Swinging Village
eBook - ePub

Swinging Village

  1. 269 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Swinging Village

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Wie viel Rückzug brauchen wir, um der Reizüberflutung zu entgehen? Ändern wir uns selbst im Kern, wenn wir die Umstände ändern? Wo finden wir den ganz individuellen Sinn des Lebens, wenn an jeder Ecke Ablenkung und Verführung lauern? Erik Fink ist auf der Suche nach Lebenssinn und zieht sich in ein Haus auf dem Land zurück. Er saniert es, lebt sich ein und merkt sehr schnell, dass man alte Gewohnheiten nur sehr schwer ablegt. Frauen, 20er-Jahre-Partys im »Swinging Village« und die Fas¬zi¬na¬ti¬on der »Lost Generation« sind Verlockungen, denen er sich nicht entziehen kann. Ein Roman über die Suche nach dem Glück in einer Welt, die alles bietet, um die innere Leere zu füllen.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783941935464
»Da lag sie. Mausetot.«
Ich drehe mich um.
»Entschuldigung, ich wollte Sie nicht erschrecken.« Ein alter Mann mit kurzen weißen Haaren steht im Türrahmen und streckt mir die Hand entgegen. »Brause, wie das Getränk.«
Wahrscheinlich meint er damit seinen Namen. »Erik Fink«, antworte ich deshalb und strecke ihm meine Hand entgegen.
»Ziehen Sie hier ein?«, fragt er und beschreibt einen vagen Bogen mit dem Arm, der das Haus meinen könnte, aber auch halb Europa.
»Sieht so aus. Und wer lag dort?«, frage ich mit einem Nicken in Richtung Fenster.
Brause starrt ins Leere, dann in meine Richtung, aber sieht durch mich hindurch und fixiert einen Punkt im Nirgendwo. »Frau Lorenz, die Vorbesitzerin. Wir kannten sie schon ewig, meine Frau und ich. Sie ist wunderlich geworden, aber hatte den Haushalt noch gut im Griff.« Er schaut sich betont langsam um. »Zumindest einigermaßen.«
»Woran ist sie denn gestorben?«
»Einsamkeit, Krebs, Haushaltsunfall, keiner weiß es. Mord war es jedenfalls nicht. Aber sie lag lange dort. Ich finde«, er bewegt die Nase wie ein Kaninchen, »man kann es noch riechen.« Er läuft im Raum auf und ab. In seiner blauen Latzhose mit dem Zollstock in der Seitentasche und mit einem neugierigen Mustern jeder Ecke des Raums sieht er aus wie ein Arbeiter, der die Baustelle vor der Sanierung abschreitet. »Es muss schlimm sein, die letzten Jahre allein zu leben.«
Zuerst dachte ich, dass das Röcheln aus den alten Leitungen in den Wänden kommt und sich trübes Wasser durch Ablagerungen und Unrat kämpft. Doch es stammt eindeutig aus der Lunge des Herrn Brause, den die paar Meter, die er im Zimmer auf und ab gegangen ist, sichtlich anstrengen. Seine Stirn ist rot wie ein Pavianarsch. Ein paar Mal atmet er tief ein und aus, schnauft wie ein altersschwaches Tier, das sich jeden Moment zum Sterben bettet.
»Am Ende war es sicher erlösend für die Grete. Nur schade, dass ihre Enkelin im Urlaub war und ich sie finden musste.« Er steht nun vor mir und legt mir die Hand auf die Schulter. Mit seinem Mund ganz nah an meinem Ohr flüstert er: »Das sind Bilder, die vergisst man einfach nicht. Der Tod hat kein schönes Gesicht. Sehen Sie zu, dass Sie ihn ganz schnell aus diesen Mauern bekommen. Nicht, dass sich der Gevatter hier einnistet. Sie wirken noch so jung.«
Er klopft ein paar Mal kräftiger auf meinen Rücken, als es sein Atem vermuten lässt und nickt bedeutungsvoll. Brause schwitzt stark.
Ein LKW ist zu hören. Er bremst scharf und laut. Ich schaue durch das Fenster nach draußen und sehe den Möbelwagen. »Entschuldigen Sie mich bitte«, sage ich zu Brause, der im Schädelbereich wie ein in Flammen stehendes Michelinmännchen aussieht und mir im Weg steht. Ich ziehe den Kopf ein, um durch die niedrige Wohnzimmertür zu passen und gehe durch den Flur nach draußen.
