Die therapeutische Haltung
eBook - ePub

Die therapeutische Haltung

Perspektiven der Analytischen Psychologie

  1. 160 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Die therapeutische Haltung

Perspektiven der Analytischen Psychologie

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Die therapeutische Haltung ist ein komplexes Konzept. Sie ist Ergebnis von theoretischen Annahmen, Einflüssen aus der Praxis sowie der Persönlichkeit des Therapeuten. Daraus ergeben sich wichtige ethische Fragen. In der Analytischen Psychologie wird eine unbewusste Verbindung zwischen Therapeut und Patient angenommen. Dem Selbst wird eine archetypische Entwicklungstendenz zugesprochen, was Ressourcen und Möglichkeiten des Patienten betont. Eine jungianische therapeutische Haltung kann die Arbeit des Analytikers sehr bereichern.Mit Fokus auf konkreten Implikationen für die therapeutische Praxis nimmt das Werk die systematische historische, theoretische und klinische Untersuchung dessen vor, was man unter "therapeutischer Haltung" verstehen kann. Zahlreiche Fallbeispiele veranschaulichen Theoriekonzepte und praktische Arbeit.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Die therapeutische Haltung von Volker Münch, Ralf T. Vogel im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Psychologie & Psychotherapeutische Beratung. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2020
ISBN
9783170366145

Teil II: Die therapeutische Haltung in der Analytischen Psychologie

5 Was ist anders an der therapeutischen Haltung?

Vogel (2016) schickt seinen Gedanken über die therapeutischen Methoden der Analytischen Psychologie die Formulierung voraus, diese stellten »immer nur Anwendungsformen der Haltung dar«. Insofern ist das, was im Folgenden über die in der Analytischen Psychologie anders gelagerte Metatheorie, das Menschenbild oder die Vorstellung von der Psyche gesagt wird, überaus relevant für die klinische Praxis.
Zentral ist: Therapeutische Haltung in der Analytischen Psychologie beinhaltet, das Vertrauen zu haben, dass das Unbewusste zur Entwicklung Förderliches beitragen kann, dass der Therapeut als Katalysator für die vom Selbst des Patienten gesteuerten Prozesse der Individuation und des Wachstums wirksam sein kann, nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Die therapeutische Haltung eines in jungianischer Psychologie ausgebildeten Psychoanalytikers oder Psychotherapeuten unterscheidet sich in einigen Punkten maßgeblich von dem der klassischen Analyse, weniger von dem eines postmodernen, intersubjektivistisch beeinflussten Therapeuten. Mit Jungs Annahme der Finalität der Entwicklung des menschlichen Seelenlebens kommt der Frage nach dem »Wozu?« – also etwa: Worauf zielt ein Symptom ab, was sagt es über die (bislang noch vom Patienten als neurotisch leidvoll erlebte) Bestimmung oder nicht realisierte Talente und Neigungen desselben aus – große Bedeutung zu. Krankheitssymptome werden nicht als Kompromissbildung, sondern selbst als Symbol verstanden, das verstanden und vor allem angenommen werden will. Der vom Selbst des Patienten unbewusst strukturierte Individuationsweg verweist auf seine unverwechselbare Identität, die jedoch nicht mit dem Ich verwechselt werden darf. Vielmehr ist für Jung und seine Nachfolger (vgl. Samuels, 1989) der maßgebendere Teil der Persönlichkeit das Selbst, also das Unbewusste, dem durch eine Therapie mehr Gehör und Raum verschafft werden soll. Dadurch entstehen Zufriedenheit, Integration und mehr Handlungsoptionen in der äußeren Realität.
In Ergänzung und auch Abwandlung des Freud’schen Diktums vom »Wo Es war, soll Ich werden« (Freud, 1933) könnte man das, was Jung diesem Gedanken hinzufügt und ihn dadurch natürlich auch in seiner Aussagekraft relativiert, als Aufforderung danach, »dass das Ich mehr Kontakt zum Selbst aufbauen und einen regeren Austausch mit dem Unbewussten pflegen soll«, bezeichnen. Dadurch kräftige sich die Gesamtpersönlichkeit und gewinne an Reife und innerer Stabilität, so Jungs Annahme. Kleinerer Teil dieses Paars ist ganz entschieden das Ich, das quasi auf der Oberfläche des um vieles Umfassenderen, letztlich auch das kollektive Unbewusste beinhaltenden Unbewussten, aufhaftet. Jung (1916) beschreibt das, was durch den Austausch zwischen Unbewusstem und Bewusstem erzeugt wird, als transzendente Funktion. Eine Ich-Stärkung kann also in dieser Sicht nur ein Ziel der therapeutischen Intentionen sein.

