1. Einleitung
Die Herstellung dünnster Schichten ist eine für unzählige Anwendungen eingesetzte und für viele Bereiche des heutigen Lebens unverzichtbare Technologie. Während sich die Eigenschaften und Funktionen makroskopischer Gegenstände wie Werkzeuge, Lebensmittelverpackungen oder Fensterglas durch die Aufbringung dünnster Schichten optimieren und an bestimmte Anforderungen anpassen lassen, sind in anderen Bereichen, wie beispielsweise der Mikroelektronik, dünnste Schichten die grundlegenden funktionalen Elemente. Die Herstellung komplexer integrierter Schaltkreise und deren fortwährende Miniaturisierung basiert daher zum Großteil auf der Erzeugung immer dünnerer Schichten und auf der stetigen Optimierung ihrer Schichteigenschaften. Insbesondere bei der Beschichtung von dreidimensionalen Strukturen oder bei der präzisen Herstellung von Schichten mit nur wenigen Nanometern Dicke hat sich die Atomlagenabscheidung (atomic layer deposition - ALD) in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer unverzichtbaren Technologie entwickelt. Die Entwicklung und Optimierung neuer ALD-Prozesse und die Integration dieser in die Fertigung eines komplexen integrierten Schaltkreises ist dementsprechend eine grundlegende Aufgabe im Bereich der Halbleitertechnik. Da aufgrund der fortwährenden Miniaturisierung die erzeugten Schichten immer dünner werden und teilweise nur wenige Atomlagen eines bestimmten, oft neuen, Materials zum Einsatz kommen, steigen neben den Anforderungen an die Prozesse auch die an die notwendigen Messtechniken. Die Optimierung und Anwendung einer solchen Messtechnik, der Schwingquarzmesstechnik zur Wägung kleinster Massenanlagerungen an einer Oberfläche, für die Atomlagenabscheidung ist Thema und Ziel dieser Arbeit.
1.1 Motivation
Der Einsatz von in situ-Messtechnik zur Entwicklung, Charakterisierung und Kontrolle von Prozessen zur Herstellung dünnster Schichten mittels Atomlagenabscheidung bietet vielfältige Möglichkeiten, herkömmliche Vorgehensweisen zur Bewältigung dieser Aufgaben zu ergänzen, zu optimieren oder sogar zu ersetzen. Darüber hinaus können das Schichtwachstum und der Einfluss der diversen Prozessparameter direkt beobachtet werden, was durch die stetig steigenden Anforderungen an die eingesetzten Prozesse und die hergestellten Schichten zukünftig nicht nur ein Vorteil, sondern zunehmend eine Notwendigkeit für eine effiziente, erfolgreiche Forschung und Entwicklung im Bereich der Atomlagenabscheidung sein wird.
Während in der industriellen Anwendung der Atomlagenabscheidung hauptsächlich die Optimierung und Kontrolle bekannter, eingefahrener Prozesse im Vordergrund steht, wofür die in situ-Messtechnik hauptsächlich eine zusätzliche Möglichkeit zur Prozessüberwachung und -steuerung bietet, ist für die Forschung und Entwicklung ein detailliertes Verständnis der zu untersuchenden Prozesse von Bedeutung, welches nur durch die Verknüpfung von Theorie und Praxis umfassend zu realisieren ist. Hierfür bietet sich die in situ-Messtechnik als Bindeglied an, da grundlegende Abläufe direkt beobachtet, ausgewertet und somit detailliert beschrieben werden können. Dieses detaillierte Verständnis wiederum verbessert und beschleunigt die Entwicklung und Integration von ALD-Prozessen und neuen Materialien für die industrielle Anwendung.
