1 Vorworte
Dr. Martin Kunz, Kulturschaffender und Musiker:
Luciano Pavarotti soll gesagt haben, mit der Stimme allein werde nur Lärm gemacht, gesungen werde mit dem Gehirn. Aber auch das genügt nicht. Gesungen wird mit der Seele, mit dem ganzen Körper, aus der Tiefe heraus. Jede menschliche Stimme ist einzigartig. Sie ist der Spiegel unserer Persönlichkeit und, wenn entwickelt, ein wunderbares Instrument. Wenn wir dieses Instrument differenziert spielen lernen wollen, müssen wir entdecken, wie wir unterschiedliche Resonanzqualitäten entstehen lassen können, wie das Gestalten von Klang gelingt.
Der Gesangspädagogik kommt die Aufgabe zu, mit den Mitteln der Gesangstechnik die werdenden Künstlerinnen und Künstler schließlich zur verfeinerten Interpretation von Vokalmusik zu befähigen. Gesangspädagogen verfügen über das Wissen, wie die Atmungsorgane, der Kehlkopf, die Muskulatur, ja die ganze Körperhaltung, Mimik, Gestik, Bewegung, trainiert werden müssen. Sie arbeiten mit den Studierenden daran, dass Wissen zum Können wird und in den ganz persönlichen Dienst der Kunst gestellt werden kann. Das Beherrschen von Technik allein macht aber jemanden noch nicht zur Künstlerin oder zum Künstler. Verlangt ist zudem eine intensive Auseinandersetzung mit sich selbst, mit der eigenen Psyche, seinem Charakter, den unangenehmen Schatten des Gewordenseins.
Die gute Gesangspädagogin ist deshalb auch Psychologin, ja in gewisser Hinsicht sogar Therapeutin. Vera Wenkert verkörpert diese Haltung in ganz besonderem Masse. Ihre Absicht ist es, die StudentInnen und Studenten dahin zu bringen, „aus der Freiheit und dem Feld der unbegrenzten Möglichkeiten heraus“ sich selber und schließlich die großartige Weite der Vokalmusik überhaupt zu entdecken. Dank ihrer langjährigen Bühnenerfahrung, ihrer reflektierten Lebensgeschichte und ihrer unaufhörlichen Auseinandersetzung mit der Optimierung gesangspädagogischer Mittel hat sie schließlich ein Repertoire an Methoden entwickelt, von denen eine hier im Zentrum steht.
Nicht nur SängerInnen und Sängern ist es zu empfehlen, Pädagogen zu suchen, die sowohl über reiches Wissen als auch über Empathie und Menschlichkeit verfügen, sondern allen, die ihrer Stimme und Gestimmtheit Aufmerksamkeit schenken wollen. Das ist, neben der Präsentation ihrer eigenständig entwickelten konkreten und symbolischen Arbeit mit dem Ball das Anliegen der Autorin.
Dieses Buch ist eine einmalige Übungsanleitung, um zur ureigenen stimmlichen Präsenz vorzustoßen. Machen Sie sich vertraut mit diesem Manual, üben Sie – und Sie werden staunen. Über sich.
Thomas Barthel, Dirigent,
Stellvertretender Leiter Internationales Opernstudio
Opernhaus Zürich:
Februar, 2020
Vera Wenkert und ich haben schon dreißig Jahre miteinander gearbeitet, korrepetiert, große Rollen einstudiert und viele Opern zusammen erfahren. Ich spüre ihre große Liebe für tiefgründige Musik, bewegendes Theater und hoch wirkende, gezielte Kommunikation mit einem neugierigen, offenen Publikum.
Dabei hat sie selbst eine ausgebildete, kultivierte Technik aufgebaut – die in allen diversen Situationen des Musiktheaters wirken kann, und was sie gern mit ihren Studenten und Kollegen mitteilen würde. Ob es Isolde, Ariadne, Elisabeth, Turandot, Abigaille oder Cio-cio-san war, hat sie ihren eigenen Maßstab immer hochgehalten, in der Gestaltung der Rolle und in ihrem «Vokalspiegel», der von der inneren Seele reflektiert.