5.1 Das Setting in der Analytischen Psychologie

In der Praxis arbeiten die meisten jungianischen Kollegen im Sitzen, vis-à-vis mit dem Patienten. Manche teilweise auch klassisch ausgebildete Kollegen setzen die Couch ein, um bestimmten Patienten ein Mehr an Regression zu ermöglichen. Meine Erfahrung ist: Ist genügend Bindungssicherheit vorhanden, kann es vielen Patienten zugemutet werden, die Couch zu benutzen. Diese entdecken dann oft, wie zentrierend und erleichternd es ist, sprechen und über sich nachdenken und nachspüren zu können, ohne ständig das Gegenüber beachten (und beobachten) zu müssen. Denn in einem Alltagsgespräch tun wir dies ständig. Dies lenkt uns oft ab von inneren Themen und viele Patienten haben gerade dieses Problem, sich zu sehr nach den Erwartungen, Blicken und Meinungen anderer zu richten. Diesbezüglich ist die Couch immer noch eine geniale Idee. Sie hilft dann zu entspannen, sich zu zentrieren und auf ganz neue Weise zu erzählen, denn unwillkürlich erinnert die liegende Position natürlich eher an die heimische Couch oder das Bett. Dadurch, dass viele jungianische Psychotherapeuten doch häufig im Sitzen arbeiten, ist das Setting dieser therapeutischen Situation eher am Alltag situiert als das liegende Setting aus der klassischen Psychoanalyse. Dies beinhaltet, dass ich auch als Therapeut sichtbarer bin und auch zuweilen mehr unter Druck. Denn meine Gestik und Mimik werde ich bei aller Bemühung um Neutralität nicht verbergen können. Etwas größer ist damit sozusagen der Sog in Richtung Alltagsdialog, die Gefahr, aus der therapeutischen Haltung herausgezogen zu werden.
Man kann das Setting auch flexibel handhaben. Dieser Ablauf des Wechsels des Settings vom Sitzen ins Liegen und ggf. bei zu regressiven Prozessen auch wieder ins Sitzen muss zu Beginn einer Behandlung angesprochen werden.

