Bürgermeister und Sprache
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Bürgermeister und Sprache

Von der Rede bis zum Tweet

  1. 220 Seiten
  2. German
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Bürgermeister und Sprache

Von der Rede bis zum Tweet

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Reden, Briefe, Pressemitteilungen, Vorträge, Grußworte, E-Mails, SMS, Postings, usw. – die Möglichkeiten, mit der Sprache alles richtig oder aber auch alles falsch zu machen, sind vielfältig.Wie muss Verwaltungssprache sein, damit sie verständlich ist? Was sollte in einem persönlichen Schreiben nicht fehlen? Welche Unterschiede gibt es zwischen der mündlichen und der schriftliche Sprache? Welche rhetorischen Stilmittel sollte ein Bürgermeister beherrschen? Was ist anders bei der Sprache der Social Media?Zu diesen und zu weiteren Fragen gibt dieses Buch Hinweise und praktische Informationen. Es zeigt Fettnäpfe auf und erklärt, wie man diese umschifft. Es macht Probleme deutlich und bietet Lösungsansätze. Dabei wird der Smalltalk ebenso behandelt wie das Verwaltungsschreiben und Social Media. Gegenüber der Erstauflage dieses Ratgebers waren insbesondere Aktualisierungen wegen der rasanten Entwicklung des Internets und der sozialen Netzwerke nötig - etwa bei der Sprache der Online-Kommunikation und bei Hinweisen auf Internet-Quellen. Ein Anhang mit Checklisten und weiterführenden Kontakten zum Thema Sprache runden die Darstellung ab.Die Hinweise in diesem Buch gelten nicht nur für den Rathauschef. Sie bringen auch anderen Verantwortlichen in Verwaltung und Politik wichtige Anregungen.

Häufig gestellte Fragen

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Information

Jahr
2017
ISBN
9783829312103
Auflage
2
Thema
Law

1. Grundlagen

1.1 Sprache

Ein deutscher Denker wollte einmal seinen Dienstherren loben:
„Meinem Dienstvorgesetzten obliegt meine Überwachung, Versorgung und Aufsicht, er nimmt diese Verantwortung zu jedem Zeitpunkt wahr. Dies gilt sowohl für die Ausstattung mit Lebensmitteln als auch für die emotionale Betreuung, wobei er die Richtung gemäß den geltenden Rahmenbestimmungen vorgibt. Für den Fall, dass ich mich einer von Schwierigkeiten geprägten Situation ausgesetzt sehen sollte, die jeglicher Anzeichen einer positiveren Weiterentwicklung entbehrt, bestehen keinerlei Zweifel, dass eine Vermeidung negativer Vorkommnisse seinerseits erfolgen würde. Denn mein Vorgesetzter steht zur Verfügung und verschafft meiner Person mit den Instrumenten, mit denen er ausgestattet ist, eine auf Zufriedenheit ausgerichtete Befindlichkeit. Er bringt hinreichenden Schutz zur Durchführung gegen natürliche Personen mit mir entgegengesetzten Interessen, ferner werden mir seitens seiner Person die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt, die körperliches Wohlbefinden und ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln zu garantieren geeignet sind. Dies hat zur Folge, dass ich positive Bedingungen und eine seinerseits nicht an rationalen Erwägungen orientierten Nachsicht zu genießen in der Lage bin. Dieses wiederum zieht es nach sich, dass mein Aufenthaltsort ohne zeitliche Befristung auf durchaus freiwilliger Basis meinerseits bei meinem Dienstvorgesetzten genommen werden wird.“
Formulierte der Mann wirklich so?
Nein. Martin Luther übersetzte den Psalm 23 folgendermaßen:
„Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele und führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lan, g und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“
Warum wirkt Luthers Text so anders? Warum klingt bei ihm der Psalm so unmittelbar, warum rührt er uns noch ein halbes Jahrtausend später ans Herz? Der Reformator und Sprachkünstler hatte diverse Grundregeln der Stilistik und Rhetorik befolgt. Er vermied Fachwörter und wandte sich stattdessen in einfacher, bildlich-konkreter Sprache dem Volk zu. Heute würden wir sagen: Er orientierte sich am Zielpublikum. Seine rhetorischen Muster und Figuren spielen mit besonderen Klängen (Alliteration: „Der Herr ist mein Hirte“), die Verse quellen über von einprägsamen Bildern („wanderte im finstern Tal“). Wir fühlen mit, wenn Gott den Durstigen „zum frischen Wasser“ führt. Hier spricht keine papierne Theologie; hier wird Gottvertrauen, hier wird Erlösung Gestalt. Der davor stehende erste Text hingegen strotzt vor leblosen Worthülsen: „negative Haltung“, „gemäß den geltenden Rahmenbestimmungen“, „eine auf Zufriedenheit ausgerichtete Befindlichkeit“… Sehr viele Wörter auf -ung reihen sich aneinander (Versorgung, Betreuung, Weiterentwicklung, Begrenzung …), ein zuverlässiges Zeichen für Bürokratensprache, wie wir noch sehen werden.
Luther, einer der sprachgewaltigsten Menschen deutscher Zunge, zeigt eindrucksvoll, wie farbig und unmittelbar ein Text wirken kann. Nicht ohne Grund zählt Psalm 23 zu den meistzitierten Bibelstellen. Lesen wir Luther, lernen wir, was Sprache kann. Sie vermittelt nicht nur Informationen; sie entfacht Gedanken, ergreift, motiviert, fordert heraus.

