Psychische Störungen bei Säuglingen und Kleinkindern
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Psychische Störungen bei Säuglingen und Kleinkindern

  1. 180 Seiten
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Psychische Störungen bei Säuglingen und Kleinkindern

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Even very young children may show behavioural problems & especially those that are known as?regulation disorders=, i.e. crying, sleeping and feeding disorders. Parents and caregivers are often pushed to their limits, endangering the relationship with the child during this vulnerable phase of development. This can result in long-term negative developmental courses, so that early treatment of behavioural problems in infancy and early childhood has a high preventive value. This book presents the most common psychological disorders in early childhood. In addition to the typical symptoms, the conditions that give rise to these and specific therapeutic approaches are also discussed.

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783170362925
Auflage
1

1 Erscheinungsbild, Entwicklungspsychopathologie und Klassifikation

Fallbeispiel

Pauls (14 Monate) Mutter wird in der Kinderklinik vorstellig, da sie am Rande ihrer Kräfte ist. Der Junge weist zum Zeitpunkt des Erstgespräches eine generalisierte Regulationsstörung mit Schrei-, Schlaf- und Fütterproblemen auf. Nico weigerte sich bisher (seit Beginn der Einführung fester Nahrung im Alter von 6 Monaten) feste Nahrung in Form von Brei oder Finger Food zu sich zu nehmen, so dass die Mutter in zunehmender Frequenz stillen musste. Durch das häufige Stillen entwickelte sich aber sowohl das Schlafverhalten als auch die Selbstregulation mehr und mehr dysfunktional. Zum Zeitpunkt des Eintrittes in die Kinderklinik, verlangt Nico annähernd stündlich nach der Brust, verweigert jegliche feste Nahrung und wird fast ständig von der Mutter im Arm gehalten und umhergetragen. Er weint sehr viel und schläft tagsüber kaum. Auch in der Nacht ist sein Schlaf stark fraktioniert.
Die Mutter berichtet, dass sie selbst aufgrund einer Borderline-Persönlichkeitsstörung in psychiatrischer Behandlung sei. Sie könne das Schreien von Paul kaum aushalten. Das Verhalten ihres Sohnes rufe bei ihr extreme Stressgefühle und Anspannung hervor. In den letzten Wochen sei es ihr zunehmend schwergefallen, sich unter Kontrolle zu behalten. Manchmal möchte sie nur schreien. Gleichzeitig sei sie sehr gerne Mutter und betrachte Paul als ihren Lebensmittelpunkt.

Lernziele

• Sie wissen, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um von auffälligem Verhalten im Säuglings- und Kleinkindalter zu sprechen.
• Sie kennen die Definition des exzessiven Schreiens nach Wessel.
• Sie kennen die häufigsten Schlafstörungen bei Säuglingen und Kleinkindern, können diese beschreiben und von Normvarianten abgrenzen.
• Sie kennen mind. zwei Klassifikationssysteme, welche spezifisch für psychische Auffälligkeiten im Säuglings- und Kleinkindalter (0–5 Jahre) entwickelt wurden.
• Sie kennen den Begriff »Pädiatrische Fütterstörungen« und können ihn definieren.

1.1 Entwicklungspsychopathologische Grundlagen

Verhaltensprobleme und psychische Störungen können bereits bei Säuglingen und Kleinkindern auftreten. Entsprechend dem Entwicklungsstand sehr junger Kinder, sehen wir vor allem Schwierigkeiten mit der Verhaltensregulation in verschiedenen Kontexten. Dies ist im Altersbereich von 0–3 Jahren vor allem die Regulation von Erregungen und Stress (bzw. Emotionen), Verhaltensabläufen, des Schlaf-Wach-Rhythmus und der Nahrungsaufnahme. Im folgenden Kapitel sollen deshalb die Erscheinungsbilder der drei Hauptproblembereiche Schreien, Schlafen und Nahrungsaufnahme beschrieben werden. Dabei werden neben den jeweiligen Definitionen von Störungen in diesen Bereichen auch psychopathologische Entwicklungsmodelle und die Klassifikationsmöglichkeiten aufgezeigt.
Das Entwicklungsmodell von Sroufe (1989) sieht in den ersten sechs Lebensjahren eines Kindes folgende Entwicklungsaufgaben vor:
1. Regulierung innerer Abläufe wie beispielsweise Schlaf und Nahrungsaufnahme (0–6 Monate)
2. Bindung und motorische Selbstkontrolle (6–12 Monate)
3. Sprache, Exploration und Autonomie (1–3 Jahre)
4. Impulskontrolle und Beziehung zu Peers (3–6 Jahre)

1.2 Symptomatik und Klassifikation

Störungen in der frühen Kindheit sind eng mit der biologischen Reifung des Zentralnervensystems und der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben verknüpft. Daraus folgt, dass sich die Symptomatik bei sehr jungen Kindern zumeist anders als bei älteren Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen äußert und sich mit zunehmendem Alter verändern kann. Folglich müssen bei der Beurteilung eines Kindes im Säuglings- und Kleinkindalter entsprechende Normvarianten von pathologischen Abweichungen des Verhaltens und der Emotionalität unterschieden werden.