Abbildung 1 Anzahl der Veröffentlichungen mit Titel oder Thema "atomic layer deposition" oder "atomic layer epitaxy" (Quelle: Web of Science, Januar 2017), *Datenerhebung für 2016 eventuell unvollständig
Das Prinzip der Atomlagenabscheidung beruht auf selbstlimitierenden chemischen Oberflächenreaktionen, wodurch im Allgemeinen von einem simplen Prozessablauf ausgegangen wird, der, einmal entwickelt, bei Verwendung fester Prozessparameter und gleich bleibender Substrateigenschaften auch ohne spezielle Prozesskontrolle reproduzierbare und vorhersagbare Schichteigenschaften liefert.1–3 Diese Annahme kann für einige ausgewählte ALD-Prozesse in einem definierten Temperaturbereich, häufig als ALD-Temperaturfenster bezeichnet, und für die ursprünglich untersuchten Substrateigenschaften gelten, aber ebenso bereits durch Beschränkungen bei der Prozesstemperatur, durch abweichende Substratmaterialien oder durch höhere Anforderungen an die Prozessführung (Zielschichtdicke, Uniformität, Reproduzierbarkeit) und die resultierenden Schichteigenschaften zu Problemen führen.2,4,5 Da zur Vermeidung solcher Probleme ein detailliertes Verständnis der eingesetzten Prozesse und Anlagen nötig ist, muss trotz zahlreicher Forschungstätigkeiten (siehe Abbildung 1) von einem hohen Aufwand ausgegangen werden, wenn neue Prozesse entwickelt, untersucht und in eine Produktion integriert werden sollen.6,7
Üblicherweise werden ALD-Prozesse durch Variation von Prozessparametern und dem Einsatz von ex situ-Messtechnik untersucht und die zahlreichen Parameter phänomenologisch anhand ihrer Auswirkungen auf die Schichteigenschaften charakterisiert. Diese Vorgehensweise erfordert für die detaillierte Charakterisierung eines ALD-Prozesses eine große Anzahl an Parametervariationen und Experimenten, die, in Verbindung mit den ALD-typischen Wachstumsraten von unter 1 nm pro Zyklus, Zyklenzeiten bis in den Minutenbereich und den für die anschließende Probenuntersuchung nötigen Schichtdicken, einen hohen Zeit- und Kostenaufwand bedeuten und aufgrund des erhöhten Aufwands nur selten eine statistische Versuchsplanung und entsprechend robuste Ergebnisse ermöglichen.8–10 Um darüber hinaus die für ein umfassendes Verständnis eines Prozesses aufgestellten Theorien zum Schichtwachstum und den chemischen Reaktionsmechanismen anhand von Experimenten zu bestätigen oder zu widerlegen, bedarf es zusätzlicher Untersuchungen, die den Entwicklungsaufwand, beispielsweise für eine Parametervariation bei verschiedenen Prozesstemperaturen, weiter erhöhen. An dieser Stelle ermöglicht der Einsatz von in situ-Messtechnik einerseits die grundlegende Prozessentwicklung zu beschleunigen, da durch die direkte Beobachtung der ALD-Prozesse typische ALD-Prozesscharakteristika, wie beispielsweise die Bedeckung der Oberfläche mit Präkursormolekülen, in einem einzelnen Prozess variiert und, teilweise sogar mit einem einzelnen ALD-Zyklus, charakterisiert werden können. Darüber hinaus kann die in situ-Messtechnik detaillierte Einblicke in das Schichtwachstum und die zu Grunde liegenden Reaktionsmechanismen, beispielsweise durch Analyse der entstehenden Reaktionsprodukte und Oberflächenspezies, geben, was sowohl im Bereich der Forschung und Entwicklung als auch bei der Kontrolle produktiver Prozesse ein großer Vorteil gegenüber einer anschließenden ex situ-Untersuchung ist. Für diesen Einsatzzweck müssen die in situ-Messtechniken, die einen Teil der Prozesskammer darstellen, sowohl eine ausreichend hohe Messgenauigkeit zur Auflösung der Materialanlagerung während einzelner ALD-Zyklen oder Gaspulse als auch eine ausreichend hohe Abtastrate ermöglichen, um Messdaten, insbesondere Schichtdickendaten, während eines ALD-Prozesses aufzunehmen. Für diesen Einsatzzweck sind Quarzmikrowaagen (quartz crystal microbalance - QCM), die durch die Veränderung ihrer Resonanzfrequenz Massenanlagerungen und somit Schichtdicken vom Bruchteil einer atomaren Monolage auflösen können und deren Abtastrate nur durch die eingesetzte Steuerelektronik begrenzt wird, herausragend, obgleich einige Nachteile, wie beispielsweise die hohe Temperaturempfindlichkeit der Schwingquarze, den Einsatz bisher auf spezielle Forschungsanlagen begrenzte.11–14 In dieser Arbeit wird gezeigt, dass bei passender Implementierung und Methodik QCMs auch in Produktionsanlagen erfolgreich eingesetzt werden können. Hierfür werden die Anwendbarkeit der Schwingquarzmesstechnik und damit verbundene Methoden dargestellt und bewertet, die Vorgehensweise zur Optimierung der Schwingquarzmessung für den Einsatz in ALD-Anlagen beschrieben und Ergebnisse aus der Untersuchung von ALD-Prozessen zur Herstellung von Aluminiumoxid (Al2O3), Hafniumoxid (HfO2) und Titanoxid (TiO2) basierten Schichten, die größtenteils nur durch den Einsatz von in situ-Messtechnik erzielbar waren, dargestellt und diskutiert.
