Prävention und Intervention bei Verhaltensstörungen
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Prävention und Intervention bei Verhaltensstörungen

Gestufte Hilfen in der schulischen Inklusion

  1. 276 Seiten
  2. German
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Prävention und Intervention bei Verhaltensstörungen

Gestufte Hilfen in der schulischen Inklusion

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Verhaltensprobleme, Beeinträchtigungen in der emotionalen und sozialen Entwicklung und Verhaltensstörungen stellen in der sich inklusiv entwickelnden Schullandschaft eine große Herausforderung für alle an und in Schule Beteiligte dar. Diese täglichen Herausforderungen bedürfen einerseits gut vorbereiteter Fachkräfte und andererseits eines "Systems der gestuften Hilfen", das bedarfsgerecht der Heterogenität der Zielgruppe entspricht. Die Autorinnen und Autoren stellen präventive Maßnahmen in der allgemeinen Schule, früh-interventive Hilfen durch Mobile Dienste und intensivpädagogische Ansätze entsprechend dem "System der gestuften Hilfen" vor und zeigen die Möglichkeiten zur praktischen Umsetzung im Schulalltag auf.

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783170363328

1 Einleitung

Heinrich Ricking, Tijs Bolz, Bastian Rieß & Manfred Wittrock

Das Problem

Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen bzw. Förderbedarfe im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung1 stellen in dem heutigen, sich inklusiv entwickelnden Bildungssystem eine große Herausforderung für alle an und in Schule und Jugendhilfe tätigen Professionellen dar. Die Betrachtung dieser schulischen und auch gesellschaftlichen Problematiken bilden den Kern des wissenschaftlichen Erkenntnisinteresses des vorliegenden Werkes. Dabei sind die Ausführungen aus sonderpädagogischer Perspektive insbesondere den Kindern und Jugendlichen gewidmet, die sich in psychosozialen Fehlentwicklungen und in beständiger Gefahr befinden von schulischer und gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen zu werden. Der überwiegende Teil der Schülerschaft, der hier im Fokus steht, wächst in risikobeladenen Lebenssituationen auf, die v. a. durch psychosoziale Problemlagen und sozioökonomische Belastungen gerahmt werden. Die entstehenden Probleme und Störungen im emotionalen Erleben und sozialen Handeln erweisen sich im Entwicklungsverlauf als relativ stabil. Sie treten in mehreren Settings auf und betreffen den Umgang mit sich selbst, mit anderen und wirken sich sehr häufig negativ auf das schulische sowie außerschulische Handlungsfeld aus. Die Betroffenen haben oftmals deutliche Probleme den schulischen Anforderungen zu genügen – die Entwicklungsprobleme der ersten Lebensjahre artikulieren sich u. a. in mangelnder sozialer Integration, in emotionaler Instabilität und in schulischen Leistungsproblemen. In einigen Schulformen erscheinen sie in geballter Weise und bringen die pädagogisch Handelnden nicht selten an den Rand der Überforderung. Schließlich führen die Bedingungen Schülerin bzw. Schüler und Schule in zunehmende Distanzierung, begleitet und verstärkt durch außerschulische Risikolagen, schulische Verhaltens- und Disziplinprobleme, Schulversagen und Schulabsentismus (Ricking, Schulze & Wittrock, 2009).
Der Fokus des vorliegenden Herausgeberwerks liegt somit auf Beeinträchtigungen in der sozial-emotionalen Entwicklung, die in den Lebensabschnitten Kindheit und Jugend v. a. im Bezugsfeld Schule verdichtet werden. Dabei spielt die Partizipation dieser Schülerinnen und Schüler am schulischen Unterricht und Schulleben die dominierende Rolle. Die Aktualität der bereits angedeuteten Problemlagen steht dabei außer Frage (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2018). Die empirischen Erkenntnisse aus nationalen sowie internationalen Studien zu Prävalenzraten psychischer Auffälligkeiten (bzw. Störungen), der grundlegende Anstieg der Förderquote und die Zunahme an Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf in der allgemeinen Schule unterstreichen die Relevanz, gezielte Unterstützungsstrukturen und -maßnahmen auf verschiedenen Ebenen des Schulsystems zu implementieren (
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Kap. 2.5). Auch qualitativ werden im Praxisfeld zunehmende Herausforderungen wahrgenommen und benannt, was sich u. a. in dem Belastungsempfinden von pädagogisch Tätigen in diesem Handlungsfeld und im Professionalisierungsbedarf widerspiegelt (Herz, 2016; Zimmermann, Fickler-Stang, Dietrich & Weiland, 2019). Um diesen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler sowie weiteren Bezugssystemen annähernd Rechnung zu tragen, bedarf es aus Sicht der Herausgeber einerseits gut ausgebildete und vorbereitete Fachkräfte und andererseits eines gestuften und vernetzten Systems (sonder-)pädagogischer Unterstützung (Willmann & Reiser, 2007; Rieß & Bolz, 2015), das im Folgenden differenziert dargestellt werden soll. Somit richtet sich dieses Buch an alle in einem sich inklusiv entwickelnden Setting mit Kindern und Jugendlichen arbeitenden Berufsgruppen, also sowohl Regelschullehrerinnen und -lehrer, Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter, Sonderpädagoginnen und -pädagogen als auch weitere Akteurinnen und Akteure in diesem Feld.

