Mardi Gras und Queer History Down Under
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Mardi Gras und Queer History Down Under

Zur Geschichte der australischen Schwulen- und Lesbenbewegung

  1. 48 Seiten
  2. German
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Mardi Gras und Queer History Down Under

Zur Geschichte der australischen Schwulen- und Lesbenbewegung

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Über dieses Buch

Sydney, so Jan Feddersen in seinem Nachwort zu dieser Queer Lecture, habe sich in den letzten Jahren zu einem "Mekka queeren Bewusstseins" gemausert. Der australische Historiker Graham Willet stellt in seinem informativen Überblick dar, wie sich die australische Schwulen- und Lesbenbewegung entwickelt hat. Interessant sind dabei vor allem die Besonderheiten, die sich aus der Einbindung in den Britischen Commonwealth und daraus ergeben, das sich Antidiskrimierungspolitik in deutlicher Beziehung zur Politik gegenüber den Aborigines entwickelt hat: ein interessanter Blick auf eine Entwicklung fernab von Europa und den USA – nicht nur für jene, die nach "Mekka" pilgern wollen.

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Information

Jahr
2013
ISBN
9783863001629
MARDI GRAS UND
QUEER HISTORY DOWN UNDER
ZUR GESCHICHTE DER AUSTRALISCHEN
SCHWULEN- UND LESBENBEWEGUNG
Ein Mitglied der lesbischen Bürgerrechtsbewegung Töchter der Bilitis (Daughters of Bilitis) betonte im Verlauf einer Diskussion in ihrer Gruppe, es wäre närrisch zu erwarten, dass wir innerhalb unserer Lebenszeit irgendeinen größeren Umschwung in der Haltung der Öffentlichkeit gegenüber lesbischer Liebe erleben würden. Das war 1969, im Gründungsjahr ihrer Vereinigung. War die Frau damals zwanzig, wäre sie heute fünfzig; sie könnte aber auch über sechzig oder siebzig sein. Wir wissen nichts über sie, da zu dieser Zeit in den Newslettern der Töchter keine Namen verwendet wurden. Aber wenn wir bedenken, was wir alles an Veränderungen in der Lebensspanne dieser einen Frau erlebt haben, erhalten wir einen Eindruck davon, wie komplett sie mit ihrer Vorhersage daneben lag.
ERRUNGENSCHAFTEN DER GESELLSCHAFTLICHEN LIBERALISIERUNG
Sex zwischen Männern, der in Australien seit Ankunft der Briten ab 1788 strafbar war, ist heute in allen Staaten und Territorien legal. Die Entkriminalisierung hat allerdings ein Vierteljahrhundert gedauert. Australien ist ein Bundesstaat, und die Sittengesetze fallen in die Zuständigkeit der Einzelstaaten. Zwischen 1972 und 1997 haben alle Staaten und Territorien Sex zwischen Männern legalisiert. Darüber hinaus verstößt es in allen Staaten und Territorien gegen das Gesetz, Menschen wegen ihrer Sexualität zu diskriminieren. In einigen Staaten gibt es zudem Antidiskriminierungsgesetze (anti vilification laws): Hier verstößt es gegen das Gesetz, gegen Menschen aufgrund ihrer Sexualität zu hetzen.
Mittlerweile können Lesben und Schwule ganz offen in der Armee dienen. Auch in der Zivilgerichtsbarkeit hat sich vieles bewegt. Das Familiengericht zum Beispiel, das hauptsächlich für die Regelung von Scheidungen und Trennungen und die Entscheidung über die Erziehungsgewalt bei heterosexuellen Lebenspartnerschaften verantwortlich ist, gesteht Lesben und Schwule die Erziehungsgewalt über ihre Kinder zu. Wenn ein Partner/ eine Partnerin homosexuell ist, ist das kein Hinderungsgrund, ihm/ihr die Fürsorge zu übertragen. Und bezüglich der Einwanderung gilt, dass Homosexuelle genauso wie Heterosexuelle nach Australien einwandern können.