Merke

In Anlehnung an Steinhausen (2019) gilt ein Verhalten dann als auffällig, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
a) das Verhalten ist hinsichtlich des chronologischen Alters bzw. des Entwicklungsalters nicht angemessen;
b) die Symptome persistieren über eine spezifische Dauer hinweg und
c) im Rahmen soziokultureller und ökonomischer Rahmenbedingungen wird das Verhalten von der Mehrheit als nicht normativ beurteilt.
Weiterhin muss das kindliche Verhalten zu Leiden, sozialer Einengung, Beeinträchtigung der Entwicklung oder negativen Auswirkungen für andere führen.
Gemäß der im Kasten genannten Definition von auffälligem Verhalten von Steinhausen (2019), müssen Symptome im Säuglings- und Kleinkindalter zwingend in Bezug zu normativen Entwicklungsverläufen und zur erwartenden Variationsbreite von Verhaltensmerkmalen gesetzt werden. Dabei sind insbesondere die Verhaltens- und Emotionsregulation, die Aufmerksamkeitssteuerung und die Handlungskontrolle, aber auch die gesellschaftlichen und sozialen Normen für die Beurteilung relevant.

1.3 Erscheinungsbild häufiger Störungen im Säuglings- und Kleinkindalter

1.3.1 Exzessives Schreien

Schreien gehört zum normalen Verhaltensrepertoire von Säuglingen. Es sichert ihr Überleben, indem es Bezugspersonen als auch Fremde motiviert, die Ursache für das Schreien zu finden, zu beheben und dadurch das Schreien zu beenden. Schreien kann viele Ursachen haben: Hunger, Müdigkeit, körperliches Unwohlsein, Schmerzen oder der Wunsch nach Nähe sind die häufigsten. Wenn Säuglinge jedoch deutlich mehr schreien, als dies von den Eltern erwartet wird, sehr unruhig und quengelig sind, kaum in den Schlaf und zur Ruhe gebracht werden können und auf angemessene Beruhigungsversuche nicht ansprechen, spricht man vom exzessiven Schreien. Das exzessive Schreien wird in der Alltagssprache auch »Drei-Monats-Koliken« oder »Kolikenschreien« genannt. Damit wird im Allgemeinen das vermehrte Schreien von Säuglingen, welches meist auf die ersten drei Lebensmonate begrenzt ist, umschrieben. Diese passagere Schreiproblematik tritt meist in physiologischen Reifungs- und Adaptationsphasen auf und geht zudem oftmals mit einer Beeinträchtigung der Schlaf-Wach-Regulation aber auch mit Problemen bei der Nahrungsaufnahme einher. Abzugrenzen ist diese zeitlich begrenzte Schreiproblematik vom persistierenden exzessiven Schreien, welches über den vierten bzw. sechsten Lebensmonat hinaus anhält. Dieses ist häufig mit einer tieferliegenden, erworbenen oder vererbten erhöhten Reaktivität auf Umweltreize bzw. größeren Schwierigkeiten die eigene Erregung bzw. Emotionen zu regulieren. Bedingt durch diese regulativen Schwierigkeiten haben die betroffenen Kinder meist auch in anderen Bereichen (z. B. beim Schlafen, beim Essen oder in Trennungssituationen) Probleme.

Merke

Das Kennzeichen des exzessiven Schreiens ist, das ein anfallsartiges, unstillbares Schreien, das ohne erkennbaren Grund bei einem ansonsten körperlich gesunden Säugling, auftritt. Angemessene Beruhigungsversuche der Eltern haben bei diesen Kindern meist keinen Erfolg.
Zur Definition des exzessiven Schreiens wird die so genannte 3er-Regel von Wessel et al. (1954) herangezogen.

