Kapitel 1: Vorbemerkungen
1.1 Die Ausgangslage
Die Gerüchte am Arbeitsplatz werden immer konkreter:
Umsätze und Gewinne sind rückläufig, Einsparungen sind angekündigt, Abteilungen werden zusammengelegt, einzelne Bereiche sollen vollständig aufgegeben, ganze Standorte geschlossen werden.
Kurz: Es wird Entlassungen geben. Älteren Mitarbeitern sollen Abfindungen angeboten werden, damit bereits ein Teil "freiwillig" das Unternehmen verlässt, so dass die offizielle Zahl der Entlassungen weniger dramatisch klingt.
Im Idealfall ist dies spätestens der Punkt, an dem ein betroffener Mitarbeiter dieses Buch lesen sollte. Um für den Ernstfall vorbereitet zu sein. Um die richtigen Antworten auf die kommenden Fragen zu haben. Um keine Fehler zu machen, die später nicht wieder zu korrigieren sind.
Leider zeigt die Erfahrung, dass dies oft nicht der Fall ist. Ratgeber werden oftmals erst dann zu Rate gezogen, wenn es (fast) zu spät ist. Wenn die Kündigung schon seit einem Monat auf dem Tisch liegt oder ein Aufhebungsvertrag bereits unterschrieben ist.
Somit ergeben sich für die Leser dieses Buches ganz unterschiedliche Ausgangssituationen. Je nachdem, ob eine Kündigung durch den Arbeitgeber in Kürze zu erwarten ist, ob vielleicht sogar eine eigene Kündigung in Betracht gezogen wird, ob es ein Programm über ein freiwilliges Ausscheiden mit Abfindung gibt, ob ein Sozialplan für Mitarbeiter von stillgelegten Betrieben existiert oder was auch immer.
Aber so unterschiedlich die Ausgangslage auch sein mag, so bewegt doch alle gemeinsam die eine Kernfrage:
1.2 Die Kernfrage
Bei allen Verschiedenheiten, die sich durch die oben beschriebenen Ausgangslagen ergeben, ist das Resultat doch wieder für alle dasselbe: Sie werden Ihren Job verlieren.
Und die Chancen, einen adäquaten neuen Job zu bekommen, sind spätestens jenseits eines Alters von 50 Jahren nicht wirklich rosig. Und daher ergibt sich trotz aller Unterschiede in der Ausgangslage bei allen Betroffenen doch immer dieselbe Kernfrage:
Die Kernfrage
Wie kann ich nach dem Ende meines Beschäftigungsverhältnisses meinen Lebensunterhalt bis zur Rente finanzieren? Und wird die anschließende Rente danach ausreichen?
Wer seinen Arbeitsplatz mit einer Abfindung verlässt, hat sicher grundsätzlich schon einmal ein besseres Gefühl bei dieser Frage. Aber auf ein Bauchgefühl sollte man sich da lieber nicht verlassen.
Besser ist es, man stellt einmal einen Plan auf. Einen Finanzplan, in dem für die kommenden Jahre sämtliche Einnahmen und Ausgaben aufgelistet sind.
Darin enthalten natürlich die Abfindung - oder das, was von ihr übrig bleibt. Auf der Einnahmeseite zusätzlich die Unterstützung der Agentur für Arbeit. Vielleicht noch zusätzliche Einkünfte aus Kapitalvermögen oder einer Vermietung.
Auf der Ausgabenseite die monatlichen Ausgaben der Lebensführung zzgl. der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Irgendwann später einmal kommen dann die Einkünfte aus der gesetzlichen Rente hinzu.
Wer schon einmal versucht hat, einen solchen Finanzplan zu erstellen, der wird schnell gemerkt haben, warum das mehr als schwierig ist.
Denn einmal abgesehen davon, dass Prognosen immer schwierig sind, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen, so wird man sehr schnell feststellen, dass einem für die einzelnen Elemente, die man in einen solchen Plan eintragen müsste, wie Arbeitslosengeld, Krankenversicherung, Steuern usw., in der Regel die Daten fehlen.