Die australischen Regierungsbehörden haben sich in der Antidiskriminierungsarbeit stark engagiert. Die Human Rights and Equal Opportunity Commission, eine Bundesbehörde, die sich mit Diskriminierung befasst, hat etliche kontrovers diskutierte Streitfragen aufgegriffen – beispielsweise die Probleme junger Homosexueller im ländlichen Australien – und sehr interessante und wichtige Forschungen über die Benachteiligungen, unter denen diese Menschen leiden, veranlasst. Und sie hat Vorschläge erarbeitet, wie die Diskriminierung, die sie erfahren, am besten bekämpft werden kann.
Die Polizei, in Australien den Bundesstaaten unterstellt, verfügt über eigene Verbindungsbeamte speziell für die Belange der Homosexuellen (police gay community liaison committees): Sie bringen die Polizei und Mitglieder der Community zusammen, um über die in der Vergangenheit so zahlreichen Probleme zu sprechen und gegen die häufigen Konflikte anzugehen beziehungsweise sie zu vermeiden.
Wann immer ich früher über dieses Thema zu Studenten gesprochen habe, habe ich gesagt, dass irgendwann innerhalb der nächsten fünf oder zehn Jahre die volle rechtliche Gleichstellung in unsere Reichweite kommen wird. Ich denke heute, dass wir – abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen, auf die ich noch zu sprechen komme – tatsächlich die rechtliche Gleichstellung für Lesben und Schwule in Australien erreicht haben. Und das ist wirklich bemerkenswert, gemessen an den Erwartungen der Menschen im Jahr 1969.
Unterhalb der staatlichen Ebene gibt es in Australien Organisationen wie Gewerkschaften und berufsständische Organisationen, die sich in der überwiegenden Mehrheit bewusst sind, dass sie schwule und lesbische Mitglieder haben, und dass sie in der Verantwortung stehen, sie vor Diskriminierung zu schützen und sie in ihrer beruflichen Laufbahn zu unterstützen.
Es gibt heute in der australischen Gesellschaft ein hohes Maß an Akzeptanz – oder zumindest weitverbreiteter Toleranz – gegenüber Homosexualität. Das jährliche Mardi Gras in Sydney, ein dreiwöchiges schwullesbisches Festival mit Parade, Festveranstaltungen und Tanzparty, ist ein nationales Event, das häufig im Fernsehen übertragen wird. Es ist auch ein Event der Stadtgemeinde, und zwar nicht nur der schwulen und lesbischen Gemeinde, sondern ganz Sydneys. Um die Mardi-Gras-Parade wirklich zu erleben, muss man dort sein und mit Hunderttausenden von Leuten auf die Straßen Sydneys gehen. Sehr häufig tun das ganze Familien. Die Leute ‹schützen› ihre Kinder nicht vor diesem Schauspiel, sondern sie führen sie eher hin, um zuzuschauen und Spaß zu haben.
Das spiegeln auch Meinungsumfragen wider: Etwa zwei Drittel der Australier sagen, dass sie Homosexualität nicht für unmoralisch halten – allerdings ist etwa ein Drittel durchaus dieser Ansicht. Vergleicht man diesen Anteil mit den USA, wo das Verhältnis 50 zu 50 ist, gewinnt man ein Gespür für das Maß an Toleranz, das Australien erreicht hat. Werden Australier gefragt, ob es Homosexuellen erlaubt sein soll, verantwortungsvolle Positionen im öffentlichen Leben zu übernehmen, stimmen etwa 70 Prozent dem zu. Als etwa der High Court Justice Michael Kirby, Richter am Höchsten Gerichtshof Australiens, vor ein paar Jahren erklärte, dass er homosexuell ist, stieß das kaum auf Interesse und auf keinerlei Gegnerschaft. Keine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens erhob ihre Stimme und sagte, dass es sich nicht gehöre, dass ein Richter am Höchsten Gericht schwul ist.
Homosexuelle sind im öffentlichen Leben Australiens gut sichtbar. Vor allem in Film und Fernsehen, in den Zeitungen und Magazinen ist es ganz normal, Hinweise auf Homosexualität zu finden. Eine Zeitlang hatte ich es mir zum privaten Forschungsprojekt gemacht, täglich die Zeitungen danach zu durchsuchen, ob nicht vielleicht eine Woche lang nirgendwo Homosexualität erwähnt werden würde. Gelegentlich war das der Fall, allerdings sehr selten. Die Realität zeigt, dass Homosexualität einfach präsent ist, und deshalb taucht sie auch noch an den seltsamsten Orten auf.
