Martin Luther - Die Biographie
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Martin Luther - Die Biographie

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Über dieses Buch

Für die eBook-Ausgabe neu lektoriert, mit aktualisierter Rechtschreibung, zahlreichen verlinkten Fußnoten und eBook-Inhaltsverzeichnis || Kaum ein anderer einzelner Mensch hat die Geschichte Deutschlands und ganz Europas so sehr verändert wie Martin Luther (1483-1546). Unzufrieden und frustriert von der Katholischen Kirche seiner Zeit, rebellierte er dagegen und bekämpfte das institutionalisierte Kirchentum, insbesondere den Ablasshandel, mit dem sich Gläubige durch Geld von ihren Sünden freikaufen konnten - und das, ohne jegliche Reue an den Tag zu legen. Trotz enormer Widerstände konnte sich die neue Strömung des Christentums in vielen deutschen Fürstentümern und Städten durchsetzten, was in den Augsburger Religionsfrieden von 1555 mündete, in dem sich beide Religionen tolerierten. - Dass nichtsdestoweniger rund 80 Jahre nach Luthers Tod ganz Europa in einen dreißigjährigen Glaubenskrieg stürzte, war weniger religiös und ideologisch motiviert, sondern es war das Ergebnis politischer Machtkämpfe, Gebiets- und Herrschaftsansprüche, unter denen die Religion politisch instrumentalisiert wurde. || Die Luther-Biographie von Julius Köstlin ist ein äußerst profundes Werk eines echten Kenners der Materie - und zudem in angenehm lesbarem Stil verfasst.