1.2 Zielstellung
Die Möglichkeiten, die der Einsatz von in situ-Messtechnik in der Forschung und Entwicklung, aber auch für den produktiven Einsatz von ALD-Prozessen bietet, die Vor- und Nachteile, die damit einhergehen, und die im Vergleich zum Einsatz von ex situ-Messtechniken abweichenden Methoden sollen im Rahmen dieser Arbeit untersucht, aufgezeigt und bewertet werden. Als in situ-Messtechnik wird dafür die Schwingquarzmessung, auch Mikrogravimetrie oder Mikrowägung genannt, eingesetzt, die ein einfaches, seit vielen Jahren etabliertes Verfahren zur in situ-Schichtdickenmessung insbesondere im Bereich der physikalischen Dampfphasenabscheidung (physical vapor deposition - PVD) ist.15–17 Für die Untersuchung von ALD-Prozessen stellt die Schwingquarzmessung grundsätzlich ebenfalls ein geeignetes in situ-Messverfahren dar. Allerdings zeigen die geringe Verbreitung und der bisher ausschließliche Einsatz in speziellen Laboranlagen, dass es sich dabei bei Weitem nicht um ein Standardmessverfahren für ALD-Prozesse handelt. Dies liegt teilweise an der für den Einsatz in ALD-Anlagen unzureichenden Gerätetechnik, an den für erhöhte Prozesstemperaturen ungeeigneten Schwingquarzen, an den störenden Einflüssen von Prozessdruck und Prozesstemperatur und an Messergebnissen, die aufgrund von Messfehlern oder bei ungeeigneter Methodik nur schwer interpretierbar sind. Ziel dieser Arbeit ist es, Eigenschaften und Eignung der Messmethode zu untersuchen und an den entsprechenden Stellen zu verbessern. Hierfür sollen neben der Untersuchung der Schwingquarzmessung selbst, also insbesondere ihre Anwendbarkeit für die Entwicklung, Untersuchung und Überwachung von ALD-Prozessen und ihre Optimierbarkeit für den Einsatz in einer produktionsartigen ALD-Anlage für 300 mm-Wafer, auch die Untersuchung von ALD-Prozessen mit Blick auf die Auswirkungen von Prozessparametern auf das resultierende Schichtwachstum im Fokus stehen. Die Schwingquarzmesstechnik soll dafür in eine neue Cross-Flow-ALD-Prozesskammer integriert, für die ALD-Prozesse optimiert und anschließend eingesetzt werden, um die Atomlagenabscheidung von Aluminiumoxid (Al2O3), Titanoxid (TiO2) und Hafniumoxid (HfO2) basierten Schichten zu entwickeln und zu untersuchen. Dabei sollen zuerst Einzelprozesse entwickelt und untersucht werden, um diese anschließend für Mischschichten und Laminate kombinieren und die Interaktion der einzelnen Prozesse untersuchen zu können. Zusätzlich sollen die entwickelten ALD-Prozesse für die Beschichtung poröser Materialien optimiert werden, was höchste Anforderungen an die Prozesse stellt und wofür die Verwendung von Schwingquarzen mit porösen Oberflächen eine neue Methode zur Prozessentwicklung und Prozesskontrolle wäre.
1.3 Atomlagenabscheidung
1.3.1 Übersicht und Prinzip
Die Methode der Atomlagenabscheidung basiert auf der selbstbegrenzenden, zyklischen Chemisorption von Präkursormolekülen auf einer reaktiven Oberfläche. Nach dieser ersten Halbreaktion wird die chemisorbierte Molekülmonolage in einer anschließenden zweiten Halbreaktion in eine reaktive Oberfläche umgewandelt und ermöglicht die erneute Chemisorption im Präkursorschritt des folgenden ALD-Zyklus. Die zeitliche oder räumliche Trennung der beiden Halbreaktionen verhindert eine, wie bei der chemischen Dampfphasenabscheidung (chemical vapor deposition - CVD) übliche, kontinuierliche Reaktion zwischen den Reaktanden und der Substratoberfläche und ermöglicht durch zyklisches Wiederholen der beiden Prozessschritte das schrittweise Aufwachsen von Schichtmaterial. Durch die notwendige Eigenschaft der Präkursormoleküle, nicht mit anderen Molekülen der gleichen Oxidationsstufe zu reagieren, kommen die Oberflächenreaktionen zum Erliegen, sobald eine vollständige Bedeckung bzw. Oberflächenumwandlung erreicht ist.2,18 Hierdurch lässt sich ein selbstbegrenzendes Schichtwachstum mit einem definierten Wachstum pro Zyklus (growth per cycle - GPC) erreichen, das idealerweise im gesättigten Zustand ein von der Präkursordosis unabhängiges Wachstum gewährleistet. Da erhöhte Präkursordosen kein zusätzliches Wachstum auf bereits gesättigten Oberflächen erzeugen, können Prozessparameter, insbesondere die Puls- bzw. Einwirkzeiten, an komplexe Substrate und Strukturen angepasst und so eine konforme Beschichtung realisiert werden.