Ein Beispiel, das vielleicht trivial erscheinen mag, es aber meiner Meinung nach nicht ist, sind Australiens eigene Soap Operas. Diese Seifenopern werden um sechs oder sieben Uhr abends ausgestrahlt. Einige von ihnen laufen schon 20 Jahre, aber bis 2005 hatte keine einzige von ihnen sich jemals mit Homosexualität befasst. Das Publikum dieser Sendungen besteht hauptsächlich aus Teenagern, und man meinte wohl, dass sie mit dem Thema nicht konfrontiert werden sollten. Doch auf einmal, 2004, begannen die Soap Operas, sich mit homosexuellen Fragen zu befassen und Schwule als Figuren zu integrieren. Ich glaube, das war ein wirklich wichtiger Durchbruch.
AUSTRALIENS SCHWULLESBISCHE COMMUNITY
Neben der gesellschaftlichen Liberalisierung ist die Entstehung der schwullesbischen Community der andere große Erfolg der vergangenen 40 Jahre. In Australien gibt es schwule und lesbische Bars, Veranstaltungs- und Beratungszentren, Buchhandlungen, Cafés und Restaurants etc., Orte, zu denen Schwule und Lesben gehen können und wo sie willkommen sind. Es gibt außerdem schwule und lesbische Medien, Zeitungen und Zeitschriften, und zwar von teuren Hochglanzmagazinen bis zu Gratis-Straßenzeitungen, auch eigene Programme im Lokalradio und -fernsehen. Zudem gibt es eine sehr vielseitige australische schwule und lesbische Literatur. Sie ist zwar nicht umfangreich, weil Australiens Bevölkerung mit nur 20 Millionen keine große homosexuelle Printmedienindustrie unterhalten kann. Aber regelmäßig erscheinen Sachbücher und belletristische Titel zum Thema. Ferner gibt es Vereine und Interessensgruppen wie etwa Buchklubs und Wanderklubs; für alle Arten von Hobbys und Aktivitäten ist gesorgt. In fast allen Großstädten und vielen der größeren Städte auf dem Land werden jedes Jahr schwule und lesbische Veranstaltungen und queere Filmfestivals durchgeführt.
Ganz offensichtlich gibt es eine Art Community, die sich auch als solche präsentiert: Sie spricht von sich als homosexueller oder schwullesbischer Community. In Australien ist das ziemlich wichtig, denn wenn sich Australien in irgendeiner Hinsicht als etwas Besonderes ansieht, dann durch seine Neigung zum Multikulturalismus. Unser Land besteht aus Communities, vor allem aus ethnischen Communities. Und wenn man die schwule und lesbische Community als eine Art ethnischer Community präsentiert – mit eigenen Treffpunkten, eigener Presse, eigener Literatur, eigenen Festivals und so weiter – dann stärkt das ihren Anspruch auf Legitimität innerhalb der großen australischen Gesamtgesellschaft. Eine Community zu sein, eine schwullesbische Community innerhalb einer Gesellschaft von Communities, ist sehr wichtig, will man den Status der Homosexuellen verbessern. So sind gerade auf dem Feld der Politik Lobbygruppen aktiv, die schwullesbische Themen auf die politische Agenda setzen und als Sprecher der schwullesbischen Community wahrgenommen werden.