Ihre Leidenschaft als Gesangspädagogin hat sie zu diesem Buch gezwungen, und ich kann die Leser nur dazu auffordern weiter zu lesen und genau zu überlegen, was auf den Seiten gemeint ist. Eine reichere, spannungsvolle musikalische Welt wartet!
Mit besten Empfehlungen,
Thomas Barthel
2 Einleitung
Die SONARA-VERA®-Methode ist aus meiner persönlichen Erfahrung als Opernsängerin sowie dem langjährigen umfangreichen Unterricht mit meinen Gesangsstudenten entstanden. Ich arbeite mit der Methode in meinem Institut StimmKunst und freue mich, wenn zukünftig auch andere Gesangslehrer damit arbeiten möchten. Ich habe bereits wunderbare Lehrer damit ausgebildet und biete diese Ausbildung in meinem internationalen Institut StimmKunst in Zürich an.
Das Sprechen ist die kleine Schwester des Singens. Daher sind die in diesem Buch enthaltenen Anregungen und Übungen nicht nur für SängerInnen und Sänger geeignet, sondern ebenso für Personen, die eine hohe Stimmbelastung durch Sprechen haben. Um eine möglichst persönliche Ebene anzusprechen – wie das für die Arbeit an der Stimme und Persönlichkeit erforderlich ist – verwende ich die Du-Form, wenngleich ich das formale Sie im alltäglichen Umgang sehr schätze.
Ich möchte die SONARA-VERA®-Methode jedem Menschen empfehlen, der seine ureigene Stimme finden und befreien möchte. Ich betrachte die SONARA-VERA®-Methode als essenzielle Hilfe im Selbststudium, wenn du eine professionelle Sängerin / ein professioneller Sänger bist oder werden möchtest oder dich auf dem Weg in eine Karriere als Opernsänger befindest. Erlaube dir jetzt, neugierig und freudig auf Entdeckungsreise zu gehen und dich zu hören und zu spüren.
Jeder Mensch ist einzigartig. Es gibt dich und deine Stimme kein zweites Mal. Wenn du das in der Gänze erfasst, so ist diese Einzigartigkeit sowohl spannend als auch die Verpflichtung, sich seiner individuellen Verantwortung bewusst zu werden. Für uns Sänger heißt das im Klartext: Jeder Lehrer oder Coach kann nur ein Wegbegleiter sein, der uns mit Know-How und Kompetenz auf unseren Weg in den Beruf hilft. Das letzte Stück Geheimnis, wie genau unser Körper, unser Geist und unsere Seele und unsere Stimme zum Schwingen gebracht werden, liegt bei jedem Individuum selber.
Ich möchte dich ermuntern, die Selbsterfahrung vor oder während dem Gesangsstudium oder während deiner ersten Bühnenjahre zu machen.
3 Erfahrungen mit der SONARA-VERA®-Methode
Anna Maske, Sopran und Gesanglehrerin, Feldenkrais-Lehrerin, Leiterin Gesangsabteilung, Conservatoire Populaire in Genf:
Die Arbeit mit Vera Wenkert und ihrer SONARA-VERA®-Methode hat sowohl mein Singen, als auch meinen Gesangsunterricht grundlegend beeinflusst und nachhaltig verändert. Das Einzigartige der Methode ist die Arbeit mit jedem einzigartigen Sänger an seinem Inneren Fühlen, seinen künstlerischen Impulsen und seinem Gestimmt-ein in seinem Leben und auf der Bühne.
Vera Wenkert hat als grosse Wagnersängerin und Künstlerin mit jahrzehntelanger Bühnenerfahrung eine zutiefst pädagogische Methode entwickelt, welche den Gesangsschüler und werdenden Sänger als ernstzunehmende Künstlerpersönlichkeit ins Zentrum des Gesangsunterrichts stellt und ihm hilft, die volle Verantwortung für seine Stimme und seine Kunstempfindung, sowie das dem Beruf zugrunde liegende Bühnenhandwerk und sein gesangstechnisches Können zu entwickeln.
