Bloggen gegen Rassismus
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Holen wir uns das Netz zurück!

  1. 204 Seiten
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Über dieses Buch

Viele Rassist: innen bloggen handwerklich perfekt, aber inhaltlich perfide. Die AfD und andere Hater: innen verbreiten Hetze in sozialen Netzwerken und vergiften das gesellschaftliche Klima. Aus Angst vor Hassrede beteiligt sich beinah die Hälfte der Internetnutzer: innen seltener an politischen Diskussionen im Netz. Wir dürfen den Rassist: innen nicht das Internet überlassen! Dies gefährdet die Meinungsvielfalt und die Demokratie insgesamt. Der Journalist und Blogger Said Rezek positioniert sich seit Jahren gegen Rassismus und Hass im Netz. Er ist überzeugt: "Jede: r kann der Hetze als Blogger: in Paroli bieten und positive Akzente für eine vielfältige, friedliche und demokratische Gesellschaft setzen." In seinem Buch beleuchtet Said Rezek die rechte Szene im Netz und zeigt den Leser: innen mit praktischen Beispielen, Übungen und Lösungen, wie sie -virale Blog-Beiträge gegen Rassismus und für eine vielfältige Gesellschaft produzieren, -ihre Reichweite in sozialen Netzwerken erhöhen, -spezielle Beitragsformen für soziale Netzwerke erstellen, zum Beispiel offene Briefe, Listicles, Tweets und Memes, -das Handwerk des Bloggens professionell einsetzen, zum Beispiel die Themen- oder die Bildersuche und nicht zuletzt die Recherche, -sich vor den Risiken des Bloggens schützen, darunter Hassrede, Filterblasen, Fake News und Verletzung der Privatsphäre.

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Information

Verlag
tredition
Jahr
2020
ISBN
9783347143388
1. Kapitel
Rassistischer Hass im Netz und auf der Straße
Rassismus ist real und Rassismus tötet. Rassismus kann sogar bis hin zum Völkermord führen. Die Genozide mit über 6 Millionen ermordeten Juden6 und 200.000 bis 500.000 ermordeten Sinti und Roma7 während der NS-Diktatur belegen dies auf eine brutale Weise.
Seit dem Ende der Schreckensherrschaft der Nationalsozialist: innen ge- hört Rassismus und speziell Antisemitismus in Deutschland jedoch nicht der Vergangenheit an. Dafür gibt es in der jüngsten Geschichte diverse Beispiele, darunter der Terroranschlag auf die Synagoge in Halle (Saale) am 9. Oktober2019. Am höchsten jüdischen Feiertag, Jom Kippur, versuchte dort ein schwer bewaffneter Rechtsterrorist* ein Blutbad anzurichten und laut eigener Aussage möglichst viele Juden zu töten. Doch die massive Eingangstür des jüdischen Gotteshauses, in dem sich zu der Zeit 52 Gläubige befanden, hielt den Schüssen und Sprengsätzen des Attentäters stand.8 Allein dadurch ist ein Massaker verhindert worden.
Nach seinem gescheiterten Versuch, in die Synagoge zu gelangen, habe sich der Rechtsterrorist entschlossen, »Menschen mit Migrationshintergrund zu töten«, so die Anklage. Dabei erschoss er eine zufällig vorbeilaufende Frau und tötete gezielt einen Gast in einem Döner-Imbiss, den er für einen Muslim hielt, wie der Attentäter vor Gericht aussagte. Auf seiner Flucht vor der Polizei verletzte er zwei weitere Menschen durch Schüsse schwer. Seine gesamte Tat hatte er gefilmt und die Aufnahmen per Livestream im Internet verbreitet, um eine »möglichst breite Wahrnehmung zu erreichen und Nachahmer zu animieren«, so der Attentäter weiter.9
Die Bundesanwaltschaft klagte den 28-Jährigen am Oberlandesgericht Naumburg im April 2020 wegen zweifachen Mordes und Mordversuchs in insgesamt 68 Fällen an. Ihm wird vorgeworfen, die Mordanschläge »aus einer antisemitischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Gesinnung heraus« ausgeführt zu haben.10 Bei einer Verurteilung droht dem Terroristen eine lebenslange Freiheitsstrafe. Zudem kommt eine anschließende Sicherungsverwahrung in Betracht. Das Urteil steht zum jetzigen Zeitpunkt noch aus (Stand: Oktober 2020).11
Der nicht vorbestrafte Attentäter war nach einem abgebrochenen Chemiestudium arbeitslos und verbrachte viel Zeit im Internet, wo er sich von den Sicherheitsbehörden unbemerkt radikalisierte. In der virtuellen Welt traf er auf Gleichgesinnte, mit denen er sich ein menschenfeindliches Weltbild aufbaute. Dazu gehörten Gewaltfantasien, Frauenhass, Rassismus, Judenhass, Holocaust-Leugnung und Hitlerverehrung.12
Ein weiterer rassistisch motivierter Terroranschlag ereignete sich am 19. Februar 2020 in Hanau. Ein Rechtsterrorist hat bei Anschlägen auf eine Shisha-Bar und den Kiosk eines türkischstämmigen Geschäftsführers neun Menschen durch Schüsse getötet, er verletzte sechs weitere und einen davon schwer – alle Opfer hatten einen sogenannten Migrationshintergrund (→ Glossar). Anschließend hat der Täter seine Mutter erschossen, bevor er sich selbst das Leben nahm.
