Gesellschaft ohne Ideologie - eine Utopie?
eBook - ePub

Gesellschaft ohne Ideologie - eine Utopie?

Was die Naturwissenschaft von heute zur Gesellschaftsordnung von morgen beitragen kann

  1. 336 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Gesellschaft ohne Ideologie - eine Utopie?

Was die Naturwissenschaft von heute zur Gesellschaftsordnung von morgen beitragen kann

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Der Mensch ist ein soziales, staatenbildendes Lebewesen. Seine individuelle und kulturelle Entwicklung und die seiner Gesellschaft erfolgt teils spontan selbstorganisiert und teils aufgrund seiner geistigen und kollektiven Fähigkeiten. Die Menschen sind dabei sowohl die Elemente der gesellschaftlichen Prozesse als auch die Gestalter der Strukturen und sozialen Wechselwirkungen. Ausgehend von diesem Modell und dem Stand der aktuellen westlichen Gesellschaft werden u.a. folgende Probleme behandelt, zusammen mit Lösungsansätzen dafür: Der Einfluss von Ideologien auf die Soziodynamik, die Rolle der Parteien, die Rolle Medien und der Desinformation, die Defekte der Demokratie, der Nutzen des Kapitalismus, die begrenzte Anwendbarkeit des freien Marktes, der Missbrauch der Finanzsysteme, der Missbrauch der Globalisierung, der Schwund der Verantwortung, der Missbrauch von Instinkten und die schleichende Entmündigung der Bürger. Mit der naturwissenschaftlichen Arbeitsweise ist es möglich, Modelle und Konstruktionsregeln für die Gesellschaft zu entwickeln, die nicht der Beliebigkeit der Politik und der Geisteswissenschaften unterworfen sind."Ihre Publikation enthält eine Fülle von hochinteressanten Überlegungen, deren interdisziplinärer Ansatz zu vielen wertvollen Anregungen sowie Schlussfolgerungen führt."Prof. Christoph Braunschweig, Wirtschaftswissenschaftler, Hayek-Club Salzburg"Ausgehend von dem grundlegenden Prinzip des emergenten Aufbaus der Welt von der Physik über die Chemie, Biochemie und Biologie entwickelt der Autor einen neuen Ansatz zum Verständnis der Strukturen und Prozesse der menschlichen Gesellschaft. Dies ermöglicht neue Sichtweisen auf die ideologische Basis unserer zeitgenössischen politischen Akteure und erklärt ihr Handeln. Seine fundierte Analyse - im Vergleich mit Modellen über die menschliche Gesellschaft im Laufe der Geschichte - bietet Ansätze für eine grundsätzliche Therapie."Prof. Hilmar Lemke, Biochemiker und Immunologe, Uni Kiel

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Gesellschaft ohne Ideologie - eine Utopie? von Günter Dedié im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Technik & Maschinenbau & Maschinenbau Allgemein. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