1.1.1 Sprache und ihre Funktionen

1.1.1.1 Sender und Empfänger

Fragen wir die Leute: „Was soll Sprache?“, dann denken die meisten zunächst, Sprache transportiere Informationen und Ansichten. Das ist richtig, aber nur ein Teil der Wahrheit. Sprache erfüllt noch weitere Funktionen, die auf den ersten Blick weniger offen zutage treten. Sie zeigt die Haltung des Sprechers zum Thema oder zu seinem Publikum, auch wenn er sich rein sachlich äußert. Sie transportiert eine Aufforderung zur Tat, auch wenn sie nicht als solche daherkommt. Stellt zum Beispiel der Bürgermeister im Stadtrat nüchtern fest „Wir müssen sparen“, dann liefert er damit nicht nur eine fiskalische Analyse, sondern will damit auch eigene Fachkompetenz und Weitblick vermitteln, außerdem die Kommune dazu bringen, ihm zu vertrauen und seinem Sparkurs zu folgen.
Um diese verschiedenen Aspekte abzubilden, haben Wissenschaftler ein so genanntes Vier-Seiten-Modell entwickelt, auch Kommunikationsquadrat genannt. Demnach hat eine sprachliche Äußerung vier Seiten: Eine Sachebene, eine Ich-Botschaft, eine Beziehungsseite und einen Appell. Welche Botschaften und Sub-Botschaften auf diese Weise ein einzelner, zunächst nüchtern erscheinender Satz vermitteln kann, zeigt folgendes Beispiel:
Sagt der Bürgermeister fünf Minuten vor einer Sitzung zu seinem Persönlichen Referenten „Die Unterlagen fehlen“, dann sagt er damit gleichzeitig:
  • Die Unterlagen sind nicht da. (Sachebene)
  • Ich bin ungeduldig/Mir gefällt das nicht. (Ich-Botschaft)
  • Du bist mein Untergebener/Du hast einen Fehler gemacht. (Beziehungsseite)
  • Hol schnell die Unterlagen! (Appell)
Ist sich der Referent dieser Ebenen nicht bewusst, dann hat er ein Problem. Sieht er beispielsweise nur die Sachebene und antwortet auf den Hinweis „Die Unterlagen fehlen“ rein faktisch korrekt mit „Ja, das ist richtig“, dann gleicht das einer Provokation.
Konsequenz für Bürgermeister: Was für seinen Referenten gilt, gilt auch für ihn selbst. Seine öffentlichen Äußerungen bewegen sich ebenfalls auf diesen vier Ebenen, und diese teils versteckten Botschaften muss er bedenken. Andernfalls kann er sich im Ton vergreifen oder missverstanden werden.