5.2 Amplifikation oder Deuten – ein weiterer Unterschied zur klassischen psychoanalytischen Methodik

Zuletzt hörte ich von einer Kollegin, die ganz aktuell von ihrem Patienten forderte, dass er sich ihren Urlaubszeiten für die Dauer der Therapie anpassen solle. Anderenfalls würde er die anfallenden Kosten für die ausfallenden Termine bis auf zwei Wochen »Toleranz« selbst zahlen müssen. Man kann diese Regelung gewiss theoretisch begründen, aber sie schädigt m. E. das Ansehen einer ganzen Berufsgruppe. Das heutige gesellschaftliche Leben und die Formen der Berufstätigkeit erlauben oft nicht mehr die Planbarkeit der Arbeitswoche, gerade in exponierteren Positionen. Dieser Realität Rechnung zu tragen (vgl. Schmidbauer, 2005), kann man als eine notwendige Flexibilisierung der analytisch-therapeutischen Haltung ansehen, obgleich natürlich auch Abwehraspekte darin zu entdecken sind. Dennoch muss sich die Analytische Psychotherapie auch immer vom Zeitgeist herausfordern und befragen lassen. Bereits McDougall (1997) hat sich mit der Gefahr der Erstarrung der analytischen Zunft beschäftigt.
Viele Veröffentlichungen zu einer mehr intersubjektiv und auch dialogisch verstandenen Psychoanalyse (z. B. Braun & Otscheret, 2005) und auch zur niederfrequenten Analyse (Dreyer & Schmidt, 2010) und anderen Modifikationen haben deutlich gemacht, dass Übertragungsentwicklungen nicht eigens hergestellt werden müssen, um aufzutreten. Vielmehr stellen Übertragungen auch vor dem Hintergrund des jungianischen Komplexverständnisses ein ubiquitäres und nicht lediglich neurotisches Phänomen dar. Es drängt sich einem zuweilen der Eindruck auf, als bestünde die Überzeugung, dass eine wie auch immer geartete Anpassung und Flexibilisierung von Rahmen und Setting verheerende Auswirkungen auf den Verlauf von Analysen habe. Nach meinen zahlreichen Erfahrungen ist dies nicht der Fall, eher gibt es Hinweise auf die dadurch zunehmende Behandelbarkeit von schwereren Störungen.
Auch die Bedeutung der klassischen, besonders der biografischen Deutung ist durch die aktuellen Entwicklungen und Beiträge deutlich relativiert worden. Für die Analytische Psychotherapie besteht wenig Notwendigkeit, nur deutend aktiv zu werden, um Widerstände und Abwehr bearbeiten zu können. Aufgrund der Annahme, dass das Selbst des Patienten als Ressource und Antrieb von psychischer Reifung und Entwicklung tätig ist, werden sich jungianische Analytiker eher animiert fühlen, eben diese Strebungen zu unterstützen. Dadurch sollen die Autonomie und das Selbstgefühl gestärkt und der Individuationsweg begleitet werden, erst danach wird eine Integration der negativen Aspekte des Schattens möglich sein. Dem Patienten wird somit zunächst gewissermaßen etwas Positives über sich selbst mitgeteilt, was dann den Boden bereitet für eine wachsende Konfliktfähigkeit und die Fähigkeit, auch Schattenaspekte, also Verdrängtes und Unangenehmes, besser integrieren zu können. Gerade vielen der heute oft narzisstisch sehr vulnerablen Patientinnen fällt es schwer, sich mit Deutungen eigener Verdrängungsprozesse zu beschäftigen, ohne dass sie zuvor innerlich genügend Sicherheit und Bezogenheit in der therapeutischen Beziehung haben aufbauen können.
Oft ist es daher zunächst auch hilfreich, mit Amplifikationen zu arbeiten, also der Bereitstellung von Anreicherungen zu den Assoziationen des Patienten. Früher waren dies mehr Bilder und Erzählungen aus dem bürgerlichen Bildungskanon, heute werden häufiger Zitate aus der Populärkultur (Filme, Romane, Serien) verwendet. Diese verarbeiten freilich dieselben grundlegenden archetypischen Figuren und Narrationen, nur in anderem Gewand. Dies unterstreicht die relative Zeitlosigkeit der Inhalte des kollektiven Unbewussten. Den Assoziationen des Patienten wird also anders als in der klassischen Analyse nicht mit Bewusstheit, mit einer Aktivierung der Ich-Funktionen geantwortet, sondern mit einer Verstärkung seiner unbewussten Strebungen, wie sie in den Bildern, Träumen und Symptomen zum Ausdruck kommt. Eben um diesen einen festeren Platz in der Gesamtpersönlichkeit zu sichern.
Technisch gesehen wird durch die Amplifikation ebenfalls die Abwehr gemindert, denn die Angst vor der Auseinandersetzung mit dem Unbewussten schwindet, wenn sich der Therapeut nicht geängstigt, sondern inspiriert zeigt. Die Abwehr wird nicht direkt als solche gedeutet, sondern sie wird stillschweigend anerkannt und gewissermaßen unterlaufen, indem der Patient sich mit inneren, in seinem kollektiven Unbewussten bereitliegenden Bildern und Narrationen identifiziert, was eine beruhigende und letztlich auch das Ich stärkende Wirkung hat.
Die Sinnhaftigkeit der jungianischen Erweiterung der psychoanalytischen Grundgedanken erschließt sich gerade vor dem Hintergrund der häufiger anzutreffenden »frühen Störungen«, die zunächst eine korrigierende emotionale Erfahrung verinnerlichen müssen, um überhaupt in eine Auseinandersetzung mit Affekten wie Hass, Wut, Neid, Trauer und Angst eintreten zu können. Bis dahin bleibt oft vieles im intellektuellen Bereich, der Patient und der Therapeut berühren sich seelisch noch zu wenig. Akzeptiere ich aber den »Widerstand« und die »Abwehr«, entkräfte ich indirekt die in diesen Kräften gebundene Angst des Patienten. Da das Unbewusste in der Analytischen Psychologie nicht allein als Ort des Bedrohlichen verstanden wird, sondern mehr als Ort der Ressourcen und Möglichkeiten, kann man annehmen, dass der Patient sich auch nicht vor seinen sämtlichen Inhalten fürchten muss. Das Unbewusste als Verbündeter kann sich so deutlicher zeigen. Solange diese Interventionen noch nicht greifen, dient diese Phase der inneren Vorbereitung des nachfolgenden affektiv getragenen Wandlungs- und Veränderungsprozesses (vgl. auch Lesmeister, 2009).