Abbildung 2 Schematische Darstellung des Prinzip der Atomlagenabscheidung anhand eines Zyklus mit Chemisorption des ersten Reaktanden an einer reaktiven Oberfläche, Spülschritt zum Entfernen der überschüssigen Moleküle von Reaktant 1 und der flüchtigen Reaktionsprodukte, Funktionalisierung (Oxidation/Reduktion) der bedeckten Oberfläche durch Reaktant 2 und erneutes Spülen zum Entfernen von Reaktant 2 und flüchtiger Reaktionsprodukte aus dem Prozessraum
Abbildung 2 zeigt den vereinfachten, schematischen Ablauf eines ALD-Zyklus, bei dem im ersten Reaktionsschritt Präkursormoleküle (Reaktant 1) auf der reaktiven Oberfläche chemisorbieren und nicht gebundene Moleküle zusammen mit flüchtigen Reaktionsprodukten im folgenden Spülpuls aus dem Reaktionsraum entfernt werden. Die mit Präkursormolekülen bedeckte Oberfläche wird im zweiten Reaktionsschritt durch den zweiten Reaktanden erneut in eine reaktive Oberfläche umgewandelt und die nicht verbrauchten Moleküle des zweiten Reaktanden sowie die entstandenen flüchtigen Reaktionsprodukte werden in einem weiteren Spülschritt aus dem Reaktionsraum entfernt. Die zyklische Wiederholung einer solchen ALD-Sequenz ermöglicht das schrittweise Beschichten einer Oberfläche bei einem konstanten Wachstum pro Zyklus, das üblicherweise einer mittleren Schichtdickenzunahme von 0,2 bis 1,0 Angström pro Zyklus (Å/cyc) entspricht. Durch dieses konstante GPC lassen sich über die Anzahl der durchgeführten ALD-Zyklen präzise definierte Schichtdicken abscheiden, wie Abbildung 3 am Beispiel der linearen Schichtdickenzunahme während eines Al2O3-ALD-Prozesses zeigt. Die Schichtdicken wurden mittels spektroskopischer Ellipsometrie nach 10, 20, 50, 100, 200 und 300 ALD-Zyklen bestimmt und zeigen deutlich die ALD-typische lineare Charakteristik.
Abbildung 3 Darstellung der Zunahme der ALD-Schichtdicke mit steigender ALD-Zyklenanzahl am Beispiel eines ALD-Prozesses für die Abscheidung von Al2O3 mit TMA und H2O mit Schichtdickenmessungen mittels Spektroskopischer Ellipsometrie nach 10, 25, 50, 100, 200 und 300 ALD-Zyklen
Die Bedeckung der Oberfläche mit Präkursor- oder Reaktivgasmolekülen folgt dabei Formel ( 1 ) in Abhängigkeit des Präkursor- oder Reaktivgaspartialdrucks p, der Adsorptionsrate ka und der Pulszeit t.2 Die resultierenden typischen pulszeiten- bzw. dosisabhängigen Sättigungskurven sind in Abbildung 4 am Beispiel der Bedeckung der Oberfläche eines Schwingquarzes mit TMA-Molekülen bzw. der Oxidation der TMA-bedeckten Oberfläche durch H2O-Moleküle während eines Al2O3 ALD-Prozesses dargestellt und zeigen deutlich das ALD-typische selbstbegrenzende Verhalten beider Reaktionspartner nach dem Erreichen einer bestimmten Massenanlagerung entsprechend einer Abnahme der Resonanzfrequenz des eingesetzten Schwingquarzes (siehe Abschnitt 2.1).
Abbildung 4 Selbstbegrenzendes Schichtwachstum pro ALD-Zyklus während der Chemisorption von TMA- und H2O-Molekülen auf einer Schwingquarzoberfläche, bestimmt durch Variation der jeweiligen Pulszeiten
Die für die Untersuchungen in dieser Arbeit verwendete cross-flow ALD-Kammer unterliegt aufgrund ihrer Geometrie und Funktionsweise (siehe Abschnitt 1.3.2) und der damit einhergehenden Gasdynamik einer positionsabhängig verzögerten Bedeckung der Oberfläche.19–21 Zur ortsabhängigen Beschreibung kann Fo...