Definition

Ein Kind schreit dann exzessiv, wenn die Schrei- und Unruhephasen:
1. länger als drei Stunden pro Tag,
2. öfter als dreimal pro Woche und
3. länger als drei Wochen anhalten.
Auch wenn die Schreiproblematik im Rahmen physiologischer Reifungs- und Adaptationsphasen in den ersten Lebensmonaten auftritt, geht sie jedoch zumeist mit einer erheblichen Belastung der Eltern einher. Das Schreien selbst, aber auch Schwierigkeiten bei der Schlaf-Wach-Regulation können zu einer abnormen Erregung bzw. chronischen Erschöpfung bei der Hauptbezugsperson führen. Betroffene Kinder haben oftmals nur sehr kurze Tagschlafphasen (meist weniger als 30 Minuten) und ausgeprägte Ein- und Durchschlafprobleme. Dies führt zu einer Kumulation der Schreiphasen in den späten Nachmittags- und Abendstunden durch Übermüdung bzw. Reizüberflutung.
Exzessiv schreiende Säuglinge sprechen vielfach auf angemessene Beruhigungsversuche nicht an. Zudem fallen sie sowohl während ihrer Wachphasen als auch im Schlaf durch eine erhöhte Schreckhaftigkeit auf. Die Kinder sind filterschwach auf den meisten Sinneskanälen, wodurch sie nur schlecht »abschalten« können und sehr geruchs-, geräusch-, berührungs- oder lageempfindlich sind. Da sie auf Stimuli oft mit starker Erregung reagieren, sind exzessiv schreiende Säuglinge schneller überreizt (Papousek & von Hofacker, 1998). Weitere beobachtbare Merkmale des Schreiens sind ein hoher Muskeltonus mit Überstrecken von Kopf und Rumpf, geballten Fäusten, hochroter Hautfarbe oder schriller Schreie.
Organische Ursachen können in der Regel beim exzessiven Schreien nicht gefunden werden. Akhnikh und Kolleginnen (2014) schätzen auf der Basis ihrer Literaturübersicht, dass bei weniger als 5 % aller exzessiv schreienden Säuglinge ein organisches Problem die Verhaltensschwierigkeiten erklären kann. Dies deckt sich mit Erfahrungen in klinischen Alltagssettings. Nur in äußerst seltenen Fällen konnte eine organische Ursache für das vermehrte Schreien bei Säuglingen, welche in einer Spezialambulanz für Säuglinge und Kleinkinder behandelt wurden, gefunden werden (Bolten, Glanzmann, & Di Gallo, 2020).

1.3.2 Schlafstörungen und Probleme mit der Schlafregulation

Neugeborene Kinder haben noch keinen klaren Tag-Nacht-Rhythmus. Dieser bildet sich im Verlauf der frühen Kindheit in Interaktion mit der Umwelt langsam aus (Yates, 2018). Nächtliches Aufwachen, auch weit über das erste Lebensjahr hinaus, ist also nicht zwingend als pathologisch zu werten (Mindell et al., 2016). Ob bei einem Säugling oder Kleinkind eine Schlafstörung vorliegt, hängt primär von der subjektiven Belastung durch das Ausmaß und die Häufigkeit der nächtlichen Schlafunterbrechungen für die Bezugspersonen ab (Pennestri et al., 2018).
In den ersten drei Lebensjahren treten vor allem Insomnien, also Ein- oder Durchschlafprobleme gehäuft auf. Dabei lassen sich beide Formen nicht vollständig voneinander trennen, denn Durchschlafschwierigkeiten sind meist eine Folge des Unvermögens alleine Einschlafen zu können. So finden diese Kinder am Abend und in der Nacht in der Regel nur dann in den Schlaf, wenn spezifische Gegebenheiten durch die Eltern hergestellt werden (z. B. elterliche Abwesenheit, Stillen oder Flaschenfütterung). Nicht selten benötigen diese Kinder auch die Anwesenheit der Eltern beim Einschlafen, das Sitzen der Eltern am Bett oder auch eine bestimmte Schlafumgebu...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Geleitwort zur Buchreihe
  5. Inhalt
  6. 1 Erscheinungsbild, Entwicklungspsychopathologie und Klassifikation
  7. 2 Epidemiologie, Verlauf und Folgen
  8. 3 Komorbidität und Differenzialdiagnostik
  9. 4 Diagnostik und Indikation
  10. 5 Störungstheorien und -modelle
  11. 6 Psychotherapie
  12. 7 Psychotherapieforschung
  13. 8 Rechtliche Aspekte
  14. 9 Zusammenfassung und Ausblick
  15. Literatur
  16. Stichwortverzeichnis