5.3 Der Beginn der Behandlung

Auch für den Analytischen Psychologen gehört zur Basis einer funktionierenden und hilfreichen therapeutischen Beziehung selbstverständlich die Etablierung eines Arbeitsbündnisses mit dem Patienten. Dies bedeutet, dass man einen Minimalkonsens darüber erzielt, welches die Behandlungsziele sind und wie diese erreicht werden sollen. Dass dies aufgrund der oft krankheitsbedingten nicht vorhandenen Einsichtsfähigkeiten und Idealisierungsneigungen und auch des Leidensdrucks des Patienten nicht sehr umfassend erfolgen kann, liegt auf der Hand. Wenn ich nicht weiß, was meine Erkrankung eigentlich verursacht, worin sie eigentlich besteht, kann ich auch noch nicht verstehen, auf welchem Weg sie wirklich behandelt und möglicherweise gelindert oder »geheilt« werden kann. In diesem Sinn beinhaltet eine verantwortliche therapeutische Haltung auch das Wissen um dieses zunächst nicht allein durch Information zu korrigierende »Unwissen« des Patienten.
Hauptproblem ist oft, dass das medizinische Krankheits- und Behandlungsmodell in Fragen des Seelenlebens nicht wirklich passt, was häufig zu skurrilen Situationen führen kann, wenn Patienten zunächst in die so andere Welt der Psychologie, Psychotherapie und die Welt der Erkundung der eigenen Seele eingeführt werden müssen. Das macht dann den allerersten Teil der Behandlung aus. Erinnert sei an die Kernaussage der Psychoanalyse, dass der Mensch nicht Herr im eigenen Hause ist, sondern sein Unbewusstes. Wie will er da, noch dazu unter neurotischen Symptomen leidend, erkennen können, was ihm wirklich hilft? Psychische Krankheit, ihre Ursache und Funktion, auch ihre Wandlung kann in den probatorischen Gesprächen oft nur umkreist und angedeutet werden; ein sachliches Gespräch, von dem etwas hängen bleibt, ist oft nur ansatzweise möglich.
Insoweit kommt es tatsächlich oft vor allem durch das Entstehen von Vertrauen in die therapeutische Beziehung zu einer Behandlung. Es kommt zu einer initialen idealisierenden Übertragung, der Therapeut erinnert den Patienten an eine positiv erlebte Person (ein Objekt im Jargon der Psychoanalyse) der Vergangenheit, woraufhin der Patient unbewusst an diese verinnerlichte Erfahrung anknüpfen kann. Dies bedeutet auch, dass der Therapeut etwas in die Beziehung einbringt, was dem Patienten hilfreich erscheint, wovon dieser zu profitieren meint. Dies zu benennen, irritiert die meisten der frühgestörten Patienten, denn sie haben ja nie gelernt, über sich mentalisierend nachzudenken und zu sprechen und ihre Gefühle in Beziehungen zum Ausdruck zu bringen. Deshalb kommen sie ja in die Behandlung. Es ist also die Quadratur des Kreises, wenn man versucht, dies alles objektivierend in die ersten Sitzungen zu verlegen und dem Patienten etwa versucht zu erklären, was in der Behandlung vermutlich geschehen wird. Was umso mehr deutlich wird, ist die hohe Verantwortung des Analytikers für den Patienten und die Behandlung.
