeader, den Körper vorgebeugt, die Hand weit ausgestreckt wie einen Zauberstab; in kurzen Abständen ließ er den gleichen Ruf ertönen.
»Da bläst er! Wal! Wal! Wal! Dort bläst er! Dort bläst er!« »Wo? Wo?«
»Auf Lee, zwei Meilen ab! Ein ganzes Rudel!« Im Nu war alles in Bewegung.
Der Pottwal bläst so unerschütterlich gleichmäßig, wie ein Uhrwerk tickt. Daran unterscheiden ihn die Waljäger von anderen Arten seiner Gattung.
»Sie wenden!« kam der Ruf Tas...

Inhaltsverzeichnis

  1. Erster Teil. Kapitän Ahab
  2. Zweiter Teil. Moby Dick
  3. Dritter Teil. Die Jagd
  4. EPILOG