Wer sein Leben lang gearbeitet hat, kennt nämlich normalerweise weder die Höhe noch die Dauer seines Anspruches auf Arbeitslosengeld. Und solange der Beitrag für die Krankenkasse automatisch von Gehalt abgezogen wurde, musste man sich da auch nicht weiter darum kümmern. Ganz zu schweigen von den Steuern, die auf eine Abfindung fällig werden.
Nun wäre es schön, wenn man die Punkte alle der Reihe nach durchgehen könnte, um Stück für Stück die Daten zu ermitteln und um diese dann anschließend in einen Finanzplan einzutragen.
Genau das werden wir auch machen. Aber es gibt noch ein kleines Problem: Alles hängt irgendwie zusammen und es fällt schwer, einen Anfang zu finden.
1.3 Alles hängt zusammen
Schauen wir uns einmal an, mit welchen Fragen jemand konfrontiert wird, der seinen Arbeitsplatz aufgeben musste bzw. der sich freiwillig in den Ruhestand begeben will.
Die Reihenfolge der Aktivitäten und der damit verbundenen Fragen ergibt sich ganz grob aus dem folgenden Diagramm:
Der Ablauf sieht demnach normalerweise wie folgt aus:
• Am Anfang steht der Vorschlag eines Aufhebungsvertrages (oder eine Kündigung, ggfs. mit Klage)
• Im Vertrag enthalten oder als Ergebnis einer gewonnenen Klage: Die Abfindung.
• Es folgt die Kernfrage: Ist das Angebot in Ordnung? Ist es angemessen? Wird es für die Zukunft reichen?
• Um die Frage zu beantworten, muss ein Finanzplan für die Zeit bis zur Rente und darüber hinaus erstellt werden.
• Aber wie viel bleibt denn von der Abfindung übrig? Gibt es da Freibeträge oder Vergünstigungen? Tricks, um möglichst wenig Steuern bezahlen zu müssen?
• Ziemlich schnell kommt die Frage nach dem Arbeitslosengeld: Bekommt man es überhaupt? Wenn ja, wie viel und wie lange? Gibt es Sperren oder Ruhezeiten (und was ist das?).
• Wer bezahlt eigentlich die Krankenkasse? Muss man sich privat versichern, wenn man keiner Arbeit mehr nach geht? Was kostet das?
• Und wie sieht es eigentlich später mit der Rente aus? Welchen Anspruch hat man? Wie wirken sich die Jahre ohne Arbeit aus? Wann kann man frühestens eine Altersrente beziehen?
• Wenn man alle diese Fragen beantwortet hat, kann man nun ein Angebot über eine Abfindung sehr viel besser beurteilen und mit diesem Wissen mit seinem Arbeitgeber einzelne Punkte verhandeln, die dann u.U. als Resultat einen neuen Vorschlag beinhalten.
• Und damit schließt sich dann der Kreis.
Mit kleinen Abweichungen werden wir diese einzelnen Punkte dann auch im Folgenden untersuchen.
Ein Problem ergibt sich aber einmal dadurch, dass sich die "Katze in den Schwanz beißt", wie man schon aus der Abbildung erkennt.
Was aber noch viel schlimmer ist, ist die Tatsache, dass fast alle der oben dargestellten Segmente gegenseitig voneinander abhängen.
So hängen z.B. die Steuern auf eine Abfindung nicht nur von der Höhe der Abfindung ab, sondern ganz entscheidend auch von den Formulierungen des Aufhebungsvertrages.
Genauso verhält es sich beim Arbeitslosengeld und bei der Krankenkasse. Andererseits wirken aber Arbeitslosengeld und Krankenkasse auf die Steuern zurück. Alles zusammen wirkt dann auf den Finanzplan. Dieser wiederum soll die Grundlage für eine Verhandlung bieten.
Irgendwo im Hintergrund lauert dann noch die Rente, die zwar nicht ganz so stark von den anderen Punkten abhängt, die man aber doch u.U. noch sinnvoll in die Überlegungen einbeziehen könnte.
Kurz gesagt: Wenn man in das obige Diagramm zusätzlich noch Pfeile einzeichnen würde, die die gegenseitigen Wechselwirkungen zwischen den Segmenten darstellen, würde...