1 Einführung
Das vorliegende Buch möchte Organisationen im öffentlichen Sektor auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene ermutigen und unterstützen, aus eigener Überzeugung ihr organisationsspezifisches, wirksames Qualitätsmanagementsystem (QMS) zu entwickeln, einzuführen und anzuwenden. Die konsequente Nutzung und Optimierung des Managementsystems wird der Organisation helfen, ihre Leistungsfähigkeit kontinuierlich und auf allen Ebenen in den Blick zu nehmen, Antworten auf aktuelle und künftige Herausforderungen zu finden, frühzeitig Anpassungen vorzunehmen und so ihre Leistungsergebnisse konsequent an den aktuellen Anforderungen auszurichten. Die Nutzung des Qualitäts-Steuerungskreislaufs und die Ausrichtung an den Grundsätzen des Total Quality Management (vor allem Kunden-/Bürger- und Mitarbeiterorientierung sowie Ausrichtung an Zielen, Wirkungen und Ergebnissen) versetzt die Organisation in die Lage, eine Organisationsentwicklung „von innen heraus“ zu betreiben, eine Kultur des gemeinsamen kontinuierlichen Lernens zu entwickeln und eine dafür erforderliche Vertrauenskultur herauszubilden. Die Umsetzung eines solchen Kulturwandels braucht Geduld, kontinuierliche Maßnahmen und vor allem die Überzeugung und den festen Willen zur Veränderung bei der Leitung und den Führungskräften. Die Arbeit am und mit dem Qualitätsmanagementsystem ist ein kontinuierlicher Prozess, in den alle Beschäftigten einbezogen sind.
Dieses Buch wendet sich an alle, die sich für Qualitätsmanagement in Organisationen des öffentlichen Sektors interessieren und nach Antworten auf z. B. folgende Fragen suchen:
- Was kann Qualitätsmanagement leisten?
- An welchen QM-Modellen und Ansätzen kann man sich orientieren?
- Was sind wichtige Entscheidungskriterien für die Auswahl?
- Was gehört überhaupt zu einem Qualitätsmanagement-System?
- Wie sehen mögliche Vorgehensweisen bei der Entwicklung und Einführung von Qualitätsmanagement aus?
Bürgerinnen und Bürger erwarten von der öffentlichen Verwaltung ein Leistungsangebot, das ihren Bedürfnissen, Anforderungen und Erwartungen entspricht. Optimale Bedingungen sind ein wichtiger Standortfaktor für die Wirtschaft. Die Gesellschaft erwartet von der Verwaltung einen verantwortlichen und schonenden Umgang mit Ressourcen und die Gestaltung eines Umfeldes, das niemanden ausgrenzt. So ist von der öffentlichen Verwaltung insgesamt ein Leistungsangebot gefordert, das die Anforderungen aller Interessengruppen berücksichtigt und Interessenkonflikte in einem sorgfältigen Abwägungsprozess auf transparente Weise ausbalanciert. Die Nichterfüllung von Erwartungen an die öffentliche Verwaltung wird immer weniger akzeptiert, es wird ein Leistungs- und Serviceniveau wie in der Privatwirtschaft erwartet. „Die Effektivität politischer Maßnahmen und die operative Leistungsfähigkeit und Qualität öffentlicher Dienstleistungen sind angesichts der sozioökonomischen Krise und des Sparzwangs entscheidende Faktoren im Umgang mit den sich wandelnden Bedürfnissen und Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen.“
Die Ausrichtung an den Grundsätzen des Umfassenden Qualitätsmanagements (Total Quality Management, TQM) kann allen Mitgliedern einer Organisation des öffentlichen Dienstes eine sinnstiftende, mitgestaltende Berufstätigkeit ermöglichen, die dem Gemeinwohl dient. Die daraus resultierende Motivation und Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist gleichzeitig ein Beitrag zu einer effizienten und effektiven Verwaltung.
Die Hinweise, Empfehlungen und Erläuterungen in diesem Buch basieren neben der Auswertung von Fachliteratur auf eigenen Erfahrungen der Autorin, die sie in mehr als 25 Jahren Organisations- und QM-Beratung gemacht hat.