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Information

DRITTES BUCH

Der Bruch mit Rom, bis zum Wormser Reichstag 1517–1521

Erstes Kapitel – Die 95 Thesen

Den Anlass zu dem Kampf, der zur großen Trennung in der Christenheit geführt hat, gab der großartigste kirchliche Prachtbau, den nach dem Willen der Päpste die neue italienische Kunst schaffen sollte, jener Bau der Peterskirche, der schon zu der Zeit, als Luther in Rom war, begonnen hatte. Denn für ihn sollte der Ablass die Mittel beibringen. Auf Julius II. war Leo X. als Papst gefolgt. Sofern die neue Zeit berufen war, die Künste nach verschiedenen Seiten hin neu zu beleben, die Wissenschaft der Alten wieder an’s Licht zu ziehen und den gebildeten, hochgestellten Klassen der Gesellschaft hierdurch eine Quelle reicher geistiger Genüsse zu erschließen, wäre Leo ganz der Mann für sie gewesen. Fremd aber blieb ihm, während er heiter in solchen Bestrebungen und Genüssen sich bewegte, die Sorge um die inneren Schäden der Herde, die er an Christi statt zu weiden vorgab. Der sittlich leichtfertige Ton, der am päpstlichen Stuhle herrschte, wurde wie ein Bestandteil der neuen Bildung angesehen. Was christlichen Glauben betrifft, so wird Leo eine gottlose Äußerung darüber nachgesagt, wie einträglich die Fabel von Christus gewesen sei. Er fühlte keinerlei Bedenken, für das Gotteshaus, das, wie er sagte, die Gebeine der heiligen Apostel schützen und verherrlichen sollte, durch schmutzigen, seelenverderblichen Handel das Geld beizuschaffen. Zugleich pflegten die Päpste von den Ablassgeldern, welche für diesen und für andere Zwecke, z. B. für Krieg gegen die Türken, eingingen, ungescheut Abzüge für anderweitige Bedürfnisse ihrer eigenen Kasse zu machen.
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Abb. 9: Leo X., nach Raphael
Wir müssen indessen, um das Ablasswesen und Luthers Angriff auf dasselbe zu würdigen, uns erst die Bedeutung genauer vergegenwärtigen, welche ihm von den Lehrern der Kirche beigelegt wurde. Hört man einfach aussprechen, dass Erlass oder Vergebung der Sünden für Geld verkauft werde, so muss das freilich Anstoß erzeugen, wo irgend noch ein sittliches, christliches Gewissen sich regt. Man müsste sich dann auch wundern, dass Luther nur so vorsichtig und allmählich, wie wir sehen werden, dazu fortschritt, den ganzen Ablass zu verwerfen. Aber nicht so schroff und nicht so einfach lauteten die Sätze, mit denen man diesen erklärte und rechtfertigte. Man blieb dabei, dass die Vergebung der Sünden durch die Buße, nämlich mittelst des sogenannten Bußsakramentes mit dem Akt der Privatbeichte und priesterlichen Absolution, gewonnen werden müsste. Da spricht der Beichtvater demjenigen, der ihm Sünden gebeichtet hat, für diese die Absolution zu, womit ihm die Schuld vergeben und die ewige Strafe erlassen ist, und vom Beichtenden wird hierbei eine gewisse Zerknirschung des Herzens gefordert, wenn auch eine unvollkommene, die nur aus Furcht vor der Strafe hervorgehen möge, für genügend befunden wird, da solche Unvollkommenheit durch das Sakrament ergänzt werde. Aber, so wird nun gesagt, der also Absolvierte hat auch dann noch schwere Lasten zeitlicher Strafen abzutragen, Strafbüßungen, welche ihm die Kirche aufzulegen hat, und Züchtigungen, welche Gottes Gerechtigkeit beim Erlass der ewigen Strafe doch noch über ihn verhängt. Ist er sie in diesem irdischen Leben nicht losgeworden; so muss er sie, ob ihm auch die Hölle nicht mehr droht, in den Qualen des Fegefeuers abbüßen. Mit Bezug auf sie tritt der Ablass ein: die Kirche begnügt sich mit leichteren Leistungen, wie damals mit einem Geldbeitrag für den heiligen Bau in Rom. Und auch dem gab man eine gewisse rechtliche Begründung: die Kirche nämlich habe über einen Schatz von Verdiensten zu verfügen, welchen Christus und seine Heiligen durch ihre guten Werke vor dem gerechten Gotte zusammengebracht haben und dessen Reichtümer jetzt nach der Verfügung des Stellvertreters Christi den Ablasskäufern zugutekommen sollen. Auf diese Weise konnten jetzt Büßungen, an denen man jahrelang schwer zu tragen gehabt hätte, in kleine, rasch abgemachte Geldleistungen umgesetzt werden. Die Zerknirschung, welche zum Empfang der Sündenvergebung gehöre, ließ man auch dann nicht unerwähnt: so in den offiziellen Ankündigungen des Ablasses und in den Ablassbriefen oder Bescheinigungen, in welchen den Einzelnen gegen ihr Geld der Ablass zuerkannt wurde. Aber in diesen Urkunden und vollends in den Predigten, mit welchen man die Menge zum Kauf herbeirief, wurde das Gewicht so nachdrücklich als möglich auf das Zahlen gelegt. Daneben wurde der Beichte und mit ihr wohl auch jener Zerknirschung gedacht, davon aber, dass der eigentliche Schulderlass hierdurch und nicht durch das Zahlen bedingt sei, geflissentlich geschwiegen: »Vollkommene Vergebung aller Sünden« wurde demjenigen angekündigt, der seinen Beitrag in den Kasten geworfen habe, nachdem er gebeichtet und Zerknirschung empfunden. Für die Seelen im Fegefeuer war vollends nichts gefordert als das Geld, das die Lebenden für sie darbrachten; hier galt: »Sobald der Groschen im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt.« Dabei waren für die einzelnen Vergehen Taxen angesetzt. z. B. für Ehebruch sechs Dukaten.