1 Mensch und Gesellschaft
„… was wir von der Natur für eine bessere Gesellschaft lernen können.“ (F. de Waal [119])
1.1 Spezies Mensch
„Das langgesuchte Zwischenglied zwischen dem Tiere und dem wahrhaft humanen Menschen – sind wir.“ (K. Lorenz [62])
Menschen brauchen sowohl persönlichen Freiraum als auch die Symbiose mit der Gesellschaft. Der Freiraum fördert Spontanität und Pluralismus. Die Symbiose erfordert Strukturen und Regeln. Freiraum und Symbiose lassen sich im Rahmen fairer Regeln gut miteinander verbinden.
Der Homo sapiens ist kein Einzelkämpfer, sondern ein soziales, staatenbildendes Lebewesen. Er hat sich aufgrund dieser Fähigkeit bisher ungemein erfolgreich entwickelt. Die Ordnung und die Funktion der menschlichen Gesellschaft ist deshalb auch für seinen weiteren Erfolg oder Misserfolg von großer Bedeutung.
Leser: Der Mensch soll ein staatenbildendes Lebewesen sein? Das verstehe ich nicht. Bisher hatte ich mir darunter Bienen oder Ameisen vorgestellt.
Autor: Ihre Vorstellung trifft natürlich zu. Aber die menschliche Gesellschaft ist doch offensichtlich auch in Staaten und andere menschliche Institutionen organisiert, bis hin zur Familie.
Leser: Bei den Menschen ist doch aber alles ganz anders als bei den Ameisen!
Autor: Naja, nicht alles, aber vieles schon. Der größte Unterschied besteht darin, dass die Staaten der Bienen und Ameisen auf die Wirkung ihrer Gene zurückgeführt werden können. Deswegen spielen genetische Verwandtschaften dort eine große Rolle. Auch die vielzelligen Lebewesen kann man als Staaten ansehen, die sich auf Basis der Gene nach der Befruchtung aus einer ersten Zelle gebildet haben. Die Staaten der Menschen mit ihren Sozialordnungen sind aber auf Basis ihrer emotionalen Kompetenzen und vor allem ihrer geistigen Fähigkeiten entstanden. Das ist ein enormer Paradigmenwechsel in der Entwicklung der Welt. Dabei spielen, wie wir noch sehen werden, kulturelle Verwandtschaften eine viel größere Rolle als genetische Verwandtschaften.
Leser: Dieser Unterschied leuchtet mir ein, mehr aber auch nicht. Sie werden ja sicher noch mehr dazu schreiben.
Autor: Natürlich, das ist ja mein Anliegen. Dazu folgen noch viele Seiten. Jetzt möchte ich aber zunächst das Thema Sozialordnung etwas vertiefen.
Die Frage einer „guten“ Sozialordnung ist eng verbunden mit der Frage nach dem Sinn des Lebens für die Menschen und ihre Gesellschaft. In beiden Fällen geht es um die mittel- bis langfristigen Interessen, Ziele und Erwartungen. Die Interessen der einzelnen Menschen müssen dabei mit den Zielen und Erwartungen der menschlichen Gesellschaft zusammenpassen. Um das zu veranschaulichen, möchte ich in Anlehnung an Terry Eagleton [21] als Beispiel eine Jazzband betrachten. Sie kann als Modell für einen Prozess der erfolgreichen, innovativen Zusammenarbeit von einzelnen Menschen in einer Gemeinschaft dienen und gleichzeitig die Bedeutung von Regeln für diese Zusammenarbeit aufzeigen. Sie ist deshalb ein einfaches, aber gleichzeitig auch sehr treffendes Beispiel für eine Erweiterte Ordnung, vgl. 1.16.
Die Musiker einer Jazzband sind frei in ihrem musikalischen Ausdruck, sie dürfen und sollen „improvisieren“. Sie nutzen diese Möglichkeit jedoch mit einfühlsamer Rücksichtnahme auf die Harmonien des zugrundeliegenden Musikstücks, eine verabredete Ordnung der musikalischen Darbietung aus Soli und Tutti und auf die Ausdrucksfreiheit der anderen Musiker der Band. Daraus ergibt sich eine komplexe Harmonie, die nicht aus einer Partitur stammt. Jeder einzelne Musiker kann die anderen Musiker inspirieren. Es gibt - im Rahmen der o.g. Ordnung - keinen Konflikt zwischen der Freiheit und Selbstverwirklichung des Einzelnen und dem Wohl des Ganzen. Aus der gemeinsamen künstlerischen Leistung erwachsen Freude und Zufriedenheit durch die damit verbundene freie und gleichzeitig geordnete Entfaltung der einzelnen Musiker, sowie durch einen erfolgreichen Auftritt.
Hayek hat diese Erfahrung verallgemeinert: „Die Verhaltensweisen, die zur Entstehung spontaner Ordnung führen, haben viel mit den Regeln eines Spiels gemein.“[42] Ein damit verwandter Aspekt ist der Wettbewerb. Auf die große Bedeutung des Spiels für die Entwicklung der Ordnung und Kultur der Gesellschaft hat schon Johan Huizinga (1872 - 1945) hingewiesen. Ein Spiel sei ein Prozess, bei dem „… die Einhaltung allgemeiner Regeln durch die Spieler, die verschiedene und oft entgegengesetzte Ziele verfolgen, eine Gesamtordnung bewirkt“[42].
