Teil 1: Poetik im hypnotischen Raum Die Kraft der poetischen Hypnose
Sobald wir in positive, therapeutische Trance gehen, betreten wir einen fantastischen Ort, den »hypnotischen Raum«. Dieser ist energetisch hoch aufgeladen und voll ungeahnter Freiheiten. Typisch ist das sich schnell einstellende Gefühl von Wohlbehagen, Geborgenheit und Angenommensein. Kaum entkrampft und innerlich zurückgelehnt, verändern sich, durch stimmige Suggestionen angeregt, Perspektiven und innere Muster. Wahrnehmungen entzerren sich, und rigide Strukturen werden elastisch. Zeit kann sich be- oder entschleunigen, rückwärts- oder vorwärtslaufen, in die Vergangenheit springen, um Ressourcen aufzutanken, und ebenso in die Zukunft, um dieselben auf der inneren Bühne gleich mal auszuprobieren.
Die Trancelogik (Orne 1959) lässt, vordergründig harmlos wirkend und klug zugleich, Widersprüchliches friedlich nebeneinander existieren, und das typische Wörtlichnehmen lässt den Hörenden wortwörtlich jedes Wort einzeln auskosten. Ja, die innere Welt gerät angenehm aus den Fugen, mit dem insgeheim verpackten Ziel eines besseren Konzepts unseres Selbst und unserer Möglichkeiten. Innere Bewertungen und Einschätzungen sowie die Beurteilung unserer Erfahrungen und Geschichte vermögen sich zum Positiven zu verändern, immer im Sinn von Befähigung, Entwicklung, Meisterung und Heilung. Empfindet sich jemand als nicht liebenswert, unattraktiv und lebensuntüchtig, vermag er im Raum der Hypnose innere Zustände auf neue Weise zu betrachten und seine Ressourcen zu erkennen. Dabei spielt die Erwartungshaltung – auch des Therapeuten – eine große Rolle:
»Nun seien Sie einfach erwartungsvoll …
und legen schon mal ein feines Lächeln über Ihr Gesicht …
denn … Sie werden … wenn Sie denn mögen …
bald in angenehme Hypnose sinken …«
(Lavendelblau)2
»… und legen schon mal ein feines Lächeln über Ihr Gesicht!« Ja, da steigt die freudige Erwartung an Hypnose und erhöht sich die Motivation, während im Moment schon eine Veränderung erlebt wird, nämlich ein Lächeln im Gesicht. Erfolgreicher als die neutrale Aufforderung »Entspannen Sie bitte Ihr Gesicht!« löst dieses heiteroffene Angebot ein spontanes Lächeln aus und glättet angestrengte Gesichtszüge, ohne diese zu erwähnen.
Eine »Hypnosewunderpille« war der ausdrückliche Wunsch eines Herrn mit einem psychosomatischen Leiden. Und da nicht nur der Kunde König ist, sondern auch der Patient, erhielt er diese – selbstverständlich gleich in der ersten Sitzung. Die zugehörige Audioaufnahme diente ihm für die Selbsthypnose zu Hause. Und, kein Wunder, die »Hypnosewunderpille« wirkte:
»Ihre erste Hypnose … Ihre Wunschhypnose … Ihre Wunderhypnose …
Ihre, wie Sie es sich ausdrücklich wünschen, ›Hypnosewunderpille‹ wird womöglich anders sein, als Sie es sich ausmalen …
denn Sie werden immer wissen, wo Sie sind …
Sie werden immer hören, was ich zu Ihnen spreche …
Sie werden sicher meinen, alles zu hören, und hören jedes Mal doch etwas anderes … … und … vielleicht … nach geraumer Zeit …
hören Sie mir nur noch mit einem Ohr zu … oder schalten einfach ab … und sind an einem wunderschönen Ort …«
(Die Hypnosewunderpille)
Je höher die sprachliche Kompetenz – natürlich auf der Basis fachlichen Wissens um Psychodynamik, neuronale Plastizität und hypnotische Prinzipien –, umso leichter lässt sich in Trance ein Höchstmaß an Wirkung erzielen. Im besten Falle bietet der hypnotische Raum dem Eintretenden – unter sorgfältiger Führung des Therapeuten – eine ungeahnte Fülle an offenen Angeboten von Bildern und Gefühlen, Möglichkeiten und Handlungsstrategien.
»Die beiden wandern durch die Stadt … die Fee zeigt auf die federleichten Wolken am Himmel … gerade in dem Moment, als sie unbemerkt an einem Geschäft (mit Süßigkeiten) vorbeischlendern … sie plaudern miteinander … entdecken neue Dinge … schmieden Pläne …
interessieren sich für etwas ganz anderes …
Glückliche Stunden …«
(Die Zähmung des süßen Monsters)
Jede gute Hypnose besteht aus einer Vielfalt von unterschiedlichen, wirkungsvollen Elementen, die sich, abgestimmt auf die betreffende Person, frei kombinieren lassen. Dabei offeriert die poetische Hypnose durch die ihr eigene Sprachform ihre Angebote besonders permissiv, offen, vielschichtig. Deshalb wird der Hörende, beziehungsweise der sich in Hypnose Befindende, auf ungewöhnliche Weise in ihren Bann gezogen. Er wird verführt. Verführt, sich einzulassen, um zum Beispiel auszuprobieren, wie es sich auf der Sonnenseite des Lebens spazieren lässt oder auch wahlweise an der See.
»Sind Sie auch so gerne an der See?
Viele Menschen lieben die See … mit ihren hohen Wellen …
der Brandung … der unendlichen Weite …
Gischt auf den Wangen … und Salz auf den Lippen …
Wind in den Haaren … und Meeresbrise in der Nase …
das Auge erkennt die Küstenlandschaft wieder …
die sanft geschwungenen Dünen … die endlose Fläche des Wassers …
am Himmel wilde Wolkengebilde …«
(Go with the flow)
Natürlich eröffnet auch die folgende n...