ANFEINDUNGEN GEGEN SCHWULE UND LESBEN
Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass in Australien paradiesische Zustände herrschen würden. Es gibt auch eine hartnäckige Schwulen- und Lesbenfeindschaft. Sie zeigt sich vor allem in religiöser Gegnerschaft. Die australischen christlichen Kirchen verharren in homophober Antihaltung allesamt vereint als Opponenten der schwullesbischen Community, obwohl sie ansonsten untereinander sehr zerstritten sind. Die katholische Kirche ist in Australien extrem konservativ. Die Erzbischöfe der zwei größten Städte Sydney und Melbourne sind Global Player in Sachen Konservativismus, gerade auch in ihrer Abwehr gegenüber den Rechten von Schwulen und Lesben. Die anglikanische Kirche zeigt sich gespalten in ihrer Haltung. Der anglikanische Erzbischof von Sydney ist extrem konservativ und einer der weltweit bekannten Führer des anglikanischen Konservativismus. Die anglikanische Kirche von Melbourne ist jedoch sehr liberal, und viele der kleineren Kirchgemeinden unterstützen die schwullesbischen Communities tatkräftig. Diese Zerstrittenheit der großen Kirchen in ihrer Haltung zur Homosexualität reduziert ihren Einfluss etwas. Es gibt zwar außerdem weitere kleinere Kirchen, wie die Baptisten und konservative christliche Organisationen, die gegen sämtliche liberale Werte Front machen, aber sie sind kleine – um genau zu sein: winzige – Organisationen. Und sie kommen auch nur deshalb in die Medien, weil die Medien immer den Widerspruch suchen, und solche Leute werden den Journalisten immer irgendetwas Provokatives erzählen.
Generell habe ich den Eindruck, dass es weiterhin Berührungsängste gibt, eine Unsicherheit, wie weit die Sichtbarmachung und Sichtbarkeit von Homosexualität gehen soll. Wenn zwei Männer in Australien Hand in Hand eine Straße entlang gehen, wird das mit ziemlicher Sicherheit befremdete Blicke auf sich ziehen: Die Leute werden nochmal hinschauen, um sich zu vergewissern, ob sie wirklich gesehen haben, was sie meinen gesehen zu haben, und sie werden häufig nicht gerade glücklich damit sein. Auch wenn sich Menschen gleichen Geschlechts in der Öffentlichkeit küssen, kann vielen Leuten bei dem Anblick sehr unbehaglich werden. Allerdings haben die Australier keinen besonderen Hang zur Provokation, sie neigen auch nicht dazu, andere Menschen auf offener Straße zu beschimpfen. Also kann es zwar ein wenig unangenehm sein, händchenhaltend eine Straße entlang zu schlendern oder einander zu küssen, aber das führt kaum jemals zu einem Ausbruch offener Gewalt. Trotzdem haben wir den Grad gesellschaftlicher Akzeptanz ganz sicher noch lange nicht erreicht, den Heterosexuelle ganz selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen können.
Gewalt und Diskriminierung bestehen fort. Allerdings kann man nur schwer sagen, wie ausgeprägt beides tatsächlich ist, obgleich es Organisationen gibt, die Gewaltakte und antischwule Aktivitäten erfassen und untersuchen: zum Beispiel ist die Selbstmordrate Jugendlicher in Australien verhältnismäßig hoch, verglichen mit dem weltweiten Durchschnitt, und viele glauben, dass sie einen unverhältnismäßig hohen Anteil jugendlicher Homosexueller umfasst. Auch wenn man darüber kaum eine sichere Aussage machen kann, halten jedoch die Fachleute Homosexualität für eine der Hauptursachen für die hohe Suizidrate.
Eines der Haupthindernisse auf dem Weg zur vollen rechtlichen und gesellschaftlichen Gleichstellung von Lesben und Schwulen errichtete jene Bundesregierung, die von 1996 bis 2007 im Amt war. Diese konservative Regierung – verwirrenderweise von einer Partei mit dem Namen Liberal Party gebildet – positionierte sich als moralisch konservativ. Konservativ nicht in einer ausgesprochen bösartigen Weise, aber ganz klar gegen jeden weiteren Fortschritt gerichtet. Es gibt bei ihnen dieses typisch konservative Gefühl von «So weit sind wir mitgegangen, aber das reicht jetzt auch». Das spielt insofern eine Rolle, als die Bundesregierung für viele wichtige Politikfelder zuständig ist.
Der Pensionsfonds etwa, in den die Leute einzahlen, wird von der Regierung verwaltet, und die Auszahlungen hängen zum Teil vom Familienstatus ab. Männer und Frauen, die miteinander verheiratet sind oder in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben, haben andere Ansprüche als Alleinstehende. Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften wurden durch die abweisende Haltung der Regierung de facto benachteiligt. Auch bezüglich der Sozialversicherungen und Unterstützungsleistungen (Arbeitslosigkeit, Renten und so weiter) hat sich die bis 2007 amtierende konservative Bundesregierung geweigert, gleichgeschlechtliche Paare zu berücksichtigen. Die 2008 neugewählte Labor-Regierung hat dann fast alle Bundesgesetze novelliert, die gleichgeschlechtliche Verbindungen zuvor diskriminiert hatten.