Vgl. zum Ablass: Beil. 2 [Ablass-Plakat aus dem Jahr 1517: Überschrift, Erster Teil und Unterschrift (Verbot der Wegnahme des Plakats bei Strafe der Exkommunikation)] und Beil. 3 [Ablassbrief, d. 15. April 1517 ausgestellt im Auftrag Erzbischof Albrechts für »Philippus Resfhal presbyter«]
Für einen großen Teil Deutschlands wurde der Ablasshandel, der dem Bau der Peterskirche dienen sollte, vom Papst dem Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg in Kommission gegeben. Wie bei dem Anlass der reformatorischen Bewegungen, so wird dieser höchste deutsche Kirchenfürst auch während ihres Verlaufes wieder in wichtiger Stellung mit dem, was er unterließ und tat, uns begegnen. Albrecht, Bruder des Kurfürsten von Brandenburg und Vetter des Hochmeisters des Deutschen Ordens in Preußen, stand im Jahre 1517, obgleich erst siebenundzwanzig Jahre alt, bereits an der Spitze jener beiden großen deutschen Kirchenprovinzen; zu seinem Magdeburger Sprengel gehörte auch Wittenberg. Wie ihn sein Glück so rasch emporgehoben hatte, so trug er sich auch ferner mit hohen Gedanken. Mit Theologie aber hatte er sich wenig beschäftigt. Er liebte es, als Freund der neuen humanistischen Wissenschaft, wie namentlich eines Erasmus, und als Pfleger der schönen Künste, vornehmlich der Baukunst, zu glänzen und einen Hofhalt zu führen, dessen Pracht seiner Würde und Kunstliebe entspräche. Dazu reichten seine Mittel nicht aus, zumal er schon bei dem Eintritt in sein Mainzer Erzbistum dem Papst nach der herkömmlichen Ordnung für das sogenannte Pallium, ein Kleidungsstück, das die Päpste als Abzeichen dieser Würde verliehen, eine schwere Summe hatte bezahlen und dafür vom Hause Fugger in Augsburg 30 000 Gulden hatte entlehnen müssen, und seinem ganzen Streben und Treiben ging so zeitlebens die Geld- und Schuldennot zur Seite. Es gelang ihm jetzt, mit dem Papst das Geschäft dahin abzuschließen, dass er selbst vom Ertrag des Ablasshandels die Hälfte behalten durfte, um davon dem Fugger jenes Geld zu bezahlen. Hinter den Ablasspredigern, welche des Himmels Gnade den zahlenden Gläubigen verkündigten, standen Agenten jenes Handelshauses, die das Ihrige einzogen. Das Größte im Betreiben des Handels leistete mit Dreistigkeit und einem für diese Zwecke geschickten populären Reden und Schreien der Dominikanermönch Johann Tetzel31, ein in sittlicher Hinsicht übel berüchtigter Mensch, den der Erzbischof als Unterkommissär angenommen hatte.
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Abb. 10: Erzbischof Albrecht nach Dürer’s Kupferstich, 1522
Zeitgenossen schildern uns, mit welch hoher, wohlberechneter Feierlichkeit ein solcher Kommissär auftrat und seine hochgepriesene Tätigkeit eröffnete. In einer Prozession mit Gesang und Glockengeläute, Fahnen und Kerzen zogen ihm Priester, Mönche und Magistrate, Schulmeister und Schüler, Mann, Weib und Kind entgegen. Unter vollem Orgelklang geleitete man ihn in die Kirche. Inmitten des Gotteshauses, vor dem Altar, wurde ein großes rotes Kreuz aufgepflanzt; daran hängte man eine seidene Fahne, die das päpstliche Wappen trug. Vor das Kreuz wurde eine große eiserne Truhe gesetzt, um das Geld aufzunehmen; Exempel einer solchen aus jener Zeit werden jetzt noch an manchen Orten gezeigt. Mit täglichen Predigten, Gesängen, Umzügen um das Kreuz usw. sollte das Volk eingeladen und angeregt werden, das ihm hier dargebotene unvergleichliche Mittel zur Seligkeit zu ergreifen. Auch dafür, dass die Ohrenbeichte schnell ganzen Massen im Einzelnen abgenommen werden konnte, wurde gesorgt. Das Ziel war die Bezahlung, auf welche hin die »zerknirschten« Sünder vom Kommissär einen sogenannten Ablassbrief erhielten, worin er ihnen mit gewichtigem Hinweis die ihm verliehene Vollmacht bezeugte, dass sie vollkommen absolviert seien und jedermann sie demnach zu achten habe.
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Abb. 11: Titelblatt einer Flugschrift aus den Anfängen der Reformation mit Darstellung des Ablasshandels
Auch Proben davon, wie Tetzel predigte und gepredigt haben wollte, besitzen wir noch. Mit Hinweis auf den Ablass wird da dem Volke zugerufen, dass alle, und sonderlich die großen Sünder, Mörder, Räuber usw., zu ihrem Gott umkehren und die Arznei, die der Höchste in seiner Gnade und Weisheit für sie geschaffen habe, empfangen sollen. Der heilige Stephanus habe einst sich zur Steinigung hingegeben, der heilige Laurentius seinen Leib zum Rösten, der heilige Bartholomäus seine Haut zu grausamem Tode: ob dagegen sie nicht einmal eine kleine Gabe opfern wollen, um selig zu werden? Von den Seelen im Fegefeuer heißt es: »Sie, eure Eltern und andere Angehörige, schreien zu euch: wir sind in den härtesten Qualen, ihr könntet uns mit einem kleinen Almosen erlösen und wollt nicht; wir haben euch erzeugt, ernährt, unser zeitlich Gut euch gelassen, und ihr seid so grausam, dass ihr uns, die ihr so leicht freimachen könntet, in den Flammen liegen lasst!«