Die Symbiose von Individuen und Gesellschaft ist auch allgemein von großer Bedeutung: Seit Adam Smith (1723 - 1790) ist bekannt, dass sie nur mit einer gewissen Ordnung in der Gesellschaft erfolgreich ist [101]. Smith’s Staatstheorie geht davon aus, ebenso wie später die Nationalökonomie Ludwig von Mises (1881 - 1973) [73], dass durch die Arbeitsteilung von Menschen und gesellschaftlichen Institutionen die Produktions- und Abstimmungsverhältnisse erheblich komplizierter werden. Deshalb ist eine detaillierte Planung durch eine Regierung oder eine andere zentrale Institution nicht möglich. Es ist deshalb viel besser, die Selbstorganisation unabhängiger individueller Interessen zuzulassen und zu nutzen (sog. Pluralismus). Ein naheliegender gesellschaftlicher Rahmen dafür ist ein Rechtsstaat mit folgenden zentralen Aufgaben: Schutz der Staatsgrenzen, Schutz der Bürger der Gesellschaft vor Ungerechtigkeit und Unterdrückung, Realisierung öffentlicher Aufgaben, die für Einzelne nicht finanzierbar sind, wie zum Beispiel das Unterrichts- und Transportwesen, sowie Durchsetzung und Schutz des Privateigentums als wichtige Motivation für das Engagement und die Selbstverantwortung der Bürger. Dieses Modell ist später auch unter dem scherzhaften Namen „Nachtwächterstaat“ bekannt geworden, und war immer wieder ein weltanschaulicher Zankapfel, bis hin zu der Frage, ob man überhaupt einen Staat braucht.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Menschen können und benötigen beides: Die Integration in der Gesellschaft und die vielbeschworene „Selbstverwirklichung“ als Individuum. Das ist wie bei Staren und anderen Lebewesen, die einen Schwarm bilden können: Die Fähigkeit zum Schwarm bedeutet für die Stare nicht die Aufgabe ihrer Individualität, denn auch sie können und benötigen beides, abhängig von der Jahreszeit und der Situation, in der sie sich befinden (siehe 4.3).
Da bei den Menschen der Staat entwicklungsgeschichtlich eine relativ neue „Technologie“ ist, gilt auch für ihn die übliche Regel für neue Technologien: Man kann sie mit Gewinn nutzen, aber auch missbrauchen. Das ist wie bei den Waffen, der Kernspaltung, der Genmanipulation, dem Internet, der Globalisierung u.v.a.
Ein einfaches Beispiel dafür ist die Erfindung des Messers: Man kann damit Brot schneiden oder Menschen töten, abhängig von der für die Technologie „Messer“ geltenden Ethik und Moral.
Für die Frage, was eine gute Sozialordnung insgesamt ausmacht, einschließlich der damit verbundenen Wirtschaftsordnung, können uns beispielsweise die empirischen Untersuchungen von Daron Acemoglu und James A. Robinson weiterhelfen [1]. Sie haben sich jahrelang mit der Frage beschäftigt, warum sich unterschiedliche Nationen sehr unterschiedlich entwickelt haben und auch heute noch krasse Unterschiede zwischen arm und reich bestehen. Sie unterscheiden dabei zwischen inklusiven und extraktiven Gemeinschaften in der Gesellschaft, die vergleichbar sind mit symbiotischen und schmarotzenden Gemeinschaften in der Natur. Ich gehe in einer späteren Episode darauf genauer ein, werde aber stets die Bezeichnung „symbiotisch“ statt „inklusiv“ verwenden, weil für den Begriff „inklusiv“ in der BRD eine andere Bedeutung üblich ist. Der Sinn solcher Untersuchungen und Überlegungen zur Gesellschaftsordnung liegt nach Eagleton [21] darin, dass ihr Ergebnis die Richtung aufzeigt, in der sich die Gesellschaft entwickeln sollte, auch wenn das Ziel selbst immer nur sehr schwer erreicht werden kann.
Der Begriff „Sozialordnung“ (oder auch: soziale Ordnung) wurde von dem Soziologen Max Weber (1864 – 1920) geprägt und von Émile Durkheim (1858 – 1917) weiter ausgearbeitet. Sie wird auf der Basis von Kollektivität erklärt, ist mit der Existenz von gesellschaftlichen Institutionen verbunden und beruht auf der Verbindlichkeit von sozialen Regeln. Ich verwende den Begriff Sozialordnung hier wegen seiner Herkunft (Weber, Durkheim, Hayek u.a.) meist synonym zum Begriff Gesellschaftsordnung, soweit ich nicht zwischen Sozialordnung und Wirtschaftsordnung unterscheiden muss.
Durkheim hat schon im 19. Jhdt. eine wachsende wechselseitige Abhängigkeit von Individuen und Gesellschaft konstatiert, die er durch die fortschreitende Arbeitsteilung erklärt [19]. Die Individuen werden zwar laufend autonomer, sind aber wegen der zunehmenden Arbeitsteilung immer mehr auf die Zusammenarbeit (er nennt das bevorzugt Solidarität) in der Gesellschaft angewiesen. Bei frühen Gesellschaften entsteht Zusammenarbeit auch durch den Druck, gemeinsame Traditionen oder Anschauungen zu befolgen. Bei neueren Gesellschaften kommt aufgrund der Arbeitsteilung eine Art Gesellschaftsvertrag hinzu, mit Strukturen und Regeln, in die die Individuen kulturell und materiell eingebunden sind, denn die komplexe Arbeitsteilung und die zunehmend komplexeren Produkte und Dienstleistungen der entwickelten Industriegesellschaft kann der einzelne Mensch nicht mehr selbst erzeugen oder durchführen und in ihren Auswirkungen kaum noch überblicken (vgl. 1.17). Deshalb ist hier die Kooperation wichtiger als die Solidarität.