Einer der Möbelpacker kommt mir entgegen. »Wo sollen wir alles hinstellen?«
Ich habe keine Ahnung. »Stellen Sie bitte alles in das Wohnzimmer im Erdgeschoss nach hinten rechts. Ich sortiere mir dann die Kisten und Möbel, wie ich es brauche.«
»Alles klar«, sagt der athletische Mann und geht zum Transporter. Ich laufe zurück ins Haus und schaue mich genauer um. Der Eingangsbereich ist holzvertäfelt und dunkel, Spinnweben hängen an den Decken und Wänden und die Gardinen an den Fenstern zum Hof stammen aus dem letzten Jahrhundert. Beim einzigen Besichtigungstermin sah es bei Weitem nicht so schlimm aus. Der Makler führte mich flink durch alle Räume, rasselte das übliche Geschwätz herunter, das sie in der Ausbildung lernen, wenn sie eine Bruchbude schnellstmöglich loswerden wollen. Mir war es egal. Ich wollte nicht lange suchen. Wenn ich gezögert hätte, dann wäre ich nie hierhergekommen.
»Ich kaufe das Haus«, sagte ich dem in seinem schicken Anzug völlig deplatziert wirkenden Makler, der vor Freude fast in sein iPad biss. Nun bin ich hier, die Möbelpacker tragen meine Sachen in ein Haus, das ich nicht einmal richtig kenne und Brause, der möglicherweise mein neuer Nachbar ist, kann ich nicht mehr finden. Ich rufe seinen Namen in jede Richtung, aber er ist weg. Die Treppe nach oben ist aus dunklem Holz. Sie knarrt bei jedem meiner Schritte vor Altersschwäche und die Stufen sind durchgetreten und gebogen. Im Obergeschoss angekommen, stehe ich in einem kleinen Flur von drei mal drei Metern, von dem aus es links in ein Miniaturzimmer geht. Es hat vielleicht acht Quadratmeter, ein winziges Fenster spendet kaum Tageslicht und ein Fußboden, der diese Bezeichnung verdient, fehlt. Ich sehe schiefe Balken und zwischen ihnen nur Lehm und Dreck. Daneben ist das Schlafzimmer. Alte Möbel stehen ungeordnet darin. Vom Stil her 60er Jahre und älter. Eine Kommode, ein Schrank, ein Nierentisch. Ein Bett gibt es nicht mehr, aber ich kann an der Wand deutlich erkennen, wo es stand und auch die Nachttische hinterließen helle Umrisse als Zeugnisse einer bewohnten Vergangenheit. Ich verdränge den Gedanken, dass die alte Frau Lorenz hier geschlafen hat. Zuhause sterben die Menschen kaum noch. Normalerweise haben die Erben diesen Akt bereits zu Lebzeiten vorsorglich in Heime verlagert.
Das dritte Zimmer ist nicht bewohnbar. Völlig entkernt, blanke Lehmwände und alle zwei Meter ein maroder Balken. Auch hier ist der Fußboden aufgerissen und die Decke fehlt. Es zieht direkt vom Dach herunter, das Holz ist morsch und durch die Fenster pfeift der Wind. Ich schlage den Kragen meiner Jacke hoch. Hier wartet eine Menge Arbeit, aber so habe ich es gewollt.
Unten kann ich die Möbelpacker schnaufen hören. Sie wuchten Schränke und Kisten ins Wohnzimmer. Ich werfe noch einen Blick ganz nach oben. Eine kleine, völlig verdreckte Treppe schlängelt sich bis unters Dach. Ausbaureserve nennt man das wohl. Mal schauen, was ich damit mache.
»Hallo?«, höre ich eine angenehm gefärbte Frauenstimme aus dem Erdgeschoss rufen.
Ich gehe die Treppen nach unten. Eine attraktive Rothaarige steht im Flur und reckt ihr hübsches Gesicht nach oben. Mitte vierzig, maximal, nicht zu aufdringlich geschminkt und mit einem umwerfenden Lächeln. Sie trägt ein blaues Kleid, darüber einen schwarzen Mantel und drückt eine Tasche an ihre Brust.
»Sind Sie der Neue?«
»Hallo und ja, das bin ich wohl«, antworte ich.
»Guten Tag! Sie müssen dann Herr Fink sein, oder?«
»Ja«, sage ich, noch hin und weg von ihrer leicht dunklen Stimme.
»Ich bin Claudia Lorenz. Die Enkelin der Vorbesitzerin.«
»Ah, ja«, bemerke ich unbeholfen. »Richtig, die Dame, die leider hier gestor…«
»Ja, leider«, antwortet die Enkelin schnell. »Aber vierundneunzig ist so schlecht nicht.«
Sie stellt ihre Tasche auf eine kleine Kommode im Flur und offenbart eine ansehnliche Figur in ihrem Kleid, die der nun leicht geöffnete Mantel nicht mehr verbergen kann. Ich bemühe mich, nicht zu offensichtlich auf ihre Brüste zu starren.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«, frage ich.
Sie schenkt mir ein entwaffnendes Lächeln. »Wir haben zwar schon alles ausgeräumt, aber ich würde gern noch einmal alles durchsehen. Vor allem oben. Darf ich?«, fragt sie und tritt vor mich. Ich stehe auf der untersten Stufe der Treppe, trete neben sie und weise ihr mit einer Geste den Weg nach oben.
