Studien zur Popularmusik
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Studien zur Popularmusik

Zehn ethnografische Tracks zwischen Plattenladen und Streamingportal

  1. 260 Seiten
  2. German
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Studien zur Popularmusik

Zehn ethnografische Tracks zwischen Plattenladen und Streamingportal

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Streamingdienste, Vinylflohmärkte, die verstaubte CD-Sammlung - nie gab es so viele Möglichkeiten auf Musik zuzugreifen wie heute. In Form ethnografischer Tracks zeigt Christian Elster, was Musiksammeln zwischen Plattenladen und Onlinediensten für Menschen bedeuten kann. Hierfür beleuchtet er Praktiken, Artefakte, Orte, Diskurse und Figuren des Sammelns und zeigt auf, dass die technisch grundierte und sinnliche Praxis wesentlich auf das Selbstverständnis vieler Menschen Einfluss nimmt. Sammeln kann deshalb als Alltagskompetenz verstanden werden, die in physischen und digitalen Umgebungen individuelle Ordnungen und sinnstiftende Wegmarken schafft.

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Information

1.Pop als Feld

»Nur wenige Leute würden die Allgegenwart und Macht der Populärkultur bestreiten. […] Sie beeinflusst maßgeblich, wie Menschen sich selbst verstehen und ihrem Leben und der Welt einen Sinn geben. […] Sie ist ein wichtiger und mächtiger Bestandteil der materiellen historischen Realität, der die Entwicklungsmöglichkeiten unserer Existenz entscheidend kanalisiert.« (Grossberg 1999: 215f.)
Keine Schallplatte verlangt danach, gesammelt zu werden, und auch keine MP3-Datei. Das Sammeln ist nicht in die Dinge und Daten eingeschrieben. Erst innerhalb eines Bedeutungssystems ergibt diese Praxis buchstäblich Sinn. Im Fall des Musiksammelns, so wie ich es für meine Studie in den Fokus genommen habe, ist ›Pop‹ das zentrale Feld, in dem Sammeln bedeutungsvoll wird – und das in gewissem Ausmaß auch sammelnd konstituiert wird. Dieser Track eröffnet deshalb die Tracklist. Es geht hier weniger um konkrete Sammelpraktiken als vielmehr um den Rahmen, in dem sie stattfinden.
Der Poptheoretiker Diedrich Diederichsen beschreibt Pop als einen komplexen Zusammenhang aus Musik, medientechnischen Artefakten, Live-Konzerten, textiler Kleidermode, Gesten, urbanen Treffpunkten usw., der seine Wirkung erst durch die Hörer:innen, die Fans, die Kund:innen, also auch die Sammler:innen von Popmusik entfaltet (vgl. Diederichsen 2014: XI). Die Rezipient:innen – in welcher Form sie im Einzelnen auch immer mit Pop umgehen – sind in diesem Verständnis ein unabdingbares Element dieser Kultur. Erst aus ihrem Blickwinkel eröffnen sich symbolische Ordnungen und Bedeutungszusammenhänge, die mannigfaltige Identifikationsangebote parat halten und die es zudem ermöglichen, Sammelgegenstände in ein Verhältnis zueinander zu setzen, sie zu bewerten und einzuordnen (
Ordnen).
Pop lässt sich als eine kulturelle Sphäre begreifen, als eine Welt des Begehrens, der Verheißungen, des Vergnügens und als eine Projektionsfläche, auf der sich je nach Betrachtungswinkel eine ›bessere‹, ›wahrere‹, ›aufregendere‹ Welt abzeichnet. Diese Sphäre breitet sich in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten von Nordamerika her in der westlichen Welt aus. Musik, bildende Kunst, Literatur und Mode bilden seither die Grundkoordinaten dieses eigenlogischen, historisch spezifischen kulturellen Feldes, das »spätestens seit Ende der 1960er Jahre einen konstitutiven Einfluss auf gesellschaftliche ›Selbstverständigungsdiskurse‹ und ›Selbstbeschreibungen‹« (Kleiner 2012: 13) nimmt.
Der Kulturwissenschaftler Jochen Bonz ist der Ansicht, dass sich in diesem Feld heute alle, »und sei es auch nur ein bisschen, zu Hause fühlen«, denn »[s]eit der Mitte des 20. Jahrhunderts wird in dieser Schicht ein guter Teil der großen Gefühle, gebunden an Namen, Gestalten, Sounds, Rhythmen und Melodien, gespeichert und global repräsentiert« (Bonz 2001: 11). Medientechnisch hinterlegt finden unterschiedlich stark ausgeprägte Identifikationen durch Pop statt, was in der Praxis des Sammelns zum Ausdruck kommt.
Die Bedeutungen und Assoziationen, die mit ›Pop‹ in Verbindung stehen, sind vielschichtig, unübersichtlich, bisweilen widersprüchlich und bezeichnen nur teilweise die Sphäre, deren Wirkkraft den Ausgangspunkt dieser Arbeit darstellt. Mir geht es in diesem Track deshalb darum, die Beschaffenheit des Feldes anhand der wichtigsten wissenschaftlichen Diskursstränge thesenartig zu skizzieren. Ich orientiere mich dabei grob an der historischen Entwicklung des Feldes. Zunächst werde ich dafür das Verhältnis von Pop und dem Populären beleuchten. Diese Differenzierung erscheint schillernd, ist für das Selbstverständnis innerhalb des Feldes aber essenziell. Anschließend fokussiere ich auf das Verhältnis von Pop und Widerstand, ein Zusammenhang, der Pop maßgeblich geprägt hat und mindestens auf einer ästhetischen Ebene bis heute prägt. Weiter geht es um die gegenwärtige Gestalt des Feldes und um den Konflikt, der aus dem Gegenwartsversprechen von Pop und dessen Sensibilität für die eigene Geschichte erwächst. Anschließend folgt ein Blick auf Subjektivierungen, die in diesem Feld stattfinden, bevor ich das Verhältnis von Pop und Wissenschaft skizziere. In diesem Spannungsfeld bewegt sich diese Arbeit.