Wer Qualitätsmanagement (QM) einführen möchte, muss eine Vorstellung davon haben, was Qualitätsmanagement überhaupt ist, was es leisten kann, welche Modelle und Herangehensweisen es gibt, in welchem Verhältnis zu anderen Modernisierungsaktivitäten QM steht und welche Kriterien entscheidend für den „richtigen“ Ansatz sind. Wer sich bereits im Vorfeld der Einführung mit den Erfolgsfaktoren, Risiken und hemmenden Faktoren auseinandersetzt, kann sie in den einzelnen Phasen von der Vorbereitung, Entwicklung und Einführung bis zur kontinuierlichen Anwendung gezielt berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund werden in Abschnitt 1 „Grundlagen des Qualitätsmanagements“ zunächst die Begriffe QM, TQM und Qualität erläutert. Es wird dargestellt, wie sich Qualitätskontrolle, Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement voneinander unterscheiden und wie sie auf einander aufbauen und welcher Qualitätsbegriff dem QM zugrunde liegt. In Abschnitt 2 „Qualitätsmanagement in der öffentlichen Verwaltung“ wird der Bezug des QM zu den Zielen und Maßnahmen der Verwaltungsmodernisierung aufgezeigt. Dazu wird u. a. auf zentrale Aussagen in den Programmen der Bundesregierung seit 2006 Bezug genommen. Es werden Aussagen zur Akzeptanz und zur Verbreitung von QM in der öffentlichen Verwaltung getroffen. Anhand ausgewählter Beispiele wird erläutert, was QM hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Organisation bewirken kann und welche externen Ergebnisse z. B. für Bürger, Kunden oder Unternehmen erzielt werden können. Schließlich werden die Erwartungen an ein QM-System und die Rahmenbedingungen des Qualitätsmanagements in der öffentlichen Verwaltung thematisiert. Dazu gehört es auch, die Risiken und Grenzen dessen, was QM leisten kann, aufzuzeigen und deutlich zu machen, was QM nicht leisten kann.
In Abschnitt 3 werden verschiedene QM-Modelle vorgestellt, ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede untersucht sowie Kriterien für die Modellauswahl zusammengetragen. Anschließend folgt in Abschnitt 4 ein erster Überblick über die wesentlichen Elemente eines QM-Systems in der öffentlichen Verwaltung sowie die kulturellen Rahmenbedingungen des Total Quality Managements, die Voraussetzung für die Wirksamkeit des QM-Systems sind. Die Elemente werden in Abschnitt 5 „Einführung eines QM-Systems“ aufgegriffen und hier ausführlich nach Zweck, Inhalt und Funktion im Gesamtsystem beschrieben. Für die Umsetzung in die Praxis werden Ansätze, Methoden und Vorgehensweisen sowie mögliche Instrumente aus der QM-Praxis und den QM-Modellen vorgestellt. Zusätzlich wird auf die vielfältigen Leitfäden und Arbeitsmaterialien verwiesen, die größtenteils aus dem Internet heruntergeladen werden können. Hierin ist bereits ein breites Erfahrungswissen der öffentlichen Verwaltung mit Elementen eines QM-Systems dokumentiert, das es zu nutzen und weiter zu entwickeln gilt. Abschnitt 5 „Einführung eines QM-Systems“ widmet sich des Weiteren den einzelnen Phasen der QM-Einführung in der Praxis. Es wird empfohlen, die Einführung eines QM-Systems als Projekt zu organisieren und hierfür Vorgehensweisen des Projektmanagements zu nutzen. Von der Vorbereitung bis zur Durchführung werden Hinweise und Empfehlungen zur konkreten Ausgestaltung der verschiedenen Phasen gegeben. In Abschnitt 6 schließlich geht es um die „Kontinuierliche Anwendung des QM-Systems“. Dazu gehören die Etablierung einer QM-Organisation in der Linienarbeit, die Überwachung der Wirksamkeit des QM-Systems sowie seine systematische Verbesserung. Der kontinuierlichen Einbeziehung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Qualitätsprozess kommt auch nach Abschluss des Projekts eine besondere Bedeutung für die Entwicklung einer TQM-Kultur zu. Eine große Rolle spielt hierbei der intensive hierarchieübergreifende Dialog zur Entwicklung eines einheitlichen Aufgaben- und Zielverständnisses zu allen von der Behörde eingesetzten Steuerungsinstrumenten, denn:
„anderenfalls werden wesentliche Chancen für einen nutzbringenden Einsatz der Instrumente mit dem Ziel einer effektiveren und effizienteren Verwaltung nicht genutzt.“
Schließlich kann eine externe Begutachtung/Zertifizierung hilfreich sein, das QM-System, die Arbeit daran und damit, nicht aus den Augen zu verlieren.
