NEUE GHASELEN
1823
Der Orient ist abgethan,
Nun seht die Form als unser an.
Prolog
Sollen namenlos uns länger
Tag’ um Tage so verstreichen?
Kommt, verliebte Müssiggänger,
Trinker, kommt, die Stunden schleichen:
Sammelt rings euch um den Sänger,
Daß er sey bei seines Gleichen.
Was Vernünft’ge hoch verehren,
Taugte Jedem, der’s verstünde,
Doch zu schwer sind ihre Lehren,
Zu verborgen ihre Gründe,
Sie, die von der Tugend zehren,
Ließen übrig uns die Sünde.
Mit erles’ner Zubereitung
Würzen sie gemeine Grillen,
Und posaunen in der Zeitung
Ihren quasi freien Willen;
Doch wir ahnen höh’re Leitung,
Und wir folgen ihr im Stillen.
Was wir fühlen, was wir denken,
Halten d’rum wir im Geheimen,
Denn wer mag ein Korn versenken,
Wenn’s noch nicht vermag zu keimen?
Laßt indeß uns in den Schenken
Liebliche Gedichte reimen!
Ghaselen
Es giebt ein Dichter, ohne Falsch und List,
Sich wie er strebt und wie er lebt und ist,
Er neidet nicht den stoisch-klugen Schwarm,
An Sitte reich, doch an Gefühlen arm,
Indeß Verlust stets wechselt mit Gewinn
In seinem ewig aufgeregten Sinn.
1.
Ein Frühlingsathem kommt aus deinen Landen her,
Es weht ein Duft vom Ort, wo wir uns fanden, her;
Betäubend treibt der Wind des Lenzes Wolgeruch
Von dir zu mir aus Haar und aus Gewanden her;
Es mahnt die warme Luft an schön’re Zonen uns,
Als schläng’ ein Myrtenbusch um uns Guirlanden her;
Mir wird dein Angesicht zur Lenzverkündigung,
Du schickst mir einen Blick, den ich verstanden, her;
Könnt’ ich dem Frühlingshauch nicht öffnen meine Brust,
Wo nähm’ ich solchen Muth in solchen Banden her?
Laß träumen uns dahin, wo bald die Rebe blüht,
Und, Knaben, bringt den Wein, der noch vorhanden, her!
Es kreist die ganze Welt: ein Wirbel reißt auch mich,
Vom Meer des Weins gewiegt, bei dir zu stranden, her;
Bist du es? Ist’s der Lenz? Er zaubert oder du
Die Reize wiederum, die mir verschwanden, her;
Der Winter ist ein Greis, der Frühling schickt den Duft
Der Kränze, die wir einst als Kinder wanden, her.
2.
Der Hoffnung Schaumgebäude bricht zusammen,
Wir müh’n uns, ach! und kommen nicht zusammen,
Mein Name klingt aus deinem Mund melodisch,
Doch reihst du selten dieß Gedicht zusammen;
Wie Sonn’ und Mond uns stets getrennt zu halten,
Verschworen Sitte sich und Pflicht zusammen;
Laß Haupt an Haupt uns lehnen, denn es taugen
Dein dunkles Haar, mein hell Gesicht zusammen!
Doch ach! ich träume, denn du ziehst von hinnen,
Eh’ noch das Glück uns brachte dicht zusammen;
Die Seelen bluten, da getrennt die Leiber,
O wären’s Blumen, die man flicht zusammen!
3.
Die Liebe giebt Genuß und Schmerz, und Vieles tragen wir,
Ein einziges Gesetz ist hart, und dieß beklagen wir:
Wol Alles zwar besitzen wir, sobald der Freund mit uns,
doch müssen Allem, wenn er uns verläßt, entsagen wir!
Ersatz für Manches beut die Welt, für Liebe beut sie nichts,
Wie sollten das verlor’ne Glück dem Sinn entschlagen wir?
Hört ihr von Glück, denkt nicht an Gunst, da nie wir Gunst erlangt,
Doch fühlten, sah’n wir Schönes nur, ein rein Behagen wir;
Es gnügt, dem hohen Cedernwuchs befriedigt nachzuschau’n,
Und nie nach Stand und Vaterland und Namen fragen wir.
4.
Schwarzes Auge! Böser, falscher Dieb,
Sprich, o sprich, wo meine Seele blieb?
Bald vergleich’ ich solch ein Aug’ der Nacht,
Bald der Sonne, die die Nacht vertrieb.
Krause Locke! Ringle Gold in Gold,
Denn du mahnst an junger Reben Trieb;
Lebte wol ein Alexander je,
Der so schöne Knoten frech zerhieb?
Weisse Hand! Verwalte Schenkenamt,
Gieb mir Wein! O gieb mir Wein! O gieb!
Was mir allzuhoch, vergäß’ ich gern,
Aber ach! es ist mir allzulieb:
Gern bewahrt’ ich der Gedanken Saat,
Wäre nicht mein armes Herz ein Sieb.
5.
Wenn dich mein Blick vermocht zu finden auch,
Nie doch vermag er, dich zu binden auch;
Dein Wuchs ist schlank, wie einer Pappel Wuchs,
Doch ach! du neigst dich allen Winden auch;
Du schüttelst stolz dein krauses Veilchenhaar,
Bei Gott! Wie Veilchen wird’s verschwinden auch;
Der hart...