Pop und das Populäre

Das englische ›popular‹ ist Ursprung von ›Pop‹ und das, so konstatiert Diedrich Diederichsen, könne schlecht ins Deutsche übersetzt werden (vgl. Diederichsen 2013: 185). Das ›Populäre‹ ist ein unscharfer Begriff, der in der englischsprachigen Diskurstradition (insbesondere durch die Cultural Studies) eine andere, politischere Aufladung erfahren hat, die für das Verständnis und die Analyse von Pop und dessen Interpretation als Identifikationsraum zentral ist.
Als Kind der frühen Industrialisierung ist das Populäre historisch deutlich älter als Pop und besteht weiterhin fort (vgl. Kleiner 2012: 15). Das Populäre markiert, zumindest historisch gesehen, eine Abgrenzung zur Hochkultur, meint also das Gegenteil von ›elitär‹. Als Antipode zur Hochkultur kann es sich beim Populären diskurshistorisch entweder um eine Kultur ›von unten‹ handeln, also um Volkskultur; oder aber um Massenkultur, eine Kultur für das ›Volk‹, das, was vielen gefällt. Beide Verständnisse des Populären gehen mit ästhetisch bewertenden und sozial verortenden Zuschreibungen einher. Man denke beispielsweise an frühe volkskundliche Forschungen, die in der (scheinbar im Schwinden begriffenen) Volkskultur der ›einfachen Leute‹ etwas erhaltenswertes ›Authentisches‹, ›Echtes‹ vermuteten (vgl. Ege 2017: 311), oder andererseits an Adornos und Horkheimers Thesen zur Kulturindustrie, die in der ›Masse‹ das ›Entfremdete‹, ›Manipulierte‹ sahen, in den Produkten der Kulturindustrie das ›Niedere‹, ›Niveaulose‹, ›Nicht-Künstlerische‹ (vgl. Horkheimer/Adorno 2004). Wie Menschen mit diesen Kulturprodukten umgehen, steht dabei nicht im Fokus. Ihr Handeln erscheint aber im ersten Fall implizit als ›kreativ‹ und ›authentisch‹, im zweiten als ›unmündig‹ und ›betrogen‹. Solche Zuschreibungen, die meist einem unterschiedlich kanalisierten bürgerlichen Konservatismus entsprangen, bestehen in zahlreichen Schattierungen bis heute fort. Dabei gehört
»die strikte Unterscheidung von Kunst und Unterhaltung oder Hoch- und Massenkultur zu den durchgängigen Motiven der kulturkritischen Konstituierung und Begleitung von Popkultur sowie der von Zeit zu Zeit ausbrechenden moral panics« (Geisthövel 2014: 186).
In kultursoziologischen Studien und in der Lebensstilforschung werden spätestens seit Pierre Bourdieus »feinen Unterschiede[n]« (1982) kulturelle Präferenzen als Marker sozialer Differenzierung ausgewiesen (vgl. Geisthövel 2014: 180). (Musik-)Geschmack wird – bei Bourdieu im Kontext der Klassengesellschaft – interpretiert als ein Teil von spezifischem Habitus und Lebensstilen, die im sozialen Raum um Geltung streiten. Dominante gesellschaftliche Gruppen errichten eine hierarchische Skala von Legitimität, Niveau und ›Klasse‹ zwischen popularen und oberschichtlichen Milieus, die aus distinktionsorientierter Perspektive als Besitz oder Nicht-Besitz von kulturellen Kapitalien erscheint (vgl. Ege/Elster 2014). Solche klaren, scheinbar eindeutigen sozialen Verortungen