Gegenstandsverständnis

Der Gegenstand der nachfolgenden Beiträge besteht in der grundlegenden Auseinandersetzung mit der Prävention im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung sowie der Intervention bei bereits verfestigten Verhaltensstörungen. Hintergründig beziehen wir uns auf die aktuell relevanten Definitionen von Myschker & Stein (2018), Opp & Unger (2003) und der KMK (2000). Die Definitionen von Myschker & Stein (2018) mit der klaren Bezugnahme auf die Bedeutung der Erwartungsnormen und die von Stein (2019) mit der deutlichen interaktionistischen Perspektive sind dabei theoretisch leitend. Erst die professionelle Wahrnehmung von Verhaltensweisen bzw. Störungen des Verhaltens (in externaler und internaler Form) schafft die Voraussetzung dafür, ein pädagogisches Verstehen zu ermöglichen. Dieses ist aus Perspektive der Herausgeber die Grundlage für professionelles Handeln: Jedes menschliche Verhalten ist ein subjektiv problemlösendes. Da nur auf der Grundlage von fachlich gesichertem Wahrnehmen und Verstehen ein planvolles, theoriegeleitetes Handeln im Rahmen wirksamer Erziehung und Bildung möglich ist, findet dieses Buch im interaktionistischen Ansatz die zentrale Orientierung (Seitz, 1992; Müller & Stein, 2015). In den Beiträgen werden, stets bezugnehmend auf das System der gestuften Hilfen (
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Kap. 3), sowohl die theoriebezogenen Grundlagen als auch konkrete Konzepte für »Wahrnehmen, Verstehen, Handeln« dargestellt (Vernooij & Wittrock, 2008). Hohe begriffliche Relevanz zeigen dabei »Verhaltensauffälligkeit«, »Beeinträchtigung der emotionalen und sozialen Entwicklung« (auch »Förderbedarf im Bereich der ESE«) und »Verhaltensstörung«. Gerade im Hinblick auf die »International Classifikation of Functioning, Disability and Health« (ICF; DIMDI, 2005) erscheint die Verwendung des Begriffes »Beeinträchtigung« als einen weiter gefassten Begriff zur Beschreibung der Personengruppe in Ergänzung zum engeren Verständnis einer »Verhaltensstörung« sinnvoll (s. Kasten unten). Beeinträchtigungen in der emotionalen und sozialen Entwicklung müssen dabei stets unter Berücksichtigung von Resilienzkonzepten, Ergebnissen der Resilizenzforschung und insbesondere dem Risiko- und Schutzfaktorenkonzept betrachtet werden (Opp & Fingerle, 2008; Wustmann-Seiler, 2015).

Präventiver und früh-interventiver Zugang

Dass eine Förderung im Entwicklungsverlauf oft zu spät einsetzt – häufig erst dann, wenn das Vollbild einer Störung oder Behinderung bereits vorliegt und so viele Optionen verschenkt werden, den Entwicklungsgradienten früh zu beeinflussen kann als Grundproblem der Fachdisziplin der Pädagogik bei Verhaltensstörungen verstanden werden. Eine manifeste Verhaltensstörung steht erst am Ende eines Prozesses, in dem Kinder und Jugendliche oft unangemessene und schädigende Lebensbedingungen vorfanden, dann mit ungünstigen Voraussetzungen in die Schule kommen, dort mit den sozialen und akademischen Anforderungen kämpfen und vielfach an ihnen scheitern (Ricking, 2018). Die psychosoziale Entwicklung ist als sukzessiver Aufbauprozess zu verstehen, in dem Entwicklungsergebnisse immer auch als Voraussetzungen für weitere Entwicklungsschritte gelten. Fehlende Resultate in einer Phase bleiben somit kein isoliertes Problem, sondern wirken sich negativ in den folgenden Phasen mit neuen Entwicklungsaufgaben aus. Damit wird auch die Notwendigkeit von präventiven Maßnahmen und frühen Interventionen betont. In der pädagogischen Praxis lassen sich spezifische Ausprägungsgrade einer (drohenden) Beeinträchtigung in der emotionalen und sozialen Entwicklung insbesondere in Bezug auf die Dimensionen »zeitliche Dauer«, »Situation/Rahmung« und »Ausprägungsgrad« identifizieren. Die Betonung der Prozessgestalt bei der Herausbildung von Verhaltensstörungen mit spezifischen Ausprägungsmerkmalen ist daher notwendig.

