1Einführung
Die Apotheken nehmen eine Schlüsselstellung im deutschen Gesundheitswesen ein, da ihnen „die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung“ (§ 1 Abs. 1 ApoG) obliegt. Die Apotheke übt vor diesem Hintergrund die folgenden Aufgaben aus:
die Produktion von Arzneimitteln,
die Abgabe von Arzneimitteln und Medizinprodukten an die Patienten (Handel) und
die Aufklärung der Patienten über Nebenwirkungen und mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten (Beratung).
Daneben vertreibt die Apotheke „apothekenübliche Artikel“ wie Nahrungsergänzungsmittel, kosmetische Erzeugnisse und andere Waren mit gesundheitsförderndem Bezug.
Die konstitutive Einbindung der Apotheke in das Gesundheitswesen und ihre Stellung als Handels- und Produktionsbetrieb verorten die Apotheke im Schnittpunkt mehrerer säkularer Einwicklungen:
Die Nutzung von Skaleneffekten und der Fixkostendegression: Diese produktionstechnischen Besonderheiten sowie zunehmende Regulierungen und die Intensivierung des Preiswettbewerbs führen zu einer Konzentration bei der Produktion. Im Bereich der Apotheke wird dies durch ein verstärktes Zurückdrängen des produzierenden Elements deutlich; der Vertrieb von Fertigarzneimitteln überwiegt in der Durchschnittsapotheke die Produktion von Arzneimitteln bei weitem.
Das Internet zieht zum einen eine verstärkte Markttransparenz sowohl für den Kunden bzw. Patienten als auch für den Mitwettbewerber nach sich. D. h., dass sich die Preissetzungsspielräume in den Bereichen, in denen die Preise frei gebildet werden können, sukzessive verengen. Zum anderen ist das Internet das Fundament für neue Geschäftsmodelle, von denen eine Intensivierung des Wettbewerbs insbesondere im Einzelhandel ausgeht. Die Internetapotheke wird damit zu einem omnipräsenten und effektiven Wettbewerber der stationären Apotheke.
Der technische Fortschritt im Gesundheitswesen erweitert die medizinischen Handlungsoptionen erheblich. Dieser Sachverhalt führt zusammen mit der demographischen Entwicklung zu einer zunehmenden Einengung der finanziellen Spielräume im Gesundheitswesen. Der deutsche Gesetzgeber hat darauf seit Mitte der 1970er-Jahre mit einer Fülle von Kostensenkungsgesetzen reagiert, ohne der Entwicklung Herr werden zu können.
Dies sind die groben Entwicklungstendenzen, mit denen sich der Arzneimittelmarkt und damit die stationäre Apothekenlandschaft konfrontiert sehen. Vor diesem Hintergrund wird es für die stationäre Apotheke zunehmend wichtiger, die Organisation effizient zu gestalten sowie Geschäfts- und Arbeitsprozesse hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit zu prüfen.
Ein effizientes Management der vorhandenen Ressourcen setzt jedoch entsprechende Informationen voraus, die nur eine Kostenrechnung liefern kann: Sie verschafft die notwendige Datengrundlage zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit der Apotheke, stellt eine verursachungsgerechte Kalkulation der Leistungsangebote sicher und schafft Transparenz über die tatsächlichen Kosten des Produkt- und Leistungsangebots.
Trotz ihrer großen Bedeutung für das Apothekenmanagement ist die Kostenrechnung in vielen Apotheken noch kaum verbreitet. Vielfach begnügen sich Apotheker mit den Informationen, die sie aus dem Jahresabschluss oder aus der betriebswirtschaftlichen Auswertung im Zusammenhang mit der durch den Steuerberater durchgeführten Buchführung erhalten.
Da sich keine Werke identifizieren lassen, die sich mit den Besonderheiten der Kostenrechnung von Apotheken auseinandersetzen, soll das vorliegende Buch diese Lücke schließen und die Einsatzmöglichkeiten der Kostenrechnung in Apotheken umfangreich und detailliert erläutern. Dabei wird das Konzept der Kostenrechnung Schritt für Schritt entwickelt, sodass der Leser auf diese Weise einen detaillierten Einblick in die kostenrechnerischen Grundlagen sowie spezifischen Instrumente bekommt, die in der Apotheke angewandt werden können.
Insbesondere hat dieses Buch die folgenden Ziele: Es soll
einen verständlichen Einblick in die Grundprinzipien der Kostenrechnung und Kostensteuerung geben,
die einschlägigen Begrifflichkeiten vermitteln,
die theoretischen Grundzusammenhänge erläutern,
die Verwertbarkeit des Instrumentariums für die Apotheke aufzeigen sowie
Ansatzpunkte für die Lösung individueller Problemlagen vermitteln.
2Die öffentliche Apotheke und ihre Rahmenbedingungen
Die öffentliche Apotheke agiert auf einem Markt, der sich durch eine Vielzahl von Regulierungen auszeichnet. Dazu gehören zuvorderst die folgenden gesetzlichen Normen:
Gesetz über das Apothekenwesen (Apothekengesetz – ApoG) Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung – ApBetrO) Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz – AMG) Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz – ChemG) Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz – BtMG) Dabei zeichnet sich der Handlungsspielraum der öffentlichen Apotheke durch die folgenden wesentlichen Charakteristika aus:
Niederlassungsfreiheit: Die öffentliche Apotheke unterliegt nicht einer räumlichen Niederlassungsbeschränkung wie dies etwa bei ambulant tätigen Ärzten der Fall sein kann. Öffentliche Aufgabe (§1 Abs. 1 ApoG): Die Apotheke erfüllt eine öffentliche Aufgabe, nämlich die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Fremdbesitzverbot (§ 2 Abs. 1 i. V. m. §§ 7 und 8 ApoG): Di...