ästhetischer Phänomene (hoch/niedrig, E/U usw.) sind in gegenwärtigen Gesellschaften kaum mehr möglich. Das zeigen Studien zum »kulturellen Allesfressertum« (Kern/Peterson 1996), die belegen, dass popkulturelles Wissen längst auch in sozial höherstehenden Schichten von großer Bedeutung ist. Das Feld der populären Kultur und vor allem das der Popmusik bleibt dennoch eines der Distinktionen (vgl. Ege 2013, Thornton 1996). Auch im Sammeln wird das immer wieder deutlich. Geknüpft an die ›richtige‹ Musik geht es hier auch darum ›richtig‹ zu sammeln, sowohl was die Sammelobjekte als auch die Haltung angeht, die dabei eingenommen wird (
Im Plattenladen/Der Sammler als (Anti-)Figur).
Christoph Jacke versteht unter populärer Kultur »denjenigen kommerzialisierten, gesellschaftlichen Bereich, der Themen industriell produziert und massenmedial vermittelt, die durch zahlenmäßig überwiegende Bevölkerungsgruppen mit Vergnügen genutzt und weiterverarbeitet werden« (Jacke 2009: 43). Damit sind einige Rahmenbedingungen beschrieben, die auch das Pop-Feld, wie es hier verstanden wird, mitkonstituieren. Popmusik ist massenmedial vermittelt, Medientechnik, allen voran die Tonaufzeichnung sowie damit in Verbindung stehende technische und kulturindustrielle Infrastrukturen und Artefakte, sind eine grundlegende Voraussetzung für das Phänomen Pop (
Vinyl/iPod/Spotify). Ebenso klingt bei Jacke an, dass die Rezipient:innen mit den Produkten der populären Kultur etwas ›machen‹. Sie nutzen sie oder verarbeiten sie weiter. Auch das ist, wie sich in dieser Studie an der Praxis des Sammelns zeigt, ein wichtiges Merkmal (
Stöbern/Ordnen/Aussortieren). Einzig der quantitative Aspekt der Definition trifft auf Pop nur bedingt zu. Natürlich, Popmusik (nicht nur im Sinne der Genrebezeichnung ›Pop‹) ist häufig äußerst populär, Objekt eines musikalischen Massengeschmacks. Doch Pop im emphatischen Sinne erschöpft sich nicht in der bloßen Popularität einer Sache, im Gegenteil: Pop kann äußerst unpopulär sein und beispielweise mikroskopische Szenen bezeichnen, die sich eben bewusst von den Massen, von einem imaginierten Mainstream abgrenzen. So verstanden nimmt nach Diederichsen
»[d]as was alle angeht […] kulturell die Gestalt des Populären an. […] Pop-Musik ist die Aufkündigung einer solchen Gemeinschaft aller mit den Mitteln, mit denen sich Gemeinschaften sonst symbolisch herstellen: Klänge, Abzeichen, Auftrittsformen, Verhaltensregeln. Im Gegensatz zu einer Elite und ihrer sich abgrenzenden Hochkultur, trennt sich die Pop-Musik von der populären Kultur auf deren Terrain und mit deren Mitteln. Ihre Sezession teilt sie den andern mit, die sie nun wahlweise als zu alt, als faschistisch, zu deutsch, aber auch als zu schwach, zu weich und zu inkonsequent adressiert.« (Diederichsen 2014: XII)
Pop ist also ein Bestandteil des Populären, geht jedoch nicht in ihm auf. Im Gegenteil: Pop lehnt sich in diesem Verständnis gegen das Populäre auf und probt den Widerstand.