Man kann vermuten, dass das, was wir gemeinhin als die Notwendigkeit einer gewissen Passung zwischen Therapeuten und Patienten beschreiben, auch mit den tieferen Ähnlichkeiten, Bezügen und Analogien in den unbewussten Bereichen der beiden Persönlichkeiten zu tun hat. Bestimmte Therapeuten bekommen bestimmte Patienten. Bestimmte Patienten finden auf mysteriöse, aber umso erstaunlichere Weise zu einem für sie geeigneten Therapeuten, erst dann kann sich eine günstige, also heilungswirksame Konstellation ergeben. Wie der Praktiker weiß, hängt in der therapeutischen Arbeit des Alltags vieles von der Passung Therapeut-Patient, man könnte auch sagen, von deren persönlicher Gleichung ab.
Zentraler Aspekt des Arbeitens, und dies ist auch Teil der jungianischen therapeutischen Haltung überhaupt, ist, dass der Seele zugetraut wird, mit Hilfe, aber dann doch weitgehend selbsttätig, ein neues Gleichgewicht zwischen den bewussten und unbewussten Anteilen der Persönlichkeit herzustellen. Jung nennt dies die Aktivierung der transzendenten Funktion (vgl. Jung, 1916). Die Akzeptanz, dass das Unbewusste immer stärkste Kraft in unserer Seele bleiben wird, gibt paradoxerweise eine Stärke. Dann nämlich muss das Unbewusste nicht mehr gegen unsere bewussten Intentionen nach Bewusstwerdung vorgehen. Was dem Patienten viel psychische Energie erspart und ihn damit integrierter und ausgeglichener werden lässt.
Braun (2016, S. 79) warnt andererseits vor einem »furor sanandi«, wenn der Patient sich nicht in die vom Therapeuten intendierte Richtung entwickelt und ein Stillstand der Behandlung droht. In solchen Fällen der andauernden Stagnation kann es sinnvoller sein, die Behandlung bei jemand anderem fortsetzen zu lassen.
Der Behandler muss ein Mindestmaß an Interesse an seinem neuen Patienten verspüren, besser sogar einige Anknüpfungspunkte in der Persönlichkeit und der Lebensgeschichte des Patienten finden, die ihn interessieren, faszinieren oder etwas mit seinem eigenen jetzigen oder vergangenen Leben zu tun haben. Jedes gekünstelte oder technisch formulierte Vorgehen muss zu Misstrauen des Patienten führen, der ja auch durch als unauthentisch und selbstbezogen erlebte Eltern und Beziehungspartner krank geworden ist.
Zusammengefasst lässt sich das Gelingen einer therapeutischen Kontaktaufnahme so beschreiben, dass der Therapeut sich in irgendeiner Weise persönlich berührt fühlen muss bezüglich eigener Verletzungen. Mit dieser Konstellierung der eigenen inneren Wunde erst kann der »innere Heiler«, eine archetypisch anzunehmende Selbstheilungskompetenz des Patienten aktiviert werden (
image
Kap. 7.1). Damit ist bereits Wesentliches für eine gelingende therapeutische Arbeit gewonnen. Alle inhaltliche Fokussierung und Ausarbeitung...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Geleitwort
  5. Inhalt
  6. Vorwort
  7. Teil I: Allgemeines zur therapeutischen Haltung
  8. Teil II: Die therapeutische Haltung in der Analytischen Psychologie
  9. Teil III: Die therapeutische Haltung als Ausdruck der Behandlungsethik
  10. Literatur
  11. Stichwortverzeichnis