Der SONARA-VERA®-Ball ist dabei ein zentrales Hilfsmittel und gibt dem Sänger die Möglichkeit, seine künstlerischen Impulse und musikalischen Empfindungen umzusetzen in Bewegung und musikalische und theatralische Improvisation. Der SONARA-VERA®-Ball wird daneben wirkungsvoll eingesetzt zum Spüren des Gesangsapparats und Stützapparats, sowie dem inneren Raum des Sängers. Das Spielerische und die Einfachheit des Balls und die Möglichkeit, ihn in alle verschiedenen Entwicklungsbereiche der eigenen Stimme miteinzubeziehen, macht ihn zum vertrauten Freund und Begleiter des Sängers.
Sowohl ich selber als auch meine Gesangsschüler geniessen die Arbeit mit dem SONARA-VERA®-Ball und dem experimentellen künstlerischen Raum, der durch den Ball sogleich entsteht.
4 Über Vera Wenkert: Wer ich bin und warum ich das mache
Fürs Leben gern singen!
Schon in meiner Jugendzeit faszinierte mich die menschliche Stimme. Bereits als Teenager sang ich sowohl solistisch als auch in Chören.
Zwei markante Wesensmerkmale meines Gesangs wurden bereits in diesen frühen Tagen sichtbar. Zum einen verfügte ich über eine tragfähige voluminöse Naturstimme und zum anderen war meine Stimme komplett in meiner Seele eingebettet. Ich hatte keinerlei Blockaden im Kehlkopf oder Herzbereich. Meine Zuhörer erfuhren durch meinen Gesang eine tiefe Verbindung zu ihren Emotionen. Natürlich war mir zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst, was für eine schützenswerte Gabe ich besaß.
Mit 17 Jahren nahm ich den ersten privaten Gesangsunterricht. Ich studierte dann zunächst, „um etwas Sicheres in der Hand zu haben“ an der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität in Bonn Literaturwissenschaften, Kunstgeschichte und Anglistik.
Bereits während dieser Zeit fuhr ich zweimal in der Woche zum Opernhaus Köln und an die Musikhochschule Köln und arbeitete dort mit einer Gesangslehrerin und dem Solo-Repetitor der Oper Köln, Francis Sippy. Ich sang bereits da meine erste Rolle auf der Bühne: Das Kind in „Jakob Lenz“ von Wolfgang Rihm.
Welches Fach?
Der Wunsch, dass ich als Opernsängerin mein Leben gestalten wollte, den ich bereits als kleines Mädchen hatte, wurde unumstößliche Gewissheit. Mit dem Abschluss Magister Artium studierte ich zunächst Gesang am Landeskonservatorium in Feldkirch. Schnell wurde mir bewusst, dass dies zwar eine gute Musikerschmiede ist, aber leider nicht der richtige Platz für einen aufkommenden dramatischen Sopran. Ich nahm all meinen Mut zusammen und verließ das Musikkonservatorium nach einem halben Jahr und ging nach Bloomington, USA, um bei der berühmten Gloria Davy zu studieren. Gloria Davy bildete mich als dramatischen Mezzosopran aus. Während des zweijährigen Studiums mit ihr hatte ich immer wieder das zarte Bauchgefühl „Ich bin kein Mezzo“, was sich schnell bewahrheitete.
Bereits während meiner Studienjahre sang ich schon in spannenden Produktionen wie im Festspielhaus Bregenz Die Zauberin in “Dido und Aeneas”. Dort sang ich auch Auszüge aus Schuberts Winterreise. Ein Dirigent machte mich dann aufmerksam, dass ich ein jugendlich-dramatischer Sopran sei, er sprach sogar von Wagnersopran. Da jubelte mein Sängerherz in mir und ein deutliches „JA“ tönte in mir. Schnellstmöglich erkundigte ich mich, wo eine gute Lehrerin finden könnte. Ich hoffte, dieses Mal in die wirklich absolut richtigen Hände zu gelangen für so einen Wagnersopran.
Zu der Zeit w...