Hinsichtlich der Streitkräfte habe ich schon erwähnt, dass offen lebende Homosexuelle im Heer und in den anderen Kampfgattungen dienen können; das hat schon die Labor-Regierung – die Social Democratic Party – der 1980er Jahre veranlasst. Jedoch haben die Konservativen sich geweigert, dies auf die Anerkennung der Lebenspartner der Soldat/innen auszuweiten. Wenn also ein australischer Soldat beziehungsweise eine Soldatin im Kampfeinsatz im Irak oder in Afghanistan getötet wurde, konnte sein/ihr Lebenspartner beziehungsweise seine/ihre Lebenspartnerin nur dann eine finanzielle Entschädigung erhalten, wenn er/sie vom jeweils anderen Geschlecht war. Das galt für eine/-n Lebenspartner/-in desselben Geschlechts nicht. Tatsächlich wurde – soweit bekannt ist – kein Soldat und keine Soldatin aus einer gleichgeschlechtlichen Beziehung getötet. Aber die Sorgen während der Einsätze müssen für schwule und lesbische Militärangehörige besonders schwer gewesen sein.
Obgleich die konservative Regierung somit zum Hindernis auf dem Weg zu völliger rechtlicher Gleichstellung wurde, hat sie die Diskriminierung jedoch auch nicht verschärft. In gewisser Weise ging sie sogar gegen Diskriminierung vor. Als zum Beispiel das Sportministerium – und ich muss wohl nicht extra betonen, wie wichtig der Sport in Australien ist – ein sehr umfangreiches Handbuch zur Bekämpfung der Diskriminierung im Sport herausgab – und zwar nicht nur im Hochleistungssport, sondern auch im Breitensport –, war das ein bedeutsames Ereignis. Und als dann der Bundesminister diese Richtlinien nicht nur guthieß, sondern in den Nachrichten über sie sprach, Presseerklärungen über sie herausgab und erklärte, wie ihre Einhaltung überwacht werden würde, um sicherzustellen, dass sie auch umgesetzt werden würden, war das ein greifbarer und wichtiger Beitrag im Kampf gegen Diskriminierung.
Die Sache bestand für die Konservativen also nicht einfach darin, gegen Homosexuelle zu sein; im Allgemeinen waren sie das nämlich auch nicht. Aber sie waren auf jeden Fall gegen homosexuelle Lebenspartnerschaften, gegen jegliche Anerkennung der Tatsache, dass gleichgeschlechtliche Paare eine Familie sind. Das allerdings war der springende Punkt im Kampf für die Gleichberechtigung der Schwulen und Lesben. Und da sich die Konservativen darauf festgelegt hatten, der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Familien den Weg zu verbauen, fanden sie sich im Visier der Homosexuellenbewegung wieder.
Die Möglichkeit gleichgeschlechtliche Ehen zu schließen, gibt es in Australien nicht, und als Ergebnis der Gesetzgebung der konservativen Regierung kann es sie vorläufig auch nicht geben. 2004, unmittelbar nachdem Kanada gleichgeschlechtliche Ehen legalisiert hatte, erklärte die australische Regierung, dass sie auf Gesetzeswege sicherstellen wollte, dass es keine Möglichkeit geben würde, solche Ehen in Australien anzuerkennen. Das australische Recht verbot nicht explizit die gleichgeschlechtliche Eheschließung, denn als es formuliert wurde, kam niemand auf die Idee, dass es so etwas geben könnte. Aber wenn beispielsweise Menschen aus Kanada verheiratet wiederkommen würden – tatsächlich geschah genau das – würde die Regierung unter Druck geraten, diese Ehen anzuerkennen. Denn es war allgemein bekannt und übliche Praxis: Wer im Ausland heiratet und nach Australien zurückkehrt, muss hier nicht erneut heiraten. Die in Kanada, Deutschland oder anderswo geschlossenen Ehen werden in Australien anerkannt. Somit bestand die Sorge, dass die gleichgeschlechtliche Ehe in Australien durch die Hintertür eingeführt werden würde.