Allen, welche irgendwie, direkt oder indirekt, öffentlich oder im Verborgenen, den Ablass heruntersetzen, gegen ihn murmeln oder ihm sonst Eintrag tun wollen, wurde angekündigt, dass sie eben hiermit nach päpstlichem Edikt schon der Exkommunikation verfallen seien und von ihr nur durch den Papst oder einen Beauftragten desselben absolviert werden könnten.
Nachdem Luther das Ablasswesen anzugreifen gewagt hatte, gaben auch Verteidiger desselben und heftige Gegner des Reformators zu, dass damals »geizige Kommissarien, Mönche und Pfaffen unverschämt vom Ablass gepredigt und mehr auf das Geld, denn auf Beichte, Reue und Leid gesetzt haben.« Unter dem christlichen Volke erhob sich Anstoß und Ärgernis. So wurde gefragt, ob denn Gott das Geld so sehr liebe, dass er einen um eines heillosen Groschens willen in den ewigen Martern lassen sollte; oder warum der Papst nicht aus Liebe das ganze Fegefeuer leere, wenn er doch um einer so geringen Sache willen, nämlich wegen des Beitrags zu einem Kirchenbau, unzählige Seelen davon freimache. Aber keiner von jenen fand es damals geraten, gegen den groben Unfug, an dessen Früchten dem Papst und Erzbischof so viel gelegen war, ein offenes Wort zu sprechen und die Schmähungen und Lästerungen eines Tetzel auf sich zu ziehen.
Nun kam dieser auch an die Grenzen des kursächsischen Gebietes und in die Nähe Wittenbergs; innerhalb seines Landes nämlich wollte ihn der Kurfürst nicht zulassen, damit nicht zu viel des Geldes weggeschleppt werde. Namentlich in Jüterbok schlug jener seinen Handel auf. Auch Beichtkinder Luthers beriefen sich auf Ablassbriefe, die sie dort erhalten hatten.
Luther warnte vor dem Vertrauen darauf schon im August 1516 seine Gemeinde in einer Predigt, verhehlte auch Bedenken nicht, die er gegen das Ablasswesen überhaupt hegte, während er zugleich bekannte, über manche darauf bezügliche Fragen noch ungewiss und unwissend zu sein. Noch bestimmter sprach er sich aus in einer Predigt zum Kirchweihfeste der Wittenberger Schloss- und Stiftskirche, 31. Oktober 1516, also schon gerade ein Jahr ehe er an dieser seine berühmten Thesen anschlug. Nachdem er dort die Gemeinde ermahnt hatte, die Kirchweihe zu einer rechten Weihe der Herzen werden zu lassen, warnte er sie vor dem »Pomp der Ablässe«, der jetzt vor der Türe stehe: sie sollen sich dadurch nicht verleiten lassen, die wahrhafte Buße zu versäumen, sollen wissen, dass sie durch jene nur von kirchlichen Auflagen entbunden werden können, sollen auch Leistungen und Strafen, die dem Bußfertigen heilsam seien, sich nicht zu entziehen suchen. Er scheute sich nicht, mit solchen Reden auch seinem eigenen, ihm so gnädigen Landesherrn ans Herz zu greifen. Friedrich der Weise nämlich, der in seiner aufrichtigen Frömmigkeit noch die überschwängliche Verehrung des Mittelalters für Reliquien teilte und eine reiche Sammlung derselben bei seiner Schlosskirche zu Wittenberg angelegt hatte und fortwährend zu bereichern bedacht war, erfreute sich ausgedehnter Ablässe, die der Papst freigebig allen gewährte, welche bei einer jährlichen Ausstellung dieser heiligen Schätze andächtig an den 19 Altären der Kirche sich beteiligten. Noch vor wenigen Jahren hatte er ein »Heiligthumsbuch« drucken lassen, das über 5000 solcher Reliquien aufzählte, und zeigte, wie man hier über 500 000 Tage Ablass gewinnen könne. Luther aber predigte wider die verderblichen Einflüsse der Ablässe auf die rechte Buße abermals und noch schärfer gerade als jene Reliquienausstellung mit ihren Ablässen wiederkehrte, im Februar 1517. Er erzählte später selbst, dass er mit solchem Predigen bei Friedrich »schlechte Gnade verdient« habe. Und auch die Ehre und das Interesse seiner Universität kamen dabei in Betracht: denn jene Kirche war mit ihr verbunden, die Stiftsherrnstellen wurden an ihre Professoren verliehen, die Einkünfte des Stifts kamen ihr zugute.
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Abb. 12: Abbildung der Schlosskirche in dem Wittenburger »Heiligthumbuch«, 1509 (der Berg im Hintergrund ist Zugabe des Künstlers)
Luther sagt später von sich, er sei damals ein junger Doktor gewesen, hitzig, frisch aus der Esse gekommen. Er brannte danach, gegen den Unfug einzuschreiten. Aber noch hielt er an sich. Er wandte sich mit brieflichen Vorstellungen darüber an einige Bischöfe. Die einen nahmen ihn wohl gnädig auf, andere lachten, keiner wollte in der Sache etwas tun.
Jetzt wollte er seine Gedanken vom Ablass, seine eigenen Grundsätze, seine Bedenken und Zweifel den Theologen und Kirchenmännern insgemein öffentlich vortragen, ö...

Inhaltsverzeichnis

  1. Innentitel
  2. Vorbemerkung des Herausgebers
  3. ERSTES BUCH
  4. ZWEITES BUCH
  5. DRITTES BUCH
  6. VIERTES BUCH
  7. FÜNFTES BUCH
  8. SECHSTES BUCH
  9. Nachwort des Autors
  10. Anmerkungen zu dieser Edition
  11. Impressum
  12. Fußnoten