1 EinfĂŒhrung â PhĂ€nomene und Themen der Sportpsychologie
Der Gegenstandsbereich der Psychologie und der Sportpsychologie wird gleichermaĂen darin gesehen, das Verhalten und Erleben des Menschen und deren Ursachen und Wirkungen zu analysieren (Janssen, 1995).
FĂŒr den Kontext des Sports kann man sich an Brand (2010, S.16) orientieren: âDefinitorisch zusammengefasst beschĂ€ftigt sich die wissenschaftliche Sportpsychologie mit dem fĂŒr körperliche AktivitĂ€t und besonders Sport relevanten Verhalten und Erleben. Sie widmet sich insbesondere der Beschreibung, der ErklĂ€rung, der Vorhersage oder der VerĂ€nderung solchen Verhaltens und Erlebens und fundiert damit die praktische Anwendung sportpsychologischer Erkenntnisse im Feld.â
In der psychologischen Betrachtung von Erleben und Verhalten wird die Perspektive âInnenweltâ â z.B. Ich erlebe âĂrgerâ aufgrund eines Misserfolgs â vom Verhalten, d.h. der Perspektive âAuĂenweltâ â z.B. Ich vermeide einen weiteren Versuch â getrennt. Diese Person-Umwelt-Interaktion wird im Grundmodell der VerhaltenserklĂ€rung nach Nolting und Paulus (2015) verdeutlicht (vgl. Abb. 1). Es sind vier Aspekte, mit denen Verhalten beschrieben und auch erklĂ€rt werden kann: (1) die aktuellen Prozesse im Individuum, (2) die Bedingungen der Situation, (3) die Merkmale (Eigenschaften) der Person und (4) Aussagen ĂŒber den Hintergrund dieser Merkmale im Sinne der Entwicklungsbedingungen der Person.
Abb. 1:Grundmodell der VerhaltenserklÀrung nach Nolting und Paulus (2015, S.113)
FĂŒr das Beispiel aus dem Schulsport bedeutet dies: Ein SchĂŒler ist motiviert, beispielsweise das Hindernis (Bock, Kasten, Pferd) zu ĂŒberwinden, aber vielleicht nicht selbstsicher oder sogar gehemmt. Aktuelle Prozesse werden hĂ€ufig von den situativen Bedingungen ausgelöst (Anreger) und spiegeln sich im inneren Erleben wider: Der SchĂŒler will eigentlich am Sportunterricht aktiv teilnehmen, fĂŒhlt sich aber ĂŒberfordert. Dieses innere Geschehen (innere Prozesse und ZustĂ€nde) lĂ€sst sich weiter differenzieren. Die Situation wirkt auf das psychische System. Dazu gehören die âWahrnehmungâ, das âDenkenâ (im Sinne von erfassen), die âEmotionâ (im Sinne von bewerten), die âMotivationâ (im Sinne von anregen) und das âDenkenâ (im Sinne von planen). Diese inneren Bewertungs- und Entscheidungsprozesse werden im Ă€uĂeren Verhalten (Effekt) sichtbar, z.B. als gehemmt ausgefĂŒhrter Versuch, möglicherweise mit einem âhĂ€ngen bleibenâ am Kasten. In diesen aktuellen Prozessen zeigt sich einerseits das kognitive Erfassen der Aufgabe, andererseits können emotionale Bewertungen und daraus folgende motivationale Tendenzen die kognitive Planung soweit beeinflussen, dass das beobachtbare Vermeidungsverhalten daraus folgt. In diese Beschreibung gehen noch weitere Aspekte ein: die Persönlichkeitsebene als personale Disposition und die individuellen Entwicklungsbedingungen als Reifung und Lernen. Möglicherweise ist der SchĂŒler in seinem Persönlichkeitsprofil so ausgerichtet, dass er Situationen vermeidet, in denen die Gefahr besteht, Misserfolge zu erleben. Damit zeigt er eine Verhaltenstendenz, die in der Motivationspsychologie als âFurcht vor Misserfolgâ bezeichnet wird und die im Gegensatz zur Verhaltenstendenz âHoffnung auf Erfolgâ steht. Bezieht man nun auch zusĂ€tzlich die Entwicklungsbedingungen ein, könnte man als Hintergrund fĂŒr das Verhalten folgende Informationen nehmen: Der SchĂŒler hat keine sehr aktive Sportsozialisation genossen und wurde von seinen Eltern nicht besonders ermutigt, Sport zu treiben.
Das Grundmodell der VerhaltenserklĂ€rung (vgl. Abb. 1) â skizziert anhand des Beispiels aus dem Schulsport â lĂ€sst sich nutzen, um den komplexen Bezug von Erleben und Verhalten abzubilden und stellt eine Grundlage zum VerstĂ€ndnis psychologischer Prozesse dar.
2 Entstehung und Entwicklung der Sportpsychologie
Historisch hat sich die Sportpsychologie als Disziplin in Deutschland aus der experimentell ausgerichteten Psychologie der 1920er Jahre entwickelt. Einen entscheidenden Aufschwung nahm die Sportpsychologie ab Mitte der 1960er Jahre, wobei hier die sportwissenschaftliche Orientierung einen wesentlichen Einfluss hatte. Im Zusammenhang mit der Ausrichtung der Olympischen Spiele 1972 in MĂŒnchen und einer politisch ausgerichteten Konkurrenzsituation zur DDR flossen zusĂ€tzliche Mittel in den Ausbau der Sportwissenschaft. Davon hat auch die Sportpsychologie profitiert (Gabler, 2004; Janssen, 2009).
Heutzutage ist die Sportpsychologie in Deutschland institutionell an die sportwissenschaftlichen Institute und FakultĂ€ten der UniversitĂ€ten sowie an die Sporthochschule Köln angegliedert. Sportpsychologie wird als Wissenschaft und auch als Anwendungsdisziplin betrieben, wobei BezĂŒge zu sehr unterschiedlichen Zielfeldern wie dem Spitzen- und Breitensport, der PrĂ€vention und Rehabilitation oder dem Schulsport gegeben sind. Die thematischen Bereiche sind Ă€hnlich ausgerichtet wie in der Psychologie und umfassen z.B. Motivation, Volition, Emotion, Kognition oder sozialpsychologische PhĂ€nomene. Aktuelle Forschungsergebnisse werden in der Zeitschrift fĂŒr Sportpsychologie prĂ€sentiert. Die Organisation und der Berufsverband fĂŒr Sportpsychologen in Deutschland ist die Arbeitsgemeinschaft fĂŒr Sportpsychologie e.V. (asp).