1.1.1.2 Sprechen ist Handeln: Die Sprechakttheorie

Einen anderen Weg, die Wirkung von Sprache zu beschreiben, versucht die so genannte Sprechakttheorie. Sie lässt sich auf die Formel reduzieren: Sprechen ist Handeln. Wer sich zu einer Sache äußert, vollzieht jenseits der Sachinformation eine bestimmte Handlung – einen „illokutionären Akt“, wie die Wissenschaftler ihn nennen.
Wie eine Äußerung ihre wichtigste Botschaft erst auf dem zweiten Blick vermitteln kann, zeigen folgende zwei Beispiele:
Sagt der Bürgermeister in einer Etatrede „Unsere Stadt kann ihre Leistungen im bisherigen Umfang nur anbieten, wenn wir unsere Mittel effizienter einsetzen“, dann informiert er nicht nur über diese Zusammenhänge, sondern er ruft auch dazu auf, effizient zu wirtschaften.
Sagt der Bürgermeister „Die Opposition war heute konstruktiv“, dann stellt er vorgeblich fest: Die Opposition hilft (lobenswerterweise), das Problem zu lösen. Gleichzeitig aber signalisiert er damit, dass die Opposition sonst eher destruktiv agiert. Das Lob entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Kritik.
Sprachwissenschaftler haben mehrere Kategorien dieser Sprechakte herausgearbeitet, sie definieren also, welche weitere Funktion jenseits einer Sachaussage eine sprachliche Äußerung erfüllt:
  • Repräsentativa: der Redner stellt fest, eine bestimmte Tatsache sei wahr – er informiert zum Beispiel über einen Zustand oder eine Entscheidung.
  • Direktiva: der Redner will eine Handlung auslösen – beispielsweise fordert er zu etwas auf, rät oder erteilt eine Erlaubnis.
  • Kommissiva: der Redner legt sich auf ein künftiges Verhalten fest – er kündigt an, droht oder verspricht etwas.
  • Expressiva: der Redner demonstriert seine Einstellung zu einer Sache, Institution oder Person – er bedankt sich oder bittet um Entschuldigung.
  • Deklarativa: der Redner schafft quasi mit seiner Äußerung eine Wirklichkeit – er kündigt jemandem, er heiratet, er erklärt ein Gebäude für eröffnet.
  • Manche Wissenschaftler definieren sogar noch indirekte Sprechakte. Sie meinen damit die Voraussetzungen einer Äußerung: Ruft der Bürgermeister in seiner Haushaltsrede zum Sparen auf, setzt das voraus, dass das Parlament überhaupt Beschlüsse zum Sparen fassen kann oder darf.
Über solche Sprechakte reden wir, wenn wir uns über die Erwartungshaltung des Publikums Gedanken machen. Beleuchten wir an einem Beispiel, was das in der Praxis bedeutet:
In einer Haushaltsrede wird der Bürgermeister in aller Regel nicht nur sachlich über die Etatzahlen aufklären (repräsentativer Sprechakt), sondern auch die haushaltspolitischen Strategien der kommenden Jahre ankündigen (kommissiver Sprechakt). Das liegt in der Natur der Sache, und das Publikum erwartet diesen Ausblick, wohin die Reise geht. Fällt dieser kommissive Sprechakt weg, sagt der Rathauschef also nichts zur weiteren Haushaltspolitik, werden die Erwartungen des Publikums enttäuscht. Dann muss sich der Bürgermeister den Vorwurf gefallen lassen, er habe „keine Perspektiven gezeigt“.
...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Herausgeber der Reihe BÜRGERMEISTERPRAXIS
  4. Impressum
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. Vorwort
  7. Literaturverzeichnis
  8. Vorbemerkung
  9. 1. Grundlagen
  10. 2. Praxis
  11. Anhang
  12. Stichwortverzeichnis
  13. Anmerkungen