Teil 1
Erkennen und entwickeln Sie Ihre Schnelllese-Fähigkeiten
In diesem Teil des Buches erfahren Sie mehr über das Zusammenwirken zwischen Auge und Gehirn, das wir als »Lesen« bezeichnen. Ich werde diesen Prozess genau analysieren, um Ihnen zu zeigen, wie man ihn verbessern und beschleunigen kann. Außerdem finden Sie in diesem Kapitel den ersten einer Reihe von Selbsttests, die Ihnen Aufschluss darüber geben, wie schnell Sie lesen und wie gut Ihr Textverständnis ist, damit Sie genau wissen, wo Sie zurzeit stehen. In den nächsten Kapiteln werde ich Ihnen erklären, wie Sie das Wunderwerkzeug Ihrer Augen besser steuern können. Dadurch werden Ihr Lesetempo und Ihr Textverständnis sich schlagartig verbessern.
Außerdem werden Sie Techniken erlernen, mit denen Sie die Bewegungen Ihrer Augen über die Seite gezielter steuern und Texte besser durchsehen und überfliegen können. Und Sie lernen auch, Ihre Leseumgebung so zu optimieren, dass Ihre Augen und Ihr Gehirn Texte schneller erfassen. Um Ihr Lesetempo zu steigern und Ihr Textverständnis zu verbessern, werden Sie außerdem regelmäßig Übungen und Speed-Reading-Tests machen, die den »Muskel« Ihres Auge-Gehirn-Systems stärken und Ihre Lesegeschwindigkeit immer mehr erhöhen.
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Eine neue, revolutionäre Definition des Lesens
Bevor Sie die Speed-Reading-Techniken in diesem Buch erlernen, sollten Sie sich eine einfache Frage stellen: Was ist Lesen? Schreiben Sie Ihre Definition in die unten stehenden Leerzeilen:
Und nun vergleichen Sie sie mit folgenden gängigen Definitionen:
Lesen bedeutet verstehen, was der Autor sagen will. Lesen bedeutet, das geschriebene Wort in sich aufzunehmen. Lesen ist die Assimilation von Informationen. Jede dieser drei Standarddefinitionen deckt nur einen Teil des Lesevorgangs ab. Eine genaue Definition muss aber die ganze Bandbreite der Lesefähigkeiten umfassen.
Was ist Lesen? Eine neue Definition
Lesen ist ein Prozess, der aus sieben Schritten besteht (siehe Abbildung 2):
1. Erkennen: Sie müssen den Text erkennen. Dieser Prozess ist immer der gleiche, egal, woher Sie kommen, welche Sprache Sie sprechen, wie alt oder welchen Geschlechts Sie sind, welcher ethnischen Gruppe Sie angehören und welches Bildungsniveau Sie haben. Und er ist auch unabhängig davon, ob Sie mit der phonetischen oder der »Schau und sprich«-Methode lesen gelernt haben: Ihr Gehirn muss die alphabetischen Symbole erkennen und in sich aufnehmen.
2. Wie kommen die Symbole in Ihr Gehirn hinein? Das ist der Prozess des Assimilierens, und er ist schon ein bisschen komplizierter als bloßes Erkennen. Dieser Prozess hängt von Ihrer Körperhaltung, Ihrem Gesundheitszustand, Ihrer allgemeinen körperlichen Verfassung, vor allem aber von Ihren Augen und deren Zusammenarbeit mit Ihrem Gehirn ab. Um gut lesen zu können, müssen Sie wissen, wie Ihre Augen funktionieren und was beim Lesen in Ihrem Auge-Gehirn-System abläuft; doch leider bringt uns das niemand bei.
3. Als Nächstes müssen Sie das Gelesene erfassen (das bezeichnet man als »Innenintegration«); das heißt, Sie müssen die einzelnen Informationselemente des Textes miteinander verknüpfen.
4. Verstehen ist etwas anderes als bloßes Erfassen. Sobald Sie eine Information erfasst haben, können Sie sie in Ihre Außenwelt integrieren. Das ist die sogenannte Außenintegration: Dabei ordnen Sie den Inhalt des Buches gewissermaßen in Ihr Universum ein. Das ist ein ganz anderer Prozess als Schritt Nummer 3 (bei dem es darum ging, alle Inhalte des Buches in Ihrem Kopf miteinander zu verknüpfen). Bei der Außenintegration vernetzen Sie das Gelesene mit Ihren anderen Wissensgebieten.