Durkheim hat empirisch gearbeitet, denn der soziale Tatbestand war für ihn die Grundlage der soziologischen Analyse. Eine soziale Struktur existiert aus seiner Sicht unabhängig von denen, die sie erschaffen haben, sie ist für ihn ein „Emergenz-Phänomen“. Sie wirkt als „Gesellschaft von oben“ (wie ein Ordnungsparameter, vgl. 1.23 und 4.1) auf die Individuen ein und kann von den Soziologen beobachtet und durch die funktionale Analyse der Wirkung und die historische der Entstehung erklärt werden [19]. Durkheim hat damit bereits in den 1920er Jahren Trends erkannt, die bis heute eine immer größere Rolle spielen.
Die Sozialordnung und ihre Regeln gelten für alle beteiligten Individuen und Institutionen einer Gesellschaft. Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass die Sozialordnung unabhängig von den Individuen existiert, diese aber den Strukturen und Regeln der Sozialordnung unterworfen sind. Ihre Nichtbeachtung ist mit Sanktionen verbunden. In der Gesellschaft bildet sich ein kollektives Bewusstsein, das den jungen Menschen durch Erziehung vermittelt wird und mit der Zeit die Kultur und die Moralvorstellungen der Gesellschaft entwickeln hilft.
1.2 Zur Entwicklung der menschlichen Gesellschaft
Die menschliche Gesellschaft entwickelt sich sowohl spontan im Rahmen der sozialen Interaktionen der Menschen und Institutionen als auch geplant als Ergebnis eines bewussten gesellschaftlichen Entwurfs. Das Wachstum der Weltbevölkerung auf 7 Mrd. Menschen wäre ohne die Erfindung der Landwirtschaft und die großen Innovationen der Industrialisierung nicht möglich gewesen.
Das gesellschaftliche Konzept aus Sicht der Emergenz ist die spontane Sozialordnung. Hayek bezeichnete dies 1961 [43] als „… eine polyzentrische Ordnung, ungerichtet und ungeplant, die durch die Wechselwirkung vieler Individuen und vorgegebener Randbedingungen entsteht.“ Außerdem enthält sie Regeln in Form von Verboten. Wie alle Ergebnisse spontaner Selbstorganisation ist auch die spontane Sozialordnung zunächst wertfrei, d.h. weder gut noch böse. Aber wie sah es und sieht es mit der tatsächlichen Realisierung von Sozialordnungen in der menschlichen Gesellschaft aus? Hier kommen nicht nur die geistigen Fähigkeiten und die technischen Errungenschaften der Menschen ins Spiel, sondern auch ihre Fehler und Schwächen, die die Organisation der Gesellschaft massiv beeinflussen.
Wann und wo hat es spontane Sozialordnungen in diesem Sinne gegeben? Alle menschlichen Sozialordnungen sind natürlich selbstorganisiert, weil von den Menschen selbst geschaffen. Im engeren Sinne spontan haben sich wahrscheinlich nur die Großfamilien und kleine Gruppen des Homo sapiens gebildet, vielleicht auch noch größere Gruppen wie Stämme. Auch heute noch können spontan Gruppen, Bürgerinitiativen oder kleine Vereine entstehen, um vorübergehend oder regelmäßig gemeinsam Musik zu machen, das Anliegen von Bürgern zu vertreten, Fußball zu spielen usw.
Später kommen soziale Organisationen als Ergebnis eines bewussten gesellschaftlichen Entwurfs hinzu [43]. Damit sind die Menschen mit ihren geistigen Fähigkeiten die Urheber eines dramatischen Paradigmenwechsels in der Evolution, denn die Entwicklung der Lebewesen war davor überwiegend das Ergebnis emergenter selbstorganisierter Prozesse auf Basis der Gene, aber nicht das Ergebnis von geplanten Prozessen auf Basis geistiger Fähigkeiten. Die geistigen Fähigkeiten der Menschen sind wie jede Innovation mit Chancen und Risiken verbunden; ihre „Anwendung“ erfordert deshalb ethische Regeln. Aus den vielen „unmenschlichen“ Grausamkeiten der Menschen und ihrer Institutionen in ihrer Geschichte kann man erkennen, dass die Regeln und ihre Anwendung unzureichend waren und sind. Bei Tieren haben sich derartige Regeln zusammen mit der Evolution entwickelt und sind in den Genen „fest verdrahtet“, z.B. die sog. Beißhemmung im Fall innerartlicher Aggression [62].
Die Entwicklung der Menschen war sehr früh mit der Bildung von Großfamilien und Gruppen mit entsprechender Kooperatio...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelblatt
  3. Urheberrecht
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. 1. Mensch und Gesellschaft
  7. 2. Weltanschauungen
  8. 3. Antagonisten und Gleichgewichte
  9. 4. Zur Architektur und Dynamik der Sozialordnung
  10. 5. Gibt es Ansätze zu einer „Weltethik“?
  11. 6. Gesellschaft ohne Ideologie – eine Utopie?
  12. 7. Anhang