Deshalb erklärte die konservative Regierung im Vorfeld der Wahlen 2004, dass sie ein Gesetz erlassen wollte, das Eheschließungen ausschließlich zwischen Mann und Frau zulassen sollte. Ich vermute, sie hat das nur zum Teil deshalb gemacht, weil sie wirklich glaubte, dass gleichgeschlechtliche Familienbindungen keine echten Familienbindungen seien. Sie hat es auch getan, um die Labor Party in Verlegenheit zu bringen. Die Erwartung war, dass die Labor Party dieses Gesetz ablehnen würde, dass sie also das Recht der Homosexuellen auf Eheschließung verteidigen würde, und dass die Konservativen dies dann im Wahlkampf gegen sie würden verwenden können. Diese Erwartung wurde allerdings enttäuscht, denn die Labor Party streckte einfach die Waffen und erklärte, dass sie die Regierung in dieser Sache unterstützen würde. Und so stimmte sie mit den Konservativen, um die gleichgeschlechtliche Ehe zu verbieten.
Die Folgen dieses Manövers waren allerdings sehr negativ für die Labor Party, sie verlor insbesondere bei der liberalen Mittelklasse, die zu dieser Zeit eine ihrer Hochburgen bildete, an Wählerstimmen. In mancher Hinsicht hat sich die Labor Party durch die Ablehnung der Schwulen- und Lesbenehe mehr geschadet, als sie es durch deren Befürwortung getan hätte. Aber das Ergebnis ist, dass es keine gleichgeschlechtlichen Ehen in Australien gibt und geben kann, bis nicht eine Bundesregierung beschließt, dies zu ändern.
Von welch großer symbolischer Bedeutung das Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe auch immer sein mag – es ist wichtig klarzustellen, dass es tatsächlich keine so große Rolle spielt, weil die Ehe in Australien gar nicht so viele Rechte, Vergünstigungen oder Privilegien mit sich bringt. In den Vereinigten Staaten werden den Menschen eine ganze Menge Leistungen – Krankenversicherung usw. – vom Arbeitgeber erstattet. Dort ist es wichtig, ob der Arbeitgeber ihre Ehen anerkennt. In Australien ist das nicht der Fall; die meisten Rechte sind an die einzelnen Menschen als Bürger gebunden. Die staatliche Krankenversicherung (national health insurance scheme) wendet sich an den Einzelnen. Einen Renten- oder Pensionsanspruch hat man ebenfalls nur als Einzelner. Deshalb gibt es nicht diesen großen ökonomischen Anreiz zu heiraten, um an Zahlungen solcher Art zu gelangen. In diesem Sinne hat die Ehe nicht die schicksalshafte Bedeutung wie vielleicht in anderen Ländern.
Auf der anderen Seite muss betont werden, dass in Australien de facto Lebenspartnerschaften, also eheähnliche Lebensgemeinschaften (common law relationships), in denen die Leute zwar nicht vor dem Gesetz verheiratet sind, aber trotzdem als Mann und Frau zusammenleben, schon seit Langem nahezu gleichgewichtet mit der Ehe sind. Und die Zuständigkeit für solche de facto eheähnlichen Gemeinschaften liegt bei den Landesregierungen (anders als die Ehe, für die die Bundesregierung zuständig ist). Während der langen Jahre einer konservativen Bundesregierung waren viele Landesregierungen in den Händen der Labor Party, und die Länder dehnten in den 1990er-Jahren die Anerkennung der eheähnlichen Lebensgemeinschaften (der de facto Lebenspartnerschaften) systematisch auch auf gleichgeschlechtliche Paare aus. Was also das Landesrecht betrifft, haben gleichgeschlechtliche Paare dieselben Rechte wie gemischtgeschlechtlichen Paare, außer, dass sie eben nicht heiraten dürfen. Und das hat...

Inhaltsverzeichnis

  1. COVER
  2. TITEL
  3. IMPRESSUM
  4. QUEER LECTURES
  5. VORBEMERKUNG ÜBER DEN AUTOR
  6. MARDI GRAS UND QUEER HISTORY DOWN UNDER
  7. LITERATUR
  8. UNBEKANNTES, ERSEHNTES LAND — AUSTRALIEN
  9. INHALTSVERZEICHNIS