5. Nun sind Sie so weit, die Information abzuspeichern – sie sich zu merken. Das heißt, Sie speichern das Gelesene in Ihrem inneren Aktenschrank oder Archiv ab.
6. Sich etwas ins Gedächtnis zurückrufen, Abrufen oder Erinnern bedeutet, dass Sie nach der Information »fischen«, um sie wieder aus Ihrem Gehirn hervorzuholen. Dazu müssen Sie natürlich erst einmal wissen, wie man das macht. Aber verwechseln Sie Merken und Ins-Gedächtnis-Zurückrufen nicht miteinander! Sagen Sie nicht: »Ich habe ein furchtbar schlechtes Gedächtnis«, denn das stimmt nicht. Sie haben ein hervorragendes Gedächtnis – Sie gehen nur nicht richtig damit um. Sie verwechseln Merken und Ins-Gedächtnis-Zurückrufen miteinander. Das tun übrigens die meisten Menschen.
7. Warum muss man sich Informationen ins Gedächtnis zurückrufen? Warum liest man überhaupt? Sie wollen das erworbene Wissen anwenden und kommunizieren, um etwas daraus zu machen oder zu lernen und die Basis für lebenslanges weiteres Lernen zu schaffen.
Beim Assimilieren geht es darum, wie wir Informationen in unseren Kopf hineinbekommen – und dabei kommen sämtliche Facetten des Speed Reading ins Spiel.
Lesen umfasst also auch die wichtigste und leider oft vernachlässigte menschliche Funktion: das Denken! Denken ist ein ständiger Prozess der Innen- und Außenintegration.
Angesichts dieser Definition wahren Lesens wird klar, dass man die im unten stehenden Infokasten aufgezählten 30 häufigsten Lese- und Lernprobleme leicht überwinden kann, wenn man gelernt hat, wie man Wörter erkennt und die gelesene Information assimiliert, erfasst, versteht, sich merkt, wieder aus dem Gedächtnis abruft und kommuniziert.
Abbildung 2: Definition des Lesevorgangs in sieben Schritten (bei einem normalen Buch):
1. Erkennen: Ihre Kenntnis der alphabetischen Symbole. Dieser Schritt findet statt, bevor das eigentliche Lesen beginnt.
2. Assimilieren: Der physische Prozess, durch den das gedruckte Wort Licht reflektiert; dieses Licht wird von Ihren Augen aufgenommen und über den Sehnerv ins Gehirn weitergeleitet.
3. Erfassen: Dieses Grundverständnis eines Textes bezeichne ich auch als Innenintegration; dabei werden alle Informationselemente des Gelesenen miteinander verknüpft.
4. Verstehen: Der Prozess, durch den Sie all Ihr bisheriges Wissen in den Lesestoff einbringen, die richtigen Gedankenverbindungen herstellen, analysieren, kritisieren, auswerten, auswählen und verwerfen. Diesen Prozess bezeichne ich auch als Außenintegration.
5. Merken: Das elementare Speichern von Informationen. Fast alle Leser haben schon einmal einen Prüfungsraum betreten und hatten dabei die meisten für diese zweistündige Zeitspanne erforderlichen Informationen innerlich abgespeichert, konnten sich aber erst beim Verlassen des Raumes wieder daran erinnern! Abspeichern allein genügt also nicht; man muss sich auch an die gespeicherten Informationen erinnern können. Das ist der nächste Schritt.
6. Ins Gedächtnis zurückrufen: Die Fähigkeit, die benötigte Information wieder aus dem Speicher abzurufen, und zwar vorzugsweise dann, wenn sie gebraucht wird.
7. Kommunizieren: Der Gebrauch, dem die Information sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt zugeführt wird. Dieser Prozess umfasst handgeschriebene, getippte, gesprochene und darstellende Kommunikation wie Kunst, Tanz und andere Formen kreativen Ausdrucks.