Dimensionen der Herausbildung von Verhaltensstörungen

Zeitliche Dauer:
vereinzelt
punktuell
andauernd
Situation/Rahmung:
eine
mehrere Situationen
mehrdimensional
Ausprägungsgrad:
leicht
mittel
schwer
Zu unterstreichen ist die Notwendigkeit Verzögerungen zu vermeiden, präventive Bedingungen zu schaffen und Interventionen früh wirksam werden zu lassen (Hennemann, Ricking & Huber, 2018).
Angesichts der oftmalig lebenslangen Auswirkungen von Maladaptionen in bedeutenden Entwicklungsphasen ist dieses basale Verständnis, Fehlentwicklungen im Entwicklungskontext durch Prävention oder frühe Interventionen abzuwenden, von größter pädagogischer Bedeutung. In der Auseinandersetzung mit diesem Prozess werden daher allen Stufen der Herausbildung von Verhaltensstörungen bearbeitet und so ein konzeptioneller Rahmen für die Anpassung von Förderbedingungen und Maßnahmen an die Bedarfe und Bedürfnisse der Zielgruppe geschaffen. Das im Folgenden skizzierte gestufte System sonderpädagogischer Unterstützung verfolgt den Grundsatz der Prävention (Caplan, 1964; Munoz, Mrazek & Haggerty, 1996; Beelmann & Rabe, 2007; Hillenbrand, 2008) und vereint Angebote auf universeller, selektiver und indizierter Unterstützungsebene in möglichst verlässlicher und flexibler Weise. Zwar ist es das Ziel präventiv der Notwendigkeit der Angebote der nächsten Stufe vorzubeugen (Subsidiarität), doch auch nach dem Scheitern früher Unterstützungsangebote bleibt das System gestufter Hilfen im Spannungsfeld von Prävention und Intervention nutzbar und bietet Handlungsoptionen, um den Bedarfen der Zielgruppe Rechnung zu tragen.

Aspekte im Themenfeld schulische Inklusion

Aktuell befindet sich das deutsche Bildungssystem, gebrochen durch die unterschiedlichen Ansätze der Bundesländer, auf dem (langen) Weg hin zu einem inklusiven Schulsystem. Aus unserer Perspektive bildet dabei Teilhabe (Partizipation) die zentrale Zieldimension. Wenn es eine Schule für alle schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen geben soll, dann sollte diese eine Schule für alle Schülerinnen und Schüler eine passende pädagogische Rahmung bieten. In einer Zeit, in der die Entwicklung von Konzepten und Modellen für eine inklusive Schule (d. h. einen non-kategorialen Zugang aller Kinder zur Schule bzw. für eine gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderung) die (sonder-)pädagogische Diskussion bestimmt, stellt sich zudem die Frage: Sollte die Schule mit dem Förderschwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung ersatzlos aufgelöst werden oder kann bzw. muss sie – bei klarer Priorisierung der allgemeinen Schule – einen sinnvollen Beitrag für die (zeitlich befristete) Förderung von Schülerinnen und Schülerin mit emotional-sozialem Förderbedarf, beträchtlichen Funktionsstörungen und abweichenden Verhaltensmustern leisten (Wittrock, 2007; Ricking & Wittrock, 2012)? Und wenn ja: Wie müsste diese Schule für Erziehungshilfe im Rahmen eines Systems der gestuften Hilfen in Zukunft aussehen, d. h. welche pädagogischen, methodischen und organisatorischen Standards müssen entwickelt, eingefordert und erreicht werden? Die erhebliche Heterogenität im Schulsystem erfordert die Schaffung von Passungen zwischen pädagogischen Angeboten und den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler. Diese ist aus Sicht der Herausgeber nur durch ein gestuftes System der Hilfen leistbar, in dem die professionelle Tätigkeit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Evidenzorientierung (Stark, 2017) folgen und hierbei die Möglichkeit zur Entwicklung individualisierter, flexibler und bedarfsorientierter Unterstützungsangebote und -settings unter Anerkennung einer verstehenden Perspektive bieten (Baumann,...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. 1 Einleitung
  6. 2 Gegenstand und Entwicklungen
  7. 3 Organisationsformen
  8. 4 Aufgabenfelder und Konzepte
  9. 5 Offene Fragen und Herausforderungen – Ein Fazit
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis
  11. Autorinnen und Autoren