In einem 24-seitigen Manifest und einem Video – beides veröffentlichte der 43-jährige Attentäter vor dem Anschlag im Netz – verbreitete er Verschwörungserzählungen (→ Glossar). Er spricht vom »Wirken Satans«,»Kinder-Folterstätten« und einer »Elite«, die das Volk durch Täuschung beherrsche. Gleichzeitig vertritt er ein eindeutig faschistisches Weltbild. So schreibt er über »destruktive Völker« mit »mehreren Milliarden« Menschen, die vernichtet werden müssten. Zwei Dutzend Nationen zählt er in erster Linie dazu, vor allem solche mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit. Und er merkt an, »dass nicht jeder, der heute einen deutschen Pass besitzt, reinrassig und wertvoll ist«. Auch hier soll eliminiert werden, was die Nazis »unwertes Leben« nannten.13
Trotz dieser eindeutig rechtsextremen Äußerungen leugnete der AfD- Parteivorsitzende Jörg Meuthen einen Tag nach dem Terroranschlag in Hanau ein rassistisches Motiv, indem er von der »wahnhafte(n) Tat eines Irren«14 sprach. Kein Wunder, dass er und andere AfD-Politiker: innen so argumentierten, denn durch ihre rassistische Hetze legen sie den geistigen Nährboden für solche Anschläge. Sie versuchen ihre Hände in Unschuld zu waschen und möchten gleichzeitig die rechtsextreme Gewalt in Deutschland relativieren.Generalbundesanwalt Peter Frank machte unmissverständlich deutlich, dass der Täter in Hanau aus einer »zutiefst rassistischen Gesinnung« gehandelt habe. Zu dieser Einschätzung gelangte auch der Präsident des Bundeskriminalamtes Holger Münch sowie Bundesinnenminister Horst Seehofer. Das Bundeskriminalamt arbeitet noch an einem Abschlussbericht, in der die Motivation des Attentäters final geklärt werden soll (Stand: Oktober 2020).15
Von dem Terroranschlag ahnten die Sicherheitsbehörden laut eigenen Angaben nichts, da sie den Attentäter nicht auf dem Radar hatten.16 Nach Informationen der Frankfurter Rundschau fiel der Rechtsextremist jedoch bereits vor den Morden in Hanau mit rassistischen und bewaffneten Drohungen auf, denen die Ermittler: innen nicht nachgegangen seien. So lag dem Generalbundesanwalt im November 2019 beispielsweise eine Anzeige des Attentäters vor. Darin gab er unter anderem an, durch eine Geheimorganisation ausspioniert zu werden, und es ist von der »finalen« Anzeige die Rede, Ausländerkriminalität, einer Bedrohung Deutschlands, Kriegen und einem inneren Feind. Die Generalbundesanwaltschaft weist die Kritik zurück, denn dies »rechtfertigte nicht die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens«. Es hätten sich »keine Anhaltspunkte für strafbare Handlungen oder eine Gefährlichkeit« ergeben, weshalb es nicht zulässig gewesen sei, andere Behörden zu informieren.17
Nach den rassistischen Terroranschlägen in Hanau prägten vor allem Erschütterung und Mitleid die öffentliche Debatte, aber nicht nur. In sozialen Netzwerken befürworteten diverse User: innen die Morde. Jemand hat beispielsweise geschrieben: »Endlich eine gute Nachricht.«18 Ein anderer kommentierte: »Selbst schuld, kein Mitleid, so wird es Merkel und die (sic!) anderen auch ergehen, und das ist gut so, wer sein Volk töten will, was (sic!) sie füttert hat nichts anderes verdient.«19 Insgesamt hat die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität nach den Anschlägen von Hanau 84 Verfahren wegen solcher Hasskommentare angestrengt20, wobei die Dunkelziffer deutlich höher sein dürfte.
Seit Januar 2017 erfasst das Bundeskriminalamt strafrechtlich relevante Hasspostings in einer eigenen Kategorie. Der Anteil politisch rechts motivierter Hasspostings liegt zwischen 2017 und 2019 konstant bei über 70 Prozent. Damit treten rechts motivierte Hasspostings deutlich häufiger auf als politisch linke oder solche, die durch eine ausländische oder religiöse Ideologie heraus begangen werden.