»Danke.«
Der Blick aus ihren blauen Augen geht durch meine hindurch, sprengt alle Nervenbahnen und lähmt mein Sprach- und Denkzentrum. Niedere Bedürfnisse werden dafür deutlich aktiver.
Sie geht voraus und wackelt mit einem sagenhaften Hintern, den ich trotz der Unmenge Stoff geradezu spüren kann. Alles wirkt wie die perfekte Inszenierung in einem Hollywoodfilm, den ich direkt vor mir sehe. Die elegante und erfolgreiche Frau aus der Stadt nimmt Abschied vom Haus ihrer Kindheit. In einer Rückblende sieht man sie als kleines Mädchen mit einem Lachen voller Zahnlücken, in einer staubigen Latzhose, die Füße in schlammigen Gummistiefeln. Die Oma kocht derweil ein Essen aus Zutaten, die sie gemeinsam im Garten geerntet haben und abends spielen sie Mikado. Oder sie lesen bei einer Kanne Tee, während der Kachelofen sein einlullendes Brummen von sich gibt. Nun stöbert sie in den Möbeln der Oma, um auf Relikte aus einer viel zu fernen Vergangenheit zu stoßen. Dinge, die einen Platz in ihrem Herzen haben und die die Erinnerung wach halten. Dabei trifft sie auf einen schmuddeligen Typen, den sie noch nicht einzuordnen weiß, der aber ganz eindeutig scharf auf sie ist. Sie merkt es mit Sicherheit, während er sie anstarrt wie ein kleiner Junge, der mit der Situation völlig überfordert ist.
Sie steht jetzt im kleinen Flur oben, schaut sich um und zieht mit einer gleichsam banalen, wie sinnlichen Bewegung die hohen Schuhe von den Füßen. »Ganz schön eingestaubt alles. Können Sie mir bitte aus dem kleinen Schrank unten im Flur die Gartenschuhe bringen?«
Natürlich kann ich das. Zwei Träger wuchten gerade den alten Schreibtisch durch die Tür ins Wohnzimmer und ein dritter folgt ihnen mit zwei übereinandergestapelten Kisten. Ich finde die Schuhe sofort. Größe 37 in einem englischen Blumenmuster. Irgendwie kitschig, aber mit Stil. Ich gehe zurück nach oben und werde auf halber Strecke durch ihren perfekten Fuß gestoppt, den sie mir frech entgegenreckt. Sie streckt ihn durch und er ist direkt vor mir, auf Augenhöhe. Zum Anbeißen schön, der perfekte Fuß und eine Einladung für die Entwicklung eines Fetischs mit Extremitäten. Trotzdem ziehe ich ihr die Gartenschuhe nicht über, sondern recke sie ihr entgegen. Sie bedankt sich und schlüpft hinein. Dann stehen wir nebeneinander im Flur. Die Muffigkeit ist verschwunden, ebenso der Geruch von feuchtem Lehm und Dreck. Alles ist erfüllt von ihrem Duft. Sie zeigt in das kleine Zimmer links neben uns.
»Das war in den Ferien mein Domizil. Hier habe ich gelesen und geträumt. Einfach nur schön.«
»Wenn man vom Boden absieht«, sage ich.
»Ja, das ist blöd. Es gab jemanden vor Ihnen, der das Haus nach dem Tod meiner Oma haben wollte. Der Verkauf war schon ziemlich weit vorangeschritten und er hat angefangen, Böden und Decken rauszureißen. Dann hat ihm jemand gesagt, dass das ein Haus aus dem 18. Jahrhundert ist und dass es unter Denkmalschutz steht.« Sie geht in das Zimmer und duckt sich im Türrahmen, obwohl sie wirklich nicht riesig ist. Eins siebzig vielleicht.
»Das wussten Sie aber, oder?«, fragt sie mich mit einem Seitenblick und ich hebe meinen Kopf in Richtung des ihren, löse mich blitzschnell von ihren Beinen.
Der Makler sprach davon. Aber es interessierte mich nicht. Dieses alte Haus hatte ich sofort in mein Herz geschlossen. »Ja, das ist mir bekannt«, sage ich und stehe nun neben ihr im Minizimmer. »Wirkt ganz schön klein, wenn man zu zweit drin steht«, versuche ich einen Scherz.
»Als ich noch klein war, war es riesig«, sagt sie mit deutlicher Sentimentalität in der Stimme.
Wohl kaum der richtige Zeitpunkt für weitere Späße.
»Dann lasse ich Sie mal in Ruhe suchen und umschauen. Oder brauchen Sie mich?«
»Nein,...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Swinging Village
  5. Danksagung
  6. Weitere Bücher