2 Grundlagen des Qualitätsmanagements
2.1 Begriff des Qualitätsmanagements
Das Image des Qualitätsmanagements in der öffentlichen Verwaltung trägt wenig zur Begeisterung bei. Immer wieder hört man, dass Behörden Qualitätsmanagement mit der internationalen Normenreihe DIN EN ISO 9000 ff. gleichsetzen und von der hier z. T. etwas technokratischen Sprache und dem Abstraktionsgrad der Anforderungen abgeschreckt sind. Stichworte wie „Korsett“, „keine Flexibilität“, „wirkungslos“, „teure Zertifizierungen“, „Bürokratie“ usw. sind im Zusammenhang mit Qualitätsmanagement an der Tagesordnung. Umso wichtiger ist es, einen klaren Begriff und eine klare Vorstellung davon zu haben, was Qualitätsmanagement bedeutet – zunächst losgelöst von einzelnen Modellen. Diesem Begriffsverständnis dienen die folgenden Abschnitte.
Zu Beginn eines QM-Grundlagenseminars bitte ich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sich für fünf Minuten mit der Frage zu beschäftigen: Was ist erforderlich, damit eine Organisation gut funktioniert und sie hervorragende Leistungsergebnisse erzielt? Ich bitte die Teilnehmenden, ihre Ergebnisse – das können sowohl materielle als auch immaterielle Aspekte sein – auf Metaplankarten zu schreiben. Anschließend werden die Karten sortiert und verschiedenen Themenclustern zugeordnet. Abb. 1 zeigt das Beispiel einer so entstandenen Metaplanwand (auf der folgenden Seite).
Es stellt sich heraus, dass die Teilnehmenden aller Seminare sehr ähnliche Karten schreiben. Als Einflussfaktoren einer leistungsfähigen Organisation werden u. a. regelmäßig genannt: motivierte und qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Ziele, klare Abläufe, ausreichende Ressourcen, Führung, eindeutige Zuständigkeiten, zielgerichtete Fortbildung, funktionierende IT, Kommunikation, Büroausstattung. Diese und weitere Aspekte lassen sich den Oberbegriffen des Qualitätsmanagements, wie sie in den drei großen branchenübergreifenden QM-Modellen enthalten sind, zuordnen: Führung/Verantwortung der Leitung, Strategie und Planung, Personal, Ressourcen und Prozesse. Um genau diese Themen geht es im Qualitätsmanagement auf der Inhaltsseite. Alle großen QM-Modelle enthalten Handlungsfelder zu diesen oder ähnlichen Oberbegriffen (vgl. Abschnitt 4). Sie sind demnach für das „Management bezüglich Qualität“ von Bedeutung. Es scheint ein weitgehender Konsens darüber zu bestehen, was die „Stellschrauben“ für eine leistungsfähige Verwaltung der Zukunft sind. Vor diesem Hintergrund ist es umso erstaunlicher, dass Qualitätsmanagement in der öffentlichen Verwaltung nur zögerlich eingeführt wird. Dieses Zögern mag auch darin begründet sein, dass es selbstverständlich in allen Behörden Aktivitäten, Maßnahmen und Prozesse zu den genannten Oberbegriffen gibt. Was sollte das Qualitätsmanagement also noch zusätzlich bieten?
Es fehlt oftmals das Verständnis, dass es im Qualitätsmanagement darum geht, die Aktivitäten und Prozesse systematisch aufeinander zu beziehen, ihre Wechselwirkungen zu analysieren und ihre Wirksamkeit kontinuierlich zu überprüfen und bei all dem stets die Anforderungen der Kunden/Bürger und weiterer Interessengruppen (z. B. Gesetzgeber, Politik, die Gesellschaft, Unternehmen) im Blick zu haben.
„Qualitätsmanagement wird von der Wirtschaftswissenschaft als Teilbereich des funktionalen Managements definiert. Ziel ist es, die Effizienz einer Arbeit oder von Geschäftsprozessen zu erhöhen und die Qualität von Produkten oder Dienstleistungen zu ermitteln und zu erhalten oder weiterzuentwickeln.“
(eigene Darstellung)
Abb. 1: Erfolgsfaktoren leistungsfähiger Organisationen
Qualitätsmanagement setzt auf die klare Strukturierung und Dokumentation von Zielen, Verantwortlichkeiten und Prozessen sowie die kontinuierliche, zyklische Überprüfung und Verbesserung aller Tätigkeiten und Leistungsergebnisse. Mithilfe des Qualitätsmanagements können Mängel in Prozessen identifiziert, behoben und vermieden werden sowie Leistungen verbessert und kunden-/bürgerfreundlich gestaltet werden.
Betrachtet man die Begriffsdefinition zum Qualitätsmanagement in der DIN EN ISO 9000:2000, so zeigt sich ein eher abstrakter Begriff, der für die Anwendung...