Tab. 1: Politisch motivierte Hasspostings von 201721, 201822 und 201923
In absoluten Zahlen sind die polizeilich registrierten Hasspostings von insgesamt 2.270 im Jahr 2017 auf 1.524 im Jahr 2019 gesunken. Das Bundeskriminalamt führt den Rückgang auf das gemeinsame Vorgehen von Polizei, Justiz und auf das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG)24 zurück, das am 1. Oktober 2017 in Kraft trat.25 Doch die absteigende Tendenz der polizeilich registrierten Hasspostings ist kein Grund zur Entwarnung. Die Statistik beleuchtet nur die Spitze des Eisbergs. Aus der Studie Hass auf Knopfdruck des Institute for Strategic Dialogue und #ichbinhier aus dem Jahr 2018 geht hervor:
»Die Analyse von über 1,6 Millionen rechtsextremen Posts in sozialen Medien (Twitter und öffentliche Facebook-Seiten) im Zeitraum Februar 2017 – Februar 2018 zeigt, dass zwar explizit rassistische, antimuslimische und antisemitische Posts seit dem Inkrafttreten des NetzDG im Oktober 2017 abgenommen haben, aber koordinierte rechtsextreme Online-Hasskampagnen seit Dezember im Schnitt mehr als dreimal so weit verbreitet sind (ca. 300.000 Posts/Monat) wie in den zehn vorangegangen Monaten (ca. 90.000 Posts/Monat).«26
Gerade wenn es um Geflüchtete, sogenannte Ausländerkriminalität, Migra- tion, Heimat oder »den« Islam geht, sind Hasskommentare in sozialen Netzwerken oder in den Kommentarspalten vieler etablierter Medien so gut wie vorprogrammiert. So beteiligt sich etwa die Hälfte der Internetnutzer: innen nicht an Diskussionen im Netz, weil sie negative Erfahrungen mit Hate Speech befürchtet.27 Das ist nachvollziehbar, denn Hassrede kann die Gesundheit jedes Einzelnen gefährden, sowohl psychisch als auch physisch.28 Wortgewalt kann im schlimmsten Fall zur Tatgewalt führen.29 Hasskommentare bedrohen darüber hinaus die Demokratie, weil darunter die Meinungsvielfalt leidet und die öffentliche Meinung verzerrt wird.
Aber wir sind der Hetze nicht hilflos ausgeliefert. Es gibt Möglichkeiten, wie wir uns davor schützen und dem Hass etwas entgegensetzen können. Im Laufe dieses Buches werde ich darauf eingehen, wie sich jede: r durch das Bloggen gegen Rassist: innen und für eine vielfältige Gesellschaft einsetzen kann. Zunächst müssen wir uns darüber klar werden, was Hate Speech überhaupt ist.
1.1 Was ist Hate Speech?
Bevor ich die Frage beantworte, was Hate Speech bzw. Hassrede ist, werfen wir einen Blick in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Dort wird in Artikel 5 Absatz 1 das Grundrecht auf Meinungsfreiheit garantiert, was weltweit alles andere als selbstverständlich ist.
Im Grundgesetz heißt es:
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.30
Die Meinungsfreiheit ist jedoch kein schrankenloses Grundrecht. Die Grenzen der Meinungsfreiheit werden in Artikel 5 Absatz 2 Grundgesetz definiert:
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.31
In der Konsequenz sind beispielsweise Verleumdungen, Beleidigungen und Volksverhetzung nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt, da es sich hierbei um Straftatbestände handelt. Der Begriff Hate Speech ist zwar nicht juristisch definiert, aber Hasskommentare können dennoch strafrechtlich relevant sein, wenn sie jenseits der Meinungsfreiheit liegen und Gesetzesverstöße darstellen.32 Justiziable Hasspostings in Deutschland umfassen im Wesentlichen folgende Straftatbestände:
Volksverhetzung (§ 130 StGB)
Beleidigung (§ 185 StGB)
Nötigung und Bedrohung (§§ 240, 241 StGB)
Propagandadelikte (§§ 86, 86a StGB)
Öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB)33
Die genannten Straftatbestände zeigen, dass das Verfassen von strafrechtlich relevanten Hasskommentaren kein Kavaliersdelikt ist. Volksverhetzung kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden.34 Außerdem hat der Bundestag am 18. Juni 2020 das Gesetzespaket zur besseren Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Internet verabschiedet. Dadurch sind die Sanktionen für Straftaten im Netz verschärft worden. Wer beispielsweise öffentlich im Internet andere beleidigt, kann künftig mit bis zu zwei Jahren – stat...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelblatt
  3. Widmung
  4. Urheberrechte
  5. Inhalt
  6. Vorwort von Sina Laubenstein
  7. Einleitung
  8. 1. Kapitel: Rassistischer Hass im Netz und auf der Straße
  9. 2. Kapitel: Digitale Zivilcourage gegen Rassismus
  10. 3. Kapitel: Von Medienkonsument:innen zu Blogger:innen
  11. 4. Kapitel: Spezielle Beitragsformen für soziale Netzwerke
  12. 5. Kapitel: Risiken des Bloggens
  13. Mein Appell:Holen wir uns das Netz zurück!
  14. Anmerkungen
  15. Abbildungsverzeichnis
  16. Tabellenverzeichnis
  17. Glossar
  18. Danksagung