4. Working Sessions
Meetings bestimmen in vielen Unternehmen den Alltag. Hier eine Stunde, dort sogar zwei. Auch vor drei- oder vierstündigen Meetings ohne Wasser und Biopausen schrecken manche Manager nicht zurück. Konzentriertes Zuhören wird erwartet. Beiträge sind erwünscht, aber nicht immer willkommen. In Meetings wird Reden und Arbeiten getrennt. Man sitzt zusammen, um zu reden, und dann geht jeder alleine arbeiten. Lustige Idee.
Meetings sind oft schlecht vorbereitet, es sind zu viele Menschen eingeladen und die Agenda ist nur in Teilen interessant. Beliebt sind vor allem Statusmeetings, die dem Chef das Gefühl geben sollen, dass sein Team viele tolle Sachen macht. Die Mitarbeitenden wissen ohnehin längst, woran die Kollegin oder der Kollege arbeitet. Schließlich tauscht man sich aus, in der Kaffeeküche oder beim Mittagessen. Ganz ohne Outlookeinladung und ohne den Vorgesetzten. „Es ist doch wichtig, dass jeder weiß, was der andere tut“, rechtfertigen Chefs oft vierzehntägliche Statusmeetings und gehen davon aus, dass jeder so wenig weiß wie sie selbst.
Meetings bilden das Zentrum des unternehmerischen Geschehens. Sie sind zuerst im Kalender eingetragen, manchmal regelhaft, das ganze Jahr im Voraus. Der Rest – also die Arbeit – rankt sich darum herum. Viele Menschen fahren nach Hause mit dem Gefühl, nur in Meetings gesessen und viel zu wenig Zeit für die Projekte gehabt zu haben. Schade.
Meetings gehören dann sofort abgeschafft, wenn sie zur Gewohnheit geworden sind. Und auch immer dann, wenn nichts mehr dabei herauskommt, also wenn die Menschen, die hier zusammenkommen, nichts zusammen erarbeiten. Meetings statt Zeit für Projekte klingt zwar lustig, fühlt sich für die Betroffenen aber eher unlustig an. Und immer mehr Menschen entscheiden sich dafür, nicht teilzunehmen. Sie suchen Vorwände und Ausreden, weil sie nicht formulieren möchten, dass sie das Schaulaufen im Meeting nicht weiterbringt und wichtige Themen, für die sie gerne ihre Zeit einsetzen würden, liegen bleiben. Deswegen experimentieren einige Firmen gerade mit der Idee „Vier Tage meetingfrei“. Und die Mitarbeitenden freuen sich, dass sie so viel Zeit für konzentrierte Arbeit haben.
Sich zusammenzusetzen, um sich auszutauschen, ist vermutlich in vielen Situationen eine gute Idee. Dafür braucht es aber keine Regelmeetings, sondern eine Küche, einen Spaziergang oder eine elektronische Form von Wiki bis Chat. Gelegenheiten zum Austausch schaffen reicht völlig, um Menschen miteinander in Kontakt zu bringen und Informationen zu verflüssigen. In einer Zeit, in der Menschen sogar Spaß daran haben, ihr Abendessen zu veröffentlichen, ist die Dokumentation der eigenen Leistungen oft keine Hürde. Jedenfalls eine geringere Hürde, als sich Hornhaut am Hinterteil zuzulegen und zu lernen, Langeweile zu ertragen.
Nach dem Motto „No Meeting is a good Meeting“ lassen wir in unserem Modell das Format Meeting ganz fallen. Anstatt sich zusammenzusetzen und zu reden, treffen wir uns, um in einer Working Session miteinander zu arbeiten. Und das, was herauskommen soll, wird gleich am Anfang definiert: etwas Neues, etwas Erarbeitetes, ein sogenanntes Deliverable. In Working Sessions leistet jeder einen Beitrag, gibt seine Expertise und sitzt gefühlt nicht seine wache Zeit ab, um abends müde nacharbeiten zu müssen.
Working Sessions werden vorbereitet und geplant, können aber auch spontan entstehen. Eine Agenda braucht es nicht, denn jede Working Session hat genau ein Thema. An diesem Thema sind alle Anwesenden beteiligt und können einen Beitrag leisten. Für das nächste Thema gibt es eine neue Working Session. Vermutlich mit anderen Teilnehmenden.
Working Sessions gibt es in verschiedenen Formen: als Single Working Session, als Duo Working Session oder als Team Working Session. Und es gibt ein paar Tools, die die Zusammenarbeit erleichtern. Dazu gehören zum Beispiel 50 + 10, 3 MT und Walk in, walk out.