Pop und Widerstand

Zur Bestimmung von Pop als spezifisches Phänomen der Nachkriegszeit trugen maßgeblich die Arbeiten der Cultural Studies bei. Aus dieser Perspektive ist die Populäre Kultur, wie Kaspar Maase zusammenfasst, ein »semiotisches Kampffeld zwischen der Hegemonie des Machtblocks und Widerständen von ›the people‹« (Maase 2013: 26). Das Populäre wird hier zu einer kulturellen Sphäre, die ›agency‹ bereitstellt. Diese Perspektive wirkt dem insbesondere durch die Frankfurter Schule geprägten Manipulationsvorwurf gegen die Kulturindustrie entgegen. Die Frage lautet hier nicht: ›Was machen die Medien beziehungsweise die Produkte der Kulturindustrie mit den Menschen?‹, sondern andersherum: ›Was machen die Menschen mit den Medien und ihren Produkten?‹ Die Rezipient:innen populärer, kulturindustrieller Produkte, von Musik bis hin zu Fernsehserien, werden hier nicht als manipulierte Massen verstanden, sondern als »stille Produzenten« (De Certeau 1988: 13), die sich populäre Kultur und ihre Artefakte aneignen, sie eigensinnig deuten, neu kombinieren, möglicherweise in ironischer Weise lesen und damit auf aktive Weise ihr Leben ausstaffieren und mit Sinn versehen. Eine Zuspitzung erfährt diese These, wenn es um sub- oder gegenkulturelle Szenen1 geht. Eigensinn wird hier zum Widerstand, die »stille Produktion« zu einer lautstarken. Nicht nur die Frühwerke der Cultural Studies befassten sich mit den Jugendkulturen der ersten Nachkriegsjahrzehnte – mit Mods und Rockern, Hippies und Punks –, prägten dadurch Vorstellungen von Figuren der Popkultur mit und lieferten den Szenen eine kulturtheoretische Metaebene, die, wie ich noch zeigen werde, Einfluss auf das beforschte Feld genommen hat und bis heute nimmt. Pop ist hier assoziiert mit Avantgarde, Underground, Subkultur – bedeutet Rebellion, Widerstand, Subversion (vgl. Kleiner 2012: 14). Dieses Nicht-Einverstanden-Sein artikuliert sich ästhetisch als Stil, in Abgrenzung zur ›hochnäsigen Hochkultur‹ ebenso wie zum ›schlechten Geschmack‹ der Massen, des Populären, des Mainstreams.
Auch wenn spätestens seit den 1990er Jahren teilweise mit sehr überzeugenden Argumenten immer wieder ein Bedeutungsverlust dieser subkulturellen Felder konstatiert und die subversive Kraft von Pop kritisch diskutiert und häufig in Abrede gestellt wird (vgl. hierzu z.B. Büsser 1998: 6ff., Holert/Terkessidis 1996, Seeßlen 2018), bleiben sie zumindest auf ästhetischer Ebene wirksam. Diederichsen spricht in diesem Zusammenhang von einer »Gegenkulturalisierung ohne Gegenkultur« (Diederichsen 2014: 390). Subkulturelle Formationen hätten als »soziale Ästhetik« Bestand, ihre soziale Rückbindung an (in der Regel) marginalisierte Gruppen, die »gegenkulturellen Stämme«, wäre jedoch weitgehend verloren gegangen. Gegenkulturen, die sich ja immer in Abgrenzung zu einer dominanten Kultur formieren, hätten, so seine Argumentation, in postmodern-pluralisierten Gesellschaften ihre soziale Entsprechung verloren und seien nur noch formal interessant. War also der britische Mod als stilisierter Arbeiteraristokrat im England der 1960er Jahre partout an die working class geknüpft, so bedeutet Mod-Sein heute ein Verstehen ästhetischer Codes (Musik, Kleidung, Geste usw.), ein Sich-Identifizieren mit und durch eine subkulturelle Figuration, mit der durchaus bestimmte Werte verbunden sein können, die aber losgelöst von einer sozialen Struktur funktionieren kann, die möglicherweise längst eine Verformung erfahren hat. Auch wenn also die Problematisierung von Begriff und Konzept der Subkultur einleuchtet und sich empirisch Belege finden lassen, bedeutet das nicht, dass subkulturelle Ästhetiken und damit verbundene (idealisierte) Werte für einzelne Personen und für Geschmacksgemeinschaften wie Musikszenen deshalb wirkungslos geworden wären. Im Gegenteil: An sie gebunden sind Begierden, Spaß, Ideen von einem besseren Leben. Diederichsen analysiert in diesem Zusammenhang kritisch zugespitzt:
»Damit die Menschheit noch eine Weile wissen kann, was ›Abhängen‹, Faulheit, Lässigkeit waren, kann man diese nicht in Personen und ihren Körpern aufbewahren, die Korrumpierungen und alltäglichem Druck ausgesetzt sind, man muss es ästhetisch aufbewahren.« (Diederichsen 2014: 390)
Stile, die an (historische) soziale Figurationen gebunden sind, behalten auf diese Weise – auch wenn sie aus einer vergangenen Zeit stammen – auch für viele Menschen in gegenwärtigen Konstellationen Identifikationskraft. Das zeigt sich schon daran, dass die idealtypische Unterscheidung zwischen ›Mainstream‹ und ›Underground‹ und die Zuordnung zu bestimmten Szenen innerhalb meine...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Tracklist
  5. Intro
  6. 1. Pop als Feld
  7. 2. Stöbern
  8. 3. Im Plattenladen
  9. 4. Vinyl
  10. 5. Ordnen
  11. 6. Die Biografie einer Spice Girls-CD
  12. 7. iPod
  13. 8. Der Sammler als (Anti-)Figur
  14. 9. Spotify
  15. 10. Aussortieren
  16. Hidden Track
  17. Literatur- und Quellenverzeichnis
  18. Dank