Tool 21 Single Working Sessions
Das, was heute üblicherweise abends eingeschoben oder am Wochenende erledigt wird, ist das Wichtigste, um das sich der Arbeitsalltag sortiert. Das Gefühl, richtig arbeiten zu können, soll jedoch den Alltag dominieren und ein Gefühl von Zufriedenheit ergeben. Sich täglich konzentriert einem Thema zu widmen und dieses systematisch ergebnisreif erarbeiten zu können, gibt vielen Menschen Zufriedenheit und Gelassenheit im Umgang mit anderen. Deep Work, wie der Informatikprofessor Cal Newport ablenkungsfreie, konzentrierte Arbeit nennt, ist ein wesentlicher Bestandteil unternehmerischer Spitzenleistung.
Wenn Mitarbeitende immer das Gefühl haben, sich den Dingen nicht in Ruhe widmen zu können, weil andere sie aufhalten und abhalten von dem, was sie eigentlich tun und schaffen möchten, wirkt sich das ungünstig auf Leistung und Zufriedenheit aus und sorgt nicht unbedingt für ein gutes Miteinander. Deswegen gehören Single Working Sessions im Deep-Work-Modus mit hoher Priorität in den Kalender, und zwar passend zum eigenen Biorhythmus.
Ziel
Alle Mitarbeitenden identifizieren ihre leistungsfähigste Zeit und nutzen diese konsequent.
Story
Das ist neu für Eleonora. In ihrem bisherigen Unternehmen bekam sie in den ersten Arbeitstagen die festen Meetings genannt, an denen sie teilnehmen musste. Verbindlich und verpflichtend. Um diese Meetings, die fast schon die Hälfte der Arbeitszeit ausmachten, plante sie ihre Aufgaben. Sich nun an ihrer Leistungsfähigkeit zu orientieren und so zu planen, das fühlt sich viel besser an. Das hat sie in ihrem Studium ja auch so gemacht. Da ist sie oft früh zum Sport gegangen, weil sie so lange braucht, um anzulaufen und sich zu konzentrieren. Richtig gut lernen konnte sie immer erst ab 15.00 Uhr. Dafür dann aber ziemlich lange und effektiv. Fein, dass sie nun wieder so arbeiten kann, wie es für sie persönlich am besten ist. Das macht schon jetzt richtig Spaß, weil sie jeden Tag das Gefühl hat, richtig viel zu schaffen.
Ablauf
Der New Work Coach erläutert, warum es günstiger ist, die besten Arbeitszeiten für die Entwicklung der Themen zu nutzen, für die eine Person verantwortlich ist. Wenn das verstanden ist, werden diese Zeiten identifiziert. Oft sind das Randzeiten. Die meisten Menschen arbeiten gerne morgens zuerst sehr konzentriert und zügig, andere werden erst am Nachmittag fit und haben hier ihre konzentrierten Single Working Sessions.
Phase 1:
Der New Work Coach unterstützt die Person bei der Identifikation ihrer besten und konzentriertesten Phasen. Dafür kann er ihr einen Beobachtungsbogen geben, den sie über zwei bis vier Wochen füllt, bis sich ein Muster zeigt. In diesem Bogen werden die Tätigkeiten mit einer kurzen Bewertung eingetragen. Kriterien sind Konzentrationsfähigkeit und Zufriedenheit mit dem Ergebnis.
Phase 2:
Nach der Ermittlung dieser Zeiten werden feste Single Working Sessions in den Kalender eingetragen. Je nach Aufgabe können diese eine, zwei bis maximal drei Stunden am Tag beanspruchen, unterbrochen durch kurze Pausen zur Regeneration und für Chats.
Phase 3:
Der Coach erarbeitet mit dem Coachee eine passende Herangehensweise und Struktur für eine exemplarische Single Working Session. Diese Struktur kann der Coachee dann weiterhin nutzen. Dabei orientiert er sich an folgenden Fragen:
Phase 4:
Das Arbeitsmodell wird über vier bis sechs Wochen getestet, optimiert und dann für weitere Monate übernommen. Vierteljährlich wird das Working-Modell überprüft und angepasst. So gelingt es dem Coachee, sich entlang seiner Prioritäten zu organisieren.
Tipps und Erfahrungen
Die Überraschung ist groß, wenn Single Working Sessions das wichtigste Element sind, um den Alltag zu strukturieren. In die Single Working Sessions gehören die Themen, die für die Bewältigung des Jobs die Expertise der Person brauchen. Das können Verhandlungen mit Kunden sein, die Erarbeitung eines Konzepts, das Entwickeln von Ideen, die Bearbeitung von anspruchsvollen Fällen usw. Was es genau ist, erarbeiten Coachee und Coach.
Diese Form der Selbstorganisation ist umgekehrt zu dem gewohnten Vorgehen. Deswegen stößt sie erst einmal auf Irritation. Wenn eine Person sich aber darauf einlässt, dann wird sie n...